In: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten: INAMO ; Berichte & Analysen zu Politik und Gesellschaft des Nahen und Mittleren Ostens, Band 23, Heft 91, S. 35-38
Allmählich beginnt man zu erkennen, daß die moderne Wirkungsgeschichte des Islams wie kaum ein anderes Phänomen dazu beigetragen hat, die Grundlagen der westlichen Geistes- und Sozialwissenschaften in Frage zu stellen. Die vorliegende Textsammlung beobachtet und analysiert diese Prozesse aus mehreren Perspektiven: Erstens nimmt sie die Rückwirkungen und Verunsicherungen in den Blick, die die moderne Beschäftigung mit dem Islam in bezug auf die »eigenen«, abendländischen »fundamentals«, die Wesenszüge des modernen Selbstverständnisses, auslöst. Zweitens widmet sich das Buch der Frage nach den Dynamiken und Richtungen der Globalisierung, die das Verhältnis von Islam und europäischer Moderne in Gang setzt. Drittens enthält das Buch einige Untersuchungen zu den sozialen Spannungen, die durch das Aufeinandertreffen von ideologisch politisiertem Islam und überkommener Alltagspraxis vor allem im ländlichen Ägypten entstehen. Dabei werden auch Fragen an die klassische deutsche Islamwissenschaft gestellt. Es wird diskutiert, inwieweit auf sie aufbauend die Probleme des Islams in der modernen, globalisierten Gesellschaft untersucht werden können und entsprechende Forschungsansätze entwickelt.
Der Autor untersucht die Bedeutung des zeitgenössischen Islam für die sozialen Ordnungen in lokalen Kontexten. Er beschreibt hierzu beispielhaft einige Forschungserfahrungen in Ägypten und unternimmt vor diesem Hintergrund den Versuch, vergleichende Untersuchungen zu strukturieren, die sich im wesentlichen auf drei Bereiche beschränken: Die Entgrenzungsproblematik lokaler islamischer Kontexte erschließt sich zum einen aus dem Zusammenhang, der sich im Spannungsfeld von miteinander konkurrierenden lokalen Ordnungsvisionen in unterschiedlichen Formen der Textpräsenz (z.B. modernistisch, traditionalistisch, fundamentalistisch und ritualistisch) niederschlägt. Die Formen der strukturellen Verflechtung im Zentrum-Peripherie-Gefälle bezeichnen zum anderen ein Feld der konkurrierenden Netzwerkentfaltung. Drittens stellen die Wechselspiele der Annahme, Zurückweisung oder Umformulierung von Fremdbeschreibungen und Formen ihrer Verkörperung bei der symbolischen Besetzung öffentlicher Räume ein weiteres Spannungsfeld der Konstitution lokaler sozialer Ordnung dar. Der Autor greift die Problematik der religiösen Entgrenzung auf, da sie übergreifend für die genannten Bereiche ist, und erläutert diese am Beispiel der lokalen Textpräsenz, der Netzwerkanalyse und der Wirkungsweise gegenseitiger symbolischer Hegemonialisierung. (ICI2)
"Die Ausführungen konzentrieren sich thematisch auf drei eng miteinander verbundene Bereiche: In den Abschnitten I bis VIII wird v.a. der Zusammenhang zwischen kultureller Globalisierung und Fundamentalismus dargelegt. Die Abschnitte IX bis XI heben dann die Bedeutung der eigenlogischen Entfaltung kultureller Differenzbildung und ihrer irrationalen gesellschaftlichen Wirkung hervor. Schließlich wird in den Abschnitten XII und XIII zu zeigen versucht, daß nicht der Islam als solcher unter den Bedingungen der Globalisierung zum Autoritarismus führt, sondern sich durchaus auch zum Instrument neuer Demokratie-Bewegungen entwickeln kann." (Autorenreferat)
AbstractThis paper takes off on Rodney Needham's exemplar of Psalmanaazaar to compare fake ethnography with theory construction. Needham claims that Psalmanaazaar's exotic ethnography of Formosa was initially not discovered as fake because it was based on factual description and avoided theory. The writer argues that in exploring anthropological theorizing on Bali, that similar to fake ethnography, theory needs an indissolvable core of the all-too-human reality. Engaged with deep issues of civilizing processes, anthropological theory necessarily panders to human existence as such, exoticizing it into a type of "counter-culture". From Bateson to Geertz to Wikan and Barth, the case of Bali is worked out with respect to the intricacies of human existence, exploring ever deeper forms of everydayness which we all share.
In recent years Singapore has come to be seen as a successful project of economic transformation and capitalist development. What is more remarkable - but less discussed - is Singapore's success in building a multiethnic society and the unique concomitant civilizing processes that have accompanied this. Singapore represents today a project of a multi-ethnic and multi-cultural polity and a postmodern global city that combines civility, nostalgia and economic functionality. Here it is argued that - despite some well-known and decisive dark spots on the political landscape - this success has to do with two concomitant processes. One is the functionally administered extension of the state into the meaning-sphere of the individual, totalizing it from within his own nostalgia in an exoticized urban space. The other is the soteriological transcendence of individual and intra-individual relations within and beyond the culturally recognized `communities'. Westerners will not be able to learn from the Singapore process of multi-cultural civilization should they continue to merely understand it in terms of `Asian authoritarianism'.
Analyzes the project undertaken in Singapore to create a multiethnic, multicultural polity in the context of a postmodern global city that combines civility, nostalgia, & economic functionality. It is argued that, despite much publicized negative actions, Singapore has succeeded in constructing a multiethnic polity because of (1) an extension of the administrative state into the meaning sphere of individuals, totalizing it from in their own nostalgia in an exoticized urban space; & (2) a soteriological transcendence of individual & intraindividual relations in culturally recognized communities. This civilizing process is discussed in terms of Norbert Elias's (1969) Eurocentric theory, noting that, while many of Elias's essential ingredients are extant in Singapore, they seem to generate a new configuration based on fundamentally different techniques. Adapted from the source document.
In: Orient: deutsche Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur des Orients = German journal for politics, economics and culture of the Middle East, Band 38, Heft 2, S. 405-412
Die kulturelle Globalisierung setzt die Gegensätze zwischen "Ost" und "West", "Orient" und "Okzident", modern und vormodern in jeder Einzelgesellschaft durch, so daß sich die Gesellschaften nicht mehr als als kulturell eindimensionale, monolithische Gebilde bestimmen lassen. Der komplexe interaktive Prozeß der Sinndeutungen über Kulturgrenzen hinweg erzeugt nach dem Verlust eines integrierenden Wertezentrums eine neue Systemrealität im Weltmaßstab. Der vorliegende Beitrag untersucht diese Tendenzen am Beispiel der neuen zivilisatorischen und weltgesellschaftlichen Bedeutung des Islam, um zu zeigen, wie das dringend erforderliche soziologische Analyseprojekt der Austauschprozesse zwischen den Kulturen und Zivilisationen über Nationalstaatsgrenzen hinweg in concreto auszusehen hat. (pmb)
Dieser Beitrag untersucht die Folgen der Rückwanderung in das Herkunftsgebiet am Fallbeispiel ländlicher Regionen in Ägypten. Zunächst wird der allgemeine Zusammenhang zwischen zeitlich begrenzter Arbeitsmigration und ländlichem Strukturwandel erörtert. Der Autor beschreibt die "soziale und kulturelle Transformation im globalisierten Interaktionsfeld zwischen Dorf und der Arbeitswelt des Empfängerlandes" und erörtert die durch Arbeitsmigration bewirkte Transformation des dörflichen Habitus. Abschließend werden am Beispiel von zwei oberägyptischen Dörfern zwei unterschiedliche Formen des Strukturwandels im Zeichen der Migration und der Islamisierung deutlich. Die Untersuchung zeigt am Fallbeispiel Ägypten, wie "radikal, kontrastreich und widersprüchlich die sozialen und kulturellen Wandlungseffekte der Migrationsbewegung sind." (ICE)