30 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik ist eine Soziologengeneration nachgewachsen, für die die Nachkriegszeit 'Geschichte' ist und die die Soziologie der frühen 50er Jahre oftmals als Vorgeschichte der 'modernen' Soziologie ansehen. Aus diesem Grund will der Autor soziologiegeschichtlich untersuchen, wie die Soziologie nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland wieder Fuß faßte und wie sie sich mit den gesellschaftlichen Problemen der Nachkriegszeit auseinandersetzte. Die zentralen Themen waren: die erzwungenen Wanderungsprozesse, die großen Gruppen der Vertriebenen und Flüchtlinge, die Kriegsopfer und Arbeitslosen, die Entwurzelten und sozial Deklassierten; die Situation der Jugend im Nachkriegsdeutschland, die Frage welche Einstellungen und Lebensperspektiven sie unter dem Einfluß von Nationalsozialismus, Krieg und Zusammenbruch entwickelt hat; das Verhältnis der Bevölkerung zur politisch-öffentlichen Sphäre und die mißtrauisch-resignative Distanz weiter Bevölkerungskreise zu Staat und Politik. Die Ausgangslage der Sozialwissenschaften an den Universitäten war so, daß vielerorts schien, der Kampf der 20er Jahre um Anerkennung und Einordnung der neuen Wissenschaft müsse noch einmal geführt werden. Unter den wenigen Sozialwissenshaftlern die es gab, war das Bewußtsein stark, die Disziplin müsse und könne einen Beitrag zum politischen und gesellschaftlichen Wiederaufbau leisten. Hohe Erwartungen wurden dabei in die empirisch ausgerichteten Sozialwissenschaften gesetzt. Daneben entwickelt sich wieder - nach der langjährigen Unterbrechung durch den Nationalsozialismus - eine geschichts- und kulturphilosophisch orientierte Soziologie. (KA)
'Zwischen 1750 und 1850 fand in den europäischen Gesellschaften eine tief greifende Transformation statt, deren Tragweite lange unterschätzt wurde. Die Veränderung bestand nicht darin, wie lange angenommen wurde, dass sich die Familien in die neu erfundene 'Privatsphäre' zurückzogen. Im Gegenteil: Die vielfältigen Beziehungen, die die Familien mit den Verwandten verbanden, wurden intensiviert. Wie David W. Sabean vor einigen Jahren argumentiert hat, kann man das 19. Jahrhundert als die 'heisse' Zeit der Verwandtschaftsbeziehungen betrachten. Die vorliegende Studie versucht, anhand einer mikrohistorischen Untersuchung in Vouvry, einem kleinen Dorf des Wallis (Schweiz) zwischen 1650 und 1850, einige Aspekte dieser 'Intensivierung der Verwandtschaft' zu erhellen. Untersucht werden drei Familiengeschichten, die verschiedene soziale Gruppen betreffen. Die Analyse zeigt, wie in verschiedenen Schichten mittels Heiratsallianzen, aber auch durch Patenschaften und andere soziale Beziehungen, dichte 'Verwandtschaftsfelder' konstruiert wurden, welche die Solidarität verschiedener Haushalten und Familien durch die wechselhaften Konjunkturen ab Mitte der 1760er Jahren sichern sollten.' (Autorenreferat)