"Der Kosovo-Plan der UN würde, wenn er sich umsetzen ließe, einen Staat minderer Souveränität schaffen und damit das Ende des UN-Systems souveräner Gleichheit aller Staaten einläuten. Das könnte paradoxerweise auf eine Konstitutionalisierung des Völkerrechts hinauslaufen - und der internationalen Gemeinschaft mehr Verantwortung aufbürden." (Autorenreferat)
Gegenstand des Beitrages bildet die im Jahre 1523 erschienene Schrift Martin Luthers "Von weltlicher Obrigkeit, wieweit man ihr Gehorsam schuldig sei". Diese enthält keine systematische politische Theorie oder eine allgemeine Staatslehre aus evangelischer Sicht, sondern sie in erster Linie ein theologischer Text über das "Weltverhältnis des Christen". Durch ihren lebendigen dialogischen Stil handelt es sich bei der Schrift eher um eine Predigt als um eine theoretische Abhandlung und sie ist die konkrete Reaktion eines tiefreligiösen und bibelfrommen Christen auf die Umwälzungen in jener Zeit. Es waren nicht zuletzt auch theologische Erwägungen, die Luther veranlassten, das von ihm zuvor in mehreren Predigten bereits behandelte Thema des Verhältnisses des Christen zur weltlichen Obrigkeit in einer selbständigen Schrift auszuführen. Diese bildete den Abschluss von Luthers Auseinandersetzung über das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, wie der Autor in seiner Erläuterung des werkgeschichtlichen Hintergrunds zeigt. Seine weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Lehre von den zwei Reichen sowie auf den politik- und staatstheoretischen Ertrag der Obrigkeitsschrift. (ICI)
Der Beitrag zu den Grundlagen politischer Gemeinschaft befasst sich mit der Frage, inwieweit das Konzept der Souveränität im Globalisierungsprozess nicht notwendig in den Strudel des staatlichen Niedergangs hineingerissen wird. Im ersten Schritt wird zunächst aufgezeigt, dass Souveränität auch heute noch eine unentbehrliche Kategorie der internationalen Politik ist. Jedoch unterliegt sie einem grundlegenden Wandel, der mit ihrer Einbettung in einem Prozess der Konstitutionalisierung des Völkerrechts zusammenhängt. Im zweiten Schritt wird aufgezeigt, dass mit dem Verfassen der internationalen Beziehungen paradoxerweise der gegenläufige Prozess einer immer häufigeren Durchbrechung des in der UNO-Charta niedergelegten Prinzips der souveränen Staaten einhergeht. Die zu beobachtende Entwicklung kennt nicht nur die überkommene Unterscheidung zwischen Großmächten, Mittelmächten und Kleinstaaten, sondern verhilft einer aus der Geschichte des Völkerrechts geläufigen Unterscheidung zur Wiederbelebung, die das UNO-System der souveränen Gleichheit für immer verabschiedet zu haben schien: die Unterscheidung zwischen zivilisierten, rechtstreuen, tugendhaften Staaten einerseits, rechtsfeindlichen, nicht- und halbzivilisierten, Barbaren- oder Schurkenstaaten andererseits. Im dritten Schritt geht der Autor abschließend der Frage nach, ob es zwischen den beiden Entwicklungslinien - Konstitutionalisierung der internationalen Beziehungen und gleichzeitig Verfemung und Marginalisierung bestimmter Staaten - einen inneren Zusammenhang gibt. (ICG2)
In kaum einem Lebensbereich haben sich die Bemühungen um die Bändigung der Gewalt durch das Recht als so mühsam erwiesen wie in den internationalen Beziehungen. Eine Geschichte der internationalen Beziehungen kann nicht als eine Geschichte fortschreitender Verminderung von Gewalttätigkeiten geschrieben werden, sondern nur - so die These des Autors - als eine Geschichte des Formenwandels der Gewalt. Die Gewalt selbst erscheint bis heute jedenfalls als ein überzeitliches Phänomen sowohl innerhalb als auch zwischen den menschlichen Gemeinschaften. Gewalt in der Beziehung zwischen den Staaten, und damit der Gewaltbegriff im Völkerrecht, steht im Zentrum des vorliegenden Beitrags. Untersucht wird der Wandel der Formen und Rechtfertigung von Gewalt in den internationalen Beziehungen, insbesondere die in der UNO-Charta kodifizierte Begrenzung legaler Gewaltanwendung und die "Achillesferse" des Völkerrechts, der Streit darüber, wann ein Präventivkrieg als legitimer und nach Völkerrecht legaler Akt der Selbstverteidigung gelten kann und wann er in eine unerlaubte Aggression umschlägt. (ICA2)
Im Zentrum des Beitrags steht das völkerrechtliche Instrument des Vertrages, dessen normativer Gehalt und Anspruch an der Institution des Versprechens expliziert wird. Die integrationstheoretische Pointe dieses Konzepts profiliert der Autor entsprechend am vertragsrechtlichen Prinzip des "pacta sunt servanda" als Bestandteil des "ius cogens", das einen normativen Zwang auf vertragsschließende Parteien deshalb ausübt, weil es als unmittelbarer Ausdruck der Moralitätsbedingungen des Rechts (der Rechtsidee) die Grundlage für die Einlösung der mit dem Rechtsgebrauch generell verbundenen Erwartungen an das prekäre Gut der Erwartungssicherheit bildet. Damit aber werden, so die These, normative Erwägungen zu einem inhärenten, nicht nur einem akzidentiellen Bestandteil der Staatenpraxis in den internationalen Beziehungen. Es liegt also kein "Kategorienfehler" vor, wenn man von Staaten eine Orientierung an normativen Prinzipien erwartet. Dieser normative Eigensinn und Gehalt von Verträgen bringt sich jedoch in der Regel nicht von selbst erfolgreich zur Geltung. Die Staaten der Zukunft werden nur überleben, "wenn sie sich als normativ verpflichtete Subjekte in einer internationalen Gemeinschaft verstehen und ihr Verhalten daran orientieren". (ICA2)
Die Rekonstruktion der politischen Elemente der EU beginnt mit einer kurzen Rückerinnerung an die Gründungsmotive der Gründer und wendet sich sodann den Implikationen der für die politische Theorie zentralen Trennung des Politischen vom Staat zu. Vor dem Hintergrund des historischen Sonderwegs Europas werden dann zentrale Probleme der politischen Qualität der EU erörtert: Worin liegt die institutionelle Eigenart der EU als eines politischen Bundes? Was bedeutet der Status der Unionsbürgerschaft für die politische Qualität der EU? Welche Legitimationskriterien gelten für die EU-Politik? Der politische Charakter der EU, so das Fazit des Verfassers, liegt in der Tatsache, dass sie für die Völker Europas eine existenzielle Notwendigkeit ist. (ICE2)
Der Universalitätsanspruch der konstitutionellen Demokratie kann zum einen die Behauptung umfassen, dass dieser Herrschaftstypus auf Werten, Prinzipien und Regeln beruht, die zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erde eine normative Geltung beanspruchen können. Eine andere Bedeutungsvariante erhebt dagegen den Anspruch, dass sie heute weltweit die einzig legitime Herrschaftsform ist. Während mit der ersten Lesart des Universalitätsanspruchs die Duldung bzw. Anerkennung nicht-universalistischer Herrschaftsformen verbunden ist, impliziert die zweite Interpretation das Ziel, die konstitutionelle Demokratie auf der ganzen Welt durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Autor zufolge die Frage, ob das Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten nach der Charta der Vereinten Nationen noch eine tragfähige Grundlage für die internationale Ordnung darstellt. Findet also der universalistische Impuls zur humanitären Intervention eine Bestätigung in dem Tatbestand, dass nur eine aus verpflichtungsfähigen Staaten bestehende internationale Gemeinschaft in der Lage ist, die globalen Fragen der Sicherheit und der Wahrung des Menschheitserbes zu lösen? Ergibt sich daraus ferner die Schlussfolgerung, dass die internationale Gemeinschaft in moralischer und rechtlicher Hinsicht befugt ist, das Prinzip der Demokratie gegen einzelne widerstrebende und gefährliche Staaten zur Geltung zu bringen und diese gegebenenfalls auszuschließen? Der Autor diskutiert diese und weitere Fragen in Bezug auf einen "demokratischen Frieden" und "christlichen Missionarismus". (ICI2)
In: Kontingenz und Krise: Institutionenpolitik in kapitalistischen und postsozialistischen Gesellschaften ; Claus Offe zu seinem 60. Geburtstag, S. 41-57
Für die sich entwickelnde multikulturelle Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland gibt es bisher noch kein überzeugendes kohärentes Verfassungsprogramm. Der Bedeutungsverlust des Nationalstaats, die damit einhergehende Krise des Wohlfahrtstaats, die Dynamik der technologischen Entwicklung und die Globalisierung aller Lebensbereich sind Herausforderungen, denen das Grundgesetz heute ausgesetzt ist. Der vorliegende Beitrag rekonstruiert für eine nach wie vor noch ausstehende Verfassungsreform im vereinten Deutschland die verschiedenen Traditionslinien von Verfassungsdiskussionen im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Das, worum die die Weimarer Verfassung tragenden Kräfte kämpften, ist mit dem Bonner Grundgesetz weitgehend erreicht worden. Was heute aussteht, ist eine Verfassung, die "kollektiv gesellschaftliches Lernen" ermöglicht, um den Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. (ICA)