"Tarifpolitik ist mehr als Lohnpolitik. Nicht nur Höhe, Struktur und Differenzierung der Arbeitseinkommen sind Gegenstand von Tarifverträgen, sie regulieren vielmehr nahezu die Gesamtheit der Arbeitsbedingungen. Dabei greift die Tarifpolitik auch in Bereiche hinein, die klassischerweise der staatlichen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zugeschrieben werden. Dies reicht - um nur einige Bereiche zu nennen - von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Beschäftigungssicherung und sozialen Absicherung bei Unterbeschäftigung über die berufliche Aus- und Weiterbildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zu Altersübergang und Altersversorgung. Seit der Durchsetzung des flächendeckenden Systems von Branchentarifverträgen in der Nachkriegszeit und in den 1950er Jahren haben tarifpolitische Initiativen der Gewerkschaften auf diesem Feld immer wieder wichtige Akzente gesetzt. Sie spiegeln die wechselnde inhaltliche Problem- und Risikolage ebenso wider wie Erfolge und Defizite staatlicher sozialpolitischer Regulierung, die oftmals Anlass für ergänzende oder auch kompensierende tarifpolitische Aktivitäten waren. Dieser Beitrag skizziert anhand ausgewählter Beispiele die bisherige Entwicklung, die Reichweite und die Wirkungen der sozial- und arbeitsmarktpolitischen Regulierung durch Tarifvertrag." (Textauszug, IAB-Doku)
Die Tarifpolitik des Jahres 2010 zeigt deutliche Krisenspuren, so dass sich die Gewerkschaften noch stärker als im Vorjahr vor allem in den krisenbetroffenen Industriebranchen auf Maßnahmen der tariflichen Beschäftigungssicherung konzentrierten. Nachdem bereits im Jahr 2009 die Tarifabschlüsse etwas niedriger ausfielen als noch im Jahr zuvor, sind die Tarifsteigerungen der Abschlüsse des Jahres 2010 unter dem Druck der anhaltenden Krise noch einmal kräftig zurückgegangen, so dass von einer gedämpften Lohnentwicklung gesprochen werden muss. In einer ganzen Reihe von Branchen wurden für 2010 überwiegend Pauschalzahlungen vereinbart, die nicht zu dauerhaft tabellenwirksamen Tarifanhebungen führen. In der chemischen Industrie wird auf Grund der kurzen, nur elfmonatigen Laufzeit bereits im Frühjahr 2011 erneut über die Entgelte verhandelt. Die ökonomische Lage verbesserte sich aber im Laufe des Jahres 2010 überraschend zum Positiven, so dass auch die Rahmenbedingungen für die Tarifverhandlungen besser wurden. Insgesamt konnte im Jahr 2010 mit einer jahresdurchschnittlichen Tarifsteigerung von 1,8% der sehr moderate Anstieg der Verbraucherpreise von durchschnittlich 1,1 % mehr als ausgeglichen werden. Das reale Tarifplus belief sich schließlich auf 0,7%. Andererseits profitieren die Arbeitgeber langfristig von dem durch die Pauschalzahlungen zumindest vorübergehend "eingefrorenen" Tarifsockel. Wie bereits in den Vorjahren wurde die Tarifentwicklung des Jahres 2010 positiv von den länger laufenden besseren Abschlüssen des Jahres 2009 beeinflusst. (ICI2)
Die politische Auseinandersetzung um die Begrenzung des Niedriglohnsektors in Deutschland ist nach wie vor in vollem Gang. Zwar gewinnt die Forderung nach einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn immer mehr an Unterstützung, aber durchgesetzt ist sie noch keineswegs. Der vorliegende WSI-Report analysiert Reichweite, Niveau und Wirksamkeit des bestehenden Regelwerks zur Festsetzung von Mindestarbeitseinkommen. Er informiert außerdem über die Regulierungsvorstellungen der Betriebsräte auf Basis der jüngsten WSI-Betriebsrätebefragung.
"Trotz der Wirtschaftskrise konnten die Gewerkschaften im Jahr 2009 bemerkenswerte Lohnsteigerungen erzielen. Im Durchschnitt sind die tariflichen Grundvergütungen der Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2009 um 2,6 % gestiegen. Da sich die Verbraucherpreise lediglich um 0,4 % erhöht haben, ergibt sich daraus ein kräftiger realer Anstieg der Tarifvergütungen um 2,2 %. Die effektiv gezahlten Bruttoeinkommen je Arbeitnehmer sind jedoch im vergangenen Jahr nominal um 0,4 % gesunken, preisbereinigt sogar um 0,8 %. Das Jahr 2009 war damit das sechste Jahr in Folge, in dem die Beschäftigten effektive Reallohnverluste hinnehmen mussten. Die wichtigste Ursache sind arbeitszeitpolitische Maßnahmen (Kurzarbeit), aber auch Entgeltkürzungen." (Autorenreferat)