Die Rückkehr des Nationalismus
In: Politik nach dem Ost-West-Konflikt, S. 99-120
Der Autor sieht in den ausgebrochenen nationalistischen Leidenschaften vor allem im ehemals kommunistischen Teil Europas den Nationalismus des 19. Jh. und der ersten Hälfte des 20. Jh. wiedererstehen. Er untersucht seine Erscheinungsformen, Ursachen, innen- und außenpolitischen Funktionen und Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen in Europa. Vorab wird Nationalismus definiert als mobilisierende, integrierende und legitimierende Ideologie einer politischen Bewegung, deren Ziel es ist, Staat und Nation (im ethnischen Sinn) zur Deckung zu bringen, also einen Nationalstaat zu bilden. In einem entstandenen Nationalstaat äußert sich der Nationalismus in der Tendenz zur Verabsolutierung der Ziele und Interessen dieses Staates auf Kosten anderer; er kann auch zur Legitimierung einer expansionistischen Politik instrumentalisiert werden. Die Ursachen in Ost- und Südosteuropa liegen im Zusammenbruch des Kommunismus, dem Gefühl vieler Nationen und ethnischer Minderheiten, in ihrer nationalen Identität bedroht zu sein, wirtschaftlicher Benachteiligung und in historischen Bedingtheiten (lange Abhängigkeit und Unterdrückung). Die für Westeuropa mäßigende Erfahrung wirklicher regionaler Zusammenarbeit hat dort gefehlt. Westeuropa scheint durch eine Wiederbelebung nationalistischer Rivalitäten in eine Stagnation des Integrationsprozesses zu gelangen. Eine sinnvolle Strategie der Bekämpfung der nationalistischen Renaissance und von ethnonationalistischen Konflikten in den ehemals kommunistischen Staaten besteht für den Autor neben der wirtschaftlichen und finanziellen Hilfe, die an die Einhaltung von Minderheitenrechten zu koppeln sind, vor allem in dem parallelen Aufbau funktionaler Kooperationsstrukturen zwischen Staaten und dem gleichzeitigen Ausbau international kontrollierter Schutzmechanismen innerhalb von Staaten. (ICK)