Was bedeutet es, in einem reichen Land in Armut aufzuwachsen? Zur "Unterschicht" zu gehören und dafür ausgelacht und ausgegrenzt zu werden? Sich von seinem Herkunftsmilieu zu entfernen, aber die eigenen Wurzeln nicht verraten zu wollen? Und dennoch im neuen Milieu nie wirklich anzukommen? Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse unsichtbar ist. In dem die Chancen auf Bildung und Wohlstand für alle gleich sind. Klasse und Kampf räumt mit diesem Mythos auf. 14 Autor*innen schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu. Zusammen ergeben ihre Stimmen ein vielschichtiges Manifest von großer politischer Kraft. Mit Beiträgen von Christian Baron, Martin Becker, Bov Bjerg, Arno Frank, Lucy Fricke, Kübra Gümüsay, Schorsch Kamerun, Pinar Karabulut, Clemens Meyer, Katja Oskamp, Sharon Dodua Otoo, Francis Seeck, Anke Stelling, Olivia Wenzel.
Die Autorin zeigt im Rahmen einer empirischen und theoretischen Analyse, wie eine transnationale kapitalistische Klasse ("transnational capitalist class" - TCC) den Kapitalismus in ein Globalisierungsprojekt transformiert. Sie nimmt die Angehörigen dieser Klasse und die Institutionen, durch die sie ihre Macht und Funktionsweise ausüben, in den Blick und geht dabei von vier Thesen aus: (1) Es entsteht auf der Basis multinationaler Unternehmen eine transnationale kapitalistische Klasse, die Globalisierungsprozesse mehr oder weniger kontrolliert. (2) Einige Akteure und Institutionen innerhalb des kapitalistischen Systems verfügen über mehr Macht als andere, und in einigen sozialen Sphären treffen diejenigen, die die Kräfte des globalen Kapitalismus kontrollieren, Entscheidungen, die sich auf das Leben der meisten Menschen auf der Erde auswirken. (3) Die Globalisierung des kapitalistischen Systems reproduziert sich selbst durch die vom Profit bestimmte Kulturideologie des Konsumismus. (4) Die transnationale kapitalistische Klasse arbeitet bewusst an der Bewältigung zweier zentraler Krisen, und zwar der gleichzeitigen Verstärkung von Armut und Reichtum innerhalb und zwischen Gemeinschaften und Gesellschaften (die Krise der Klassenpolarisierung) und der Nichtnachhaltigkeit des Systems (die ökologische Krise). (ICI2)
Der Autor erörtert die Frage, warum der Klassenbegriff heute vielfach für obsolet gehalten wird, obwohl er in den 1950er und 1960er Jahren eine zentrale Bezugsgröße für die Gesellschaftsanalyse war. Seine Anmerkungen verstehen sich als Versuch, die gegenwärtige Wandlung der Beziehungen zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven zu begreifen und damit auch zu verstehen, weshalb mit dem Vordringen des Individualismus ein gewisser Strukturzerfall der kollektiven Kennzeichen und Interessen zu erkennen ist. Im Mittelpunkt seiner Reflexionen stehen die Fragmentierung der klassischen Auffassung der sozialen Klassen und die Fortdauer der kollektiven Zwänge. (ICI)
Der Verfasser legt definitorische Überlegungen zu den Begriffen Berufspolitiker, politische Klasse und politische Elite vor. Den Berufspolitiker sieht er durch Kontinuität und Spezialisierung in Hinblick auf seine Tätigkeit gekennzeichnet sowie durch die Tatsache, daß die Politik den Lebensunterhalt des Berufspolitikers sichert. Während für die politische Elite eine politische Steuerungs- und Gestaltungsintention kennzeichnend ist, steht für die politische Klasse das Selbstreproduktions- und Selbstversorgungsinteresse im Mittelpunkt. Während politische Klasse ein Strukturbegriff ist, bezieht sich politische Elite eher auf die Handlungsebene. (ICE2)
"Mit dem Begriff der Politischen Klasse wird seit Gaetano Mosca (1858 - 1941) die Gesamtheit der an der Staatsleitung beteiligten Personen und Gruppen bezeichnet. Dazu gehören die Regierungsmitglieder, die Parlamentsabgeordneten, in föderativen Systemen die Landesregierungen, die Spitzen der Ministerialbürokratie, die Leiter öffentlicher Betriebe und Körperschaften, die Parteivorstände sowie die Spitzenfunktionäre der Interessenverbände. Dabei ist es gleichgültig, ob ihre Meinungen im konkreten politischen Entscheidungsprozeß durchdringen oder nicht; wesentlich für die Begriffsbestimmung ist die regelmäßige Teilnahme an autoritativen Entscheidungen (Georges Burdeau). Die gegenwärtige Bedeutung der Politischen Klasse ergibt sich aus den Funktionsbedingungen moderner sozialstaatlicher Demokratien. Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung und Mobilisierung, eines wachsenden 'Problemhaushaltes' und gestiegener Erwartungen an die Steuerungsfähigkeit des Staates kommt der Politischen Klasse die Aufgabe zu, widerstreitende Interessen in gemeinwohlorientierte Handlungsstrategien umzusetzen. Das setzt zweierlei voraus: Einerseits die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit der Politischen Klasse durch personelle Erneuerung und intensive politisch-gesellschaftliche Kommunikation; andererseits ihre relative Stabilität und interne Kooperationsfähigkeit. Sichtet man daraufhin die Ergebnisse der neueren Elitenforschung, so waren bisher für die Politische Klasse der Bundesrepublik folgende Merkmale charakteristisch: - Eine im wesentlichen bereichsinterne Personalrekrutierung ohne häufigen Austausch zwischen politischen und gesellschaftlichen Bereichen; - eine starke Professionalisierung auch des parlamentarisch-gouvernementalen Personals; - ein weitgehender Grundkonsens nicht nur über die demokratischen 'Spielregeln', sondern auch in einigen wichtigen Politikfeldern ('Westbindung', soziale Marktwirtschaft, Tarifautonomie u.a.); - ein - entgegen landläufiger Meinung - durchaus vielfältiges Kommunikationsgeflecht zwischen den parlamentarischen Repräsentanten und den unterschiedlichen Gruppen der Wählerschaft; - die Existenz eines 'strategischen Kerns' in Gestalt einer dichten Kontaktstruktur zwischen den Führungsgruppen der Regierungen, des Bundestages, der Parteien und der Ministerialbürokratie. Trotz gelegentlicher Entscheidungsblockaden und mancher Skandale hat sich die Politische Klasse der Bundesrepublik, verglichen mit derjenigen in anderen Ländern, bisher als hinreichend handlungs-, kompromiß- und integrationsfähig erwiesen. Jedoch besteht immer die Gefahr, daß sie in eine Vielzahl rivalisierender, auf ihren eigenen Vorteil und den ihrer spezifischen Klientel bedachten Gruppen zerfällt. Zudem stellt sich die Frage, ob die Politische Klasse der Bundesrepublik in ihrer derzeitigen Verfassung den neuen innerdeutschen, europäischen und weltpolitischen Herausforderungen gerecht werden kann." (Autorenreferat)
Die westliche Demokratie steht nach Einschätzung des Autors vor neuen internen und externen Herausforderungen, die ein selbstkritisches Überdenken ihrer Wertvorstellungen erforderlich macht. Er weist in seinem Beitrag auf einige zentrale Defizite der Demokratie in Deutschland mit ihrer politischen Klasse und ihren politischen Eliten hin. Er problematisiert u.a. die zunehmende Kartellbildung in der politischen Klasse sowie das enorme Versorgungsinteresse von Berufspolitikern und geht auf einige Aspekte zur Reform des politisch-parlamentarischen Systems ein. Er stellt insgesamt vor allem ein Repräsentations- und Partizipationsdefizit fest. Dieses zeigt sich darin, dass wichtige Sachprobleme nicht oder nur unzureichend behandelt werden und dass ein eigensüchtiges Macht- und Versorgungsstreben ein gemeinwohlorientiertes Denken zurückdrängt. Es erstreckt sich auf die Verselbständigungsprozesse der politischen Klasse und damit auf die mangelnde Rückbindung ihrer Verantwortung. Schließlich manifestiert es sich im Berufsinteresse der politischen Klasse, das vornehmlich in parlamentarischen Systemen zum "Kungelverfahren" bei der Nominierung der Parlamentskandidaten beiträgt. Der Autor skizziert vor diesem Hintergrund einige Bedingungen für einen herrschaftsfreien Diskurs, der als regulative Idee die Mündigkeit des Bürgers betont. (ICI2)