Gleichheit, Leistung, Markt: Entlohnungsgerechtigkeit im tarifpolitischen Strukturwandel
In: Verteilungsprobleme und Gerechtigkeit in modernen Gesellschaften, S. 223-243
Im vorliegenden Aufsatz wird die Frage diskutiert, inwiefern die etablierten Gerechtigkeitsgrundsätze der deutschen Tarifautonomie seit einigen Jahren unter Druck geraten. Aus einer institutionenanalytischen Perspektive wird gezeigt, dass das überkommene Tarifsystem auf einem komplexen arbeitsteiligen Arrangement aus Gleichheits- und Leistungsprinzipien beruhte. Diese Stabilität gerät nun aufgrund des anhaltenden Trends zur Dezentralisierung von Lohnverhandlungen ins Wanken und Öffnungsklauseln, Erfolgsbeteiligungen und offene Tarifbrüche führen dazu, dass der individuelle Lohn in zunehmendem Maße von betrieblichen Erfolgsparametern abhängt. Mit diesen Veränderungen wird ein Gerechtigkeitsgrundsatz in die Lohnfindung eingebracht, den der Autor als Prinzip dezentraler Marktgerechtigkeit bezeichnet. Dieses Prinzip höhlt nicht nur den Grundsatz "gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit" aus, sondern setzt auch das Leistungsprinzip als klassischen Maßstab der industriellen Entlohnung außer Kraft. Der Autor erörtert vor diesem Hintergrund die Frage, inwieweit diese Entwicklung Legitimitätsverluste auf Seiten der betroffenen Beschäftigten hervorrufen wird. (ICI2)