In ihrer Studie betrachtet Barbara STAUBER das Handeln junger Männer und Frauen im Rahmen der Jugendkultur "Techno". Mit Hilfe themenzentrierter Interviews – STAUBER variiert dabei WITZELs Ansatz problemzentrierter Interviews – untersucht sie, in welcher Art und Weise sich die Zugehörigkeit zum Techno auf die Inszenierung und Generierung des Selbst auswirkt. Die Studie berücksichtigt eine doppelte Perspektive: Zum einen werden gesellschaftlich-strukturelle Bedingungen des Erwachsenwerdens reflektiert: Fragen im Zusammenhang mit Ausbildung, Wohnort, Beziehungen zu Eltern, FreundInnen und LiebespartnerInnen sowie Lebensstilen werden nebeneinander betrachtet, Freiheiten und Abhängigkeiten, Konfliktstrukturen und Hierarchien werden analysiert. Dabei fokussiert die Studie jedoch nur jene Probleme des Heranwachsens, die für die Befragten in einem direkten Bezug zu ihrer Technozugehörigkeit stehen. Zum anderen werden subjektive Handlungsstrategien einzelner Individuen in die Untersuchung einbezogen. Dabei wird GIDDENS' (1998) Konzept der Dualität von Struktur sowohl theoretisch als auch in der empirischen Übertragung gelungen und gut nachvollziehbar in das Design der Studie aufgenommen.
Das Handbuch bietet eine Übersicht über die gesamte soziologische Theoriebildung und ihre wichtigsten Vertreter, von Hegel und Marx bis zur Postmoderne. Der Vergleich und Bezug der Theorien aufeinander lässt ihre Stärken, Schwächen und Eigenheiten hervortreten. Der Band wendet sich an Studierende jenseits der ersten Semester und eignet sich sehr gut als Begleiter für das ganze Studium.
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Schulen bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Betrachtung und zum Verständnis der breiteren Gesellschaft, in welcher sie hervorgebracht und repliziert werden. Die Untersuchung der Art und Weise, in welcher Schulen strukturiert, positioniert, finanziert, verwaltet, wertgeschätzt, kritisiert, gepflegt und vernachlässigt werden, eröffnet uns - jenseits nationalstaatlicher Rhetorik - eine Sicht auf die von den Bürgern erlebten Realitäten. In diesem Artikel soll die Entwicklung der australischen Bildungspolitik zu Veränderungen in der soziokulturellen Theorie und Praxis, welche die mobile Moderne reflektieren und reproduzieren, in Beziehung gesetzt werden. Besonderes Interesse gilt dabei den Strategien zur Schulfinanzierung mit ihrem Bezug zum privaten bzw. nichtstaatlichen Bildungssektor von der späten Kolonialzeit bis in die sogenannten neoliberalen/spätmodernen Zeiten. Die vorgestellten Aspekte bewegen sich in einem Komplex wechselseitig verbundener Bereiche, vom Urbanen bis zum Ländlichen, vom Öffentlichen bis ins Private sowie in den primären, sekundären und tertiären Schichten von Bildungsangeboten. Die Periodisierung offenbart ein nachlassendes Engagement für eine säkulare, staatszentrierte und am Gemeinwohl orientierte Moderne zugunsten einer "zweiten Moderne" der Individualisierung und Privatisierung. Mit Bezug auf eine Bandbreite verschiedener empirischer Studien zur Schulwahl werden die sich wandelnden Ideen und Praktiken der in die Reproduktion von öffentlichen und privaten Schulen Involvierten hervorgehoben. Im Fokus stehen dabei einerseits die Fachleute und Angestellten des Systems und andererseits die "Konsumenten" der auf den "Quasi-Bildungsmärkten" angebotenen Produkte. (DIPF/Orig.).;;;Schools offer powerful scope for viewing and comprehending the wider society in which they are produced and replicated. The ways in which schools are structured, positioned, funded, managed, appreciated, critiqued, cared for and neglected, presents us with a means for seeing beyond the rhetoric of a nation state to the lived realities faced by its citizens. In this paper the author wants to link the development of Australian educational policies to shifts in socio-cultural thought and practice that reflect and reproduce a mobile modernity. He is interested in school funding policies as they relate to the private, or non-government education sector from the late colonial period to these so-called neo-liberal/late modern times. The interrogated scenes shift about amongst a complex of interrelated fields, from the urban to the rural, the public and the private, as well as the primary, secondary and tertiary layers of educational "offerings". The periodization reveals a loosening of commitments to a secular, state-centred, welfare-focused modernity, towards a privatizing, individualizing "second modernity". Drawing from a range of empirical studies of school choice the author highlights the shifting ideas and practices of those involved in the re-production of both public and private schools either as professionals/workers in the system, or as "consumers" of the products available in education's "quasi-markets". (DIPF/Orig.).
Frontmatter --Inhalt --Vorwort --Einleitung /Blumenreich, Ulrike / Dengel, Sabine / Hippe, Wolfgang / Sievers, Norbert --Innen und Außen in der Kulturpolitik --Kulturpolitik für eine Kultur der Verständigung /Grütters, Monika --Krise, Ordnung, Europa /Gabriel, Sigmar --Kulturpolitik und Globalisierung --Prolog. Vergessene Konstellationen /Mishra, Pankaj --Ein radikaler Neuanfang für ein weltoffenes Europa /Guérot, Ulrike --Die populistische Revolte /Merkel, Wolfgang --Auf dem Weg zu einer gerechteren Welt /Nida-Rümelin, Julian --Kulturpolitik als Identitätspolitik: Identität und Politik der Differenz --Zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus: Die Spätmoderne im Widerstreit zweier Kulturalisierungsregime /Reckwitz, Andreas --Identifikation und Identität /Göschel, Albrecht --Vorsicht! Sprache von rechts! Versuch über Sprechweisen und semantische Strategien /Seeßlen, Georg --Stadtkultur ist eine Kultur der Differenz /Siebel, Walter --Kulturpolitik als Identitätspolitik: Identität und kulturelles Erbe --Gedanken zum Kulturerbe in einer sich verändernden Welt /Parzinger, Herrmann --Kunstgeschichte, Transkulturalität und Kulturerbe /Juneja, Monica --Kulturpolitik als Identitätspolitik: Diversität und Transkulturelle Bildung --Statt »Transkulturalität« und »Diversität«: Diskriminierungskritik und Bekämpfung von strukturellem Rassismus: Ein Gespräch von Lena Prabha Nising und Carmen Mörsch /Nising, Lena Prabha / Mörsch, Carmen --Zwischen Transkulturalität und nationalistischen Fliehkräften: Demokratische Haltungen in kunstpädagogischen Prozessen bilden /Schnurr, Ansgar --Kulturpolitik für eine Offene Gesellschaft --Weiterbauen am zivilisatorischen Projekt: Oder: Wer über Globalisierung spricht, darf über Naturzerstörung nicht schweigen /Welzer, Harald --Verlernen. Entgrenzen. Verändern: Notizen über demokratische Selbstverständigungen /Krüger, Thomas --Eintreten für eine offene Welt - mit Kultur und Kulturpolitik Demokratie stärken /Stausberg, Christina --Mit den Künsten die Welt verändern? --Die Rückeroberung der Zukunft: Einige Gedanken zu »Das Kongo Tribunal« und zur »General Assembly« /Rau, Milo --Die Welt steht Kopf -was können wir tun? /Meyer, Barbara --Wie Popkultur wirkt und welche Strömungen derzeit auszumachen sind: Das Selbstverständnis der populären Kultur /Lucker, Katja --Qualityland, oder: Der Immersion begegnen /Arns, Inke --Zwischen den Welten. Kulturvermittlung und Kulturmanagement global: Kulturvermittler*innen vor neuen Herausforderungen --Kulturvermittler*innen vor neuen Herausforderungen /Ebert, Johannes / Grätz, Ronald --Der lange Weg zu einer EU-Strategie für Auswärtige Kulturpolitik /Trüpel, Helga / Eisenburger, Jochen --Vom Dilemma der (außen-)kulturpolitischen Keuschheit: Zwischen Autonomie und Interessen /Wagner, Gottfried --Zwischen den Welten. Kulturvermittlung und Kulturmanagement global: Transkulturelle Kulturarbeit der Kommunen --Nahe Ferne, weite Nähe: Internationale Kultur vor Ort /Esch, Christian --Grenzenlos - Nürnbergs transnationale Kulturarbeit /Schürgers, Norbert --Die Europäische Kulturagenda, die Rolle der Städte und die Kulturstrategie von EUROCITIES /Eichler, Kurt --The maps that shape the roads. On the place of cultural policy actors in the debate on the sustainable development of cities /Pascual, Jordi --Zwischen den Welten. Kulturvermittlung und Kulturmanagement global: Auswärtige Kultur-Politik-Forschung und internationale Kulturvermittlung --Kunst, Gesellschaft, Politik und internationale kulturelle Zusammenarbeit zeitgemäß erforschen: Überlegungen zu Perspektiven der Auswärtigen Kulturpolitik /Crückeberg, Johannes / Lettau, Meike / Maier, David --Zur Konzeption internationaler Kulturbeziehungen: Was kommt nach »Auswärtiger Kulturpolitik«, »Cultural Diplomacy« und »Soft Power«? /Schneider, Wolfgang --Spiegelbilder - Kulturelle Zusammenarbeit und Zivilgesellschaft /Matarasso, François --»Kultur mit allen« statt »Kultur für alle«: Demokratisierung von Kunst und Kultur im 21. Jahrhundert /Henze, Raphaela --Grenzen eines homogenen Kulturverständnisses überwinden: Veränderungen von Aufgaben und Selbstverständnis des Kulturmanagements durch Internationalisierung /Mandel, Birgit --Kultur und Konflikte: Die Rolle der Kulturarbeit bei nationalen und internationalen Konflikten /Wolfram, Gernot / Föhl, Patrick S. / Gegenfurtner, Marc / Butt, Naeema / Minkin, Yaroslaw --Kulturstatistik und Kulturforschung --Der Leitfaden zur Erfassung von statistischen Daten für die Kultur- und Kreativwirtschaft /Söndermann, Michael --Kulturelle Partizipation in Deutschland: Verbreitung und soziale Differenzierung /Reuband, Karl-Heinz --Materialien --Erklärung der Kulturpolitischen Gesellschaft zum 9. Kulturpolitischen Bundeskongress --Chronik kulturpolitischer und kultureller Ereignisse in den Jahren 2015 und 2016 /Hausmann, Jörg --Bibliografie kulturpolitischer Neuerscheinungen 2015 und 2016 /Brünglinghaus, Ralf / Kröger, Franz / Hausmann, Jörg / Blumenreich, Ulrike / Roland, Prüfer / Brünglinghaus, Ingo --Kulturpolitische Institutionen, Gremien, Verbände /Hüfner, Katrin --Autor*innen --Backmatter
In industrialisierten Gesellschaften der Spätmoderne sind Selbstbedienungsautomaten vermehrt präsent. Die Automaten prägen nicht nur Landschaftsbilder und Räumlichkeiten mit, sie verändern auch alltägliche und allnächtliche Lebensweisen. Dass jedoch Selbstbedienungsautomaten eher unbeachtete dingliche Alltagsakteure sind, verwundert einen. In den Interaktionen zwischen Menschen und Selbstbedienungsautomaten kommen viele verschiedene Dingbedeutsamkeiten zum Ausdruck. Dem Automaten werden Bedeutungen zugeschrieben, jedoch weisen auch Selbstbedienungsautomaten den Menschen Bedeutungen zu. Der Umgang mit Selbstbedienungsautomaten ist von seiner technischen Funktionslogik her strikt vorgegeben, alle Arbeitsschritte sind ihm eingeschrieben. Dies zeigt sich ambivalent, zwischen partizpativen Freiheiten und technisch totalitären Praktiken. Störungen im Automaten ziehen individuell abweichende Handlungen, Reaktionen und Emotionen der sich daran bedienenden Person nach sich. Aus politisch-ökonomischer Perspektive werden Auslagerungen der Arbeit über Automaten an die KonsumentInnen mit der neoliberalen Akkumulationslogik erklärt. Anhand empirischer Erhebungen, verschiedener Quellen aus Medien und interdisziplinärer Theorien wird die Thematik in weiten Überblicken diskutiert. Mit einem offenen, explorativen, ethnographischen Zugang wurde versucht, die Fülle von Selbstbedienungsautomaten in seinen Dynamiken zu erfassen. Aus volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Perspektive werden Selbstbedienungsautomaten als Alltagsakteure im Zusammenhang von Dingbedeutsamkeiten und politischen Kontexten ins Zentrum gestellt. Warum sind die Menschen immer mehr angehalten sich selbst an den bereitgestellten Automaten zu bedienen? Welche Effekte und kulturelle Transformationen entstehen dadurch? Im untrennbaren Zusammenhang von Kultur, Technik und Geist möchte diese vorliegende Masterarbeit einen Einblick in die bunte Automatenwelt geben. ; In industrialized societies of the late modern age automats have increasingly become everyday material objects. Automats do not only modify our environment and our premises, they also change our daily and nightly lives. It is amazing that automats seem to be everyday gadgets which are rather unnoticed and taken for granted. That is interesting because multifunctional automats do sell a very wide range of consumer goods and services usually 24 hours a day. The interactions between men and automats show that there is a variety of different significances of things. Automats are regarded as important for people, but automats also assign importance to people. From a technical point of view automats have to be strictly operated. People are forced to use the operating instructions correctly. This results in ambivalence between the participatory freedom of the individual and totalitarian technical instructions. Technical faults in the automats cause individual different actions, reactions and emotions of the people who use these machines. From a politcal-economic point of view work is transferred to the consumers. This is characteristic of the neo-liberal capitalistic accumulation logistics. This topic is widely discussed based on empirical investigations, different references from media and interdisciplinary theories. An open, exploratory, ethnographic approach tries to explain the development and variety of automats in their dynamism. Automats as everyday gadgets are put into a politcal context from a folkloric-cultural point of view. Why are more and more automats provided for people and why are people increasingly wanted to use them? Which consequences and cultural changes are caused by this? My master thesis tries to present a comprehensive picture of the world of automats based on the inseparable interrelation between culture, technology and the human mind. ; vorgelegt von Helmut Seidl ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Zsfassungen in dt. und engl. Sprache ; Graz, Univ., Masterarb., 2015 ; (VLID)444924
Krisen erschüttern die Routinen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Zugleich offenbaren sie, wie Gesellschaften funktionieren, zu welchen Anpassungsleistungen sie fähig sind und über welche Ressourcen sie verfügen. Die Coronakrise hat gezeigt, wie moderne Gesellschaften auf Gesundheitskrisen reagieren und zur Bewältigung mannigfaltige Technologien einsetzen, um in einer Situation der gegenseitigen Bedrohung ihr weiteres Funktionieren sicherzustellen. Der Band widmet sich dieser Rolle von Technologien der Krise in einer theoretischen, normativen und empirischen Perspektive und versammelt Beiträge aus Soziologie, Computer Science, Ethik und Gesundheitswissenschaft.
ZusammenfassungDer Beitrag befasst sich mit der u. a. von Andreas Reckwitz formulierten These, dass die deutsche Sozialstruktur zunehmend durch eine räumliche Polarisierung geprägt wird. Empirisch untersucht werden auf der Basis des Mikrozensus erstens Veränderungen der sozioökonomischen Zusammensetzung von Metropolen und kleinstädtischen/ländlichen Orten sowie zweitens Veränderungen der Wohnstandorte unterschiedlicher sozioökonomischer Klassen zwischen 1996 und 2018. Die These, dass die "neue" postindustrielle Mittelklasse sich zunehmend in den Metropolen konzentriert, während die "alte" Mittelklasse und prekäre Soziallagen immer mehr im kleinstädtischen und ländlichen Raum zurückbleiben, wird nicht bestätigt, jedoch zeigen sich teilweise zunehmende räumliche Disparitäten.
In der Theaterwissenschaft lässt sich eine Umbruchs- bzw. Aufbruchsphase zu neuen Forschungsgebieten beobachten; neben ästhetischen Fragen wird zunehmend eine "Inblicknahme der institutionellen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen von Theater" relevant und eine interdisziplinäre Öffnung zu "neuen Methoden" diskutiert. (Wihstutz/Hoesch 2020, S.10) Diese Tendenz geht mit dem Bestreben einher, Kulturproduktion als ganzheitliche Praxis und im Kontext gesellschaftspolitischer Veränderungen zu begreifen. Der Sammelband Radikale Wirklichkeiten. Festivalarbeit als performatives Handeln, herausgegeben von Julia Buchberger, Patrick Kohn und Max Reiniger, verschreibt sich eben diesem Forschungsinteresse und beleuchtet künstlerische, technische und organisatorische Tätigkeitsbereiche der Festivalarbeit. Ein Blick hinter die Kulissen wird versprochen, dem angesichts der praxisnahen beruflichen Hintergründe der Beitragsverfasser*innen auch nachgekommen wird. Die Herausgeber*innen verbindet die kollektive Arbeit am transeuropa fluid, dem Europäischen Festival für Performative Künste, im Mai 2018 in Hildesheim. Dieser gemeinsam durchlebte Prozess bildet somit den Erfahrungshorizont, auf Basis dessen der Sammelband Einblick in die "radikalen Wirklichkeiten" von Festivalarbeit geben möchte. Als roter Faden dient die Absicht, Festivalarbeit als performatives Handeln zu denken – dies reicht von Selbstinszenierungsstrategien der Künstler*innen während der Festivalbewerbung, bis hin zu performativen Auftritten der Geschäftsführung in Pressekonferenzen und Beiratssitzungen. Die drei Kapitel des Sammelbands diskutieren Theaterfestivals als Produktions- und Arbeitsumfeld, das Wechselspiel zwischen institutionellen Strukturen und "ästhetisch wahrnehmbaren Aspekten von Festivals" (S. 20), sowie unsichtbare Tätigkeitsbereiche der Festivalarbeit, wobei sich die jeweilige Kapitelzuordnung der einzelnen Beiträge nicht immer auf Anhieb erschließt. Gelungen ist die abwechslungsreiche Zusammenstellung von Praxisberichten bis hin zu theoretischen Überlegungen, verschriftlichten Gesprächen und freieren Textformen. Im Rahmen eines Interviews mit Juliane Beck und Yvonne Whyte vom PACT Zollverein untersucht Anna Barmettler Residenzformate als "Stationen (auch offener) Arbeitsprozesse" (S. 43). Insbesondere die Förderung ergebnisoffener Theaterprojekte durch die Bereitstellung von Produktionsinfrastruktur ermöglicht kreativen Freiraum, abseits eines neoliberalen Leistungs- und Effizienzdenkens. Auf Theaterfestivals hingegen – mit deren ökonomischer Funktion als "Schau" und "verdichtetes Sichtungsangebot für Kuratierende" (S. 55), wie Anne Bonfert betont – bestreiten Akteur*innen neben ihrer künstlerischen Performance, dem dargebotenen Resultat ihres kreativen Schaffensprozesses, auch eine Arbeitsperformance als Unternehmer*innen. Dass wirtschaftliche Kalkulation neben künstlerischer Innovation zunehmend an Relevanz gewinnt, erkennt auch Benjamin Hoesch in seiner Durchsicht des Bewerbungsarchivs des internationalen Theater- und Performance-Festivals PLATEAUX. Bewerbungsverfahren um eine Festivaleinladung eröffnen einen "Wettbewerb der Subjekte" (S. 35), der nicht ohne Selbstvermarktungs- und Inszenierungsstrategien auskommt. Mit der Performanz des Arbeitssubjekts befasst sich ebenfalls Bianca Ludewigs empirische Untersuchung zu Praktika und Volunteering auf Transmedia Festivals, die sie als "Wirklichkeitsausschnitte der Spätmoderne" (S. 62) begreift. Demnach weisen Festivals auf gesellschaftspolitische Entwicklungen bzw. Problematiken hin, wie u. a. "die Prekarisierung und Entwertung von (Kultur-)Arbeit" (S. 63). Die vier genannten Beiträge enden z. T. mit Lösungsansätzen und Zukunftswünschen: Um dem steigenden Selbstvermarktungstrend auf Festivals entgegenzuwirken, fordert Hoesch u. a. eine Erhöhung der "Aufführungshonorare und Koproduktionsbeiträge" sowie "längerfristige Verbindungen zwischen Künstler*innen und Festivals" (S. 40). Bonfert betont die Notwendigkeit einer gelungenen Balance zwischen "künstlerischer Performance" und "Arbeitsperformance", die nur dann sichergestellt werden kann, wenn auch Tätigkeiten hinter den Kulissen – eben jene "informelle und unsichtbare Arbeit" – stärker als "offizielle Arbeit" Anerkennung finden (S. 59). Hier ließe sich argumentieren, dass bereits die diskursive Auseinandersetzung mit der Thematik "Kunst als Arbeit" – dazu zählt auch Annemarie Matzkes Professionalisierungsbiografie (Matzke 2018) – ein öffentliches Bewusstsein generiert und folglich Veränderungspotential birgt. Die Beiträge des zweiten Kapitels befassen sich mehrheitlich mit einer diskriminierungskritischen Sichtweise auf Festivalarbeit. Lisa Scheibner, neben ihrer Tätigkeit als Schauspielerin und Kulturwissenschaftlerin auch Referentin für Sensibilisierung und Antidiskriminierung bei Diversity Arts Culture, beschreibt die Zielsetzung und Angebote dieser Beratungsstelle für Diversitätsentwicklung im Kulturbetrieb. Ihr Beitrag beinhaltet v. a. konkrete Arbeitsschritte in Richtung einer "diskriminierungssensiblen Öffnung der eigenen (Festival-)Strukturen" (S. 99) und richtet sich somit insbesondere an Führungskräfte von Festivals oder Kulturbetrieben. Ebenso betont Martine Dennewald, von 2015 bis 2020 künstlerische Leiterin des Festivals Theaterformen, die Wichtigkeit, nicht bloß "innerhalb des künstlerischen Programms, auf der Bühne, Diversität und Gleichstellung […] zu predigen", sondern diese Grundsätze auch "im eigenen System umzusetzen" (S. 112). Es "genügt" daher nicht, Arbeiten von Künstler*innen aus Afrika, Südostasien oder Südamerika in das Festivalprogramm aufzunehmen, ohne sich um eine diskriminierungskritische Prozessbegleitung zu kümmern. Einen ähnlichen selbstreflexiven Ansatz verfolgen Fanti Baum und Olivia Ebert, indem sie "Gastgeben als Infragestellung der eigenen Souveränität und der eigenen Struktur" (S. 117) begreifen. Auch wenn sich Festivals oftmals als "Wegbereiter der Inklusion" verstehen, bringen sie – laut Yvonne Schmidt – "eigene Mechanismen der Exklusion" hervor (S. 145). Bereits die Internationalisierung der Festivalszene steht in Konflikt zu der nicht immer gegebenen Reisefähigkeit von Ensemblemitgliedern. Nun hat eine diskriminierungssensible Perspektive in Verbindung mit dem fluiden, temporären Charakter von Festivals, der dazu einlädt, "mit neuen Formen und Inhalten zu experimentieren" (S. 88), großes Veränderungspotential. Innovative Arbeits- und Produktionsweisen können erdacht und erprobt werden, und derart auch richtungsweisend für die gesamte Kulturlandschaft sein. So werden mitunter "Konzepte von Slowness […] und Conviviality" auf Disability Arts Festivals umgesetzt, die einen "Kontrast zu neoliberalen Logiken des Produzierens" bilden (S. 153). Malte Wegners Arbeitsberichte, die er als Geschäftsführer des Festivals Theaterformen verfasst hat, wären eher im dritten Kapitel anzusiedeln. Hier werden jene Tätigkeitsbereiche der Festivalarbeit thematisiert, die weniger öffentliche Aufmerksamkeit erlangen und doch wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beitragen. Thomas Friemel, Mitbegründer der freitagsküche, erläutert beispielsweise, wie durch Festivalgastronomie "horizontale Gesprächssituationen" geschaffen werden (S. 190). Esther Bold reflektiert ihre Erfahrungen als Autorin und Theaterkritikerin, wobei sie Festivals als "verdichtete Erfahrungsräume" beschreibt, die "heterogene Kunsterfahrungen" ermöglichen (S. 208). Antonia Rohwetter und Philipp Schulte diskutieren ihre Beobachtungen im Rahmen des Veranstaltungsformats Festivalcampus. Verena Elisabet Eitels "Architektonik des Temporären" steht den Texten des zweiten Kapitels thematisch näher. Anhand von vier exemplarischen Projekten diskutiert Eitel, wie Festivalarchitekturen "zu Schwellensituationen zwischen den Sphären werden können und damit Erfahrungs-, Ideen- und Möglichkeitsräume eröffnen" (S. 176). Daran anschließend analysiert Nicola Scherer Festivalzentren als "Inbetweens" (S. 185), produktive Zwischenräume und Orte der Begegnung. Die vielseitigen Beiträge des Sammelbands, deren Ausgestaltung zwischen Theorietiefe und Praxisnähe deutlich variiert, bieten eine kurzweilige und abwechslungsreiche Leseerfahrung. Sowohl wissenschaftliche Positionen als auch persönliche Erfahrungsberichte aus der Festivalarbeit sind dabei vertreten. Somit wird Diversität nicht nur inhaltlich behandelt (siehe Kapitel 2), sondern auch in der Zusammenstellung des Sammelbands war man darum bemüht, zumal Stimmen aus Theorie und Praxis gleichermaßen Gehör finden. Literatur: Wihstutz, Benjamin/Hoesch, Benjamin (Hg.): Neue Methoden der Theaterwissenschaft. Bielefeld: transcript 2020, S. 10. Matzke, Annemarie: "Sich selbst professionalisieren – zur Figur des Performancekünstlers im gegenwärtigen Theater". In: De-/Professionalisierung in den Künsten und Medien. Formen, Figuren und Verfahren einer Kultur des Selbermachens. Hg. v. Stefan Krankenhagen/Jens Roselt, Berlin: Kulturverlag Kadmos 2018.
Die rund 240 Seiten umfassende Gemeinschaftsarbeit von Anna Wall und Johannes Hudelmaier beschäftigt sich mit aktuellen Veränderungen der Bildungssysteme und einer veränderten Bedeutung von Bildung. Johannes Hudelmaier und Anna Wall spannen für ihre Analysen einen weiten Bogen, der die Positionen von Karl Marx, Pierre Bourdieu und Michel Foucault umschließt. Das so bereitete Instrumentarium wenden sie auf das Feld "Schule" und die aktuellen Bildungsreformen in der Hochschule an. Vor diesem Hintergrund formulieren sie eine scharfe Kritik an den gegenwärtigen bildungspolitischen Entwicklungen. Um es vorwegzunehmen, es handelt sich nicht um eine oberflächliche und wohlfeile Kritik, sondern um eine fundierte Auseinandersetzung. Die Arbeit ist in 24 Kapitel gegliedert, wobei mit "Kapitel" alles gemeint ist, also auch Prolog und Literaturverzeichnis. Im Prolog wird geklärt, worauf sich der Titel der Arbeit bezieht: der Begriff "Replikant" entstammt dem Film "Blade Runner" und bezeichnet menschliche "Klone", die alle menschlichen Eigenschaften außer der Empathiefähigkeit verkörpern. Frau Wall und Herr Hudelmaier sehen in diesem Science Fiction Film einen Spiegel aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, und der Replikant ist ihnen ein wichtiges Symbol hierfür. In der Einleitung erfolgt die nähere Begründung der Themenwahl: das zunehmende Zurückdrängen eines Verständnisses von Bildung als Selbstzweck zugunsten von gesellschaftlichen Verwertungsinteressen. Um diese These zu beleuchten, befassen sich die Autorin und der Autor der Arbeit zunächst mit Theorienangeboten, die dazu beitragen, die gesellschaftlich vermittelten Bildungsverhältnisse zu betrachten: Marx, Bourdieu und Foucault, um diese dann auf die beiden von ihnen bestimmten Anwendungsfelder zu beziehen: Schule und Hochschule. Zum Selbstverständnis ihrer Arbeit schreiben sie: "Die vorliegende Arbeit sieht sich ferner im Gestus einer radikalen Kritik: einer Kritik, die sich weder einem Ergebniszwang noch einem Zwang zur Formulierung konkreter, alternativer Handlungsanweisungen unterwirft, die sich darüberhinausgehend nicht darauf beschränkt, innerhalb eines politisch festgelegten Koordinatensystems Stellung zu beziehen und sich ebensowenig scheut, sich in Gegensatz zu diesem zu stellen." (S. 14) Im Teil "Theorie" geht es im ersten Kapitel um Karl Marx. Dieser Teil wurde von Johannes Hudelmaier verfasst und fokussiert vor allem die Schrift "Das Kapital". Eingehend diskutiert der Autor die zentralen Begriffe und Zusammenhänge der Marx'schen Theorie, wobei er die Bezüge zum Erkenntnisinteresse der Arbeit klar herausarbeitet. Aus der Perspektive der Marx'schen Theorie betrachtet, stellt sich Bildung vor allem als mehrwertorientierte Bildung dar, in der "Bildung, Forschung und Lehre zunehmend den Verwertungsinteressen des Kapitalismus unterworfen werden." (S. 32). Im Anschluss an Holger Schatz identifiziert Johannes Hudelmaier vor allem den Bologna Prozess als exemplarisch für die Verengung von Bildung auf arbeitsmarktbezogene Qualifikation. Das vierzig Seiten umfassende Kapitel zu Bourdieu ist von Anna Wall verfasst und beschäftigt sich mit zentralen Bestandteilen Bourdieu'scher Theorie: Frau Wall beginnt mit Ausführungen zum Bourdieu'schen Konzept der symbolischen Gewalt, weil es hier um die zentrale Frage der Akzeptanz eigentlich unerträglicher sozialer Verhältnisse geht. Zur Diskussion steht also die Verstrickung der Beherrschten an ihrer Beherrschung, denn diese ist entscheidend an der Aufrechterhaltung und Legitimation der bestehenden Ordnung beteiligt. In diesem Kontext also steht die symbolische Gewalt. In einem nächsten Schritt wird die entscheidende Modifizierung des Kapitalbegriffs durch Pierre Bourdieu vorgestellt, der wiederum mit den Begriffen "Sozialer Raum" und "Soziales Feld" sowie dem mit Bourdieu besonders eng assoziierten Begriff des "Habitus" verbunden ist. Besonders letzterer wird aufgrund seiner großen Relevanz für das Erkenntnisinteresse der Arbeit intensiv diskutiert und mit anderen Themen in Beziehung gesetzt, vor allem der Sozialisation und der Entwicklung von Dispositionen. Nach dieser Fokussierung auf das Individuum nimmt Frau Wall Bourdieus Ausführungen zu Herrschaft, Macht und gesellschaftlicher Ordnung in den Blick. Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung des Verhältnisses der Beherrschten an herrschenden Verhältnissen. Das fünfte, ebenfalls über vierzig Seiten umfassende Kapitel stammt wiederum von Johannes Hudelmaier. Es beginnt mit einer kurzen Kommentierung der Vielschichtigkeit und Diskontinuität des Foucault'schen Werkes und einer ersten Nennung der im weiteren Gang der Darstellung eine wichtige Rolle spielenden zentralen Begriffe. Der erste der eingehend erörterten Begriffe ist die Foucault'sche Fassung von Wissen, der wiederum eng mit dem foucauldianischen Verständnis von Macht zusammenhängt. Daran wird eine Präsentation des Diskursbegriffes angeschlossen, der im Theoriegebäude Foucaults eine besonders wichtige Rolle spielt. Dieser wiederum hängt zusammen mit Foucaults Verständnis von Dispositiv. Intensiv setzt sich Johannes Hudelmaier mit Foucaults Machtanalytik auseinander und grenzt den Machtbegriff von den benachbarten Begriffen Regierung und Herrschaft ab. In mehreren Unterkapiteln widmet sich der Verfasser wichtigen Facetten des Foucault'schen Machtbegriffs: mit dem Handlungsaspekt, dem Produktivitätsaspekt; dem Problem des Widerstands und der Repressivität von Macht. Subjektivierungsprozesse sind immer machtförmig, denn Subjekt meint nicht nur emphatisch das autonome Individuum, sondern auch das unterworfene. Von hier aus ist es kein großer Schritt mehr zur Erörterung von Fremd- und Selbstregierungsprozessen und -formen, für die Foucault den Begriff der Gouvernementalität geprägt hat. In den anschließenden Überlegungen, werden die Stränge der bisherigen Darstellung zusammengeführt, historisch vertieft und mit Foucaults Gesellschaftstypologie verbunden. Eine besonders wichtige Rolle spielen hierbei die Bezeichnungen Disziplinargesellschaft und in Weiterentwicklung dieser durch Gilles Deleuze die Bezeichnung Kontrollgesellschaft. Johannes Hudelmaier nimmt dies zum Anlass, um den Begriff des Neoliberalismus als eine mögliche Charakterisierung spätmoderner Gesellschaftsverhältnisse einzuführen. Im von beiden: der Autorin und dem Autor verfassten sechsten Kapitel werden die Theorieansätze zusammengeführt und vergleichend diskutiert. Ab S. 120 beginnt der zweite große Teil der Arbeit: die Anwendung auf spezifische Felder: Schule und Hochschule. Zunächst werden unter Kapitel 7 (Anna Wall) die Funktionen von Schule erläutert und mit den vorgestellten Theorien in Verbindung gebracht. Unter 7.2. "Qualifikationsfunktion" wird beispielsweise der Begriff der Bildung nochmals auf den Bourdieu-Teil bezogen und als inkorporierte Akkumulation von Kulturkapital gefasst. Weitere wichtige Qualifikationsziele sind die Persönlichkeitsentwicklung und die Qualifikation für den Arbeitsmarkt. Die Frage nach der Legitimität spielt eine besonders wichtige Rolle, denn die schulischen Inhalte, an denen die Bildung der Schüler gemessen wird, brauchen eine entsprechende Fundierung. In diesem Zusammenhang ist das "Passungsverhältnis" zwischen der schulischen und der Herkunftskultur anzuführen. Dies diskutiert Frau Wall unter den Stichworten homologer und bildungsferner Habitus. In Kapitel 8 nimmt Johannes Hudelmaier den schulischen Leistungsimperativ in den Blick und beleuchtet diverse zentrale Aspekte wie die Leistungsbeurteilung, die daraufhin orientierte spezifische Form schulischen Lernens, aber auch die Verknüpfung von Leistung mit sozialen Hierarchiebildungen. Die folgenden Kapitel zu symbolischer Gewalt im pädagogischen Feld sowie die Prüfung als zentraler Subjektivierungsmechanismus, Schule als Dispositiv und Reformpädagogik als Gouvernementale Strategie - alle Teile von Johannes Hudelmaier - zeigen den Ertrag der Verknüpfung von Theorie und Feld. Denn erst vor dem Hintergrund der im ersten Teil vorgestellten theoretischen Ansätze erhält die feldspezifische Analyse ihre Tiefe und Schärfe. Besonders hervorzuheben ist, dass sich das 13. Kapitel mit dem Konzept der Entfremdung auseinandersetzt und damit nochmals explizit die Brücke zu Marx schlägt. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem Referat zum "Kapital" nicht nur um die Vorgeschichte moderner Theorieentwürfe handelt, sondern um einen zentralen Baustein der Arbeit. Dies trifft ebenso auf den von Anna Wall verfassten Teil zu den Hochschulreformen zu. In Kapitel 14 befasst Anna Wall sich kritisch mit dem Bologna-Prozess und ordnet diesen in das politische Projekt der Europäischen Union ein. Dazu passt ihre Diskussion von PISA in Kapitel 15 als einem zentralen bildungspolitischen Instrument einer weiteren großen Internationalen Organisation – der OECD. Diese Maßnahmen und Programme relationiert sie in Kapitel 16 mit dem Neoliberalismus. Hier setzt sie sich sehr eingehend mit der veränderten Rolle des Staates auseinander, mit der Re-konstellierung von Politik und Ökonomie unter dem Primat des Ökonomischen, der wiederum für den neuen Imperativ der internationalen Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich ist. In diesen Kontext ist die Konjunktur des bereits in der vergangenen Jahrhundertmitte geprägten Begriffs des Humankapitals einzuordnen. Auch das Lebenslange Lernen ebenso wie die Rede von der Wissensgesellschaft gliedert Anna Wall in diesen übergreifenden Zusammenhang ein. In den folgenden Kapiteln vertieft sie diese Zuordnung mit einer primär an Foucault orientierten Analyse. Kapitel 20 – auch dieses wurde von Frau Wall verfasst – bezieht die beiden Felder: Schule und Hochschule aufeinander, in dem als tertium comparationis das Thema Standard und Qualität als gemeinsamer Bezug definiert wird. Ein gemeinsam verfasstes Finale, in dem der Ertrag der Arbeit auf 30 Seiten nochmals zusammengefasst wird, vervollständigt die Schrift. In diesem nehmen sie die These der Arbeit nochmals auf, dass es sich bei den aktuellen Reformen um Anpassungen der "Ware Mensch" an einen "entfesselten Kapitalismus" handelt. Sie begründen ihre Argumentation und stellen als Fazit fest, dass die Mikrophysik der Macht, die feingliedrigen Regierungstechniken, die vielfältigen und gut aufeinander abgestimmten Instrumente so wirken, dass sie einen bestimmten Subjekttypus erzeugen sollen – entsprechend der gesellschaftlichen Erwartungen und Erfordernisse. Sicher bleibt dabei die Frage der Freiheit, obwohl angesprochen, so doch eher ausgeklammert; andererseits haben Wall und Hudelmaier an keiner Stelle ihrer Arbeit Absicht und Wirkung kurzgeschlossen.
Die spätmoderne, neoliberale Gesellschaft hat uns in eine Spirale der Beschleunigung und Entfremdung geführt, die Folgeprobleme wie Klimakrise und Pandemie ausgelöst hat. Antworten zur Lösung dieser durch Technologien mitverursachten Probleme sind oft noch mehr und noch komplexere Technologien. So wird ein fehlgeleitetes System fortgeschrieben und die Krisenanfälligkeit immer weiter erhöht. An die mögliche der Reduktion von Komplexität wird dabei oft nicht gedacht. Das Gehen, als "Low-Tech-Technologie", vereint zahlreiche Chancen in sich: Neben seinem Potenzial für die anstehende globale Decarbonisierung zum Klimaschutz und der Senkung von Gesundheits- und Infrastrukturkosten, bietet seine Aufwertung in der öffentlichen Meinung weitere Potenziale: Eine Verbesserung der Ich-Umwelt-Beziehung, die Transformation des Stadtraums zu einem positiv erlebbaren Sinnesraum und die damit verbundene Erhöhung der Lebensqualität: Das kognitive Potenzial des Gehens kann der Spirale der Beschleunigung und Entfremdung entgegenwirken: Ein dringend notwendiger Wandel von einem EGO- in ein ECO-System, wie es C. Otto Scharmer in seiner "Theorie U" beschreibt, ist längst erforderlich. Die vorliegende Masterarbeit versucht dem soziokulturellen Feld des Gehens in Wien auf die Spur zu kommen. Die Antworten auf die drei Forschungsfragen zeigen, welche Machtverhältnisse, Narrationslinien, Konfliktlinien und Argumentationsstrategien den Diskurs zum Gehen im Wiener Straßenraum beherrschen, welche manifesten und latenten Sinnkonstruktionen im Dispositiv bestehen, und wie das Gehen genutzt werden kann, um politische und planerische Ziele effizienter zu erreichen. Dazu wurde ein grafisches Dispositivschema "Wirklichkeitskonstruktion Gehen" konstituiert und analysiert. Zentrales Forschungsobjekt darin ist ein Online-Diskurs einer österreichischen Tageszeitung. Dispositivanalysen wurden noch selten versucht, hier wurde ein neuer theoretischer Zugang entwickelt, der zukünftig sogar an anderen Themen erprobt werden kann. Auch die Analyse von Internet-Foren ist ein junges Forschungsgebiet. Hierfür wurde vom Autor das Instrument der Diskurslinienkategorisierung entwickelt, das sich zur Darstellung des Forums als hilfreich erwiesen hat. Weiters kamen für die Auswertung des Online-Forums eine Inhaltsanalyse nach Mayring und die Feinstrukturanalyse von Textsequenzen nach Froschauer/Lueger zum Einsatz. Die empirischen Ergebnisse aus dem Online-Diskurs wurden in Crosschecks mit der realen Umwelt, sozialphilosophischen Theorien und mit Fachkonzepten der Wiener Stadtplanung verglichen. Daraus wurden die Forschungsfragen beantwortet. Die Masterarbeit zeigt, dass das Automobil, mit seinen Versprechungen von Freiheit, Fortschritt, Geschwindigkeit, Aufschwung, Individualität, Status und unbeschränkter Mobilität, die öffentlichen Straßenräume nachhaltig geprägt hat. Auf latenter Ebene wird es zunehmend zum Substitut, mit dessen Hilfe Selbstwirksamkeitserfahrung ermöglicht wird, und es wird Symbol für die Ersatzbefriedigung individueller Bedürfnisse und Kontrolle im Leben, die wir im alltäglichen Hamsterrad der Wettbewerbsgesellschaft verlieren. Von aufstrebenden Gruppen wird eine faire Umverteilung der Nutzungsflächen im Straßenraum eingefordert. Dadurch könnte in Wien die Erreichung der Klimaziele bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Im öffentlichen Diskurs herrschen Machtkonflikte zwischen Gruppen von Verkehrsteilnehmenden vor. Politik und Planung werden mit ihren abstrakten Zielsetzungen in der Öffentlichkeit schwer verstanden. Das transformative Potenzial des Gehens wird nicht genützt, weil visionäre Narrative fehlen. Die vorliegende Masterarbeit skizziert, wie Sinnklüfte zur BürgerIn überbrückt werden könnten. Sie beschreibt, wie Entschleunigung durch das Gehen zu Selbstwirksamkeitserfahrung, gesellschaftlicher Transformation, besserer Lebensqualität sowie zur Erreichung der Klimaziele beitragen könnten. Der Ausblick reflektiert die im Rahmen der Arbeit entwickelten Analysemethoden. ; Late modern, neoliberal society has led us into a spiral of acceleration and alienation, which, in turn, has triggered or aided defining challenges such as the climate crisis or the current pandemic. Conventional answers to solving these problems - which are partly caused by technological advances - often include an even greater pish for more and more complex technologies. As a result, a misguided system is perpetuated and made susceptible to further crises. By contrast, alternative solutions involving a reduction of complexity often find only cursory consideration. Walking as a "low-tech technology" creates numerous opportunities: In addition to its contribution to decarbonization , its health benefits and its role in curbing infrastructure expenditures, promoting its public acceptance and status promises additional benefits: An improvement of the relationship between individuals and the environment, the transformation of urban space into a sensory space offering a more immediate and positive experience, and an associated increase in the quality of life. The cognitive promise of walking can counteract the spiral of acceleration and alienation and promote an urgent move from an EGO- to an ECO-system, as described by C. Otto Scharmer in his "Theory U". This master thesis seeks to trace and explore walking as a socio-cultural domain in Vienna. It investigates the power relations, narratives, conflict and argumentative strategies that shape and dominate the discourse on walking in the Vienna street space, and in analyses the observable and latent paradigms persist in the contemporary dispositif. For this purpose, the thesis develops and analyzes a graphical representation of the dispositive entitled " Walking as Construction of Reality", with the online discourse in an Austrian daily newspaper as its central research object. As dispositif analyses are rare in the literature, the thesis develops a new theoretical approach that may also be tested on other topics in future work. The analysis of Internet foruma is also a recent field of research. Here, the author developed an instrument for categorizing discourse lines as a tool for representing the forum. The online forum was further scrutinized using content analysis (as proposed by Mayring), and a detailed structural analysis of text sequences (Froschauer/Lueger). The empirical results from the online discourse were subsequently juxtaposed in cross-checks with the physical environment, with relevant socio-philosophical theories and with applicable professional urban-planning concepts in Vienna. The approach allowed developing answers to the main research questions. The master thesis shows that the automobile, with its promises of freedom, progress, speed, economic development, individuality, status and unconstrained mobility, has had a lasting impact on public street spaces. On a latent level, it is increasingly becoming a substitute for experiences of self-efficacy, and it is serving as a replacement for a satisfaction of individual needs and control in life that we lose in the "everyday hamster wheel" of competitive society. By contrast, aspiring groups are demanding a fair redistribution of usable space in the street space, which could further the achievement of climate goals in Vienna, while also improving the quality of life. Meanwhile, the public discourse remains characterized by power conflicts between different groups of road users. Abstract policy directions and planning objectives are difficult to communicate and not easily understood by the public, and without visionary narratives, the transformative potential of walking remains unrealised. The thesis outlines approaches for bridging the prevalent gaps in communication and understanding could be bridged. It describes how deceleration through walking could contribute to self-efficacy experiences, societal transformation, better quality of life, and the achievement of climate goals. The outlook reflects on the analytical methods developed and applied in the thesis. ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Arbeit an der Bibliothek noch nicht eingelangt - Daten nicht geprüft ; Wien, FH Campus Wien, Masterarb., 2021 ; (VLID)6240893
Wenn das Inhaltsverzeichnis sich über fünf Seiten erstreckt, von denen je nur das unterste Drittel bedruckt ist, dann hat man mit einiger Wahrscheinlichkeit einen der feschen, festen Bände der Basler Bildtheorie-Zentrale eikones aufgeblättert. Handelt das fragliche Buch ausgerechnet vom Haushalten mit Sichtbarkeiten, dann liegt es nahe, das gewohnt großzügige Weißflächen-Design der eikones-Publikationen als ersten Denkanstoß zum Thema zu verstehen: Wird auf diesen Eingangsseiten eine weiße Messe modernistischer Aufgeräumtheit gefeiert oder ostentativ mit verfügbarem Platz geprotzt? Es spricht für den von Emmanuel Alloa und Francesca Falk herausgegebenen Band BildÖkonomie, dass er einen Bezugsrahmen absteckt, in dem eine solche Frage nicht kokett wirken muss. Die titelstiftende Verschränkung von Bild und Ökonomie zielt sowohl auf die Austausch- und Wertbildungsprozesse, denen Bilder ausgesetzt sind, als auch auf jene, die Bilder selbst in Gang setzen, kraft ihrer "Ökonomie ganz eigener Art: ihr[em] Oszillieren zwischen Sichtbarkeitsangebot und Sichtbarkeitsentzug, zwischen Öffnung und Verschluss" (S.240). Den Versuch, die so anregend wie breitspurig gesetzte Programmatik des Titels in einem bündelnden Einführungstext einzuholen, unterlassen Alloa und Falk, oder vielmehr: Sie unternehmen ihn in Etappen. Gegliedert ist die Aufsatzsammlung in drei Teile, von denen jeder mit einer eigenen ausführlichen Einleitung versehen ist. Diese Abschnitte grenzen ihre jeweiligen Fragerichtungen und untersuchten Bildtypen mit einer Bestimmtheit voneinander ab, die sie als distinkte Bücher-im-Buch erscheinen lässt. Das erste, kürzeste von diesen geht unter dem Titel "Liberaler Modernismus?" "den Verbindungen zwischen Ökonomie und bildnerischer Abstraktion in der Moderne nach" (S.24). Diese Verbindungen verdanken sich manchmal, wie in Alloas knappem Einstiegstext, vor allem suggestiver Analogiebildung mittels Bildanalyse (in diesem Fall von Börsenfotografien Andreas Gurskys), im besten Fall aber einer differenziert zwischen Wirtschafts- und Wahrnehmungsprozessen vermittelnden Argumentation. Martina Dobbe untersucht etwa, angeleitet von Alfred Sohn-Rethel und Walter Benjamin, die Serien in Minimal Art und Pop Art als Bildformen, die Serialität mit Bezug auf, aber ohne Subsumtion unter kapitalistische Tauschabstraktion zu denken geben. Vergnüglich liest sich Dobbes phänomenologischer Ritt durch die unterschiedlichen Konnotationen serieller Anordnungen von der Ein- bis zur Acht-Element-Serie. Die beiden weiteren Beiträge des Abschnitts "Liberaler Modernismus?" sind die einzigen im Band, die sich Filme als Untersuchungsgegenstände vornehmen. Dass einzig in diesen Aufsätzen die Frage nach der (Un-)Darstellbarkeit von Kapitalismus ein zentraler Bezugspunkt ist, gibt zu denken: Wirkt im Schreiben über Film dank historisch dominanter Index- und Montage-Diskurse die Idee einer prinzipiellen Verfügbarkeit der Welt besonders stark nach, und bietet diese so eine besonders taugliche Kontrastfolie für Denkfiguren problematischer Sichtbarkeit? In Philip Ursprungs Analyse des kanonischen Stadtfilms Manhatta (1921, Paul Strand & Charles Sheeler) figuriert der über den Straßenschluchten New Yorks liegende Dampf und Rauch als "Hieroglyphe für das Unfassliche des Kapitalismus" (S. 66) – und für dessen Vermögen, alle Bewegungen, Körper, Orte in einen gegenseitigen Bezug ohne gemeinsame Form zu setzen. An Manhatta wie auch an Strands Fotografie Wall Street (1915) arbeitet Ursprung einen Bildmodus liberaler Sachlichkeit mit klarer historischer Markierung prä-1929 heraus. Ute Tellmann betont wiederum gleich zu Beginn ihrer Lektüre von Christian Petzolds Risikokapital-Moritat Yella (2007), dass das "Bildverbot gegenüber der Ökonomie" (S. 76) – siehe Adam Smiths 'unsichtbare Hand', ein prägnantes Wortbild der Unabbildbarkeit – zum Kernbestand wirtschaftsliberaler Machtbehauptungen gehöre: Die Politik dürfe sich vom Markt keine Bilder machen, weil diese seine selbstregulative Geschmeidigkeit nur verfehlen könnten. Im Sinne einer Intervention gegen dieses Ideologem macht Tellmann an Petzolds Gruselfilm-Paraphrase gerade nicht – wie viele der (nicht eben wenigen) bereits existierenden Analysen des Films – den gespenstischen, unsicheren ontologischen Status des Kapitals stark, sondern seine Konkretion im Beschreiben von Orten und Praxen der Verhandlung und Wertermittlung, deren ausgestellte Konventionen und Kontingenzen. Unter dem Titel "Wirtschaft der Bilder, Bilder der Wirtschaft" fokussiert der zweite Abschnitt auf die Gebrauchs- und Tauschzusammenhänge, die Bildern ihren Wert zuweisen. Das Spektrum der untersuchten Phänomene reicht von Visualisierungsmethoden in den Wirtschaftswissenschaften, deren Beitrag zur Durchsetzung von Geltungsansprüchen der Ökonomie Alexander Nützenadel skizziert, bis zu den gezielt generischen Erzeugnissen der 'stock photography'. Diesen Typus der Fotografie auf Vorrat, die erst unter Verzicht auf künstlerische Originalität oder allzu datierbare Aktualität für Bildagenturen Verkaufswert erhält (jeder Zeitungsartikel zur Pharmaindustrie braucht sein Pillen-Foto), befragt Matthias Bruhn nach seinen Aufschlüssen für einen kulturwissenschaftlichen Bildbegriff. Bruhn votiert durchaus überzeugend, wenn auch aus der Vogelperspektive einer mehr ansammelnden als ausdifferenzierenden Generalprogrammatik, dafür, das Bild als Kulturleistung gerade nicht konzeptuell vom Lärm des Visuellen abzutrennen. Massengesellschaft und fotografische 'Bilderflut' seien "nicht nur tief in jede einzelne Fotografie eingeschrieben, ihre chemischen Filme, ihre Kameras und elektronischen Sensoren, sondern auch in den modernen Begriff des Bildes […]" (S. 143). Ähnlich verkomplizieren zwei weitere Beiträger die Unterscheidung zwischen starken und schwachen Bildern: Pablo Schneider führt an Reportagefotografien ein Konzept des 'tiefen Bildes' vor, in dem sich ein historisches Formengedächtnis aktualisiere und in Spannung zur unbestimmten Zukunft des Bildgeschehens setze. Nicolaj van der Meulen geht in seinem Beitrag namens "Warteschleifen/Werteschlaufen" von der Hypothese aus, "dass sich das Anschauen von Bildern nur künstlich von ökonomischen und kommunikativen Situationen isolieren lässt, in denen wir auf Bilder aufmerksam werden" (S. 165). Die "Schleife wechselseitiger Übergänge zwischen ökonomischen und ästhetischen Schlaufen", (ebd.) die sich aus einer konsequenten Beachtung dieser Annahme ergibt, führt van der Meulen vor allem an zwei Fallbeispielen teuer gehandelter Fotografien aus. Die gewählten Exempel – die ersten öffentlichen Fotos der Zwillinge von Angelina Jolie und Brad Pitt im Sommer 2008, und Robert Doisneaus allmählich zur Pariskitsch-Ikone transformierte Aufnahme A Short Kiss (1950) – führen nicht zuletzt vor Augen, wie sich Knappheit und Vervielfältigung in der Wertbildung eines Bildes gegenseitig bedingen können. Mit seiner Bereitschaft, den Transaktionen zu folgen, in denen einzelne Bilder als Objekte von Geld- und Schauwert konstituiert werden, und seine Begriffe an den Befunden zu testen, steht van der Meulen im Band erstaunlich alleine da. Praxisbezug, ohne vergleichbar präzise Begriffsarbeit, stellt weiters ein Bericht von Design-Professor Michael Renner über seine Teilnahme am Ideenwettbewerb der 9. Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank her. Eine deutliche Zäsur vollzieht der dritte Abschnitt, "Kreisläufe des Begehrens". Es ist der längste Teil, und in seiner thematischen Konzentration und begrifflichen Dichte das knifflige Herzstück des Buchs. Die vier Beiträge zielen auf philosophisch-theologische Tiefenschichten des Ökonomiebegriffs und seine Verzahnung mit Bildkonzepten: Als deutsche Erstübersetzung liegt Jacques Derridas Aufsatz "Ökonomimesis" (Ersterscheinung: 1975) vor, eine Art verlorenes Kapitel seines Bandes Die Wahrheit in der Malerei. In einer Lektüre von Kants Kritik der Urteilskraft hebt Derrida vor allem auf die poröse Unterscheidung zwischen Lohnkunst und freier Kunst ab, zwischen Mimesis und dem nichtmimetischen Genie, das seinerseits wiederum Mimesis an Gott betreibe. Mit dem Genie trete der Begriff der Gabe in die Austauschprozesse der Kunstproduktion, doch die eine Gabe, die sich nicht in die Ökonomimesis des Schönen einspeisen lasse, sei – so Derridas Pointe – das Erbrochene. Bei Derridas Begriff der Gabe setzt auch der anschließende Text von Kathrin Busch an, die diese nicht nur als Bildmotiv untersucht, sondern als einen bestimmten Modus des In-Erscheinung-Tretens des Bildes als Preisgabe statt Wiedergabe. Marie-José Mondzain und Emmanuel Alloa lesen in ihren Texten wiederum die Ökonomie als oikonomia, im Sinne des christlich-orthodoxen Konzepts 1) einer göttlichen Ökonomie der Erlösung und 2) eines kirchlichen Haushaltens mit den kanonischen Texten. Mondzain nimmt vor dem Hintergrund ihrer bereits erfolgten Untersuchungen zum bzyantinischen Bilderstreit die machttheoretische Unterscheidung von 'potestas' (als Gewaltmonopol) und 'auctoritas' (als Autorität, die sich auf den freiwilligen Gewaltverzicht des Gegenübers stützt) auf. Zwischen der unsichtbaren Autorität Gottes und der sichtbaren Macht seiner irdischen Statthalter zu vermitteln, sei nicht zuletzt Aufgabe des Bildes gewesen: "Das Bild muss zugleich ein Operator der Freiheit und ein Regulator ihres Gebrauchs sein" (S. 266). Flüssiger als Mondzains kleinteilige Begriffsarbeit liest sich Alloas Entwurf einer christlichen Bildwirtschaft, der ebenfalls beim byzantinischen Bilderstreit ansetzt: Nicht nur werde das Mysterium Dreifaltigkeit in theologischen Texten als 'oikos', mithin als 'menage à trois' gedeutet und Jesus als von Gottvater entsandter Hausmeister, der die Welt nach dem göttlichen Plan einzurichten habe. Auch in kirchlichen Bildverboten liest Alloa keine unumstößlichen Gesetze, sondern Haushaltsordnungen, die im Sinne bedarfsorientierten Managements außer Kraft zu setzen gewesen seien, wo es Bildern als Verteiler bedurfte. "Die dezentrale Gouvernementalität stellt", so Alloas These, "nicht erst ein Phänomen spätmoderner Dienstleistungsgesellschaften dar, die im merkantilen Liberalismus ihr Vorbild zu haben meinen, sondern gründet vielmehr in einem Konzept der Oikonomia, das sich weder der Seite der Transzendenz noch derjenigen des Säkulums eindeutig zuschlagen lässt" (S. 318). Welche Implikationen diese Verquickung von Theologie und Ökonomie für neoliberale Medienwirtschaften der Gegenwart hat, darüber hätte dieser Leser gerne mehr erfahren, auch abseits sinnfällig-schöner Kalauer von wegen Credo und Kredit und dem Gläubiger als Gläubigen. Wenn wir schon bei der Buchhaltung sind, gleich zur Bilanz: BildÖkonomie ist ein zerklüfteter Band, mit vielen Anregungen, wenigen Dopplungen und einer Handvoll wirklich toller Texte, deren Fragestellungen, Wissensinteressen und Begriffsoperationen sich nur mit Mühe ineinander übersetzen lassen. Vielleicht ist das raumgreifende Inhaltsverzeichnis ja auch so gemeint – als Signal jener Streuung und Sondierungsbewegung, die dieses Buch an seinem Titel vornimmt.