Die Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa (KVAE)
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft B 2, S. 3-15
ISSN: 0479-611X
"Die Erfahrungen des bisherigen Rüstungskontrollprozesses zeigen, daß es zu Abkommen mit der Sowjetunion nur dann kommt, wenn sie erstens ein Interesse an einer solchen Vereinbarung hat, zweitens von Inspektionen vor Ort nicht betroffen ist und ihr drittens ein quantitativer oder qualitativer Vorteil aus diesem Abkommen erwächst. Diese Bedingungen werden wahrscheinlich auch für die KVAE gelten. Der ursprüngliche französische Vorschlag einer europäischen Abrüstungskonferenz über konventionelle Rüstungen wurde zunächst mit dem KSZE-Prozeß verbunden und während der Auseinandersetzungen auf der KSZE-Folgekonferenz im Madrid modifiziert. Demnach soll die KVAE in eine erste Phase der Verhandlungen über neue Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und eine zweite Phase der eigentlichen Abrüstungsverhandlungen gegliedert werden, wobei der erfolgreiche Abschluß der ersten Phase zur Bedingung für die zweite gemacht wird. Die zu beschließenden Maßnahmen sollen entsprechend dem Madrider KSZE-Schlußdokument militärisch bedeutsam, politisch verbindlich und angemessen verifizierbar sein. Als Geltungsbereich ist das gesamte Europa vom Ural bis zu den am Europa angrenzenden Seegebieten des Atlantiks vorgesehen. Die KVAE könnte aufgrund des erweiterten Geltungsbereichs und der Verbindlichkeit der Vertrauensbildenden Maßnahmen sowohl die MBFR-Verhandlungen als auch den KSZE-Prozeß ergänzen. Außerdem werden eventuelle Ergebnisse der zweiten Phase nicht ohne Rückwirkung auf die INF- und START-Verhandlungen bleiben - und umgekehrt. Die KVAE steht daher mit den anderen Rüstungskontrollgesprächen in inhaltlicher oder funktionaler Verbindung und schließt eine Lücke im Gefüge der Rüstungskontrollverhandlungen. Die KVAE wird allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach vor erhebliche politische und militärisch-technische Probleme gestellt sein. Für die westliche Seite wird es von entscheidender Bedeutung sein, zu Verhandlungen über konkrete Vertrauensbildende Maßnahmen zu kommen und zu verhindern, daß die KVAE zu einem sowjetischen Propagandaforum wird. Sollte dies gelingen, so gilt es zunächst, den Geltungsbereich der Maßnahmen so zu definieren, daß maritime militärische Aktivitäten, die nicht in funktionaler Verbindung zu Europa stehen, erfaßt werden. Die konkreten Vertrauensbildenden Maßnahmen müssen darüber hinaus durch Inspektionen vor Ort verifizierbar sein. Schließlich dürfen die Ergebnisse der KVAE nicht zu einem konventionellen militärischen Ungleichgewicht in Europa führen oder ein solches Ungleichgewicht zementieren. Dem stehen die sowjetischen Bedingungen für Rüstungskontrollabkommen, wie sie sich aus den Erfahrungen des bisherigen Rüstungskontrollprozesses ergeben, diametral gegenüber. Es ist nicht ersichtlich, wie angesichts dieser Positionen eine Einigung hinsichtlich der Fragen der Art und Definition der Vertrauensbildenden Maßnahmen, der Verifikation und des militärischen Gleichgewichts erreicht werden kann. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, daß es zu einem erfolgreichen Abschluß der KVAE kommt." (Autorenreferat)