Sozialisation - Familie - Bürgerliche Gesellschaft
In: Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium: sowi, Band 1, Heft 3, S. 23-26
ISSN: 0340-2304, 0340-2304
Ausgangspunkt der kritischen Familiensoziologie von Claessens und Menne ist die Beschreibung der generellen Funktion von Familien: biologische und gesellschaftliche Reproduktion der menschlichen Gattung. In der weiteren Analyse konzentrieren sich die Autoren auf drei exemplarisch gesetzte Handlungssysteme, die typisch für Familie sind: das Sympathiesystem, das Dominanzsystem, das sachbezogene System. Das Sympathiesystem ist Ausdruck der emotionalen Bedürftigkeit des Menschen, die in der Familie in besonderer Weise zutage tritt. Das Dominanzsystem als Primärmerkmal von Familie bezeichnet ein System der Vorherrschaft, das sich auf Geschlechts- und Generationsunterschiede gründet. Das Prekäre dieses Sachverhalts ist, daß das natürliche familiale Dominanzsystem darüber hinaus Mikrokosmos gesamtgesellschaftlicher Herrschaftsorganisation ist und Abhängigkeit zwischen Familie und gesellschaftlicher Umwelt bestehen, die über die Sozialisation vermittelt werden. Das sachbezogene System bezieht sich auf die 'Leistungen' und Aufgaben, die der Familie durch gesellschaftliche und rechtliche Normierungen zugeschrieben sind. Das analytische Gerüst dieser drei Handlungssysteme macht eine Revision harmonistischer Vorstellungen über Familie möglich. Davon ausgehend versuchen Claessens und Menne, die denkbaren und teils schon praktizierten neuen Familienstrukturen (Wohnkollektive, Alternativgrruppen, Kommunen etc.) mit ihrer vorangegangenen Analyse zu konfrontieren. Bezüglich des Sympathiesystems stellt sich für die neuen Versuche familialer Organisation vor allem das Problem, wie die aktuellen emotionalen Bedürfnisse der Beteiligten in Einklang zu bringen sind mit langfristig angestrebter Gesellschaftsveränderung, die erst zu einer Überwindung emotionaler Disparitäten führen kann. Im Dominanzsystem zeichnet sich durch die Möglichkeit der Aufhebung der starren Rollenzuweisung (Mann/Frau, Eltern/Kind) eine Lockerung ab. Im sachbezogenen System bedürfen drei Bereiche einer grundsätzlichen Organisierung: in den sozialen Beziehungen müssen individuelle Bedürfnisse und kollektive Lebensform ausgeglichen werden; die materielle Existenz muß auf arbeitsteiliger Grundlage gesichert werden; die sexuellen Bedürfnisse müssen geregelt werden. (HH)