Verfassungsänderungen als Systemwechsel: Österreich 1848-1938
In: Der Staat: Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches öffentliches Recht. Beiheft, Heft 20, S. 195-217
ISSN: 0720-6828
Die Habsburgermonarchie durchlief im Zeitraum von 1848 bis 1918 erst eine kurze konstitutionelle Periode von 1848 bis Ende 1851, sodann eine längere von 1867 bis zum Staatsende 1918, unterbrochen von einer "Enklave" nach zeitgenössischer Sicht, nämlich vom Konzept einer neuständischen Monarchie von 1852 bis 1867, das aber aufgrund seiner Realisierung erst ab 1861 davor eine neoabsolutistische Phase überlagerte. Auch die Verfassungsentwicklung im neuen Staat, der Republik Österreich, zeigt klare Zäsuren, und zwar abgesehen von der Staatsgründung durch formelle Verfassungen: ab der Staatsgründung im Herbst 1918 ein dezentralisierter Einheitsstaat als extrem parlamentarische Republik aufgrund provisorisch angesehener verfassungsrelevanter Gesetze bis 1920; dann durch die Bundesverfassung 1920 weiterhin parlamentarische Republik jedoch als Bundesstaat; mit der als tiefgreifend gedachten Verfassungsnovelle 1929 weiterhin Bundesstaat, aber als parlamentarisch-präsidiale Republik; schließlich mit der Verfassung 1934 ein autoritärer Ständestaat bei nur schwachem Föderalismus; im Jahr 1945 schließlich Rückkehr zur Verfassungssituation von 1920/1929. So sehr sich die einzelnen Perioden durch formelle Verfassungen von einander abgrenzen, gestalten sich doch die Übergänge in mehr oder weniger starker Weise fließend dadurch, dass Elemente aus der abgelösten Verfassungskonstruktion übernommen wurden. Diese Entwicklungen werden im vorliegenden Beitrag näher dargelegt und diskutiert. (ICI2)