Der Autor beschreibt die innenpolitische Situation Japans im Vorfeld des 12. Weltwirtschaftsgipfels in Tokio, den Oberhauswahlen und der Neuverteilung der Unterhaussitze auf die 130 Wahlbezirke des Landes. Neben der aktuellen Stimmungslage wird auf das japanische Wahlsystem näher eingegangen. (DÜI-Xyl)
Nach fast 60-jähriger LDP-Führung regiert seit dem 30. August 2009 die DPJ (Demokratische Partei Japans) das Land, zusammen mit ihren Koalitionspartnern SDP (Sozialdemokratische Partei) und PNP (Neue Volkspartei). Veränderung hatte das Schlagwort der DPJ-Wahlkampagne gelautet. Für den außenpolitischen Teil in Hatoyamas Parteiprogramm bedeutet dies eine deutlichere Hinwendung zu Asien und eine distanziertere Haltung gegenüber den USA. Mit Blick auf den japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrag werden nichtmilitärische Kooperationsmöglichkeiten im Bündnis einen Schwerpunkt darstellen. Zudem sind immer mehr Versöhnungsgesten gegenüber China und Südkorea zu beobachten. Die Pläne zu innenpolitischen Reformen, unter anderem der Ministerialbürokratie, werden langsam klarer. So soll eine Regierungskonferenz sich mit Verwaltungsreformen beschäftigen. Obwohl jedoch die Regierung ihr außenpolitisches Programm als »neu« deklariert hat, wird es langfristig keine Veränderung in Japans Außenpolitik geben. Nicht auf sie wird sich das Hauptaugenmerk der DPJ in naher Zukunft richten, sondern darauf, möglichst viele Wahlversprechen in der Innenpolitik einzulösen
Seit dem 24. September hat Japan wieder einen neuen Regierungschef. Der neue Mann, Taro Aso, ist damit am Ziel seiner Ambitionen, die er erkennbar seit dem Rücktritt von Premier Koizumi im September 2006 gehegt hat. Allerdings ist die Regierungspartei LDP, die das Land seit fast einem halben Jahrhundert führt, von der innen- wie auch von der außenpolitischen Situation Japans ganz offenbar überfordert. Unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Unter- und Oberhaus lähmen die Regierungsarbeit. Die unaufhaltsam näher rückenden Wahlen - die spätestens im September 2009 stattfinden müssen - könnten der LDP die Mehrheit sogar im Unterhaus kosten. Auch nach außen gelingt es Japan immer weniger, seine Interessen durchzusetzen. Eine weitere Marginalisierung des Landes allerdings kann den Interessen der USA in Asien nicht dienlich sein. Auch für Europa würde dann ein finanzkräftiger Wertepartner in der Region und weltweit wegfallen. Ein nur mit sich selbst beschäftigtes Land entzieht der Weltgemeinschaft dringend benötigte Problemlösungskapazitäten
Die chinesisch-japanische Kontroverse ist mit der Entschuldigung von Premierminister Koizumi für die japanische Kriegsschuld und dem anschließenden Treffen mit dem chinesischen Staatschef Hu Jintao nicht beigelegt. Der Ursprung des Disputs besteht nicht in historischen Fragen, sondern in Tokyos Bemühungen um ein größeres regionales und internationales sicherheitspolitisches Profil und in der zunehmenden Einbeziehung Taiwans in die japanisch-amerikanische Allianzplanung. Während die ökonomische Logik für eine einvernehmliche Beilegung spricht, gewinnen nationalistische Tendenzen auf beiden Seiten an Dynamik. (SWP-aktuell / SWP)
The recent Sino-Japanese dispute has not been brought to an end with Prime Minister Koizumi's apology for Tokyo's war record and his subsequent meeting with China's head of state, Hu Jintao. Rather than concerning historical issues, the background to the dispute concerns Japan's attempts to adopt a higher regional and international security profile and the inclusion of Taiwan in US-Japanese alliance planning. Whereas economic logic would favour cooperative solutions, nationalist trends on both sides have increasingly assumed dynamics of their own. (SWP comments / SWP)
Japan trägt als zweitgrößte Wirtschaftsmacht auch große außen- und sicherheitspolitische Verantwortung, sowohl regional als auch global. Keine japanische Nachkriegsregierung genoß so lange eine so breite Zustimmung der Japaner wie die amtierende unter Junichiro Koizumi seit dessen Amtsantritt als Premier im Jahr 2001. Diese hohe Zustimmung wurde durch die überraschend von Koizumi erzwungenen Neuwahl zum Unterhaus am 11. September eindrucksvoll bestätigt.Die Studie behandelt Tokyos Verhältnis gegenüber dem Nahen Osten, insbesondere sein militärisches Engagement im Irak. Die hier erkennbare Verknüpfung von handelspolitischen (japanische Erdölimporte) mit allianzpolitischen (japanisches Militär in einem vom amerikanischen Militär kontrollierten Kriegsgebiet) Aspekten ist eines der Charakteristika der neuen japanischen Außenpolitik. Nationale Interessen werden durch gewichtige gesetzgeberische Maßnahmen mit Außenwirkung flankiert. Das neue außenpolitische Selbstverständnis Japans ist gerade in Tokyos Politik gegenüber dem Nahen Osten für die USA, Europa und die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu übersehen.Der in der Nahostpolitik, insbesondere durch Japans Truppenentsendung in den Irak, feststellbare Paradigmenwechsel ist gekennzeichnet durch ein neues Selbstbewußtsein und ein in dieser Deutlichkeit bisher ungewohntes Eintreten für japanische Interessen. Augenfälligstes Merkmal ist eine Außenpolitik, die den bilateralen Sicherheitsvertrag bewußt erfüllt, ohne ihn aber als Hindernis eigenständiger Interessenverteidigung zu betrachten. Dabei sind seit dem letzten Wahlsieg der Regierungskoalition Fragen zur Korrektur der Fernostklausel im Sicherheitsvertrag oder zur Revision der Verfassung ganz oben auf Tokyos politischer Agenda. (SWP-Studie / SWP)