Freiwilliger Verzicht auf Bürgerrechte
In: Auf der Suche nach neuer Sicherheit: Fakten, Theorien und Folgen, S. 321-329
Der Beitrag führt kurz in grundlegende Freiheitsrechte in Deutschland ein, etwa das Versammlungsrecht. Rechte müssen aber nicht nur gewährleistet sein - sie werden erst wirksam, wenn sie in Anspruch genommen und aktiv ausgeübt werden. Es wird die Frage des Grundrechts auf "Freiheit von Furcht" diskutiert, einer aus den USA stammenden Rechtsfigur, die aber für die Ausübung von Freiheitsrechten unabdingbar erscheint. Es gibt aber das Paradoxon, dass Freiheit und Vielgestaltigkeit der Gesellschaft (also die Abwesenheit von Furcht und der Gestaltungswille von einigen) die Quelle für Furcht bei anderen sein können, die eine weniger unübersichtliche Gesellschaft bevorzugen würden. Der Artikel weist darauf hin, dass etablierte und garantierte Grundrechte durch begleitende Maßnahmen quasi ausgehebelt werden können. So existiert das Recht auf Versammlungsfreiheit. Wenn die Teilnahme an einer Versammlung aber stets mit Polizeikontrollen verbunden ist, werden viele Bürger nicht mehr teilnehmen wollen. Der Beitrag beschreibt das Paradoxon eines "Übermaßes" oder "Untermaßes" von Sicherheit. Es kann einen "Freiheitsverzicht" aufgrund von "Staatsversagen" geben, etwa wenn Linke nicht mehr ihr Recht auf Meinungsäußerung in Anspruch nehmen, da Rache der Rechtsextremen zu befürchten ist, die die Straße beherrschen. Abwesenheit von staatlicher Ordnungsmacht führt so zu Freiheitseinschränkung. Es kann aber auch einen "Freiheitsverzicht" aufgrund von zu massiver Sicherheitspolitik geben, wenn damit ein Übermaß an Kontrolle und Überwachung verbunden ist. Über- und Untermaß an Sicherheit können zu gefühlter Unsicherheit und Furcht führen. Abschließend beschreibt der Beitrag, dass zunehmend "freiwillig" auf Freiheiten verzichtet wird. Etwa durch die "freiwillige" Teilnahme an einem DNA-Massentest oder die "freiwillige" Hinnahme von Videoüberwachung. Nimmt man nicht "freiwillig" teil, gerät man in Verdacht. Will man einen videoüberwachten Marktplatz überqueren, "verzichtet" man also entweder auf Anonymität - oder aber auf sein Recht auf Fortbewegung und Nutzung öffentlicher Räume. Der Artikel betont, dass somit auch das Leitbild der Gesellschaft zur Debatte steht. Freiheitsgebrauch oder -verzicht bestimmen auch den Charakter von Staat und Gesellschaft. (ICB)