Fast alles spricht für eine Vollmitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Gemeinschaft. Die wirtschaftliche Verflechtung ist so hoch, daß Österreich eine Art informelles Mitglied der EG jetzt schon ist. Aus sozioökonomischer Sicht lassen sich keine Hinernisse für einen Beitritt erkennen, zumal er der beidseitigen Interessenlage gerecht würde. Die politische Brisanz der Beitrittsfrage kommt aus der österreichischen "immerwährenden" Neutralität, die aber nach herrschender Rechtsauffassung allein auf einem Willensakt Österreichs beruht. Für die EG ist die Behandlung des Beitrittsantrags eines der "klassischen" ständig neutralen Staaten Lackmustest für das Verständnis der zukünftigen Gestaltung der Gemeinschaft: Supranationalität, Europäische politische Union. (SWP-Hld)
In der Arbeit werden verschiedene prominente Reformvorschläge zur Alterssicherung in Deutschland dargestellt und systematisch miteinander verglichen. Es wird der Frage nachgegangen, ob die sich in den letzten Jahrzehnten abzeichnenden Veränderungen in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin innerhalb des bestehenden Systems der Alterssicherung durch kurzfristige Maßnahmen bewältigen lassen, oder ob es nicht doch eine gegenüber dem bestehenden System konzeptionell anders geartete "Architektur" der Alterssicherung gibt, die sich hinsichtlich ihrer Wirkungen nicht durch Kurzlebigkeit, sondern durch Nachhaltigkeit und Berechenbarkeit auszeichnet. Gerade vor dem Hintergrund der EU-Integration z.B. durch die Einführung der offenen Methode der Koordinierung, mit der die Europäische Kommission zunehmend Einfluss auf die innerstaatliche Sozialrechtsentwicklung nimmt, sind die Ziele der Alterssicherung nicht mehr nur an den nationalen Gegebenheiten auszurichten, sondern müssen in globalen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen gesehen werden und unterliegen einem gewissen Harmonisierungsdruck.
Die vorliegende Arbeit soll beispielhaft die Verwendung von dialektalen und hochsprachlichen Elementen im gesprochenen Arabisch untersuchen. Dabei erhebt sie jedoch keinen dialektologischen Anspruch, sondern das Hauptaugenmerk liegt vielmehr auf der interdialektalen Kommunikation gebildeter Sprecher. Im weitesten Sinne soll diese Arbeit einen Beitrag dazu zu leisten, die Frage nach einer dialektübergreifenden, gehobenen arabischen Umgangssprache zu beantworten. Bei der Wahl des Themas war die Überlegung ausschlaggebend, dass Studenten der arabischen Sprache und insbesondere des Faches Dolmetschen in ihrem Studium ausschließlich die moderne arabische Schriftsprache vermittelt wird. Außerhalb der Lehrveranstaltungen werden sie jedoch bald mit den arabischen Dialekten konfrontiert, die die eigentliche Muttersprache arabischer Sprecher darstellen. Aus diesem Grund kommen sie nicht umhin, sich zumindest passive Sprachkenntnisse in einigen dieser Dialekte anzueignen, um nicht nur Nachrichtensendungen auf Hocharabisch folgen zu können, sondern auch mit Muttersprachlern aus verschiedenen Regionen der arabischen Welt kommunizieren zu können. Besonders für Studierende des Faches Dolmetschen ist es im Hinblick auf ihre spätere Tätigkeit nicht ratsam, sich auf eine bestimmte Region festzulegen. Zudem sind für Dolmetscher in erster Linie fachliche Themen, etwa aus den Bereichen Politik und Wirtschaft, und vergleichsweise formelle Anlässe von Interesse. Für die Bearbeitung des Themas wurde daher eine Fernsehsendung ausgewählt, die nicht nur die Möglichkeit bietet, die Kommunikation zwischen Sprechern mit unterschiedlichem dialektalem Hintergrund zu untersuchen, sondern auch Themengebiete behandelt, die für die spätere Dolmetschertätigkeit der Studierenden relevant sind. Die Wahl der politischen Talkshow Ḥiwār al-ᶜArab, in der Themen von öffentlichem Interesse von Fachleuten aus verschiedenen arabischen Ländern diskutiert werden, bot sich daher an. Um den Rahmen einer Studienabschlussarbeit nicht zu sprengen, wurde nur eine Ausgabe der genannten Sendung für die sprachwissenschaftliche Analyse herangezogen. Die Redebeiträge der verschiedenen Sprecher, die in der untersuchten Ausgabe auftreten, sollen auf dialektale und hochsprachliche Elemente untersucht werden, um so Arabischlernenden einen Einblick zu verschaffen, welche Arten von Dialektinterferenzen in realen Kommunikationssituationen auftreten können. Nach Möglichkeit soll zudem bereits eine erste grobe Einteilung verschiedener Stufen von Dialektinterferenzen vorgenommen werden. Dabei konnten jedoch nicht alle auftretenden sprachlichen Merkmale berücksichtigt werden. Aus diesem Grund wurden für jeden Sprecher nur die jeweils wichtigsten phonetischen, lexikalischen und grammatischen Eigenheiten beschrieben. Auch wurden die Studenten, die sich nur sehr kurz in der Sendung äußern, bei der Analyse außer Acht gelassen. Da für die Talkshow Ḥiwār al-ᶜArab keine schriftliche Fassung vorliegt, wurde die untersuchte Ausgabe der Sendung nach Gehör transkribiert. Dabei wurde versucht, der tatsächlichen Aussprache so weit wie möglich gerecht zu werden. Um die Transkription auch ohne Kenntnis der sprachlichen Analyse so verständlich wie möglich zu halten, wurden jedoch nicht alle beobachteten phonetischen Merkmale in der Umschrift wiedergegeben. Gegebenenfalls wurden bestimmte Laute in der Analyse näher beschrieben. Die Wiedergabe in IPA-Transkription steht dabei in eckigen Klammern. Inhaltlich wurden lediglich sehr schlecht hörbare Satzteile und einzelne vom Moderator eingeworfene Wörter ohne besondere Bedeutung ("Ṭayyib, ṭayyib…") ausgelassen, die nicht zum Ziel haben, den Redenden zu unterbrechen. Satzzeichen wurden nach eigenem Ermessen und Intonation des Sprechers gesetzt und dienen lediglich der besseren Lesbarkeit.
European Union (EU) referendums provide unique opportunities to study voters' attitudes toward a distant level of governance. Scholars have long tried to understand whether EU referendum results reflect domestic (dis-)satisfaction with the incumbent governments or actual attitudes toward the Union. Finding evidence supporting both domestic and European factors, the recent focus has thus turned to referendum campaigns. Recent studies emphasise the importance of the information provided to voters during these campaigns in order to analyse how domestic or European issues become salient in the minds of voters. These studies nonetheless overlook the asymmetrical political advantage in such campaigns. The broader literature on referendums and public opinion suggest that in a referendum, the 'No' side typically has the advantage since it can boost the public's fears by linking the proposal to unpopular issues. This article explores whether this dynamic applies to EU treaty ratification referendums. Does the anti-EU treaty campaign have more advantage than the pro-EU treaty campaign in these referendums? Campaign strategies in 11 EU treaty ratification referendums are analysed, providing a clear juxtaposition between pro-treaty ('Yes') and anti-treaty ('No') campaigns. Based on 140 interviews with campaigners in 11 referendums, a series of indicators on political setting and campaign characteristics, as well as an in-depth case study of the 2012 Irish Fiscal Compact referendum, it is found that the anti-treaty side indeed holds the advantage if it engages the debate. Nonetheless, the findings also show that this advantage is not unconditional. The underlying mechanism rests on the multidimensionality of the issue. The extent to which the referendum debate includes a large variety of 'No' campaign arguments correlates strongly with the campaigners' perceived advantage/disadvantage, and the referendum results. When the 'No' side's arguments are limited (either through a single-issue treaty or guarantees from the EU), this provides the 'Yes' side with a 'cleaner' agenda with which to work. Importantly, the detailed data demonstrate that the availability of arguments is important for the 'Yes' side as well. They tend to have the most advantage when they can tap into the economic costs of an anti-EU vote. This analysis has implications for other kinds of EU referendums such as Brexit, non-EU referendums such as independence referendums, and the future of European integration.
In der gegenwärtigen Mediengesellschaft haben sich die Bedeutung der audiovisuellen Medien und deren Anforderungen gewandelt - auch an Politiker. Wer wie jeder erfolgreiche Politiker Millionen Menschen für sich und seine politischen Ziele interessieren will, ist mehr als je zuvor auf die Präsenz in den Medien angewiesen, wobei die Konkurrenz groß ist: Idol der Gegenwart ist nicht der charismatische Politiker im Sinne Max Webers, sondern der Star des Sports, Films oder Laufstegs. So engagieren sich Politiker neben ihrer engeren politischen Arbeit für kirchliche Hilfswerke, gemeinnützige Organisationen oder Sport-, Wohlfahrts- und Umweltverbände. Wer mit solchen medienwirksamen Aktionen nicht aufwarten konnte oder mochte, war stolz darauf, von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als "Kluger Kopf" vorgestellt oder in einer Anzeigenserie des Brockhaus-Verlags in die Informationselite eingereiht zu werden. Das soziale und gesellschaftliche Engagement führender Politiker findet zwar öffentliche Anerkennung, jedoch nur begrenzt Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler. Wer im Konzert der Medien gehört werden will, muss lauter, origineller und schriller sein als die anderen, wie der Autor anhand des "Politainment" zeigt. Er gibt ferner einige kritische Anmerkungen zum Marktwert heutiger Politik, zum "Medien- und Lifestyle-Kanzler" Gerhard Schröder und zu weiteren "Event-Politikern", die die Frage nach einer "gläsernen Politik" aufwerfen. (ICI2)
Michael Lausbergs detailreiche Darstellung beschäftigt sich mit der extremen Rechten in Nordrhein-Westfalen zwischen 1946 und 1971. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurden in NRW seit 1946 erneut extrem rechte Organisationsstrukturen geschaffen. In manchen Fällen bestehen sie noch in der Gegenwart fort und bilden eine Basis für die heutige extreme Rechte im Westen Deutschlands. Ohne fundierte Kenntnisse über deren Entwicklung sind die gegenwärtigen Erscheinungsformen der extremen Rechten kaum zu verstehen. Lausberg zeigt auf, dass in fast allen Parteien oder Organisationen ehemalige Nationalsozialisten bei der Gründung und der Formulierung der jeweiligen politischen Ziele eine wesentliche Rolle spielten. Michael Lausberg, geb. 1972, studierte Pädagogik, Philosophie, Politische Wissenschaften, Mittlere und Neuere Geschichte und den Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln und Amsterdam. Seit sieben Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Regelmäßige Beiträge für die Internetportale Tabula Rasa und kritisch-lesen, die Antifaschistischen Nachrichten und das DISS-Journal. Letzte Veröffentlichung: Die Pro-Bewegung, Unrast-Verlag, Münster 2010.
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AuszugEs gibt eine bedeutende Entwicklung in der Art, wie institutionelle Investoren Umwelt‐, Sozial‐ und Governance‐bezogene (kurz USG) Themen in ihre Investitionspraktiken einfließen lassen. Sowohl für öffentliche als auch für private Investoren sind diese Fragen nun Bestandteil etablierter Investitionspraktiken geworden. Dies zeugt von einem größeren Verständnis für tatsächliche Chancen und Risiken, die als Teil der treuhänderischen Verpflichtung betrachtet werden müssen. Einige USG‐Themen erfordern eine Herangehensweise, die weit über die einfachen traditionellen Auswahlverfahren hinausgeht, die von den frühen Nischenfonds verwendet wurden. Das zeigt sich an der detaillierten Diskussion über Investorenpraktiken bezüglich des Klimawandels, die eine Einschätzung der langfristigen Chancen und Risiken erfordern, sowie der diesbezüglich eingesetzten Strategien. Es wird zudem die Auffassung vertreten, dass die Rolle von Politik und Gesetzgebung entscheidend ist bei der wirtschaftlichen Veränderung etwa zugunsten von Investitionen in Bereiche mit niedrigem Kohlendioxidausstoß. Es braucht daher einen strukturierten Dialog zwischen Investoren und politischen Entscheidungsträgern, der dafür sorgt, dass einerseits institutionelles Kapital mobilisiert wird, um das politische Ziel einer Kontrolle des Klimawandels zu errechnen, während es andererseits den Investoren weiterhin möglich bleiben soll, in Einklang mit ihrer treuhänderischen Verantwortung zu handeln.
Neben der pädagogisch begründeten "Gymnastik" des Philanthropen Johann Christoph GutsMuths (1759-1839) zählt vor allem die deutsche Turnbewegung (Turnen auf der Berliner Hasenheide seit 1811) ausgelöst durch Friedrich Ludwig Jahn (1787-1852) zu den prägenden Erscheinungen der deutschen Bewegungskultur. Während GutsMuths "Gymnastik" die Ideen der Aufklärung zum Gegenstand hatte, verfolgte die Turnbewegung nach den Vorstellungen Jahns vor allem politische Ziele, wie die Befreiung Preußens von den französischen Besatzern, die Überwindung des feudalistischen Ordnungsprinzips sowie die Gründung eines deutschen Nationalstaats. Vor dem Hintergrund der politischen, soziokulturellen und materiellen Bedingungen, war die deutsche Turn- und später die aus England stammende Sportbewegung immer auch Spiegelbild und Seismograph des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der damit verbundenen Wandlungsprozesse. Der kulturhistorische, jedoch auch kritische Rückblick auf die traditionellen Epochen der deutschen Turnbewegung geben einen Überblick über folgende Zeitabschnitte: 1. "Anfänge auf der Berliner Hasenheide." 2. "Auf- und Abschwünge: Verschulung und bürgerliche Turnbewegung." 3. "Turnfeste und Turnprinzipien." 4. " Turnen erhält Konkurrenz - Sport wird modern." 5. "Turnfest 1913." 6. "Frauen im Turnen und Sport." 7. "Turnen heute - Resümee und Ausblick." Lemmer.
"Die Grünen und die SPD sind die Hauptansprechpartner der neuen sozialen Bewegungen im Parteiensystem der Bundesrepublik. Das Verhältnis der Bewegungen zu diesen Parteien wird aus der Perspektive der Bewegungsanhänger in der Wählerschaft allgemein untersucht und nicht aus der Perspektive der Organisationsführungen. Konkret werden die folgenden Einzelbewegungen ausgewählt: die Antikernkraftbewegung, die Friedensbewegung und die Frauenbewegung. Als Bewegungsanhänger zählt, wer sich selbst so bezeichnet. Diese Art der Messung wird in Auseinandersetzung mit dem sozialwissenschaftlichen Bewegungsbegriff und den Methoden der Umfrageforschung gerechtfertigt. Daneben spielt die Präferenz für politische Ziele der einzelnen Bewegungen eine besondere Rolle. Die Übereinstimmung zwischen Zielpräferenz und Anhängerschaft wird als Mobilisierungsindikator der Einzelbewegung interpretiert. Danach ist die Antikernkraftbewegung zum Zeitpunkt der letzten Bundestagswahl diejenige mit dem höchsten Mobilisierungsniveau gewesen. Unter den Bedingungen hoher Mobilisierung besteht der engste Zusammenhang mit dem Wahlverhalten. Es zeigt sich, daß die Anhänger der Bewegung ihre Stimmen den GRÜNEN oder der SPD als den Parteien ihrer Wahl geben, wobei sich die Zielpräferenz vor allem zugunsten der SPD auswirkt, während die subjektive Identifikation mit der Bewegung für die GRÜNEN der gegenüber der Zielpräferenz etwas wichtigere Faktor ist. Die Bewegungsromatik schützt die Grünen gegenwärtig vor einer politischen Vereinnahmung durch die SPD auf der Wählerebene. Die empirischen Ergebnisse werden im einzelnen durch eine Analyse einer Bundestagswahlstudie von 1987 belegt." (Autorenreferat)
ZusammenfassungDer Beitrag geht dem Verhältnis von Zielen und Collective Agency im politischen Handeln nach. Dabei wird die These entwickelt, dass das unmittelbare Erfahren und Gestalten von gemeinsamen Handlungsverhältnissen die Zielorientierung in der Politik nicht ersetzen kann, sondern als eine wichtige Bestandsbedingung des politischen Handelns zu verstehen ist. Ausgangspunkt sind dabei Positionen, wie sie in der politischen Theorie bisher am deutlichsten von Hannah Arendt vertreten wurden und in unserer Gegenwart insbesondere in neuen sozialen Bewegungen verbreitet sind: Diesen zufolge besteht der Kern politischen Handelns in der Erfahrung einer Collective Agency. Der Beitrag rekonstruiert diesen Zugriff anhand der Schriften Hannah Arendts und verortet ihn im Umfeld bestehender Theorieansätze sowie von Erkenntnissen der Aufstands- und Rebellionsforschung. Schließlich werden handlungstheoretische Überlegungen angestellt (u. a. im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenprodukten und die Zweistufigkeit in Handlungsprozessen). Sie laufen darauf hinaus, die Collective Agency in eine komplexere Zielorientierung aufzunehmen. Dadurch ergibt sich eine Korrektur sowohl instrumenteller Politikverständnisse als auch von Theorien, die den Sinn von Politik im Vollzug der Handlungsprozesse selbst ansiedeln.
Chronische Erkrankungen, Multimorbidität und vermehrte Behandlungsmöglichkeiten auf der Patienten- und höhere Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung auf der Versorgungsseite machen für einen wachsenden Teil der Patienten eine Vielzahl verschiedener Helfer in einer Reihe von unterschiedlichen Einrichtungen erforderlich. Der daraus resultierenden Tendenz zur Fragmentierung kann nur mit Bemühungen zur Koordination, Kooperation und Integration entgegengewirkt werden, um kontinuierliche Versorgungsverläufe und Rationalität arbeitsteiliger Vorgehensweisen zu erreichen und sicherzustellen. Die in und zwischen den Versorgungsinstitutionen nicht eingelösten Integrationserfordernisse vertiefen den Widerspruch, dass die Kenntnisse, Fähigkeiten und Techniken der Gesundheitswissenschaften immer ausgefeilter werden, während andererseits die Vermittlung zwischen den Teilbereichen ganz oder teilweise den Patienten überlassen bleibt. Das unter hohem Aufwand vergrößerte wissenschaftlich-technische Potential wird damit weit unteroptimal ausgeschöpft, und die Risiken iatrogener Schäden erhöhen sich. Gestützt auf internationale Erfahrungen wird verdeutlich, daß integrierte Interventions- und Versorgungssysteme Prozesse sind, bestehend aus Veränderungen der sozialen Beziehungen, der beruflichen Kompetenzen, der Einkommensrelationen, des Status, der institutionellen Strukturen einschließlich ihrer gewachsenen Organisationskulturen, regionaler Orientierungen und Traditionen usw. Der Erfolg politischer Strategien hängt wesentlich davon ab, ob und wie sie den zum Teil recht verschiedenen Sachlogiken, unterschiedlichen Zeitbedarfe und interessenbedingten Resistenzen dieser Veränderungsdimensionen gerecht werden. Mit Umlenkungen finanzieller Ressourcen, neuen Vertragsmöglichkeiten und monetären Anreizen allein ist es nicht getan. Auf der Grundlage solcher prozessbetonten und 'systemischen' Orientierungen werden drei Schlüsselthemen der Integration unter die Lupe genommen: Erstens die Funktionen einer Primärversorgung, die eine Säule der Integration darstellt, zweitens die Regionalität des Gesundheitswesens, die in Deutschland nicht zu einem relevanten, eigenständigen Ziel hat werden können, und drittens die behutsame Neuformulierung der 'Sicherstellungsaufträge' im Zuge der Integrationsanstrengungen. Die Studie plädiert für eine Haltung, die sich bemüht, aus einem Verständnis der Vielschichtigkeit und Komplexität der Integrationsprozesse heraus Handlungsweisen zu entwickeln, realistische Teilziele zu setzen und mit einer langfristigen gesundheitspolitischen Perspektive zu verbinden. In diesem Sinn werden abschließend Elemente zu Leitbildern der Integration aus der System- und der Patientenperspektive vorgeschlagen.