Islam, the Middle East, and the new global hegemony
In: The Middle East in the international system
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In: The Middle East in the international system
World Affairs Online
In: The international spectator: a quarterly journal of the Istituto Affari Internazionali, Italy, Band 48, Heft 2, S. 17-24
ISSN: 0393-2729
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In: Osteuropa, Band 59, Heft 1, S. 83-95
ISSN: 0030-6428
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Blog: Rechtspopulismus
In diesem Beitrag stellt Hannah Wieland folgenden Text vor:Hammel, Laura (2020): Wie passen (Rechts-)Populismus und der Glaube an Verschwörungstheorien zusammen?; Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg, https://www.boell-bw.de/de/2020/11/11/wie-passen-rechts-populismus-und-der-glaube-verschwoerungstheorien-zusammen. Der Artikel von Laura Hammel beschreibt die Thematik, inwiefern Rechtspopulismus und der Glaube an Verschwörungstheorien zusammenhängen. Es wird exemplarisch dargestellt, wie die Landtagsfraktion der AfD aus Baden-Württemberg bestimmte Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie genutzt hat, um mit unzufriedenen Bürgern und Bürgerinnen aufgrund der Covid-Einschränkungen zu sympathisieren.Zusammenfassend erörtert der Beitrag, inwiefern rechtspopulistische Parteien Verschwörungstheorien nutzen, um Anhänger*innen für ihre Partei zu rekrutieren und welche Parallelen sich zwischen den beiden Bewegungen erkennen lassen. Dabei wird näher beleuchtet, wie Verschwörungstheorien argumentieren, auf welche Vorurteile sie ihre Argumentation aufbauen und welche Rolle das Internet spielt.Zudem wird die Tatsache beleuchtet, dass Verschwörungstheorien auch ganz allgemein gesehen immer häufiger im Zusammenhang mit Rechtspopulismus auftreten, jedoch nur selten systematisch untersucht werden. Viele rechtspopulistische Parteien in liberalen Demokratien der westlichen Welt erfahren einen deutlichen Zuwachs. Aufgrund dieser Veränderung beobachten Expert*innen auch immer häufiger, dass Verschwörungstheorien von führenden Rechtspopulist*innen verbreitet werden. Als Beispiel zeigt der Text hier die Twitter-Aktivitäten des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump.Als erster Punkt wird im Beitrag die Argumentationsstruktur von Verschwörungstheorien näher beschrieben. Der Tübinger Amerikanistik-Professor Michael Butter, der seit vielen Jahren zu Verschwörungstheorien forscht, versteht Verschwörungstheorien als Erzählungen, die "[…] behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe, nämlich die Verschwörer, aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren und oder zu zerstören." (Butter, zit. nach Hammel 2020). Ganz grundlegend ausgedrückt stellen Verschwörungstheorien also den argumentativen Versuch dar, weitreichende soziale und politische Ereignisse und deren Folgen durch eine angebliche Verschwörung vollumfänglich zu erklären.Er zeigt sich, dass die Argumentationsstruktur bei Verschwörungstheorien festen Mustern folgt und es dabei keine Zufälle gibt. Anhand dieser Tatsache wird nun deutlich, dass Ereignisse wie die Corona-Pandemie nicht als zufällige Folge eines komplexen Sachverhalts, der Krankheitsübertragung zwischen Mensch und Tier, gesehen werden, sondern vielmehr als ein von Menschen gezüchteter Virus, der den Verschwörern bei der Umsetzung ihrer Pläne hilft.Diese Gedanken, dass Menschen eine uneingeschränkte Handlungsfähigkeit besitzen, führt zu dem Gedanken, dass die Corona-Pandemie von bestimmten Menschen erzeugt wurde, um ihren Willen durchzusetzen. Es ist somit kein Platz für die Tatsache, dass man mehrere Ereignisse berücksichtigen muss, um eine solche Veränderung in der Welt zu erklären. Diese deutliche und klare Darstellung zu komplexen Ereignissen auf der Welt machen Verschwörungstheorien für viele Menschen attraktiv. Motive werden klar benannt und stehen im direkten Gegensatz zu wissenschaftlichen Erklärungsversuchen, die für normale Menschen manchmal schwer zu fassen sind.Ein weiterer Punkt ist, dass laut Verschwörungstheoretiker*innen Ereignisse wie die Corona-Pandemie Teil einer größeren Verschwörung sind, die mit mehreren Ereignissen verbunden sind und mehrere Generationen betrifft. Somit ist die Pandemie nur ein weiterer Baustein von vielen der letzten Jahrzehnte, die letztendlich zur Übernahme der Weltherrschaft führen.Ein weiterer Punkt, der im Artikel aufgezeigt wird, ist der Umstand, dass bei Verschwörungstheorien nie etwas so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Als Beispiel hierfür werden die Kontaktbeschränkungen genannt, die eben nicht als Maßnahme zur Eindämmung des Corona-Virus gesehen werden, sondern zur Einschränkung der Freiheit der Bevölkerung, die sich langfristig zu Untertanen einer Diktatur entwickeln soll. Denn im Sinne der Verschwörungstheorien stehen sich in unserer Welt die guten Mächte, das Volk, und die bösen Mächte, die Eliten, in einem unüberwindbaren Dualismus gegenüber.Diese Erklärung leitet den Artikel dann auch direkt zum nächsten Punkt, und zwar der Feindbildkonstruktion bei Verschwörungstheorien. Der Artikel thematisiert, dass Verschwörungstheorien ihre Feindbilder meist auf schon existierenden Stereotypen einer Gesellschaft aufbauen. Beispielsweise die Verbindung von verschwörungstheoretischen Narrativen und antisemitischen Vorurteilen wird immer häufiger erkannt oder auch die Tatsache, dass wenn sich das Land in einer wirtschaftlichen Krisensituation befindet, der Hass sich gegen Milliardäre richtet und ihnen die alleinige Schuld zugeschrieben wird. Desweiteren lässt sich festhalten, dass Verschwörungstheorien einzelne Personen zu Sündenböcken machen, um dem Übel der Welt ein Gesicht zu geben.Im weiteren Verlauf des Artikels wird thematisiert, welche Rolle das Internet bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien spielt. Als erstes lässt sich erkennen, dass durch die vielen verschiedenen Medien, wie etwa You Tube, viel mehr Menschen mit Verschwörungstheorien konfrontiert sind und letztendlich dann natürlich auch mehr Menschen daran glauben, da sie einfach sichtbarerer werden. So werden viele Menschen durch Suchmaschinen zu Verschwörungstheorien geleitet, obwohl sie eigentlich nicht danach gesucht haben.Die Vernetzung zwischen den Anhänger*innen wird durch Social Media sehr viel leichter. Sie können sehr viel schneller und besser in Kontakt treten, was natürlich dazu führt, dass sie sich immer wieder und viel stärker in ihren Absichten bestärken können. Doch auch wenn es durch die genannten Fakten offensichtlich scheint, dass Verschwörungstheorien mehr Akzeptanz in unserer heutigen Mediengesellschaft bekommen, zeigt der Artikel, dass eigentlich das Gegenteil passiert ist.Natürlich ist es offensichtlich, dass es heutzutage viel mehr alternative Medien gibt, jedoch waren z.B. in den 1950er Jahren Verschwörungstheorien ganz anders angesehen als in unserer heutigen Welt. Sie waren viel mehr legitimiert und wurden von allen gesellschaftlichen Schichten geglaubt und auch weiterverbreitet. Dieses Bild hat sich verändert, denn seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind Verschwörungstheorien, auch wenn sie in unserer Gesellschaft immer mehr werden, in den meisten Bereichen der Gesellschaft negativ behaftet.Wer aber glaubt letztendlich an Verschwörungstheorien? Als Beispiel wird die AfD genannt. Häufig fühlen sich die Anhänger*innen dieser Partei machtlos, da sie ihren politischen Einfluss als gering wahrnehmen und sich in ihrem sozioökonomischen Dasein bedroht fühlen. Menschen, die ihre Situation subjektiv so wahrnehmen und sich machtlos fühlen, gehören häufig zur populistischen Wählerschaft. An diesem Punkt stellt der Artikel somit die erste Parallele zwischen Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien her. Im Kern bedeutet es, dass Menschen, die einer der beiden Bewegungen zugehörig sind, ein Gefühl der Machtlosigkeit empfinden und mit verschiedenen Ängsten konfrontiert sind, Ihre Privilegien und ihre Position in der Gesellschaft zu verlieren. An dieser Stelle ist es für viele Menschen der Glaube an Verschwörungstheorien, der ihnen hilft, sich den sozialen Wandel besser zu erklären, denn sie können die Veränderungen als das Produkt einer Verschwörung sehen.Den ideologischen Kern der beiden Bewegungen bildet die Vorstellung, dass das ehrenhafte Volk gegenüber korrupten, elitären Politiker*innen steht. Im Sinne vieler Rechtspopulist*innen haben die Politiker*innen sich vom Volk abgewendet, um ihre eigenen Interessen zu vertreten. Diese Gedanken teilen Sympathisanten von Verschwörungstheorien ebenfalls. Somit treffen sich diese beiden Bewegungen an dem Punkt, dass die Eliten abgesetzt werden müssen, um dem Willen des Volkes wieder Gehör zu verschaffen.Hierfür wäre es zudem sehr hilfreich, wenn sich die parlamentarische Demokratie in eine direkte Demokratie wandelt, denn nur dann entscheidet wirklich das Volk und eben nicht die Lobbyisten. Laut ihrer Ansichten ist es ihnen also möglich, den Willen des Volkes zu repräsentieren und jeder, der einer ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheit angehört und so ein anderes Denken unterstützt, hat in dieser konservativen Wertegesellschaft keinen Platz. Denn jegliche Veränderung in Richtung Vielfalt ist eine Bedrohung.Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Bewegungen ist, dass ihre Ansichten und Überzeugungen in vielen Bereichen der Gesellschaft nicht toleriert werden. Mit der anschließenden Stigmatisierung in der Gesellschaft suggerieren Sie in ihren eigenen Reihen, dass sie der unangenehmen Wahrheit auf der Spur sind und es nur ein Beleg dafür sei, dass sie den Eliten gefährlich werden könnten.Im weiteren Verlauf des Artikels wird der Experte Mark Fenster zitiert. Er sieht Verschwörungstheorien nicht als notwendiges Element des Rechtspopulismus. Denn es zeigt sich, dass die populistische Ideologie eigentlich auch ohne Verschwörungstheorien ihre Reichweite aufbauen kann und auch häufig keine Verschwörungstheorien nutzt. Im Gegensatz dazu sind Verschwörungstheorien laut Mark Fenster immer populistisch.Im nächsten Abschnitt des Artikels ergänzt Michael Butter die Argumentation von Fenster und stellt klar, dass sich in seinen Augen rechtspopulistische Parteien perfekt eignen, um Verschwörungstheorien zu integrieren, da sie im Vergleich zu anderen Parteien dazu bereit sind, zweifelhafte Aussagen oder eben Verschwörungstheorien in ihren eigenen Reihen zu akzeptieren.Der nächste Abschnitt im Artikel erörtert nun anhand der eben bestimmten Faktoren der Gemeinsamkeiten zwischen Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus, inwiefern die Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg Verschwörungstheorien für ihre Zwecke eingesetzt hat. Der Artikel legt offen, wie die AfD Baden-Württemberg ihre gewählte Rolle als Anti-Establishment während der ersten Proteste gegen die verhängten Corona-Einschränkungen mit Hilfe von Verschwörungstheorien versucht zu festigen.Die verschwöhrungstheoretischen Inhalte werden strategisch eingesetzt, um die entsprechende Zielgruppe zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, zeigt es sich, dass die Landtagsfraktion der AfD sich einem verschwörungsrhetorischen Wandel unterzogen hat, um sich so in noch einem Punkt von den anderen Parteien zu unterscheiden. Der Artikel beschreibt , dass sich viele AfD-Politiker*innen mit fragwürdigen Aussagen wie etwa, dass das Corona-Virus von Menschen erzeugt wurde, bemerkbar machten.Solche Aussagen lassen eine Weltanschauung erkennen, die eindeutig die Kriterien von Verschwörungstheorien erfüllen. Zu Beginn der Corona-Pandemie jedoch waren die Pressemitteilungen der AfD noch nicht wirklich mit populistischen Aussagen oder Verschwörungstheorien gezeichnet. Vielmehr wollten sie, dass die Regierung, speziell Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) "das Virus endlich ernst nehme".Erst im Zuge der vielen Proteste um die Bewegung ,,Querdenker" 711 lassen sich fragwürdige Aussagen von Fraktionsmitglieder*innen erkennen. Als dann schließlich am 19. März auch noch die Voraussetzung für das erste Soforthilfeprogramm anhand der Feststellung der Naturkatastrophe und dem Beschluss eines Nachtragshaushalts des Landes geschaffen war, hat sich die AfD dazu entschieden, ihre selbsgewählte Rolle als Fundamentalopposition hinter sich zu lassen.Verschiedene Abgeordnete der AfD richteten sich an die anderen Parteien und wollten sich dafür einsetzen, nun nicht mehr ausgeschlossen zu werden und endlich in die Arbeit des Parlaments mit einbezogen zu werden. Beim interfraktionellen Gesetzentwurf von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP zur Feststellung der Naturkatastrophe, die eine rechtliche Voraussetzung für den Nachtragshaushalt und somit die Soforthilfe gewährleistet, wurde die AfD jedoch auf eigenen Wunsch nicht mit einbezogen.Daraufhin folgte ein strategischer und rhetorischer Wandel der AfD. Erneut wurde versucht, den anderen Parteien undemokratisches Verhalten vorzuwerfen und im Pandemiehöhepunkt wurde versucht, mit finanzpolitischen Forderungen zu punkten, wie zum Beispiel einer Haushaltsperre oder einer Steuerbefreiung für bestimmte Branchen. Der Wandel von einer politisch sachlichen Orientierung zu einer populistisch-verschwörungstheoretischen Rhetorik zeigt, dass die AfD-Fraktion sehr wohl bereit ist, ihre Strategie schlagartig zu wechseln. Jedoch beschreibt der Artikel, dass die AfD mit dieser Taktik keinen Zuspruch beim Volk erfuhr, da ihr als junger, unerfahrenen Partei in der Gesellschaft nicht die entsprechenden Kompetenz zugesprochen wird.Als sich dann, Mitte April, die bundesweiten Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verschärften und speziell in Stuttgart die Bewegung "Querdenken 711" immer größer wurde, beobachteten Expert*innen, dass die Akzeptanz alternativer und verschwörungstheoretischer Meinungen immer auffallender wurde. Der Artikel beschreibt weiterhin, dass bei diesen Bewegungen die Corona-Einschränkungen als Instrument gesehen werden, um die Rechte der Bürger* innen langfristig einzuschränken und um eine Diktatur zu errichten.Besonders bei der Impfthematik wurden Verschwörungstheorien in Bezug auf Bill Gates immer populärer. An dieser Ausgangssituation hat die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg versucht anzuknüpfen. Dies lässt sich an der Tatsache beobachten, dass sich die Pressemitteilungen der AfD nun immer mehr populistisch zuspitzen und immer mehr versucht wird, die Themen der Proteste aufzugreifen. Beispielsweise die Tatsache, dass die Maskenpflicht eine Einschränkung der Grundrechte bedeutet.Weiter im Artikel werden Aussagen der AfD wie etwa "Zwangsimpfung" oder, dass die Gesellschaft sich zu einer "Gesundheits und Hygienediktatur" entwickelt, aufgegriffen. Die AfD-Landtagsfraktion solidarisierte sich mit den Protesten und nahm sogar selber an Demonstrationen teil. Desweiteren organisierte sie eigenständige Demonstrationen, unter anderem in Stuttgart, bei der die Bundesabgeordnete Alice Weidel sprach.Der Artikel hält fest, dass die AfD Baden-Württemberg nicht zu allen Zeiten der Pandemie gleichermaßen populistische und verschwörungstheorretische Inhalte transportierte. Jedoch mit dem Aufkommen der Proteste änderte sie ihre Strategie und Rhetorik. Das liegt vor allem daran, dass sie mit sachlichen Vorschlägen nicht gepunktet hat. Mit ihrer neuen Strategie, die ein Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträger*innen signalisiert, konnten sie die Protestierenden als neue Zielgruppe gewinnen.Die Offenheit gegenüber Verschwörungstheorien der Protestbewegung machte sich die AfD zunutze, um gezielt die Wut auf die Regierung zu schüren. Sie entwickelten sich zu bekannten Mustern zurück und etablierten sich wieder stärker als Opposition zu den anderen Parteien. Fraglich ist jedoch, inwiefern der Strategiewechsel der AfD wirklich Erfolg bringen und sich bei den nächsten Wahlen bemerkbar machen wird. Denn oft sind die Anhänger*innen solcher verschwörungstheoretischer Bewegungen von der Institution Partei sehr entfremdet und sympathisieren lieber mit charismatischen Leitfiguren direkt aus der Protestbewegungen wie etwa Michael Ballweg, dem Gründer der Bewegung "Querdenker 711". Somit zeigt der Artikel, dass die Versuche der AfD, eigene Demonstrationen und verschwörungstheoretische Reden gegen die Kontaktbeschränkungen zu veranstalten, als gescheitert angesehen werden können.
In: ZEUS Working Paper, 9
In aktuellen akademischen Debatten findet sich eine verbreitete Kritik an liberalen Strategien zur Herstellung und Sicherung eines dauerhaften Friedens. Es erschließt sich allerdings nicht immer einfach, was genau dabei jeweils mit "liberal" gemeint ist, und was nicht. Darüber hinaus befindet sich die historische Konstellation, in der liberale Vorstellungen zur Herstellung und Sicherung des Friedens zuletzt umfassend ausformuliert wurden, im Angesicht fortschreitender Globalisierung schon seit einiger Zeit im Umbruch. Notwendig ist daher eine differenziertere, erweiterte und aktualisierte Betrachtungsweise. Dieser Artikel zeichnet zum einen die Herausbildung vier verschiedener, in der Literatur kaum explizit reflektierter Spielarten liberaler Friedensstrategien (libertär, nationalliberal, sozialliberal, neoliberal) nach. Zum anderen plädiert er für eine stärkere Hinwendung auf die Frage, ob und inwieweit die "neuen" Herausforderungen widersprüchlicher Globalisierungsprozesse die "alten" Rezepte liberaler Friedensstrategien in Frage stellen. Dazu benennt dieser Artikel auch bereits konkrete, sich abzeichnende globalisierungsbedingte Bruchstellen. (ZEUS_WP/Pll)
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In: Forum Texte + Projekte, Band 5,1
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In: Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897 bis 1995 / herausgegeben von Mechthild Leutner
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In: Council on Foreign Relations books
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In: Hoover Institution publications 240
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In: Bulletin of the German Historical Institute. Supplement, Heft 52, S. 75-91
ISSN: 1048-9134
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In: Deutschland Archiv, Band 35, Heft 1, S. 13-31
ISSN: 0012-1428
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In: Deutschland Archiv, Band 23, Heft 11, S. 1750-1762
ISSN: 0012-1428
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In: Horizont: sozialistische Wochenzeitung für internationale Politik und Wirtschaft, Band 14, Heft 32, S. 3-4
ISSN: 0863-4521
Aus Sicht der DDR
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Mit Rabelais und seine Welt (1940/1965) und den Untersuchungen zur Poetik und Theorie des Romans (1975) lieferte der russische Philosoph, Kunst- und Literaturtheoretiker Michail Bachtin (1895-1975) ausschlaggebende literaturtheoretische Konzepte zur Groteske und zur narrativen Konstruktion von Raum und Zeit, die sich nicht nur einer zunehmenden Rezeption im deutsch- und englischsprachigen Raum erfreuten, sondern ebenso im theater-, film- und kulturwissenschaftlichen Bereich steigenden Anklang fanden. Mit Sprechgattungen liegt nun die erste deutsche Komplettübersetzung aus der russischen Werkausgabe Problema rečevych žanrov (1996) vor, deren theoretischer, multi- und interdisziplinärer Gehalt nahtlos an seine vorherigen Arbeiten anzuschließen vermag. Bereits in der Konzeption der vorliegenden Ausgabe liegt eine mehrfache Qualität und Besonderheit vor: Die Übersetzung von Rainer Grübel und Alfred Sproede beschränkt sich nämlich nicht nur auf das von Bachtin 1953, d. h. unmittelbar nach Stalins Tod, verfasste Manuskript (S. 7-59), sondern umfasst mit "Aus den Archiv-Niederschriften zur Arbeit 'Sprechgattungen'" (S. 61-150), "Die Sprache in der künstlerischen Literatur" (S. 151-164) sowie "Sprache und Rede" (S. 165-169) einen außergewöhnlichen Fundus an Textfragmenten, anskizzierten Gedanken und Argumentationsversuchen, die nun zum ersten Mal den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern zur Verfügung gestellt werden. Den dritten Teil dieser Ausgabe bildet das "Nachwort" (S. 173-207) von Renate Lachmann und Sylvia Sasse, das sowohl eine zeithistorische als auch theoretische Verortung von Bachtins Arbeit leistet. Und zuletzt ist ein bemerkenswert detaillierter Anmerkungskatalog (S. 209-325) vorhanden, der viele Erklärungen liefert sowie Editionsspezifika thematisiert. Beispielsweise war Bachtins ungekürzte Erstfassung, geprägt vom zeitgenössischen Personenkult sowjetischer Textetikette, d. h. mit "unverzichtbaren Stalin-Zitaten angereichert" (S. 212) angereichert – wie im Kommentar ausführlich beschrieben wird –, diese wurden jedoch in der russischen Werkausgabe gänzlich weggelassen. Die sorgfältigen Anmerkungen ermöglichen noch weitere Vertiefungen in die Materie und erleichtern den Zugang zum Werk. Was versteht nun Bachtin unter Sprechgattungen? Es handelt sich um "mündliche und schriftliche Äußerungen aus den verschiedensten Bereichen menschlicher Tätigkeit und Kommunikation" (S. 10). Darunter zählt Bachtin – neben den zu erwartenden künstlerischen Äußerungen – u. a. Chroniken, Verträge, Gesetzestexte oder auch Verwaltungsdokumente. Er unterscheidet dabei zwischen primären (einfachen) – z. B. Begrüßungen, Verabschiedungen etc. – und sekundären (komplexen) – hierzu gehören u. a. Romane, Dramen, wissenschaftliche Untersuchungen etc. – Gattungen. Dabei nehmen im Laufe ihres Entstehungsprozesses gemäß Bachtin die sekundären Gattungen "verschiedene primäre (einfache) Gattungen der unmittelbaren sprachlichen Kommunikation in sich auf und verarbeiten diese" (S. 9). Aus diesem Grund schreibt Bachtin über die relative Stabilität der Typen, da sie Transformationen und Wechselwirkungen unterworfen sind, "so kann man z. B. die Gattungsform der Begrüßung aus der offiziellen Sphäre in die Sphäre vertrauten Umgangs überführen, sie also mit parodistisch-ironischer Akzentverschiebung gebrauchen, und mit entsprechender Absicht kann man vorsätzlich Gattungen verschiedener Sphären vermischen" (S. 33). Wie schon in seiner praktisch philosophischen Ausarbeitung zur horizontalen Betrachtung von Kunst und Alltag in Zur Philosophie der Handlung (Fragment 1919; dt. Übersetzung 2011) wird auch hier Bachtins Situierung der Sprache im alltäglichen Leben erkennbar, denn "die Sprache geht in das Leben über konkrete Äußerungen ein (realisiert sich in ihnen), und über konkrete Äußerungen tritt umgekehrt das Leben in die Sprache ein" (S. 11). Die Konsistenz und Kontinuität seiner Theorien zeigt sich darüber hinaus in seiner vehementen Ablehnung eines monologistischen Sprachverständnisses. Wie schon in anderen Schriften plädiert Bachtin für die Dialogizität. Wird Sprache als ein Monolog verstanden und untersucht, bedeutet dies für ihn eine Unterschätzung der kommunikativen Sprachfunktion, d. h., "die Sprache wird vom Standpunkt des Sprechers betrachtet, genauer: vom Standpunkt eines individuellen Sprechers, die unabdingbare Beziehung zum anderen und zur Kommunikationsgemeinschaft bleibt außer Acht" (S. 17). Das dialogische Prinzip ist dem literarischen bzw. schriftlichen Werk immanent, es ist "auf die Antwort eines anderen (der anderen) hin angelegt und zielt auf ein aktives Antwortverstehen, das verschiedene Formen annehmen kann" (S. 27). Basierend auf einer Theorie der steten Aktivität oder der Unmöglichkeit einer Passivität entwirft Bachtin hier einen so bemerkenswerten Gedanken, der auch – jedoch ohne Rekurrieren auf ihn – in späteren Performativitätsdiskursen artikuliert wird: "Das aktiv antwortende Verstehen des Gehörten (z. B. eines Befehls) kann sich unmittelbar in einer Handlung (in der Ausführung der verstandenen und befolgten Anweisung, eines Befehls) realisieren" (S. 19). Man ist sofort gewillt, nach Louis Althussers Aufsatz Ideologie und ideologische Staatsapparate (orig. 1970/dt. 1971) zu greifen und nach Verbindungen zwischen der Althusser'schen "Anrufung" und der Bachtin'schen "aktiven Antworthaltung" (S. 18) zu suchen. Beachtlich ist in weiterer Folge Bachtins theoretischer Spagat, der sich zwischen seinen sehr stark in der Gegenwart verhafteten Betrachtungen – d. h. Analysen von Sprechakten – und einer Historisierung erstreckt. Denn parallel zu den an die Performativitätstheorien erinnernden Gedanken fordert Bachtin ein historisches Bewusstsein für die Sprache, das Gesprochene und Verfasste: "[J]eder Sprecher ist zugleich mehr oder weniger Antwortender, denn er ist ja nicht der erste sprechende Mensch, nicht der erste, der das ewige Schweigen des Alls durchbricht, er setzt nicht nur das System derjenigen Sprache voraus, die er benutzt, sondern auch irgendwelche vorgängigen – eigene und fremde – Äußerungen, zu denen seine jetzige Äußerung spezifische Beziehungen herstellt" (S. 19). Es ist dabei in gewisser Weise eine Kritik an der Theorie der adamitischen Sprache, die Kritik an einem Ursprung, denn der "Sprechende ist kein biblischer Adam, der es nur mit unberührten, noch namenlosen Gegenständen zu tun hat und ihnen erstmals Namen gibt" (S. 51). Einer sog. Unschuld der Sprache oder (besser gesagt) der Äußerung, die mit einem Ursprungsgedanken einhergehen würde, wird somit widersprochen, stattdessen die historischen und thematischen Verkettungen von Äußerungen in den Vordergrund gerückt. Eine bemerkenswerte Argumentationslinie bildet in diesem Rahmen Bachtins Konzept der "Expressivität", d. i. "die subjektive, emotional wertende Beziehung des Sprechers zum propositionalen Inhalt seiner Äußerung" (S. 39). Damit schafft Bachtin – wie schon bei der Verbindung zwischen Aktualität und Historizität – eine Beziehung zwischen einer Objektivität des Wortes und einer Subjektivität der Äußerung: "Die Wörter sind niemandes Besitz und bewerten für sich genommen nichts, aber sie können allen möglichen Sprechern und deren verschiedensten, ja sogar einander widersprechenden Wertungen zu Diensten sein" (S. 40). In diesem Zusammenhang könnte der Eindruck entstehen, dass gegenwärtig Bachtin indirekt als ein Advokat revisionistischer Sprachpolitik fungieren könnte. Doch sowohl sein historisches Sprachbewusstsein als auch seine kontextbezogenen Fokussierungen widersprechen solch einer Fehldeutung, denn für ihn ist die "Expression einer Äußerung [.] stets mehr oder weniger Antwort und drückt eine Beziehung des Sprechers zu fremden Äußerungen aus – und nicht nur zum Gegenstand der eigenen" (S. 49). Die an das Manuskript anschließenden "Archiv-Niederschriften" (S. 61-150) kreisen dabei um immer wieder auftauchende Fragen mit feinen Formulierungsnuancen. Die von Bachtin stets betonte Dialogizität und Offenheit der Äußerung kommt hier in mustergültiger Ausprägung zum Ausdruck. Beachtenswert ist dabei, dass der Leserin bzw. dem Leser hier die Möglichkeit geboten wird, nicht nur Einblick in Bachtins Gedankenkonstruktionen zu erhalten, sondern auch die Besonderheit seines Schreibstils in dieser 'Sprechgattung' zu erfahren. Die darauffolgende Skizze unter dem Titel "Die Sprache in der künstlerischen Literatur" (S. 151-164), die Mitte 1954 entstanden ist, kann mit dem Fokus auf Dialogizität und Polyphonie der Sprache als eine Replik auf Viktor Vinogradovs "programmatischen Aufsatz 'Die Sprache des Kunstwerks'" (S. 289) gelten. Der in dieser Ausgabe letzte Text Bachtins "Sprache und Rede" (S. 164-169), der zwischen 1957 und 1958 verfasst wurde, stellt einen Entwurf oder eine skizzenhafte Programmatik dar, die die Relation zwischen Sprache und Sprechen beleuchtet sowie die Dialogik in Beziehung zur Dialektik setzt. All diese Erstübersetzungen bieten außergewöhnliche Einblicke in die theoretischen Konzepte Bachtins und lesen sich nicht nur als Ergänzungen zu den Sprechgattungen, sie stellen vielmehr eigene Theorieentwürfe dar. Die Breite und Tiefe an theoretischen Ansätzen, die mit dieser Ausgabe geliefert werden, ist enorm und lässt sich, wie z. B. mit Althusser angedeutet, problemlos mit anderweitigen Theorien in Verbindungen bringen. Gleichzeitig bieten Bachtins Gedanken zur 'Expressivität' sowie deren Verbindung zur Historizität der Äußerungen ausreichend Material, um die gegenwärtige (rechts-)populistische Sprachpolitik zu dekonstruieren. Für den sog. Diskurs-Betrieb ist Bachtins Fokus auf den "Aktcharakter des Sprechens" (S. 175) eine vielleicht einmalige Gelegenheit, um dem Performativitätsdiskurs eine neue – auch stärker historische – Ebene zu verleihen. Mit Sprechgattungen liegt inhaltlich ein herausragendes Buch vor – die Arbeit der beiden Übersetzer und Herausgeberinnen sowie des Herausgebers ist beispielhaft –, das gleichermaßen mit seiner materiellen und formalen Qualität (Druck, Satz, Bindung) überzeugt. Michail Bachtins Sprechgattungen sind uneingeschränkt empfehlenswert, uneingeschränkt auch für jegliche kultur- und geisteswissenschaftliche Richtung. Es kann hier nur der Wunsch ausgesprochen werden, dass seine Überlegungen, Gedankenskizzen und -entwürfe ihren Weg in weitere Theorien und Analysen finden – es wäre bedauerlich, wenn diese 'Steilvorlage' kulturwissenschaftlich ungenutzt bleiben würde.
BASE
David Bordwells Werke, insbesondere "Classical Hollywood Cinema" (mit Janet Staiger und Kristin Thompson) und "Narration in the Fiction Film" zählen den Meilensteinen der Disziplin. In diesen beiden Büchern hat Bordwell seine Sicht des klassischen Hollywoodkinos und seiner Erzählweise dargelegt. Diese geht davon aus, dass sich im klassischen Hollywood-Kino ein Gruppenstil entwickelt hat, der relativ unabhängig von den beteiligten Filmemachern durch ein System von Standardisierung und Differenzierung sowie durch formale, organisatorische und personelle Qualitätskontrolle durchgesetzt und beibehalten wurde. Schon bei Erscheinen von "Classical Hollywood Cinema" (CHC) Mitte der 1980er Jahre traf dieser Ansatz auf zum Teil heftige Kritik. Der Hauptvorwurf bemängelt die fehlende Differenzierung und das Augenmerk auf dem Allgemeinen und eben nicht dem Besonderen. Bordwells Modell eines klassischen Hollywood-Kinos ist mit der Drehbuchliteratur, die kurz zuvor (wieder) populär wurde, kompatibel und bildet fast so etwas wie die wissenschaftliche Entsprechung hierfür. Historische Drehbuchratgeber werden sowohl in CHC als auch im aktuellen Buch als Beleg für den studiointernen Diskurs verwendet. In der vorliegenden Monographie widmet sich Bordwell nun dem Hollywood der 1940er Jahre. Das Jahrzehnt wurde deshalb gewählt, weil es laut Bordwell eine Reihe von narrativen Innovationen aufweist, die vom Standardmodell mitunter gravierend abweichen. Dabei geht es dem Autor um Mittel des filmischen Erzählens, die in den 1940er Jahren prominent waren bzw. wurden. Von Voice-Over, Rückblenden, anderen Formen nicht-chronologischen Erzählens zu multiple Protagonisten, Helden ohne Ziel und anderen wesentlichen Elementen der filmischen Narration reicht hier der weite Bogen, den Bordwell spannt. Er analysiert diese Punkte in einer über den Umfang von 500 Seiten etwas unübersichtlich große Anzahl von Filmen, "Klassikern" ebenso wie weniger bekannten B-Filmen. Warum jedoch gerade in den 1940er Jahren offensichtlich Zweifel an der Repräsentationsfähigkeit zielgerichteter, kongruenter Protagonisten und am chronologischen Erzählen aufkamen, interessiert Bordwell anscheinend nicht, weil er sich zur Beantwortung dieser Frage auch allgemein historischen, politischen, sozialen und psychologischen Kontexten widmen müsste. Bei kaum einem anderen Zeitraum des 20. Jahrhunderts macht das Hilfsmittel der Darstellung nach Jahrzehnten so wenig Sinn wie für die 1940er Jahre. Dass in Bordwells Buch der Zweite Weltkrieg, die Shoah, das Ende des Studiosystems, das Populär-Werden der Psychoanalyse, die HUAC-Verhöre und die daraus resultierende Schwarze Liste so gut wie gar nicht vorkommen, verwundert dann doch, schließlich stehen die behandelten Erzählweisen damit in einem schwer zu bestreitenden Zusammenhang. Dieser wird, dort wo er aufgenommen wird, wie im Falle der Welle von "psychiatricals" (S. 315) allzu direkt auf die Repräsentation bestimmter Themen bzw. die damit verbundenen Stilmittel und Erzählweisen wie etwa Traumsequenzen reduziert. Eine allgemeine, theoretische Kontextualisierung erzählerischer Mittel in den genannten Kontexten vermisst man jedoch über 500 Seiten schmerzlich. So wird zwar erwähnt, das amerikanische Soldaten mitunter traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkamen, dies führt jedoch sofort zur expliziten Darstellung im Film und nicht zur Infragestellung von Sichtweisen auf das menschliche Subjekt und deren Auswirkungen auf die Eigenschaften und Merkmale des Protagonisten im klassischen Hollywood-Film. Relativ eindimensionale, zielgerichtete, aktive Protagonisten wurden durch die Erfahrungen und Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Shoa unglaubwürdig und brüchig. Aus dieser neuen Sicht auf die menschliche Natur entstanden komplexere Protagonisten, multiple bzw. wechselnde Helden, dargestellt mit all den von Bordwell im Detail analysierten erzählerischen Mitteln. Diese sind aber eben nicht, wie Bordwell impliziert "neutral", zur Darstellung unterschiedlicher Sichtweisen auf die conditio humana und unterschiedlicher Wertesysteme und Ideologien verwendbar, vielmehr sind den Erzählweisen selbst eben diese Positionen eingeschrieben. Es ist daher kein Zufall, wenn bestimmte narrative Mittel zu konkreten Zeiten in bestimmten Gesellschaften populär werden und in anderen nicht. Die Veränderungen der Gesellschaft schlagen sich in den Veränderungen der Erzählweisen nieder. Weshalb diese im historischen und kulturellen Kontext auch nicht vollständig erklär- und verstehbar sind, wenn man diesen Aspekt ausblendet und die Entwicklung der Erzählweise von Hollywoodfilmen als quasi natürliche, teleologische Weiterentwicklung sieht, die dann auch auf andere Kinokulturen Auswirkungen und Einflüsse hat. Dieses nahezu vollständige Ausblenden des sozialen bzw. philosophischen Aspekts von Erzählweisen stellt denn auch die zentrale Schwäche des Buches dar. Ohne theoretischen, gesellschaftspolitischen und ideologischen Kontext bleibt die Analyse der Erzählweisen des Hollywoodkinos der 1940er Jahre in einer zwar detail- und kenntnisreichen, aber letztlich doch oberflächlichen Ansammlung erzählerischer Mittel samt ausführlicher Inhaltsangaben unzähliger Filme verhaftet. Bordwell als jemand, der mit CHC eines der wichtigsten Modelle zum Verständnis populären Kinos vorgelegt hat und dieses in ökonomischen, organisatorischen, historischen, technologischen, stilistischen und narrativen Kontexten analysierte und interpretierte, enttäuscht mit dem vorliegenden Buch die Erwartungen. Im Kontext von Bordwells früheren Arbeiten zum klassischen Hollywood-Kino kann "Reinventing Hollywood" allerdings auch als vorsichtige Revision der ursprünglichen Sicht gelesen werden. In einigen Beispielen finden sich hier Sätze, welche Aussagen in CHC direkt widersprechen. So heißt es in CHC noch: "In the classical Hollywood cinema parallel editing is a distinctly unlikely alternative, since its emphasizes logical relations rather than causality and chronology." (S. 48) Nun, in "Reinventing Hollywood" kommt "parallelism" relativ oft vor und wird als innovatives Stilmittel der 1940er Jahre präsentiert, noch dazu im Zusammenhang mit Flashbacks, also mit nicht-chronologischen Erzählen. (siehe z.B. S. 85) In so gut wie allen zentralen Punkten sind in den 1940er Jahren Abweichungen vom Standardmodell zu finden, und Bordwell beschreibt dies auch ausführlich an Hand seines umfangreichen Samples an bekannten und vergessenen Filmen. All diese Devianzen werden am Ende aber wieder unter dem Dach des CHC versammelt und eingefangen: "Forties filmmakers mostly adhered to the broad basic norms laid down by their predecessors: goal-oriented protagonists, four-part structure, double plotlines, scenic continuity and cohesion, hooks, interwoven motifs, the pressure of appointment and deadlines. At the same time, though, in an outpouring of creative energy, filmmakers gave themselves over to new narrative methods." (S. 478f) Dass diese "new narrative methods" fast allen genannten Normen verletzen, wird nicht weiter thematisiert. Wie man auf fast 500 Seiten unzählige Beispiele für filmische Erzählweisen anführt, die jedem einzelnen der hier angeführten Punkte widersprechen, nur um diese Abweichungen und Devianzen letztlich zu Variationen zu reduzieren, die das erzählerische Arsenal zwar erweitern, aber eben nicht verändern, ist nicht ganz nachvollziehbar und reduziert die Bedeutung des Vorangegangenen. Natürlich ist Hollywood ein flexibles System in Sachen Stil und Erzählweise, dennoch springt Quantität irgendwann in Qualität um. Soll heißen: ein System das sich ständig ändert, bleibt am Ende eben nicht dasselbe. Wenn so gut wie alle Charakteristika des CHC in den 1940er Jahren nicht nur variiert, sondern verändert werden, wenn Normen eben nicht mehr eingehalten werden und hinter all diesen Änderungen eine geänderte Weltsicht steht, dann wird das Bild vom klassischen Hollywoodkino doch brüchiger als Bordwell es wahrhaben will. Hollywood ist eben nicht bloß ein flexibles System, das seine Normen anpasst, sondern eines das aus viel offeneren, variablen Paradigmen besteht, die in einer konkreten historischen Gesellschaft verankert sind, die sich in ständigem Wandel befindet bzw. stets dem Wechselspiel von Wiederholung und Abweichung (Differenz) ausgesetzt ist. Ob einem als Filmwissenschaftler nun die Wiederholung, die Differenz oder das Wechselspiel selbst am wichtigsten erscheint, spielt solange keine Rolle, als aus den Paradigmen kein unumstößliches Dogma wird, das neue Einsichten verhindert. "Reinventing Hollywood" bietet unzähliges Material um eine differenziertere Sichtweise zu begründen und das Modell des CHC in Richtung einer weniger textzentrierten und prozesshafteren Sichtweise weiterzuentwickeln, in dem Produktion und Rezeption ebenso wichtig sind, wie die filmischen Texte selbst. (Das vorliegende Buch ist denn auch genau dort am eindrucksvollsten, wo es Entwicklung und Anpassung neuer erzählerischer Stilmittel anhand von Produktionsgeschichten deutlich macht.) Diesen Faden aufzunehmen und ihn weiter zu entwickeln ist eine Aufgabe, derer sich wohl andere FilmwissenschaftlerInnen als die Begründer des Neoformalismus annehmen werden. Literatur Rick Altman: Griffith, Dickens and Film Theory Today, in: South Atlantic Quarterly 88.2 (Spring 1989), S. 321-59, etliche Nachdrucke in Sammelbänden. David Bordwell: Narration in the Fiction Film. Madison: University of Wisconsin Press 1985. David Bordwell, Janet Staiger und Kristin Thompson: Classical Hollywood Cinema. Film Style on Mode of Production until 1960. London, New York: Routledge 1985. Britta Hartmann, Hans J. Wulff: Das Wisconsin Projekt: Zwischen Neoformalismus, Kognitivismus und historischer Poetik. Eine Bibliographie, in: Medienwissenschaft / Hamburg: Berichte und Papiere 28, 2003: Neoformalistische Filmanalyse und –theorie. Online: http://berichte.derwulff.de/0028_03.pdf (11.9.2018).
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