In: Journal of modern European history: Zeitschrift für moderne europäische Geschichte = Revue d'histoire européenne contemporaine, Band 16, Heft 4, S. 463-486
Filling the Frame: Photography of May Day Crowds during the Early Nazi Era When one thinks of festive crowds under National Socialism, the state-orchestrated events at Berlin's Tempelhofer Feld, the Bückeberg or at the Reichsparteitagsgelände in Nuremberg are what first come to mind. But apart from the huge festival grounds, festive crowds also came together on sports fields and town squares all over Germany. They were certainly smaller in number, yet the presence of the many was clearly also of great ritual importance in small towns and rural communities. Whenever they came together, a camera was there to document. It is especially in forms of representation that the crowd becomes negotiable. Stories of crowds unfold along images. The article examines the role of photographs of crowd scenes in the process of community-formation during the early Nazi era when the idea of a racially defined Volksgemeinschaft was ubiquitous throughout the German Reich. It focuses primarily on the particular importance of photography as a means of negotiating, adapting and transforming social affiliation. Also addressed is the overall relationship between photography and the masses. Inspired by Elias Canetti's typology of crowds, a comparison of state-controlled and local depictions of May Day festivities reveals a variety and ambivalence of photographic representations of crowds during the early 1930s, which has been overlooked by historic research so far. A surprising visual openness made the crowd images adaptable to traditional ideas of community as well as able to respond to the need to position oneself in the new social framework.
In: Journal of modern European history: Zeitschrift für moderne europäische Geschichte = Revue d'histoire européenne contemporaine, Band 13, Heft 4, S. 439-446
Albert Gehring, ein 1897 geborener Einwohner des Ortes Ditzingen, setzte in den 1920er- und 1930er-Jahren das Kleinstadtleben seiner schwäbischen Heimat ins Bild. Besonders häufig findet sich im Konvolut von rund 1.000 Glasplattennegativen das Motiv des Festumzuges und damit eines Elements von Festkultur, welches oft als die Grundform nationalsozialistischen Kultes und als erfolgreiches Mobilisierungsinstrument beschrieben worden ist. Gehrings Fotografien ermöglichen am lokalen Beispiel eine differenzierte Perspektive auf die Aushandlungs- und Aneignungsprozesse in der Praxis der Festumzüge. Haben sich die äußere Form der Umzüge, ihre Symbolik und Choreographie – also das, was sie zu vermitteln suchten – mit der nationalsozialistischen Machteroberung von 1933 verändert? Und ging mit diesem möglichen Wandel auch eine veränderte Visualisierung durch Albert Gehring einher? Im Fokus stehen damit fotografische Positionen zu der sich wandelnden Festpraxis des Umzuges: Die Ordnung des Bildes wird in ein Verhältnis zur Ordnung des Festes gesetzt, um Erkenntnisse über die Rolle von Fotografie in Prozessen von Mobilisierung und Partizipation an der Schwelle zur NS-Diktatur zu erlangen. ; Albert Gehring, born in Ditzingen in the southwest of Germany in 1897, regularly captured the events of everyday life in his village with his plate camera in the 1920s and 1930s. Festive parades, often described as an essential part of the National Socialist cult and an efficient instrument of mobilization, are a prevalent subject in his photographic collection, which comprises some 1,000 glass plate negatives. As a historical source, Gehring's pictures shed a nuanced light on typical examples of this specific social practice on a local level. Did the outward appearance of the parades, their symbols and ritual choreographies change after the Nazi seizure of power in 1933? And was such a change accompanied by a change in their photographic visualization by Albert Gehring? The article focuses on photographic perspectives of festive parades, understanding the image as the product of a certain point of view. The principles underlying the images will be compared and contrasted with those governing the festive practice to gain insight into how photographs contributed to processes of mobilization during the transition from Weimar democracy to Nazi dictatorship.
Albert Gehring, ein 1897 geborener Einwohner des Ortes Ditzingen, setzte in den 1920er- und 1930er-Jahren das Kleinstadtleben seiner schwäbischen Heimat ins Bild. Besonders häufig findet sich im Konvolut von rund 1.000 Glasplattennegativen das Motiv des Festumzuges und damit eines Elements von Festkultur, welches oft als die Grundform nationalsozialistischen Kultes und als erfolgreiches Mobilisierungsinstrument beschrieben worden ist. Gehrings Fotografien ermöglichen am lokalen Beispiel eine differenzierte Perspektive auf die Aushandlungs- und Aneignungsprozesse in der Praxis der Festumzüge. Haben sich die äußere Form der Umzüge, ihre Symbolik und Choreographie – also das, was sie zu vermitteln suchten – mit der nationalsozialistischen Machteroberung von 1933 verändert? Und ging mit diesem möglichen Wandel auch eine veränderte Visualisierung durch Albert Gehring einher? Im Fokus stehen damit fotografische Positionen zu der sich wandelnden Festpraxis des Umzuges: Die Ordnung des Bildes wird in ein Verhältnis zur Ordnung des Festes gesetzt, um Erkenntnisse über die Rolle von Fotografie in Prozessen von Mobilisierung und Partizipation an der Schwelle zur NS-Diktatur zu erlangen.
Jahrzehnte stand der Kontinent für Krankheit, Krieg und Korruption, Hunger und Hoffnungslosigkeit. All dies ist nicht über Nacht verschwunden. Aber jetzt geht die Rede von Entwicklung und Emanzipation: Dank moderner Kommunikationstechnologien, einer wachsenden Mittelschicht und dem Willen der Afrikaner, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. (IP)
Für die Deutschen war es eine durchaus zwiespältige Erfahrung zu sehen, wie sich die Erinnerung an den Holocaust verselbstständigte, abstrahierte und zunehmend universalisierte. Nicht nur angesichts der politischen Entwicklungen seit 1990, sondern auch angesichts der weltweiten kommunikativen und medialen Vernetzung war die Universalisierung des Gedenkens an den Holocaust geradezu zwangsläufig. Die Erinnerung wurde global, sie wurde menschheitlich. Zusammen mit dem Generationenwechsel von der Erlebens- und Überlebensgeneration zur Generation der Nachgeborenen lag darin der doppelte Quantensprung von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur im ausgehenden zwanzigsten und im beginnenden einundzwanzigsten Jahrhundert, und auch die Probleme wie die Chancen einer europäischen Erinnerung sind aus deutscher Sicht in diesen Entwicklungen angelegt. (ICF2)
Die Transformationsprozesse im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts waren begleitet von einem tiefgehenden Wandel des Sicherheitsverständnisses. Das Vertrauen in die sicherheitsstiftende Funktion des Staates schwand, und neue Krisendiskurse entstanden. Der Aufsatz untersucht dies am Beispiel der NATO-Nachrüstung und der Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland um 1980. In der damaligen Auseinandersetzung spiegelt sich ein scharfer Streit über das Verständnis von Sicherheit. Darüber hinaus artikulierte sich in der Kritik der Friedensbewegung am System der nuklearen Abschreckung ein massives Unbehagen an jener technisch-industriellen Modernität, die sich seit dem späten 19. Jahrhundert ausgeformt hatte. Daher ist die "nukleare Krise" der Zeit um 1980 auch als eine Modernitätskrise zu verstehen. Absolute Sicherheit kann es in der Moderne nicht geben; sie bleibt ein letztlich unerreichbares Ziel – eine Utopie. Gleichwohl entzog der Protest der Friedensbewegung – nicht nur in der Bundesrepublik – der nuklearen Abschreckung ihre politische und moralische Legitimität. Trotz der 1983 durchgesetzten Nachrüstung war die frühere Akzeptanz der Abschreckung in der Endphase des Kalten Kriegs nicht wiederherzustellen. ; Transformations which took place during the final third of the twentieth century were accompanied by a fundamental modification of the idea and understanding of 'security'. Societies lost trust in the state and its ability to provide security. At the same time, new perceptions and discourses of crisis emerged. This article analyses these developments, taking the question of NATO nuclear armament and the West German peace movement of the period around 1980 as an example. The conflicts over NATO's so-called 'double track decision' of 1979 and the prospect of deploying new nuclear weapons in West Germany and other European countries reflected heated controversy concerning the idea of security. Moreover, the peace movement's criticism of the system of nuclear deterrence reflected considerable unease with technical-industrial modernity, which had arisen from the late nineteenth century. In this regard, the 'nuclear crisis' of the years around 1980 can be seen as a crisis of modernity. In modern societies it is not possible to achieve absolute security; security remains an unobtainable objective, a utopia. Nevertheless, it was not only in Germany that the peace movement's protest shattered the political and moral legitimacy of nuclear deterrence. In spite of the decision to continue armament in 1983, the initial acceptance of this policy could not be restored in the final years of the Cold War.