"Atomkraft für den Frieden": eine amerikanische Kampagne zur emotionalen Kontrolle nuklearer Ängste
In: Sozialwissenschaftliche Informationen: Sowi, Band 30, Heft 3, S. 63-71
ISSN: 0932-3244
Die kollektiven Ängste vor einem Atomkrieg, die mit der Entwicklung der nuklearen Waffensysteme seit den frühen 1950er Jahren einhergingen, führten in den westlichen Staaten zu einem Dilemma: Eine "nukleare Bedrohung" durch die UdSSR sollte einerseits in der westlichen Öffentlichkeit ernstgenommen werden, andererseits mussten die kollektiven Ängste aber soweit "kanalisiert" werden, dass die politische Akzeptanz der eigenen Nuklearrüstung nicht gefährdet wurde. Durch regelmäßige Meinungsumfragen und breite politische Kampagnen sollten die westlichen Gesellschaften vor einem "emotionalen Neutralismus" bewahrt werden. Im Mittelpunkt einer amerikanischen Kampagne stand zum Beispiel eine in der Bundesrepublik durchgeführte große Atomausstellung, über die im vorliegenden Beitrag berichtet wird. Die Ausstellung, welche die "Faszination der Atomenergie" vermitteln sollte, wurde 1954 zunächst auf der Industriemesse in Berlin gezeigt und ging im Verlauf des Jahres 1955 in mehrere andere deutsche Großstädte. Sie sollte in der Öffentlichkeit die militärischen Konnotationen der Atomenergie durch eine verstärkte Wahrnehmung der friedlichen Anwendungsmöglichkeiten ersetzen und für die Atompolitik der USA werben. Trotz einer hohen Besucherzahl und einer insgesamt positiven Resonanz war den amerikanischen Bemühungen zur Eindämmung nuklearer Ängste in der Bundesrepublik in den 50er Jahren dennoch nur ein zeitlich wie inhaltlich sehr begrenzter Erfolg beschieden. (ICI2)