Die repressive Politik des Mubarak-Regimes in Ägypten steht im Gegensatz zu einer reformistischen Rhetorik und stellt für den weit verbreiteten Glauben an ein demokratisches "Ende der Geschichte" eine doppelte Herausforderung dar. Allgemein gesagt zeigt das Ägypten der Gegenwart, wie elastisch autoritäre Herrschaft in Zeiten angeblicher Demokratisierung sein kann. Ägypten legt ein beredtes Zeugnis davon ab, dass partielle Wirtschaftsreformen und wirtschaftliche Liberalisierung nicht notwendigerweise auch eine politische Liberalisierung nach sich ziehen und tatsächlich zu einer weiteren Einschränkung von Freiheitsrechten führen können. In Ägypten sind positive wie negative Freiheiten periodisch eingeschränkt und wieder ausgeweitet worden. Diese Ausweitung ging jedoch nie so weit, dass man von einer Demokratie hätte sprechen können. Will man die Kontinuität autoritärer Herrschaft in Ägypten erklären, muss man die Gründe für das Fehlen alternativer Machtzentren benennen. Die Antwort liegt zum Teil in der dominanten Rolle, die der Staat - und damit das Regime - in der ägyptischen Wirtschaft seit der Agrarreform- und Nationalisierungspolitik Nassers in den 1950er und 1960er Jahren gespielt hat. Auch die militärische Verankerung des Regimes spielt eine wichtige Rolle, zementiert durch beständige - angebliche oder reale - Bedrohungen von außen, die von einer zutiefst nationalistisch eingestellten Bevölkerung als politische Randbedingung akzeptiert werden. Ein weiterer Teil der Antwort liegt in der materiellen und diplomatischen Unterstützung aus dem Ausland, vor allem seitens der USA und Europas, die Ägypten so für die Anerkennung Israels und den Kampf gegen den Islamismus belohnen. Seit dem 11. September 2001 spielt die Förderung der Demokratie eine wichtigere Rolle in der europäischen und amerikanischen Außenpolitik. Die Wirkung dieser Politik wird aber davon abhängig sein, dass externe Akteure eine Veränderung des internen Kräfteverhältnisses betreiben, beispielsweise durch eine Überwachung der Privatisierung, eine Unterstützung unabhängiger Gewerkschaften oder eine Reduzierung der dem Regime zufließenden externen Renten. Auf absehbare Zukunft wird das politische System Ägyptens sich weiterhin wandeln und anpassen, eine Entwicklung in Richtung auf eine freiheitliche Demokratie ist allerdings unwahrscheinlich. Unter diesen Bedingungen werden die oppositionellen Islamisten nur einen indirekten Einfluss auf die Politik ausüben können, eine Regierungsbeteiligung ist nicht in Sicht. Eine Demokratisierung des politischen Systems in Ägypten könnte wohlmöglich nur einen begrenzten Erfolg für die gegenwärtig geächteten Islamisten bringen. Auch die Islamisierung des privaten wie öffentlichen Lebens würde nicht unbedingt forciert werden. Der Aufstieg der bis dato marginalisierten Islamisten kann mit einer Demokratisierung kompatibel sein. Das wirkliche Problem bleibt die Demokratisierung selbst, ein - selbst nach einem möglichen Regimewechsel - rein hypothetischer Prozess, solange keine konkurrierenden Machtzentren existieren. (ICEÜbers)