Rund um die Frage der Professionalisierung qualitativ-empirischer Forschung versammelt der Band des Zentrums für Sozialweltforschung und Methodenentwicklung (ZSM) Beiträge zur Verhältnisbestimmung von Theorie und Empirie, zu Methodologien in ihrer Bedeutung und Funktion für Forschungsprozesse, zu Methoden, Methodenentwicklung und qualitativen Ergebnisformaten sowie zur Frage der Lehre und Vermittlung qualitativer Forschung.; Around the question of the professionalisation of qualitative-empirical research, the volume of the Centre for Social World Research and Methodology Development (ZSM) gathers contributions on the relationship between theory and empiricism, on methodologies in their meaning and function for research processes, on methods, method development and qualitative result formats, as well as on the question of teaching and communicating qualitative research.
Dem zügigen Erstellen von Diplomarbeiten und Promotionen wird in Australien vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt, seit die Regierung im Jahr 2003 ein Fördersystem für Universitäten eingerichtet hat, das u.a. die zeitgerechte Fertigstellung von studentischen Forschungsarbeiten honoriert. Eine australische Universität hat hierauf mit der Einführung von Lehr- und Lernplänen reagiert. Ziel dieser Vorgaben ist nicht nur die Verbesserung von Betreuungspraktiken, sondern auch die frühzeitige Identifikation möglicher Wissenslücken. In diesem Beitrag werden die Erfahrungen von jeweils zwei Betreuer(inne)n und Studierenden im ersten Jahr der Einführung der Lehr-/Lernpläne dokumentiert. Hiervon ausgehend werden Folgerungen für eine verbesserte Betreuungspraxis und Empfehlungen für eine Revision der Lehr-/Lernpläne abgeleitet.
Meist hat das, was in Forschungsberichten dargestellt wird, nur einen sehr losen Zusammenhang zu dem Forschungsprozess, auf den sich die Veröffentlichungen beziehen. Diese Trennung zwischen dem "context of justification" und dem "context of discovery" wird von naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftstheorien und Methodologien explizit gefordert, obwohl sie schon dort problematisch ist. Sie findet sich aber auch in qualitativen Forschungsarbeiten, allerdings - so ist zu vermuten - weniger bewusst intendiert und schwerwiegender entlang deren Prämissen. Deshalb wird im ersten Teil ausgehend von einigen "paradigmatischen Gemeinsamkeiten" qualitativer Forschung ein Reflexionsdefizit herausgearbeitet, das darin besteht, dass qualitative Methodologien sich häufig - analog einem in der qualitativen Forschungspraxis vorherrschenden naturalistischen Blick auf Untersuchungsgegenstände - durch ein naturalistisches Verständnis des Forschungsprozesses auszeichnen. In dem Bemühen, beide Kurzsichtigkeiten zu vermeiden, wird im zweiten Teil im Anschluss an Überlegungen, die im Rahmen der psychoanalytischen Sozialforschung entwickelt worden sind und entlang einer eigenen Forschungsarbeit zu Jugendarbeitslosigkeit zu rekonstruieren versucht, in welcher Weise die Persönlichkeiten der Forschenden, die Zusammenarbeit in einem Forschungsteam sowie die Einbindung in weitere wissenschaftliche Kontexte und Diskurse Einfluss auf die Erkenntnisgewinnung und -präsentation genommen haben. Abschließend werden einige Barrieren diskutiert, die u.E. die Forschungsarbeit kontinuierlich behindert haben und die zudem Hinweise dafür geben, warum sich empirische Forschung und Methodologie jenseits der monierten Kluft zwischen beiden mit einem Einbezug der Subjektivität der Forschenden und der Kontextualität von Forschung schwertun. Hierzu gehören zunächst Ausstattungs- und Vermittlungsdefizite hinsichtlich qualitativer Forschungsmethodik in der universitären Lehre und Rezeptionsdefizite auf Seiten qualitativer Methodologie vor allem in Bezug auf wissenschaftshistorische und -soziologische Arbeiten, sowie fortdauernde Berührungsängste in Richtung - für eine Reflexion des Forschungsprozesses wichtiger - (ethno-) psychoanalytischer Ansätze. Wesentlich scheinen darüber hinaus und teilweise damit verbunden hinter dem Rücken der Forschenden wirksame Imperative von Wissenschaft, die sich zum einen mit persönlichen Ängsten und (Berufs-) Rollen, zum anderen mit einer tiefgreifenden Verunsicherung bzgl. der Möglichkeit insbesondere human- und sozialwissenschaftlicher Aussagen treffen.
"Hohe Fallzahlen gelten in der empirischen Sozialforschung nach wie vor als Garant allgemeingültiger Aussagen. Im Hinblick auf zeitökonomische Überlegungen erfolgt die Datenerhebung bei umfangreichen Stichproben vorwiegend mittels quantitativer Erhebungsinstrumente, die eine ebensolche Datenaufbereitung und -auswertung nach sich ziehen. Dem Einsatz qualitativer Erhebungs- und Auswertungsverfahren kommt in diesem Zusammenhang nur ein geringer Stellenwert zu. Die Einzelfallbezogenheit der qualitativen Sozialforschung sowie ein erheblicher Zeitaufwand und -intensität sind Argumente, die gegen den Einsatz qualitativer Methoden angeführt werden. Die Vorteile eines offenen Zugangs zum Forschungsgegenstand und die soziale Interaktion zwischen ForscherIn und Beforschten kommen bei dieser Argumentationsweise zu kurz. Für einen Forschungsbereich wie dem der Gerontopsychologie stellt sich die berechtigte Frage nach der geeigneten Forschungsmethodik, um von beeinträchtigten alten Menschen verwertbare Informationen zu erzielen. Wahl und Richter (1994) betonen, dass der Einsatz quantitativer Messinstrumente den alten Menschen inhaltlich und skalentechnisch überfordern können. Aus diesem Grund ist ein alternatives methodisches Vorgehen, wie es u. a. von Rowles und Reinharz (1988) oder Gubrium und Sankar (1994) propagiert wird, unerlässlich für eine gegenstandsangemessene Forschung. Eine Kombination bzw. Integration von qualitativen und quantitativen Forschungselementen wird erst ansatzweise diskutiert (Mayring & Jenull-Schiefer, 2005). Ziel der Studie "Aktivitäten in Senioren- und Pflegeheimen" (Miklautz, 2004) war es, über einen qualitativen Zugang Aktivitätsmöglichkeiten und -gewohnheiten von institutionalisierten alten Menschen zu erheben. Der vorliegende Beitrag widmet sich jedoch weniger den inhaltlichen Ergebnissen der Studie, sondern reflektiert den Einsatz qualitativ orientierter Forschungsstrategien, die unter der Perspektive der Gegenstandsangemessenheit sowie der Zeitökonomie zum Einsatz gekommen sind. Deshalb wurde bei der Auswahl von Verfahren darauf geachtet, dass diese den jeweiligen Kompetenzen der alten Menschen begegnen konnten sowie eine Auswertung analog den Richtlinien der qualitativen Inhaltsanalyse erlaubten. Darüber hinaus war für die Studie interessant, inwieweit sich qualitative Sozialforschung zeitökonomisch betreiben lässt." (Autorenreferat)
Although empirical research on international environmental politics and policy (IEP) will, by necessity, rely on qualitative case studies, this methodology remains less developed than quantitative procedures. Analysts using qualitative case studies to evaluate and generalize causal inferences can improve their research by following six key research steps. Selecting cases carefully, drawing appropriate causal inferences, and addressing the tension between specificity and generalizability prove particularly important. Analysts should develop theoretically meaningful propositions before selecting cases. Theoretically and practically interesting questions often cannot be answered with politically "hot" cases. Drawing internally valid causal inferences requires clearly defining and measuring dependent, independent, and control variables and selecting cases to control for exogenous variables. Focusing on "hard cases" and explicitly analyzing rival hypotheses produce stronger causal inferences. Analysts should give precedence to internal validity over external validity in their findings. Examples drawn from several environmental issue areas illustrate the method and criteria.
Der Artikel fasst eine 1999 an der Universität Hannover abgeschlossene Dissertation zusammen, in der das Internet als Forschungsinstrument für qualitative Fragestellungen der Sozialwissenschaft untersucht wird. Ausgehend von den Paradigmen qualitativer Forschung wird das Kommunikativitätsverständnis qualitativer Sozialforschung reflektiert und den Entwicklungen gegenwärtiger gesellschaftlicher und individueller Kommunikation, insbesondere den neuen Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation (CMC = Computer Mediated Communication) gegenübergestellt. Die theoretische Auseinandersetzung mit CMC umfasst neben Erläuterungen zu den technischen Möglichkeiten, die Spiegelung der Modelle und Konzepte von CMC vor dem Hintergrund qualitativer Paradigmen. Ein Überblick über die bis dato entwickelte Online-Forschung schließt die theoretische Diskussion ab. Empirisch wird computervermittelte Kommunikation anhand einer exemplarischen Fragestellung als qualitatives Forschungsinstrument zur Datenerhebung erprobt. Die gewonnenen Daten werden formal-strukturell deskriptiv und inhaltlich interpretativ ausgewertet und mit Blick auf die theoretisch aufgezeigten Spannungsfelder diskutiert. Das inhaltliche Interesse gilt dabei einem Ausschnitt gegenwärtiger familialer Beziehungsstrukturen, der subjektiven Erfahrungswelt von "Zweitfrauen" – Frauen, die in einer Lebensgemeinschaft mit einem geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Mann leben. Das subjektive Erleben dieser Rolle bewegt sich im Kräftefeld von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und traditionell-normativen Partnerschaftskonzepten. Mit Hilfe der Datenerhebung in öffentlichen Kommunikationsforen und per E-Mail konnte auf der einen Seite ein Einblick in die Multiperspektivität und die intersubjektive Bedeutung dieses sozialen Phänomens gewonnen werden. Auf der anderen Seite haben die Erzählungen betroffener Frauen die individuelle Komplexität und Interdependenz der Lebensthemen deutlich gemacht, aus denen im Individualfall ein hohes Belastungsmoment resultieren kann.
"Psychologische Kompetenzforschung konzentriert sich aktuell vornehmlich auf kognitive Leistung und klammert damit motivationale, volitionale oder affektive Komponenten von Kompetenz aus. Dieser Beitrag zeigt an Beispielen aus der Forschungspraxis wie über die Rekonstruktion von Handlungswissen komplexe Handlungskompetenzen empirisch zugänglich gemacht werden können. Den Ausführungen dieses Beitrags liegen Forschungserfahrungen aus zwei qualitativ-empirischen Studien zum historischen bzw. zum Globalen Lernen zugrunde. Aus der theoretischen und methodologischen Reflexion der Forschungspraxis resultiert der Ansatz einer praxeologisch orientierten Theorie zur Rekonstruktion von Handlungskompetenz und von Prozessen des Kompetenzerwerbs. Diese beruht auf der Erkenntnis, dass sich Handlungskompetenz als implizites Wissen mit Hilfe der dokumentarischen Methode rekonstruieren lässt." (Autorenreferat)
"Zwei Kinder zu haben ist ein weit verbreitetes Ideal, aber keine Selbstverständlichkeit. Ziel dieses Beitrages ist es, orientiert am 'Traits-Desires-Intention-Behaviour'-Modell nach Miller, Motive für den Wunsch nach einem zweiten Kind und ihre Rolle für den Übergang zur Intention zu untersuchen. Dafür werden problemzentrierte Interviews auf Grundlage der Grounded-Theory-Methodologie sekundär ausgewertet. Als Ergebnis werden vier Motive vorgestellt. Zweite Kinder werden als Teil eines traditionalen Familienbildes, als dispositionelle Selbstverständlichkeit, als 'erstes Geschwisterkind' und als 'wiederholtes' erstes Kind gedeutet. Die Motivlagen werden jeweils danach befragt, welche Informationen über Voraussetzungen für den Übergang in die Planungsphase sie enthalten. Dabei wird gezeigt, dass das Wissen über die Motivlagen dabei hilft, zu konkretisieren, unter welchen Bedingungen bestimmte Akteure dazu übergehen, das zweite Kind zu planen." (Autorenreferat)
Using data from interviews with Health Technology Assessment (HTA) professionals in Canada, this paper shows their views of the appropriate role of, and evidence required for, HTA are associated with values and norms. Recognizing HTA as a moral economy helps to explain when and why HTA professionals' views of what HTA should and can do are mutable, and may specifically help to explain why there is resistance among some HTA professionals to the inclusion of ethical issues and patients or the public in technology assessment. The moral economy framework furthermore sheds light on the nature of objectivity in contemporary HTA.