"Die historische Genese der ethnischen Säuberungen im südöstlichen Europa zeigt, dass es sich um die Folgen einer Nations- und Nationalstaatsbildung handelt, die der Übernahme des deutschen Nationsverständnisses in Kombination mit dem französischen Staatsverständnis geschuldet ist. Die ersten und letzten ethnischen Säuberungen im Europa des 20. Jahrhundert fanden im Balkanraum statt. Das griechisch-türkische Umsiedlungsabkommen von 1923 lieferte zugleich ein Modell, das anschließend in anderen Teilen Europas zur Anwendung kam. Erst im Verlauf der postjugoslawischen Kriege in den neunziger Jahren vollzog die internationale Gemeinschaft eine Abkehr vom Lausanner Modell und favorisierte die Wiederherstellung multiethnischer Gesellschaften. Bislang vergeblich. Daran wird sich nichts ändern, solange das ethnische Verständnis von Nation und Staat in der Region dominiert." (Autorenreferat)
Ausgangspunkt des Beitrags ist die These, daß jede multikulturelle Gesellschaft mit unterschiedlicher ethnischer Zusammensetzung eine konflikthafte Gesellschaft ist. In der zentralen Frage zu diesem Problem geht es um die Deutungen dieser Konflikte, in denen der Begriff der "vernünftigen Regelung" vorherrscht. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Regelungsfähigkeit von ethnisch-kulturellen Konflikten. Einige Charakteristika ethnisch-kultureller Konflikte, die gleichzeitig in der Regel asymmetrische Konflikte sind, werden aufgezeigt. Ausgehend von dem Konzept der universellen Würde einerseits und dem Konzept der Differenz andererseits wird der prinzipielle Grundkonflikt in multiethnischen Gesellschaften herausgearbeitet. Die Frage nach der Regelungsfähigkeit der Konflikte wird beantwortet, indem ein "Wahrnehmungskonzept", ein "Raumkonzept" und ein "Kommunikationskonzept" nebeneinander gestellt werden. Eine Gefährdung der Regelungsfähigkeit wird in der asymmetrischen Konfliktstruktur gesehen. Die Gründe für die Zunahme interethnischer bzw. interkultureller Konflikte werden diskutiert, die Bedingungen einer Eskalation werden aufgezeigt. Insgesamt wird deutlich, daß angesichts der sich verschärfenden sozialen, beruflichen und politischen Desintegration mit zunehmenden interkulturellen und interethnischen Konflikten, die sich auch gewalttätig aufladen, gerechnet werden muß. (ICA)
In kritischer Auseinandersetzung mit zwei einflussreichen Modellen der Migration und Integration (Assimilation, Pluralismus) erarbeitet der Verfasser ein differenziertes Konzept für ein tief greifendes Verständnis der Strukturbedingungen von Integration unter den Gegebenheiten funktional und plural ausdifferenzierter Gesellschaften. Mit den Phänomen der Migration ergeben sich für die beteiligten Akteure und für das Aufnahmeland charakteristische Problemkonstellationen. Ethnische Vielfalt besteht im Idealfall ohne ethnische Schichtungen, in denen vertikale Differenzen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen bestehen bleiben. Die Ausbildung ethnischer Schichtungen ist dabei keine zwangsläufige Folge von Migration, sondern lässt sich auch auf die rechtlichen und strukturellen Voraussetzungen zurückführen, die das Aufnahmeland bereitstellt. Mit steigender Gruppengröße sinkt die Motivation zur Assimilation ("Parallelgesellschaften"). Der Verfasser erarbeitet ein umfassendes Verständnis der Bedeutung von Migration in der global verflochtenen, funktional ausdifferenzierten modernen Gesellschaft und schließt seinen Beitrag mit Überlegungen zur Möglichkeit einer Rejustierung der institutionellen Rahmenbedingungen für Migration und strukturelle Assimilation. (ICE2)
Die Nationen bedürfen der Legitimation durch sich selbst und durch andere, um in der politischen Wirklichkeit institutionell und funktionell prägend wirken zu können. Zur Herstellung einer solchen Formation von Legitimität integrieren nationale Identifikationsangebote eine Reihe von Faktoren, die identitäts- und sinnstiftend wirken und überdies der Nation die Aura des Sakrosankten verleihen sollen. Einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Selbstlegitimation nationaler Politikkonzepte nimmt das Konzept der Ethnizität ein, also die Annahme, dass Nationen und Nationalstaaten auf ethnischen Grundlagen basieren. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, die Annahme eines "ethnischen Gemeinsamkeitsglaubens" (Max Weber) als Fundament der Nation kritisch zu hinterfragen. Es wird verdeutlicht, dass durch die wissenschaftstheoretische Differenzierung zwischen essenzialistischen und konstruktivistischen Positionen in der Nationen- und Ethnizitätsdebatte die Möglichkeit eröffnet wird, eine über diese Dichotomisierung hinausweisende, ideologiekritische Position zu formulieren, die transparent werden lässt, warum ethnische Nationskonzepte auf der gegenwärtigen politischen Agenda so erfolgreich sind, obwohl sie lediglich auf der Basis eines gemeinsamen Glaubens basieren, der irrational ist und zu einer falschen Naturalisierung des Sozialen beiträgt. (ICI2)
In: Swiss political science review: SPSR = Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft : SZPW = Revue suisse de science politique : RSSP, Band 7, Heft 2, S. 97-108
Der Autor entwickelt in seinem Beitrag die These, dass es zur so genannten strukturellen Assimilation keine Alternative geben kann, wenn man die Marginalisierung der Migranten und das Entstehen dauerhafter ethnischer Schichtungen verhindern will. Unter "struktureller Assimilation" wird dabei der Einbezug der Migranten in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt, d.h. in die zentralen Institutionen der Aufnahmegesellschaft verstanden, was im Widerspruch zu einem Konzept der kulturellen Pluralisierung steht, das auch auf die räumliche, politische oder institutionelle Eigenständigkeit der ethnischen Gruppen auf der Ebene von Kollektiven abzielt. Nach Meinung des Autors kann es eine kulturelle Pluralisierung - vor dem Hintergrund der funktional differenzierten Gesellschaften - nur auf der Ebene der individuellen Lebensgestaltung geben. Zur Begründung seiner These diskutiert er einige zentrale theoretische Konzepte der Migrationssoziologie und untersucht sie hinsichtlich der empirischen Zusammenhänge von (System-) Integration, Assimilation und Segmentation, ethnischer Schichtung und sozialer Ungleichheit. Erst auf der Grundlage der sozialen Integration in die Aufnahmegesellschaft ist auch eine kulturelle Pluralisierung möglich, die das Aufkommen ethnischer Schichtungen vermeidet. (ICI2)
Der Autor stellt zentrale Ergebnisse seiner aktuellen Untersuchung zur Segregation in deutschen Kommunen vor. Die Studie "Gespaltene Städte?" untersuchte die ethnische und soziale Lage in 15 ausgewählten Großstädten auf der Basis lokaler Datensätze und betrachtete dabei die Entwicklung seit Anfang der 1990er Jahre bis Mitte des letzten Jahrzehnts. Im vorliegenden Beitrag werden diese Entwicklungen am Beispiel der Stadt Köln veranschaulicht. Gemessen an der Entwicklung des Ausländeranteils an der Stadtbevölkerung zeigt sich, dass der Anteil der Ausländer leicht zurückgegangen ist und dass diese sich gleichmäßiger in den Stadtgebieten verteilen. Was die soziale Segregation betrifft, so hat der hierfür herangezogene Indikator - der Anteil der Sozialhilfeempfänger an der Stadtbevölkerung - seit 1990 fast durchgängig zugenommen; zugleich hat die soziale Segregation in Köln wie in den übrigen untersuchten Kommunen zugenommen. Der Autor diskutiert in seinem Beitrag unterschiedliche Erklärungsansätze für diese gegenläufigen Trends. Nach seinen Ergebnissen lassen sich zwar gemeinsame Wirkungsfaktoren identifizieren, jedoch sind die Effekte der erklärenden Variablen von Stadt zu Stadt unterschiedlich hoch. Er kommt zu dem Schluss, dass die Verarmung in prekären Wohngebieten vor allem auf eine zunehmende Verarmung der hier lebenden Bevölkerung zurückzuführen ist. (ICI2)
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 375-379
"In der Transformationsforschung zu den post-sowjetischen Gesellschaften, insbesondere Rußland, haben sich die anfänglichen Analyseinstrumente als nur bedingt tauglich erwiesen. Die vielfältigen Ungleichgewichte, Machtasymmetrien oder soziale Ungleichheiten, verhindern eine gleichmäßige Einsetzung des gewünschten institutionellen Rahmens auf der Makro-Ebene. Im diametralen Gegensatz zu diesen 'großen' Theorien stehen kulturologische Ansätze, die regionale, nationale, 'ethnische' Mentalitäten untersuchen. Übersetzt man sie in die Begrifflichkeit soziologischer Theorie, so werden hier Handlungskapazitäten individueller und kollektiver Akteure untersucht, die völlig unverbunden und nichtvermittelt den Systemveränderungen gegen überstehen. 'Lebenswelten' und Systemebene sind jedoch empirisch vermittelt, was theoretisch wohl am besten zu fassen ist, wenn die Meso-Ebene der Gruppenvernetzungen, als kollektive Effekte individueller Verhaltensmuster, im Blickpunkt steht. Durch die - oft allerdings nur analytisch gegebene - Trennung der Ebenen kann die 'Reichweite' vieler Theoreme oder Konzeptionssegmente besser eingeschätzt werden. Die Transformationserfolge - oder auch: '-mißerfolge' beschränken sich nicht auf die Etablierung elitärer Po]itik und vertikaler Patron-Klient-Netzwerke; es lohnt sich, das Augenmerk auf 'konservative' Vergesellschaftungsformen wie Milieus und Regionalisierungen zu richten, die sich als relative Stabilitätszonen und Integrationsmedien in Zeiten rapiden sozialen Wandels erweisen konnten. Milieus sollen nicht als 'vormoderne' Sozialformen gefaßt werden, sondern als Indiz dafür, daß mit der sozialstrukturellen Neugliederung der postsowjetischen Gesellschaft nicht nur vertikale Grenzen, insbesondere aufgrund sozio-ökonomischer Ausdifferenzierung, umdefiniert werden, sondern auch horizontale. Während der Milieu-Begriff zu Beschreibung von Alltagsorganisation verwendet wird, bezieht sich der Regionalisierungs-Begriff auf die, zentralstaatlich nicht zu bewä1tigende, Neuorganisation kollektiver Akteure beim Aufbau von lokalen Institutionen". (Autorenreferat)
Der Autor zeigt in einem historischen Rückblick, dass der ethnische Nationalismus nach 1945 keineswegs überholt war, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg sogar seinen Höhepunkt erreichte. Die Stabilität Europas in der Zeit des Kalten Krieges kann teilweise auf die umfassende Verwirklichung des ethnonationalistischen Projekts zurückgeführt werden und seit dem Ende des Kalten Krieges hat der Ethnonationalismus die europäischen Grenzen weiter verändert, wie der Autor anhand von Beispielen verdeutlicht. Seine Ausführungen beziehen sich unter anderem auf die Entstehung des Ethnonationalismus, die Folgen der Entkolonialisierung, die Identitätspolitik der modernen Nationalstaaten, den Prozess der erzwungenen ethnischen Desintegration während der letzten zwei Jahrhunderte sowie auf die große Transformation an den Grenzen Europas durch die Migrationsbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Einschätzung wird der Ethnonationalismus auch in Zukunft in vielen Weltregionen einer der bedeutendsten - und destabilisierendsten - Kräfte sein, denn ein höherer Grad an Verstädterung, Alphabetisierung und politischer Mobilisierung, Unterschiede in den Geburtenraten und der wirtschaftlichen Leistung verschiedener ethnischer Gruppen sowie Einwanderung werden die Binnenstrukturen der Staaten und deren Grenzen weiterhin in Frage stellen. (ICI2)
Der Autor analysiert die Zusammenhänge zwischen Ethnizität und Demokratisierung in Südosteuropa. Er stellt anhand von Volkszählungsdaten die ethnisch-nationale Zusammensetzung der Bevölkerung in vier südosteuropäischen Ländern dar (Albanien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn) und skizziert, wie sich die jeweils gegebene ethnische Vielfalt im Spektrum der Parteien und politischen Bewegungen der einzelnen Länder niederschlägt. Im Anschluß zeigt er weiterführende Forschungsfragen auf, die Beziehungen zwischen der Art der Formierung und Artikulierung von Minderheiteninteressen und den Fortgang der Demokratisierung und Modernisierung in dieser Region betreffen. Wichtig sei künftig z.B. die Analyse der Frage, welche Rolle die ethnischen Parteien in den einzelnen Gesellschaften, in den jeweiligen Parteiensystemen, der politischen Konfliktdynamik und der Entwicklung einer politischen Kultur spielen? Oder die Frage, wie die organisatorischen Binnenstrukturen der ethnischen Parteien und politischen Organisationen gestaltet sind. Wer sind ihre Mitglieder, wie rekrutiert sich ihr Führungspersonal? (rk)
Der Verfasser gibt einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Darfur-Konflikts und skizziert die geographische Lage der Region sowie die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung. Er zeigt, dass der aktuelle Konflikt in Darfur nicht einfach auf einem Streit zwischen Nomaden und Ackerbauern um Wasser, Weide und Land beruht, sondern historische, politische und rassistische Ursachen hat. Lokale, regionale und weltpolitische Faktoren haben den Ausbruch des Bürgerkrieges begünstigt. Eine Veränderung der Situation in Darfur ist nach Einschätzung des Verfassers nur durch verstärkten Druck der internationalen Gemeinschaft möglich. (ICE2)
Der Beitrag skizziert die ethnische Segregation im städtischen Sozialraum mittels des Standardmodells der Chicagoer Schule und ergänzt hierzu neuere Beobachtungen der empirischen Forschung. Vor allem die Armutsgebiete sind ethnisch hoch segregiert, während im allgemeinen Trend seit Jahren die ethnische Segregation abnimmt. Ansatzpunkte der Sozialen Arbeit sind Bildungsförderung, Beratungs- und Patenmodelle sowie die Teilhabeförderung in kommunalpolitischen Prozessen. Durch sie können einerseits negative Effekte der ethnischen Segregation gemildert und zudem kann der soziale Aufstieg nachhaltig gefördert werden.
"Makedonien ist auch 23 Jahre nach der Unabhängigkeit ein Übergangsland mit einer zunehmend autokratischen und wenig partizipativen politischen Kultur, die kaum Raum lässt für die politische Beteiligung der Zivilgesellschaft. Durch den ca. 25-prozentigen Anteil albanischer Bevölkerung bildet Makedonien auch ein multiethnisches und multikulturelles Land. Unterschiedliche Interessen und Vorstellungen über die Entwicklung Makedoniens hatten jedoch 2001 fast zu einem Bürgerkrieg geführt. Durch das damals geschlossene Rahmenabkommen von Ohrid wurden die Regeln für das Zusammenleben in einer multiethnischen Gesellschaft festgeschrieben; dennoch ist das Verhältnis der Volksgruppen zueinander nach wie vor schwierig." (Autorenreferat)
Im vorliegenden Beitrag wird die Frage untersucht, ob die tatsächlich in Deutschland bestehenden sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen "den Deutschen" und "ethnischen Minoritäten" von der deutschen Bevölkerung als gerecht empfunden werden oder nicht. Ausgehend von Untersuchungen zum unterschiedlichen Ausmaß von Vorurteilen gegenüber Minoritäten in der deutschen Gesellschaft stützt sich die Autorin auf die Annahmen von Louk Hagendoorn, welche von der Existenz einer ethnischen Hierarchie in jeder Gesellschaft ausgehen. In Anlehnung an verschiedene Theorieansätze zur Funktion von Stereotypisierungsprozessen bei Urteilen zu Ungleichheit oder Gerechtigkeit geht sie davon aus, dass ethnische Hierarchien und damit verbundene Vorurteile und Stereotype der Rechtfertigung ungleicher Verteilungen zwischen den Gruppen einer Gesellschaft dienen können und somit eine bestehende Ungleichheit legitimieren. Die Autorin untersucht dies anhand der als gerecht empfundenen Verteilung der Sozialhilfe zwischen der "deutschen Ingroup" und verschiedenen "Outgroups" (deutsche Juden, Italiener, Türken und Asylbewerber). Im Mittelpunkt stehen vor allem zwei Fragestellungen: Inwieweit korrespondiert die ethnische Hierarchie in Deutschland mit der Rangreihe der den einzelnen Gruppen zugesprochenen Sozialhilfebeträge? Wie ist das Zustandekommen der Gerechtigkeitsurteile gegenüber den einzelnen Gruppen zu erklären? Dazu werden der Einfluss der unterschiedlichen Gerechtigkeitseinstellungen der Befragten, deren Vorurteile gegenüber den Outgroups sowie das Ausmaß der negativen Stereotypisierung der Gruppen analysiert. (ICI2)