Krise und Solidarität
In: Gewerkschaftliche Monatshefte, Band 33, Heft 4, S. 222-226
ISSN: 0016-9447
Die traditionelle Gewerkschaftsarbeit steht vor dem Dilemma, daß sie die Probleme der gegenwärtigen Gesellschaftskrise nicht lösen kann. Arbeitslosigkeit, Reallohnverlust und die Folgen einer beschleunigten Rationalisierung haben in der Lohnarbeiterschaft Unsicherheit und Existenzangst gesteigert. Die Verunsicherung hat ambivalente Folgen: sie führt zu unsolidarischen Forderungen ("Ausländer raus"), wenn sie in reduktionistischer Form verarbeitet wird und sie steigert zugleich das Bedürfnis nach einer Art "Alltagssolidarität", die früher durch die "Arbeiterkultur" befriedigt wurde. Heute sind die Arbeiter aus dem Ghetto dieser "zweiten Kultur" herausgetreten, das Bedürfnis nach "Alltagssolidarität" ist aber geblieben und durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise noch gesteigert worden. Die Gewerkschaften haben sich mit dem Thema bislang wenig befaßt, sie sollten aber in der Betriebsarbeit wie in der Tarifpolitik das Thema "Solidarität" stärker in den Vordergrund rücken. (KA)