Das vorliegende Arbeitspapier geht auf eine Vorlesungsreihe zur Forschungspraxis in der Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie zurück, die im Wintersemester 1997 an der Universität Bielefeld durchgeführt wurde. Die folgenden Ausführungen richten sich an junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und beschreiben die drei wesentlichen Phasen des Forschungsprozesses: Die Erarbeitung eines Forschungsplans (1); Die eigentliche Feldforschung (2); Die Auswertung und Erstellung eines Forschungsberichtes bzw. einer Publikation. Die Darstellung enthält zudem einige praktische Beispiele und persönliche Erfahrungen des Autors. (ICI)
Seit dem Juni 1998 besteht in Guinea-Bissau ein Bürgerkriegszustand. Die vorliegende Studie beschreibt zwei Aspekte der seitdem in diesem Lande bestehenden Gesellschafts- und Staatskrise: die Frage der Ethnizität und die der natürlichen Ressourcen. Beide sind Teile der "afrikanischen Krise" insgesamt. Für den Konflikt ist - für afrikanische Verhältnisse - das Fehlen radikaler ethnischer Feindbilder, wie z.B. im Konflikt von Ruanda, bemerkenswert. Auch der Krieg hat bisher nicht zum Zerfall der Gesellschaft nach ethnischen Kriterien geführt. Erschreckend ist jedoch die zunehmende Militarisierung der Zivilbevölkerung. Für die Frage der Nutzung der natürlichen Ressourcen und eine nachhaltige Entwicklung wird die Sicherung des Bodenbesitzes von entscheidender Bedeutung sein. Zu den Sicherungsfaktoren gehören daher nicht nur eigentumsrechtliche Regelungen, sondern auch die machtpolitische Stärkung lokaler Autonomie gegenüber der Regierung in der Hauptstadt Bissau. (ICA)
Die Autorin gibt eine systematische Übersicht über die Ziele und Merkmale des Gender-Ansatzes im Rahmen der Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik. In ihrer Einleitung beschreibt sie zunächst die Entstehung des theoretischen Konzepts "Geschlecht" in den Bereichen "Frauen und Entwicklung" und "Geschlecht und Entwicklung". Sie erörtert ferner die soziokulturellen Aspekte der Partizipation von Frauen sowie das Problem der Feminisierung der Armut. Im zweiten Teil ihres Arbeitsberichts geht die Autorin auf die aktuelle Debatte zum Gender-Ansatz und die Interaktionen von Frauen auf der mikro-, meso- und makroökonomischen Ebene ein. Die methodologische Annäherung an die Kategorie Geschlecht und die notwendigen Instrumente der Entwicklungsplanung stehen im Vordergrund des dritten Teils. Im letzten Kapitel definiert die Autorin die Politiken und Strategien für die verschiedenen Sektoren der Entwicklungszusammenarbeit, welche die Prinzipien des Gender-Ansatzes bei der Armutsbekämpfung verfolgen. (ICI)
Die Autorin gibt eine erste Bestandsaufnahme ihrer Arbeitserfahrungen in Ressourcenschutz- bzw. Forstprojekten der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in afrikanischen Ländern. Sie entwickelt gleichzeitig einen Orientierungsrahmen für die Handlungsfelder der sozialwissenschaftlichen Fachberatung. Im Hinblick auf einen mangelnden Praxisbezug entwicklungssoziologischer Theoriebildung und angesichts der komplexen Herausforderungen plädiert sie für eine problemzentrierte und anwendungsorientierte Soziologie, welche die Arbeitserfahrungen stärker als bisher in die Theoriebildung integriert. Eine sozialwissenschaftliche Fachberatung in der Entwicklungszusammenarbeit geht bei der Umsetzung des partizipativen Ansatzes weit über eine Identifizierung von Bedürfnissen, Hindernissen und möglichen Wirkungen hinaus. Erforderlich ist eine "stakeholder analysis", welche die unterschiedlichen Interessengruppen auf der Projektebene, der Trägerebene und auf der Ebene der Bevölkerung untersucht. (ICI)
Die indische Familie ist eine erweiterte Einheit der sozialen Reproduktion, die sich durch Modernisierungsprozesse nicht aufgelöst hat, sondern modifiziert und als soziale Institution teilweise noch weiter ausgebaut wird. Das vorliegende Arbeitspapier untersucht die Strukturen und die Funktionsweise dieses Familientyps als eine Strategie der sozialen Netzwerkbildung durch Heirat bzw. Verehelichung. Die formale Struktur der "traditionalen Familie" bildet nach wie vor das patrilokale und patrilineare Verwandtschaftsmuster: eine Frau wird von einem Mann "erwählt" und zieht dann mit ihm zusammen in das Haus seiner Eltern. Der Autor zeigt, dass diese Institution nur insoweit abgewandelt wird, wie sie der Erweiterung des "sozialen Kapitals" des Mannes dient. (ICA)
"Singapur, internationaler Wirtschaftsstandort an der Südspitze der malaiischen Halbinsel, soll bis zur Jahrtausendwende gemäß der Vision der 'Intelligenten Insel' unter Ausnutzung modernster Informations- und Kommunikationstechnologien zur 'Smart City' ausgebaut werden. Kennzeichnend für diesen Stadttypus ist die elektronische Vernetzung von Büros, Fabriken, Lagerhäusern, Dienstleistungsunternehmen, Behörden, Bildungseinrichtungen, der Medien, privater Haushalte etc. via PC und Glasfaserkabel sowie die Verfügbarkeit von Diensten wie E-Mail, Electronic Data Interchange (EDI), Teleshopping, Electronic Banking, Telework usw. Dieser Typus der innerstädtisch und international elektronisch vernetzten 'Smart City' ist laut US-Zukunftsforscher John Naisbitt die wirklich wahre 'Global City' der Zukunft: Der Beitrag soll verdeutlichen, inwieweit das heutige Singapur diesem Typus entspricht. Dies geschieht mittels der Beantwortung der folgenden Fragen: Wie läßt sich der diffuse Begriff der Globalisierung überhaupt definieren und eingrenzen? Wie steht es um die derzeitige globale Verflechtung des 645 qkm kleinen Stadtstaates, der in Rekordzeit zum Neuen Industrieland avancierte? Welche kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Effekte bzw. Handlungszwänge ergeben sich aus der zunehmenden Globalisierung? Mit welchen Strategien wird versucht, die für Singapurs Zukunft lebensnotwendige globale bzw. regionale Nutzenfunktion des kleinen Stadtstaates weiter zu optimieren? Wie reagiert Singapurs politische Elite auf den mit dem Globalisierungsprozeß einhergehenden Anpassungsdruck, die Universalisierung der Lebensstile im Bereich der Massenkultur (MacWorld) und die Globalisierung demokratischer Ideen? Wie interagiert die in Singapur zu beobachtende Heterogenisierung bzw. Ethnisierung von Kultur (Stichwort 'Asiatische Werte') mit der Globalisierung?" (Textauszug)
Die Untersuchung der usbekischen Kleinhändler im Transformationsprozeß zeigt, daß der Handel in Usbekistan in informelle Netzwerke und sozio-kulturelle Beziehungen (Verwandtschaft, Freunde etc.) eingebettet ist, die ihrerseits seit dem Zusammenbruch der UdSSR einem rapiden Wandel unterliegen. Dieser Wandel wird durch globale und sozio-ökonomische Veränderungsprozesse zusätzlich beschleunigt. Aus der Analyse der Einstellungen der untersuchten Kleinhändler ergibt sich, daß sie nicht nur Opfer anonymer Prozesse sind, sondern auch als Akteure diesen Wandel durch die Adaption kapitalistischer Wertorientierungen aktiv beschleunigen. Der Rückgriff auf das "soziale Kapital" von Freunden, Verwandten und Bekannten und die Bildung von "Kleinhändlernetzwerken" hat dabei im wesentlichen die Funktion, die (sozialen) Risiken, die mit der Einführung einer harten Marktwirtschaft verbunden sind, zu minimieren. (pre)
Die Autorin diskutiert aktuelle frauenpolitische Themen hinsichtlich der Integration und Gleichberechtigung von Frauen im Entwicklungsprozess und auf dem Hintergrund der Forderung von "Nachhaltigkeit durch eine geschlechtergerechte (gender-equitable) Entwicklung" der Weltfrauenkonferenzen. Sie beschreibt den geschlechtsbezogenen Index der menschlichen Entwicklung gemäß der UNPD, die zunehmende Feminisierung der Arbeit auf dem Weltmarkt und die geschlechtsspezifischen Aspekte der ökonomischen Globalisierung. Sie stellt ferner die Ansätze zur Strukturanpassung und Makroökonomie im Rahmen einer feministischen Ökonomie dar und geht abschliessend auf die Forderung ökonomischer Rechte von Frauen in einer globalen Zivilgesellschaft und auf die Perspektiven des transformativen Ansatzes in der Entwicklungspolitik ein. (ICI)
Die staatliche Regulierung des Handels mit importierten Waren in der UdSSR stellte ein wichtiges Element der ökonomischen Kultur der sowjetischen Gesellschaft dar. Die Studie zeigt auf, welche Bedeutung der Handel mit importierten Waren heute auf diesem historischen Hintergrund hat und welches Verhältnis die Bewohner dem Markt als sozialem Raum gegenüber haben. Diskutiert wird die Frage, wie der Handel innerhalb kurzer Zeit von einer kriminellen Tätigkeit zu einem Verhaltensmuster mit Massencharakter werden konnte. Die netzwerkanalytische Untersuchung arbeitet heraus, daß die Strukturen und Muster sozialer Beziehungen das Handeln der involvierten Personen in einer Vielzahl von Lebensbereichen fördern und begrenzen. Das "Netzwerkkapital" im Sektor der informellen Ökonomie (Freunde, Bekannte, Verwandtschaft) wird hinsichtlich seiner vertikalen und horizontalen Dimension untersucht. (pre)
Der Autor geht in seinem Vortrag auf die Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik und die Förderung entwicklungspolitischer Massnahmen in der Bundesrepublik ein. Er skizziert die Gründungsphase des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) Anfang der sechziger Jahre sowie den Wandel von einer Politik des "Krieges gegen die Armut" zu einer Politik der marktwirtschaftlichen Orientierung und Strukturanpassung in der Entwicklungspolitik. Seiner Meinung nach ist es nicht gelungen, die deutsche Entwicklungspolitik als eigenständiges Politikfeld und wichtigen Themenbereich der öffentlichen Diskussion zu etablieren, was z.B. Erhard Eppler mit seinem Konzept der "Nord-Süd-Politik als weitere Säule der Aussenpolitik" damals zu erreichen versuchte. Der Autor diskutiert abschliessend zwei Fragen: Was hat Entwicklungspolitik mit Entwicklungsländern zu tun? Welchen Sinn kann Entwicklungspolitik in einer sich globalisierenden Welt noch haben? (ICI)
Der Autor diskutiert einige Fragen zur geografischen, kulturellen und politischen Standortbestimmung Europas. Er sieht einen engen Zusammenhang zwischen der Konstruktion Europas und der Konstruktion des Orients bzw. des Okzidents in der Geschichte, da beide vor allem eine Idee darstellen, welche auf der Grundlage von Machtverhältnissen und sich wandelnden Dominanzen zu einer Realität geworden ist. Jedoch lässt sich weder mit Blick auf die Traditionen der griechischen und römischen Antike noch entlang religiöser Abgrenzungen ein einheitliches Bild Europas bestimmen. Der Autor beschreibt die politische Hegemonie in Europa, die verschiedenen Definitionen Europas und die möglichen Gründe für das "europäische Chaos", da sich bis in die Gegenwart hinein keine europaweite hegemoniale Macht durchsetzen konnte. Dennoch gilt Europa zunehmend als "Kennzeichen der Welt" und die Globalisierung wird auch als "Europäisierung" verstanden. (ICI)
In der vorhandenen Forschungsliteratur über die Mittelschichten in Südostasien wird entweder von einer demokratisch-politischen Interessenhaltung oder einer reinen Konsumorientierung und "Yuppie-Mentalität" bei den Mittelschichten ausgegangen. In Abgrenzung zu dieser eher "gedanklichen Konstruktion" trägt der Autor im folgenden einige empirische Beobachtungen zur Veränderung von Mittelschichten im Kontext von Globalisierungsprozessen am Beispiel Südthailands vor. Er beschreibt insbesondere die soziokulturelle Integration zwischen den Mittelschichtsegmenten der chinesischen, thailändischen und malaiischen Bevölkerung. Gegenüber den klassischen Kriterien wie Bildung und Einkommen stellt er eine stärkere Bedeutung der Lebensstile im öffentlichen Raum und die Herausbildung neuer Identitäten fest. (ICI)
Auf dem Hintergrund des Paradigmenwandels in der Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik untersucht der Autor die gegenwärtigen Perspektiven von Partizipation und Entwicklungsplanung, insbesondere im Bereich der Stadtentwicklung. Seine Darstellung umfasst die Modelle von Partizipation und Entscheidungsfindung, das Verhältnis von Frauen und Partizipation, die politische Dimension der Partizipation, die Klassenbildung, bestehende Hindernisse auf dem Weg zur Partizipation, die Bürgerbeteiligung in Stadtentwicklung und -planung sowie die Stufen des Planungsprozesses. Im letzten Teil seines Beitrages berichtet der Autor von einigen Beteiligungsprojekten aus der Entwicklungsplanung in Asien, die sich z.B. auf folgende Bereiche beziehen: Umwelt, ökonomische Entwicklung, Slumsanierung, Gesundheit und nachbarschaftliche Organisationen. (ICI)
Die Auflösung der Sowjetunion ergab analog zur Aufgliederung in unabhängige Nationalstaaten und zum Aufbau nationaler Administration auch eine institutionelle und inhaltliche Umgestaltung der Soziologie in den post-sowjetischen Gesellschaften. In der Studie wird der Transformationsprozeß der Soziologie in der Republik Usbekistan untersucht. Beispielhaft für die Aufgaben und die Entwicklungskonzeptionen wird die post-sowjetische Soziologie im Transformationsprozeß an der Taschkenter Universität beschrieben. Es wird gezeigt, welche politischen und wirtschaftlichen Veränderungen die Neuorganisation der sozialwissenschaftlichen Forschung notwendig machen. Die neben den etablierten Einrichtungen entstandenen Institute und Firmen sozialwissenschaftlicher Forschung auf privatwirtschaftlicher Ebene werden beschrieben. (ICA)