Zum 1. Mai 2011 hat auch Deutschland seine Grenzen für Arbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländern geöffnet. Um die erwartete Flut; zuwandernder Arbeitskräfte einzudämmen, wird die Einführung eines Mindestlohns in den betroffenen Branchen gefordert. Die Befürworter dieser Idee gehen davon aus, dass dies dazu beiträgt, die einheimischen Arbeitnehmer vor Lohndumping durch Arbeitsmigranten zu schützen. Die Erfahrungen der liberaleren EU-Mitgliedsländer bestätigt eine solche Sichtweise allerdings nicht.
Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen galten bisher als Musterländer für den erfolgreichen Umbau einer sozialistischen Wirtschaftsordnung zu einer funktionstüchtigen Marktwirtschaft. In nur wenigen Jahren nach ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 gelang ihnen der Aufbau stabiler Staats- und Wirtschaftsordnungen sowie schon im Jahr 2004 die Aufnahme in die Europäische Union (EU) als Vollmitglieder. Estland wird im Jahr 2011 zur Krönung seiner Integration mit der Einführung des Euros den europäischen "Ritterschlag" erhalten.Doch ist die globale Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 keinesfalls spurlos an den erfolgsverwöhnten baltischen Staaten vorbeigegangen – im Gegenteil. Dem steilen Aufstieg folgte ein umso tieferer Fall, die "Tiger" scheinen im Spiegel der Statistik als "Bettvorleger" hart gelandet zu sein. Sie weisen stärkere Bremsspuren in der wirtschaftlichen Entwicklung auf als viele etablierte Industrieländer Westeuropas oder als die Mehrzahl der mittel- und osteuropäischen Reformländer. Daher stellt sich die Frage, was im Baltikum schief gelaufen ist. Hat die Weltwirtschaftskrise das baltische Wirtschaftswunder beendet und was ist in Zukunft von Estland, Lettland und Litauen zu erwarten?
Die globale Wirtschaftskrise hinterlässt ihre Spuren zunehmend auch auf den internationalen Arbeitsmärkten. Angesichts dramatischer Nachfrageeinbrüche auf den globalen Märkten für Güter und Dienstleistungen stehen Produktionskapazitäten und damit die Beschäftigung in den meisten Unternehmen auf dem Prüfstand. Im günstigsten Fall können gut aufgestellte, international wettbewerbsfähige Unternehmen ein konjunkturelles Zwischentief auf ihren Märkten ohne nachhaltige Schäden überstehen: Sie sichern erst einmal mit Überbrückungsmaßnahmen wie dem Abbau von Arbeitszeitkonten, der Reduzierung von Zeitarbeit oder der Nutzung arbeitsmarktpolitischer Instrumente, insbesondere der Kurzarbeit, den Unternehmensbestand und damit den Kern der Arbeitsplätze. Denn die Stammbelegschaften stellen ein wertvolles Unternehmenskapital dar, das in der kommenden Aufschwungphase gebraucht wird. Im Fall einer längeren Abschwungphase kann allerdings trotzdem eine Neubewertung der Unternehmensstrukturen notwendig werden und ein Beschäftigungsabbau die Folge sein.
Die Rolle der deutschen Arbeitslosenversicherung wird für vier Perioden seit 1871 daraufhin analysiert, ob man bei der Suche nach einem effizienten System der Arbeitslosenversicherung aus der Geschichte lernen kann. Die vier Perioden (Periode I: 1871/1914; II: 1918/32; III: 1933/39; IV: 1949/2001) sind jeweils sehr unterschiedlicher Natur, sowohl in bezug auf die jeweils zugrunde liegende politische Situation als auch bezüglich der Höhe der Arbeitslosigkeit. Es wird gezeigt, daß die heutige Arbeitslosenversicherung in ihren Kernelementen auf das Jahr 1927 zurück-geht. Als Kernelemente werden die versicherungsferne Struktur, die Zwangsmitglied-schaft sowie das Fehlen tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbs identifiziert. Diese Strukturen haben schon in den Krisenjahren nach 1927 nicht zur Entschärfung der Situation auf dem Arbeitsmarkt beigetragen. ; In search of an efficient system of unemployment insurance the authors take a look at German history. Four periods of German unemployment insurance are analyzed, namely those of 1871/1914, 1918/32, 1933/39 and 1949/2001. These periods differ greatly with respect to the levels of unemployment as well as regarding the underlying political situation. It turns out that the German unemployment insurance of today has its roots in the year 1927. The main elements - i.e. the lack of insurance principles, the mandatory character and the lack of actual or potential competition - have been upheld since then. These elements did not help ease labor market tensions in the years following 1927, similar to the revealed inefficiency of German unemployment insurance over the past 20 years.
The paper is about the economically efficient design of financial transfers to the unemployed in a highly industrialized country. There have been quite a few contributions to this problem — for example by Beenstock/Brasse, Feldstein/ Altman, Grubel, Orzag/Snower — which are presented and discussed. It turns out that a true unemployment insurance would be the most efficient way to solve the transfer problem. The second part of the paper deals with often-raised objections against such a solution. For example, insurability is often denied on the ground that an unemployment insurance would be too expensive due to moral hazard and adverse selection. It is shown that neither moral hazard nor adverse selection are insurmountable obstacles to a private insurance market. ; Die internationale Diskussion der letzten Jahrzehnte hat zur Frage nach einer effizienten Gestaltung der Einkommenssicherung von Arbeitslosen eine Reihe von Vorschlägen hervorgebracht, wie die von Beenstock/Brasse, Feldstein /Altman, Grubel und Orzag/Snower. Sie werden dargestellt und bewertet. Als ökonomisch beste Lösung stellt sich ein reines Versicherungsmodell heraus. Im zweiten Teil der Arbeit wird daher auf die besonders in Deutschland vorherrschenden Zweifel an der Versicherbarkeit des Arbeitslosigkeitsrisikos eingegangen; diese Zweifel sind zum Teil auch Gegenstand der Standardwerke zur Versicherungsökonomie. Es wird gezeigt, daß die Kerneinwände nicht tragfähig sind: "Moral hazard" und "Adverse selection" schließen die Versicherbarkeit des Arbeitslosigkeitsrisikos keineswegs aus.
The analysis is about the compulsory German unemployment insurance system (GUIS). It is known that GUIS did nothing to prevent the continuous rise of the rate of unemployment since the 1970s. The empirical literature about GUIS indicates that the few endeavours to increase incentives to work have been intramarginal. Concomitant to the failing GUIS a body of literature on reforming the system of unemployment insurance has arisen, most of it aiming at marginal reforms only. It turns out that theoretical problems of insurability are considered to be the main obstacles of a sweeping change. ; Ausgangspunkt der Analyse ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland seit den siebziger Jahren. Es wird untersucht, ob die Arbeitslosenversicherung dazu beigetragen hat, die Arbeitslosigkeit zu senken. Die deskriptive Analyse und auch die vorliegenden empirischen Untersuchungen zur Wirkungsweise der deutschen Arbeitslosenversicherung deuten darauf hin, daß dies nicht der Fall war. Die Diskussion zur Reform der Arbeitslosenversicherung seit den achtziger Jahren spiegelt das bestehende Unbehagen mit dem System der Arbeitslosenversicherung wider. Die Reformvorschläge sind durchweg wenig radikal; die oft angedeuteten versicherungstheoretischen Bedenken gegen einen tiefgreifenden Systemwechsel erweisen sich als diskussionswürdig.
In this report the actual state of the economic and structural development, the progress towards establishing a market economy, and the provision of infrastructure in the Baltic states Estonia, Latvia, and Lithuania after five years of independence is analysed. According to a set of relevant theoretical criteria that Estonia has managed to join the club of well established reform countries like the Visegrad countries while Latvia and Lithuania are still lagging behind. With respect to infrastructure all three countries still suffer from the Soviet heritage. Estonia again takes the lead in creating the preconditions for developing the necessary infrastructure facilities.
Angesichts der Sorge um das wirtschaftliche Überleben in den aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten wird vor dem Hintergrund eines marktwirtschaftlichen Referenzsystems untersucht, inwieweit in einigen dieser Staaten die ordnungspolitischen Voraussetzungen für ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt geschaffen worden sind. Die ordnungspolitische Analyse ergibt schwerwiegende Reformdefizite, die auf den Wunsch der politisch Verantwortlichen nach einer "eigenen" Form von Marktwirtschaft, die den Transformationsprozeß sozial abfedern soll, zurückzuführen sind. Dieses Streben nach sozialen Kompromissen führt zu Widersprüchen bei den Reformen in den Bereichen Rechtsordnung, Privatisierung, Wettbewerbssicherung, Liberalisierung der Märkte, makroökonomische Rollenverteilung und außenwirtschaftliche Öffnung. Beispielsweise soll etwa die Privatisierung rasch durchgeführt werden, jedoch dem Prinzip einer "gerechten" Verteilung genügen und niemandem Nachteile, etwa durch Verlust des Arbeitsplatzes, bescheren; oder die Preise sollen vollständig freigegeben werden, aber gleichzeitig sozial verträglich sein. Um die Voraussetzungen für eine funktionstüchtige Marktwirtschaft in den Nachfolgestaaten zu schaffen, sollte ein konsistentes Reformprogramm umgesetzt werden, das folgende Elemente enthält: die eindeutige Zuordnung von Kompetenzen an die Gebietskörperschaften gemäß dem Subsidiaritätsprinzip; staatliche Garantie der privaten Vertragsfreiheit und des Rechtsweges; verfassungsmäßiger Vorrang für das Privateigentum; konsequente Privatisierungsmaßnahmen; Wettbewerbssicherung durch freien Marktzugang für ausländische Produzenten und Demonopolisierung; vollständige Preisliberalisierung und Marktöffnung; Errichtung einer unabhängigen, stabilitätsverpflichteten Notenbank; Maßnahmen zur Gewährleistung der finanzpolitischen Solidität; Einführung einer frei konvertiblen Währung; Verzicht auf Protektionismus. Es entsteht der Eindruck, daß in den baltischen Staaten günstigere Bedingungen für die Einführung einer marktwirtschaftlichen Ordnung herrschen als in den großen europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Denn die baltischen Staaten können an Traditionen aus der Zwischenkriegszeit anknüpfen, die auch nach mehr als 50 Jahren Sozialismus nicht ohne Wirkung sind. So ergeben sich historische Anknüpfungspunkte bei der Schaffung rechtsstaatlicher Verhältnisse oder privater Eigentumsstrukturen, die auch von der Bevölkerung als Teil ihrer nationalen Identität akzeptiert werden. Trotzdem ist sowohl in den baltischen Staaten als auch in den großen europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein kompromißloser Reformkurs notwendig, damit der marktwirtschaftliche Transformationsprozeß gelingen kann.
Nach mehr als fünf Jahren "Hartz IV" ist die Frage zu stellen, ob unter den günstigen Rahmenbedingungen des konjunkturellen Aufschwungs der Jahre 2006 bis 2008 das propagierte Konzept des "Forderns und Förderns" Früchte getragen hat, also die Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig abgebaut werden konnte, oder ob sich die Befürchtung bewahrheitet hat, dass die Anreize zur Rückkehr in reguläre Beschäftigung selbst bei einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt und einer Zunahme der Jobangebote zu gering sind. Um diese Fragen zu beantworten, wird in Kapitel 2 die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Rechtskreis des Sozialgesetzbuchs II ("SGB II-Arbeitslosigkeit") in Deutschland insgesamt und in den Bundesländern untersucht. In Kapitel 3 wird analysiert, ob und in welchem Umfang für ALG II-Bezieher aufgrund des Lohnabstands Anreizprobleme bei der Aufnahme regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeit bestehen und ob es unterschiedliche Arbeitsanreize je nach Haushaltstyp und Erwerbsprofil gibt. Auch hier wird eine regional differenzierte Analyse durchgeführt. Auf Grundlage dieser Lohnabstandsanalysen werden in Kapitel 4 zum einen wirtschaftspolitische Handlungsoptionen vorgestellt, durch die Anreizdefizite beseitigt werden könnten; zum anderen wird diskutiert, welche Maßnahmen für die Reintegration von ALG II-Beziehern in den regulären Arbeitsmarkt hinderlich wären. In Kapitel 5 werden wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen aus den Untersuchungsergebnissen gezogen.
Nachfolgend soll auf empirischer Basis geprüft werden, welchen Gruppen von ALG IIBeziehern aufgrund eines zu geringen Lohnabstands das ist der Abstand zwischen einem möglichen Erwerbseinkommen und dem gezahlten Transfereinkommen die notwendigen Anreize fehlen, eine reguläre Beschäftigung anzustreben. Zu diesem Zweck werden für charakteristische Haushaltstypen und Erwerbsmerkmale Lohnabstände im Rahmen alternativer Szenarien ermittelt, um den Kreis der Problemgruppen zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund wird der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen einem Erwerbseinkommen der Vorzug gegenüber dem Bezug von ALG II gegeben werden könnte. Wichtig ist dabei zum einen, dass Arbeitseinkommen dadurch belastet wird, dass Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen, zum anderen, dass das ALG II gekürzt wird, wenn ein Arbeitseinkommen hinzuverdient wird. Die daraus resultierende explizite und implizite Belastung ist von Bedeutung bei der Entscheidung über das Ausmaß der angestrebten Arbeit. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob nicht generell die Aufnahme einer Niedriglohnarbeit gefördert werden sollte, um nachhaltige Anreize zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus Erwerbseinkommen zu schaffen.