Von Geschwistern lernen?: der Einfluss von Geschwistern auf den Wortschatz im Primar- und Sekundarbereich
Geschwisterbeziehungen gelten als die längsten Beziehungen, die eine Person eingehen kann – sogar länger als die Beziehungen zu den Eltern, zum (Ehe-)Partner oder zu den eigenen Kindern. Somit stellen Geschwisterbeziehungen eine besondere Beziehungsform dar, die in solch einer Art und Weise kein weiteres Mal vorhanden ist. Vor allem die ersten Lebensjahre eines Kindes sind stark durch die Familie geprägt. Gerade dieser Einfluss geht nicht nur von den Elternteilen aus, sondern auch von den Geschwisterkindern. Da der Wortschatz in den ersten Lebensjahren vor allem durch die Familie geprägt wird, während mit zunehmendem Alter zusätzlich außerfamiliäre Einflüsse (u.a. Schulbesuch) den Wortschatzerwerb bedingen, stellt sich die Frage des Einflusses von Geschwisterkindern auf den Wortschatz. Basierend auf den Daten der deutschen Längsschnittstudie "Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter" (BiKS-8-14), wurde in dieser Dissertation der Einfluss der drei am häufigsten in der Geschwisterforschung zu findenden Merkmale – Geschwisteranzahl, Geburtenreihenfolge und Geburtenabstand – auf den rezeptiven Wortschatz von Kindern im Primar- und Sekundarbereich betrachtet. Mithilfe von linearen Wachstumskurvenmodellen wurden insgesamt 2.395 Kinder im Alter von 9 bis 10 Jahre sowie insgesamt 2.984 Jugendliche im Alter von 11 bis 13 Jahre herangezogen. Zusammenfassend können die Befunde den Einfluss von Geschwisterkindern auf den rezeptiven Wortschatz nicht ausschließen, jedoch zeigt eine differenzierte Betrachtung nach der Geschwisteranzahl, der Geburtenreihenfolge sowie dem Geburtenabstand, dass die einzelnen Geschwistermerkmale nicht gleichermaßen den rezeptiven Wortschatz von Kindern und Jugendlichen im Primar- und Sekundarbereich beeinflussen sowie zeitlichen Veränderungen unterliegen. Sowohl für die Geburtenreihenfolge als auch für den Geburtenabstand zum nächst jüngeren Geschwisterkind lassen sich über die beiden betrachteten Zeitspannen keine signifikanten Einflüsse auf den rezeptiven Wortschatz konstatieren. Hingegen prägen die Geschwisteranzahl und der Geburtenabstand zum nächst älteren Geschwisterkind den rezeptiven Wortschatz vor allem im Primarbereich, während diese im Verlauf der Sekundarstufe an Relevanz verlieren.