Seit dem Jahr 2004 hat "Einiges Russland" immer deutlicher Züge einer Staatspartei angenommen. Ihre dominante Stellung im russischen Parteiensystem verdankt sie der Patronage des Kreml, die Zugang zu administrativen Ressourcen eröffnet. Sie agiert als eine der Einflussressourcen der föderalen Exekutive und erfüllt Funktionen der Wählermobilisierung, zunehmend auch der Elitenrekrutierung, Systemlegitimation und Sozialintegration. Ob sie die Duma-Wahlen im Dezember 2007 gewinnen wird, erscheint heute dennoch unsicherer als vor einigen Wochen.
Der einführende Beitrag zum vorliegenden Sammelband liefert eine Bestandsaufnahme über die Leadership- sowie die vergleichende Exekutivforschung. Er geht im Besonderen auf die Frage der Übertragbarkeit dieser Konzepte auf die Analyse postkommunistischer Präsidenten ein. Die Autorin entwickelt einige Überlegungen, die Vergleiche zwischen den osteuropäischen Regimen bzw. den Transfer von Konzepten ermöglichen können. Begonnen wird mit einer Bestandsaufnahme der im Entstehen begriffenen Leadership-Forschung über Ost(mittel)europa. Anschließend werden deren Zwischenergebnisse in Entwicklungstrends der vergleichenden Exekutivforschung eingeordnet, um zu zeigen, dass die betreffenden Fragen keine generelle osteuropäische Spezifik aufwerfen. Abschließend wird danach gefragt, ob die internationale, insbesondere die US-amerikanische Leadership-Forschung Modelle, Konzepte oder zumindest Fragen und Perspektiven entwickelt, deren Übertragung auf die Analyse postkommunistischer Präsidenten - oder genauer: Präsidenten in dynamischen, nicht institutionell verfestigten "Wandlungsgesellschaften" - fruchtbar ist. (ICA2)
Seit dem Jahr 2004 hat "Einiges Russland" immer deutlicher Züge einer Staatspartei angenommen. Ihre dominante Stellung im russischen Parteiensystem verdankt sie der Patronage des Kreml, die Zugang zu administrativen Ressourcen eröffnet. Sie agiert als eine der Einflussressourcen der föderalen Exekutive und erfüllt Funktionen der Wählermobilisierung, zunehmend auch der Elitenrekrutierung, Systemlegitimation und Sozialintegration. Ob sie die Duma-Wahlen im Dezember 2007 gewinnen wird, erscheint heute dennoch unsicherer als vor einigen Wochen.
Nach der Zerstörung des Systems der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft durch die Reformen der Perestrojka erlebte Russland in den 1990er Jahren einen Systembruch, der mit einem extremen Rückgang des Wirtschaftswachstums verbunden war. Bis 1997, als sich nach sieben Jahren der Rezession das erste Mal Anzeichen einer Wiederbelebung zeigten, hatte sich die Industrieproduktion des Landes im Vergleich zum Stand von 1989 halbiert. Seit 1999 verzeichnet jedoch Russland unter Putin einen Aufschwung, der selbst unter den emerging markets seinesgleichen sucht. Zwischen 1999 und 2003 stieg das Wirtschaftswachstum kumulativ um 38%. Die Industrieproduktion erhöhte sich bis 2003 auf zwei Drittel des Niveaus von 1989, das Bruttoinlandsprodukt auf mehr als drei Viertel. Der vorliegende Beitrag versucht, einige Überlegungen aus den Texten des vorliegenden Sammelbandes in die internationale Diskussion über politisch-institutionelle Faktoren erfolgreicher Wirtschaftsentwicklung einzuordnen. Hinter der Frage, ob das beeindruckende Wachstum der russischen Wirtschaft auf den "Ölboom" zurückgehe, verbirgt sich das sehr viel grundsätzlichere Problem der Bedeutung von Politik für eine gut funktionierende Ökonomie. Zunächst werden deshalb einige gängige Erklärungen des Aufschwungs der russischen Volkswirtschaft im Kontext der Kontroverse zwischen zwei alternativen Theoriefamilien - den ökonomischen und den politisch-institutionellen Wachstumstheorien - betrachtet. Anschließend thematisiert die Autorin die Institutionenqualität als Wachstumsursache. Schließlich wird die Frage nach den "guten Institutionen" auf die Ebene des politischen Systems verlagert, um einen strukturierten Zugang zur aktuellen Debatte über die Funktionalität einer "autoritären Modernisierung" Russlands zu finden. (ICA2)
Der Mainstream der Korruptionsforschung schreibt das hohe Ausmaß an Korruption im postkommunistischen Russland dem Design und der Umsetzung der Marktreformen seit Anfang der 90er Jahre zu. Tatsächlich kann die Zunahme von Bestechung den Turbulenzen des Übergangs plausibel zugerechnet werden. Erweitert man die Betrachtung jedoch um die klientelistisch regulierte "parochiale Korruption", dann ist zwar deren Weiterexistenz den Mängeln der Reformpolitik anzulasten, nicht aber ihre Ursache. Diese liegt vielmehr in der unvollständigen Ausdifferenzierung der Sphären "Politik" und "Wirtschaft". Die Verflechtung beider Bereiche hat in Russland eine lange Tradition, die durch die Reformen bisher nicht gebrochen wurde und sich in jüngster Zeit wieder verstärkt hat. Die Aussichten erfolgreicher Korruptionsbekämpfung müssen deshalb auch unter der demokratietheoretischen Perspektive des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft bewertet werden: Angesichts der neoautoritären Rekonstituierungstendenzen des russischen Staates unter Putin stehen sie unter Umständen günstig für die Eindämmung marktförmiger, nicht aber parochialer Korruption. ; Corruption economics usually attributes the pervasiveness of corruption in post-communist Russia to the shortcomings of market reforms. While this seems to be an adequate explanation of the dramatic increase of monetarized corruption during transition, it misses the other side of the coin: In addition to "market corruption" Russia is plagued by clientelistic "parochial corruption", a consequence of the incomplete separation between political and economic spheres. Not eliminated during the early 1990s, this intertwining of business and politics has been reinforced during the last few years, accompanied by increasing levels of parochial corruption. Hence, combating corruption of both forms needs more than merely anti-corruption strategies, namely the redefinition of relationships between state and society as cornerstone of democratic institution-building. While Putin's neo-authoritarian reconstitution of the Russian state actually may yield effective campaigns against market corruption, the prospects to contain parochial corruption remain rather bleak.