Die Weltrepublik - doch keine Chimäre?
In: Politik, Moral und Religion - Gegensätze und Ergänzungen: Festschrift zum 65. Geburtstag von Karl Graf Ballestrem, S. 437-454
Der Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, ob und wie sich der "Ewige Friede" im Sinne Kants politisch schaffen lässt, wie sich also das Mit- und Gegeneinander der Staaten im Sinne einer dauerhaft friedlichen internationalen Ordnung ausgestalten lässt. Kant sah hier keine andere Möglichkeit, die realistisch und erstrebenswert zugleich ist, als ein "Bündnis der Völker" (foedus pacificum), eine lose Selbstverpflichtung demokratisch verfasster Staaten auf den Frieden, die mit der Ausbreitung demokratischer Regierungsformen schrittweise universale Verbindlichkeit erlangen sollte. Ausgehend von diesen Überlegungen wird eine etwas andere Argumentation entfaltet. Danach ist die Weltrepublik nicht nur im Grundsatz vorstellbar, sie ist bereits im Entstehen begriffen. Unter "Weltrepublik" verstehe der Autor dabei - mit Kant - ein politisches Gebilde mit Staatsqualität, das geographisch universale Zuständigkeit besitzt. Sie impliziert eine Verdichtung der zwischenstaatlichen und zwischengesellschaftlichen Beziehungen, die sich grundsätzlich vom "Bündnis der Völker", dem lockeren zwischenstaatlichen Kooperationsverbund, unterscheidet. Der moderne, souveräne Nationalstaat wird durch die Prozesse der Globalisierung zugunsten der "Weltrepublik" entmachtet, die ihrerseits aber durch den modernen Nationalstaat und seine Defizite in ihren politischen Möglichkeiten entscheidend eingeschränkt und somit ohnmächtig gehalten wird. Die "Weltrepublik" ist somit ebenso real wie unzulänglich, ebenso unumgänglich wie politisch unmöglich; sie ist deshalb zutiefst defekt. (ICA2)