Traditionsbewußtsein und Fortschrittsglaube in der afrikanischen Literatur
In: Zeitschrift für Kultur-Austausch, Band 33, Heft 2, S. 149-158
ISSN: 0044-2976
Die Kritiker des europäischen Fortschritts zu Anfang des 20. Jhdts. richteten ihre Fluchtwege häufig in das exotische Dunkel Afrikas. Einige Zeit später definierten die Autoren der Negritude-Bewegung, die als erste afrikanische Protestliteratur zwar einen historischen Fortschritt darstellt, inhaltlich jedoch konservativ ist, den afrikanischen Charakter in Opposition zum Rationalismus der französischen Kolonialmacht als emotional und intuitiv und suchten Rückhalt in der präkolonialen Tradition. Die Verfasserin geht auf die Autoren dieser Bewegung ein. Gegenüber der grundsätzlichen Zivilisationskritik findet sich bei vielen Autoren ein additionistischer Ansatz; ein optimistisches Konzept, das eine Teilnahme am technologischen Fortschritt bei gleichzeitiger Erhaltung der kulturellen Tradition vorsieht. Dabei gibt es auch, besonders bei marxistisch orientierten Autoren, einen Begriff des Fortschritts, der sich nicht auf die technologische Entwicklung, sondern auf die Gesellschaftsstruktur bezieht. Ein Autor, der die Suche nach einer verlorengegangenen Identität nicht als seine Aufgabe betrachtet, ist der Nigerianer Wole Soyinka. Seine Werke stellen die Realität kritisch dar und wollen Ideologien demontieren, enthalten jedoch keine positive Utopie. Ein wichtiges Thema der afrikanischen Literatur sind die Slums der großen Städte. Die Zerklüftungen und Widersprüche der jüngsten afrikanischen Literatur spiegeln die Realität wider, in der ebensowenig wie in der Literatur Fortschrittsglaube oder Traditionsbewußtsein eine Kontinuität herstellen könne. (SD)