Long-term effects of political violence on political trust: evidence from the case of the Gwangju Massacre in South Korea, 1980
In: Asian journal of comparative politics: AJCP, Band 8, Heft 1, S. 364–380
ISSN: 2057-892X
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In: Asian journal of comparative politics: AJCP, Band 8, Heft 1, S. 364–380
ISSN: 2057-892X
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In: Studien zur historischen Migrationsforschung (SHM) Band 32
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In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 42, Heft 8, S. 948-955
ISSN: 0006-4416
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In: Europäische Rundschau: Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, Band 40, Heft 3, S. 9-21
ISSN: 0304-2782
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In: Politique étrangère: PE ; revue trimestrielle publiée par l'Institut Français des Relations Internationales, Band 66, Heft 2, S. 325-340
ISSN: 0032-342X
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In: China aktuell: journal of current Chinese affairs, Band 17, S. 283-315
ISSN: 0341-6631
Untersucht wird eine Phase der jüngeren chinesischen Geschichte, in der sich "maoistische Unarten" wie die Überbetonung des subjektiven Faktors, die "Sprungmentalität" und die Neigung, jeden Gegner als Klassenfeind abzustempeln, am deutlichsten ausgewirkt haben soll. Zu dieser Phase gehören die antibürokratische Kampagne der "Linken", die unter der Bezeichnung "Drei Rote Banner" oder "Der kommunistische Wind" in die Geschichte einging; der "Große Sprung nach vorn" und die Volkskommunebewegung. (DÜI-Rmb)
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Blog: Emotionen in Politik und politischer Bildung
Vortrag von Sina Marie Nietz bei Festo am 24.10.2019 (verschriftlichte Form)Der Titel dieses Vortrags beinhaltet mehrere "Riesenbegriffe": Globalisierung und Digitalisierung, zwei Begriffe, die heutzutage geradezu inflationär genutzt werden und dabei ganz unterschiedliche Prozesse und Entwicklungen beschreiben. Autonomer Individualverkehr, Pflege-Roboter, softwaregesteuerte Kundenkorrespondenz und Social Media, Big-Data-Ökonomie, Clever-Bots, Industrie 4.0. Die Digitalisierung hat ökonomische, kulturelle und politische Auswirkungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die zunehmenden technischen Möglichkeiten vor allem durch KI zwingen uns auch zu einer Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und unseren bisherigen Konzepten von Intelligenz. Was zeichnet menschliches Handeln aus? Wie unterscheidet sich menschliche, natürliche Intelligenz von Künstlicher? Die Frage, was menschliches Handeln und menschliche Intelligenz von Maschinen unterscheidet, wird aus einem Alltagsverständnis heraus häufig mit Emotionen wie Empathie, Mitgefühl, Einfühlungsvermögen, Mitmenschlichkeit beantwortet. All diese Begriffe wollen wir nun zunächst einmal unter "emotionaler Intelligenz" zusammenfassen, bevor wir uns zu einem späteren Zeitpunkt näher damit auseinandersetzen werden.Globalisierung – ein weiterer überaus komplexer Begriff, der genutzt wird, um ganz unterschiedliche Prozesse zu beschreiben. Globalisierung meint die Verflechtung von Handelsbeziehungen und Kommunikationstechnologien sowie den Anstieg von Mobilität. Globalisierung umfasst zunehmende transnationale Abhängigkeiten in Form von losen Abkommen, Verträgen und Gesetzen. Globalisierung bedeutet auch, dass Organisationen wie NGOs, transnationale Institutionen, Konzerne und Staaten über Ländergrenzen hinweg agieren und kooperieren. Globalisierung meint jedoch auch globale Herausforderungen wie internationalen Terrorismus und vor allem die Klimakatastrophe. In dieser Zeit zunehmender Verflechtungen und internationaler Abhängigkeiten lassen sich gleichzeitig nationalistische Tendenzen beobachten, die der zunehmenden Öffnung gesellschaftliche Abschottung entgegenzusetzen versuchen. Die Frage nach Öffnung oder Abschottung polarisiert und spaltet. In der Wissenschaft wird von einer neuen gesellschaftlichen Konfliktlinie, einer cleavage gesprochen. Die cleavage zwischen Öffnung und Abschottung, zwischen Kosmopoliten und Nationalisten, zwischen Rollkoffer und Rasenmäher.Die Ergebnisse der letzten Europawahlen im Mai 2019 haben jene cleavage eindeutig widergespiegelt. Die etablierten Parteien, allen voran CDU/CSU und SPD, haben erneut massiv Wählerstimmen eingebüßt. Wohingegen auf der einen Seite der neuen gesellschaftlichen Konfliktlinie die AfD mit ihrem Abschottungskurs und auf der anderen Seite die Grünen, die klare Kante für Kosmopolitismus verkörpern, Stimmenzuwächse verzeichnen konnten. Auch in anderen europäischen Ländern sahen die Wahlergebnisse programmatisch vergleichbarer Parteien ähnlich aus.Bereits seit der Wirtschafts- bzw. "Eurokrise" erhalten rechtspopulistische Parteien zunehmend Zuspruch in ganz Europa. Deutschland war mit der AfD in dieser Hinsicht ein Nachzügler. Der Begriff "Rechtspopulismus" ist dabei nicht ganz unproblematisch. Zum einen dient er als sogenannter "battle term", um gegnerische Parteien oder PolitikerInnen zu degradieren. Zum anderen findet er keine einheitliche Verwendung, sondern wird genutzt, um einen Politikstil, eine rhetorische Strategie, eine Mobilisierungsstrategie oder eine politische Ideologie zu bezeichnen. Des Weiteren bildet sich zunehmend der Konsens heraus, dass mit dem Begriff auch die Gefahr der Verharmlosung in Bezug auf Parteien oder Personen einhergeht, die ihrer politischen Gesinnung nach eigentlich als rechtsradikal bis rechtsextrem einzuordnen sind. Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Publikationen ein wissenschaftlicher Konsens geformt. Im Folgenden soll die Definition von Rechtspopulismus nach Jan Werner Müller, einem der federführenden Populismusforscher in Deutschland, umrissen werden. Populismus leitet sich von dem lateinischen Wort "populus", zu deutsch "Volk", ab. Der Bezug auf das Volk ist für jede Form des Populismus essenziell. In der Logik des Populismus stehen "dem Volk" die "korrupten Eliten", das Establishment gegenüber ("Altparteien", "Eurokraten"…). Es ist prinzipiell variabel, wer zu den Eliten zählt. In diesem Zusammenhang wird häufig das vermeintliche Paradoxon Donald Trump angeführt. Dieser zählt aufgrund seines Vermögens definitiv zu einer finanziellen Elite, kann sich jedoch aufgrund seines Mangels an Politikerfahrung als Politikaußenseiter, als "Mann aus dem Volk" und Sprachrohr des Volkes darstellen.Jan Werner-Müller zufolge sind RechtspopulistInnen immer anti-elitär, doch nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist auch automatisch ein Rechtspopulist. Es muss immer noch ein zweites Kriterium gegeben sein, nämlich das des Anti-Pluralismus. In einer pluralistischen Gesellschaft konkurrieren zahlreiche verschiedene Organisationen, gesellschaftliche Gruppierungen und Parteien um wirtschaftliche und politische Macht. Es herrscht außerdem Vielfalt in Form von Meinungen und unterschiedlichen Lebensentwürfen. Rechtspopulismus lehnt diese Vielfalt ab. Es findet demnach nicht nur eine Abgrenzung nach oben zu "den Eliten", sondern auch nach unten ("Sozialschmarotzer") bzw. außen ("der Fremde", "der Islam", "die Flüchtlinge", Homosexuelle) statt. Rechtspopulistische Repräsentanten behaupten, ein homogen gedachtes "wahres Volk" mit einem einheitlichen Volkswillen zu vertreten. So wird ein moralischer Alleinvertretungsanspruch postuliert. Da der homogen konstruierte Volkswille in der Logik des Rechtspopulismus a priori feststeht und RechtspopulistInnen diesen repräsentieren, bedarf es keiner anderen Parteien oder Vertreter. Daraus ergibt sich jedoch ein Logikproblem, wenn sie dann bei Wahlen nicht die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen können. So betrug der Stimmenanteil der AfD bei der Bundestagswahl 2017 12,6%. Um diese Differenz "erklären" zu können, werden verschwörungstheoretische Erklärungsmuster wie das einer "schweigenden Mehrheit" herangezogen. Es werden gezielt Zweifel am politischen System, an den Medien ("Lügenpresse") und der Wissenschaft gesät. Es wird auf vermeintliche Fehler im System und die angebliche Unterdrückung des "eigentlichen Volkswillens" verwiesen. So schaffen RechtspopulistInnen eine Parallelwelt der "alternativen Fakten" und tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei.Betrachtet man die verschiedenen rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in Europa, stößt man auf Unterschiede in deren Inhalten und Strategien. So hat Geert Wilders in den Niederlanden beispielsweise immer eine sehr liberale Gesellschaftspolitik vertreten, etwa in Form liberaler Abtreibungsgesetze und der Befürwortung gleichgeschlechtlicher Ehen. In Polen fährt die PiS-Partei hingegen einen katholisch geprägten konservativen Kurs hinsichtlich gesellschaftspolitischer Themen, wie auch die FPÖ in Österreich. Als gemeinsame Klammer dient allen rechtspopulistischen Parteien ihre ablehnende bis feindliche Haltung gegenüber Migration und "dem Islam". Die ausgrenzende Gesinnung bildet demnach das Kernelement rechtspopulistischer Ideologien. Das bedeutet, dass es keinen Rechtspopulismus ohne Feindbilder gibt.Und damit wären wir bei der ersten These meines heutigen Vortrags: Feindbilder sind das Kernelement von Rechtspopulismus. Rechtspopulistische Parteien greifen gezielt xenophobe Vorurteile, Stereotype und Emotionen wie Angst und Hass auf, schüren diese und verbreiten sie so. Wir werden gleich noch darauf zu sprechen kommen, wie sie dies genau machen. Vorurteile sind eine effektive Strategie, um Ungleichheit oder die Entstehung von Ungleichheit zu legitimieren. Hier dockt der Populismus perfekt an die bereits vorhandene Ungleichheitsideologie unserer meritokratischen Leistungsgesellschaft an. Unsere freie Marktwirtschaft basiert auf der Annahme der Notwendigkeit von Ungleichheit und legitimiert diese durch unterschiedliche Mechanismen. Stichworte in diesem Kontext lauten: survival of the fittest, Leistungsprinzip, Konkurrenzdruck in Zeiten von Outsourcing von Arbeitsplätzen und Zeitarbeit, Selbstoptimierung, Humankapital.Ich würde Sie an dieser Stelle gerne zu einem kurzen Exkurs in die Kognitionswissenschaft einladen, um die Bedeutung von Vorurteilen und Stereotypen für das menschliche Denken und Handeln näher zu erläutern. Der menschliche Verstand benötigt Kategorien zum Denken, zum Einordnen und Verarbeiten von Sinneseindrücken und Informationen. Andernfalls würde der Prozess der Informationsverarbeitung viel zu viel Zeit beanspruchen und wir wären nicht handlungsfähig. Wir ordnen unsere Eindrücke also bestimmten, vorgefertigten Kategorien zu. Innerhalb einer Kategorie erhält nun alles dieselbe Vorstellungs- bzw. Gefühlstönung. Der Grad der Verallgemeinerung hängt mit dem Wissen über die einzuordnende Information zusammen. Auf die rechtspopulistischen Ausgrenzungsstrategien bezogen ergibt sich Folgendes: Es wird das Feindbild "Islam" konstruiert und mit Eigenschaften wie "Gewalt" und "Terror" verknüpft. Dabei wird nicht zwischen verschiedenen Strömungen und Glaubensrichtungen unterschieden, sondern alles zu einem homogenen Gebräu innerhalb derselben Kategorie umgerührt. Individuen, die aufgrund von Herkunft, Religionszugehörigkeit, Ethnie etc. dieser Gruppe zugezählt werden, werden als Teil der Feindgruppe gedacht, nicht als Individuen. Sie werden objektiviert und entmenschlicht. Das Leiden des Einzelnen geht in der Masse unter und Empathie wird verhindert. Einzelne Ausnahmen werden als solche anerkannt, um das Gesamtbild, bzw. die gebildeten Kategorien, aufrechterhalten zu können. Und damit sind wir bei der zweiten These angelangt: Die Verallgemeinerung rechtspopulistischer Ausgrenzungsstrategien verhindert Empathie.Die einfache Zweiteilung des Freund-Feind-Denkens geht mit einer enormen Reduktion von Komplexität einher - ein attraktives Angebot in Zeiten zunehmender Komplexität und Undurchschaubarkeit (Stichwort Globalisierung). Doch wie werden diese Feindbilder nun genau erzeugt und aufrechterhalten? Hierzu bedienen sich rechtspopulistische Akteure unterschiedlicher rhetorischen Strategien.Rechtspopulistische Sprache ist zumeist eine reduktionistische und sehr bildhafte Sprache. Es werden häufig Metaphern verwendet, die Träger einer Botschaft sind. So ist der im Kontext der Migrationsbewegungen ab 2015 oft verwendete Begriff "Flüchtlingswelle" kein neutraler Begriff. Die Zusammensetzung der beiden Worte "Flüchtlinge" und "Welle" impliziert eine unaufhaltsame Naturgewalt, gegenüber der es sich durch Bauen eines Dammes abzuschotten gilt. Zudem finden auch biologistische Metaphern wie "Flüchtlingsschwärme" ihren Einzug in rechtspopulistische Narrative. Die Entlehnung nationalsozialistisch geprägter Begriffe wie beispielsweise "völkisch" durch Akteure der AfD hat nicht nur einmal zu medialer Aufmerksamkeit geführt. Weitere häufig verwendete rhetorische Strategien und Stilmittel sind Wiederholungen, Wortneuschöpfungen, Tabubrüche, kalkulierte Ambivalenz und auch die eingangs erwähnten Verschwörungstheorien. Ich möchte diese Stilmittel nicht im Einzelnen näher ausführen. Aber ich möchte auf die Beziehung zwischen Rechtspopulismus und Medien aufmerksam machen. Es gab in den vergangenen Monaten zahlreiche Beispiele für Tabubrüche seitens der AfD, die nach und nach zu einer Diskursverschiebung geführt hat, die mit einer Normalisierung von Gewalt in der Sprache im öffentlichen Diskurs einhergeht.Medien und Populismus folgen ähnlichen Kommunikationsstrategien wie beispielsweise Personalisierung, Emotionalisierung, Dramatisierung und Komplexitätsreduktion. Trotz der grundlegend feindlichen Einstellung rechtspopulistischer Parteien gegenüber der "Lügenpresse" gehen Populismus und Massenmedien eine Art Symbiose ein. Die Massenmedien sind auf Schlagzeilen angewiesen und die PopulistInnen auf mediale Aufmerksamkeit. Eine besondere Rolle spielen insbesondere seit dem letzten US-Wahlkampf soziale Medien wie Twitter. Trump bezeichnete sich einmal selbst als den "Hemingway der 140 Zeichen". Durch seine kurzen Tweets in einer einfach gehaltenen Sprache vermittelt er Nahbarkeit und inszeniert sich als Sprachrohr des Volkes. Immer in Abgrenzung zu der abgehobenen, korrupten Politikelite mit ihrer "political correctness". Es scheint, als würden "gefühlte Wahrheiten" schwerer wiegen als Fakten, so wird häufig vom Anbruch des postfaktischen Zeitalters gesprochen. Das Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse bei gleichzeitiger Fokussierung auf "alternative" und "gefühlte Wahrheiten" birgt die Gefahr einer zunehmenden Parallelwelt der Fakten.Durch Echokammern und Filterblasen verfestigen sich eigene Einstellungen und die politische Meinung. Die neue Rechte hat sich zudem die Funktionsweise von Algorithmen und Bots zunutze gemacht und wirkt dadurch in Sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, aber auch in Foren und Blogs unheimlich präsent. Medien sind hier keine Einrichtungen im Sinne von Organisationseinheiten mit besonderen Rechten, Sach- und Personalmitteln, sondern Räume und Kanäle. Dialogroboter sind zugleich Werkzeug und Medium einer neuen Kommunikationswelt. In den Massenmedien kann man eine stetige Zunahme von dialogischer Kommunikation beobachten. Dialogroboter werden funktional wie Massenmedien eingesetzt, funktionieren strukturell aber nach den Prinzipien interpersoneller Kommunikation.Kehren wir zu den beiden Ausgangsthesen zurück. Erstens: Feindbilder sind ein Kernelement von Rechtspopulismus. Zweitens: Die Verallgemeinerung von Feindbildern verhindert Empathie. Nun stellt sich die Frage nach möglichen Lösungsansätzen. Wie kann der dargelegten Objektivierung von Menschen durch Feindbilder entgegengewirkt werden? Welche Gegenstrategien gibt es? Häufig werden sehr allgemeine Handlungsempfehlungen ausgesprochen oder die Ausführungen zu möglichen Lösungen sehr kurz gehalten, sodass der politikwissenschaftliche Diskurs bisweilen in Bezug auf die Gegenstrategien ungenau und schwammig bleibt.Ich möchte Ihnen heute einen spezifischen Ansatz vorstellen, der darauf abzielt, Empathie als Teil emotionaler Intelligenz zu stärken, um rechtspopulistischen Feindbildern präventiv zu begegnen. Die gezielte Schulung von Empathie als Teil emotionaler Intelligenz. Das Konzept der emotionalen Intelligenz (EQ) kam in den 1990er Jahren auf, federführend unter den Sozialpsychologen John D. Mayer und Peter Salovey. Das gleichnamige Buch veröffentlichte 1995 Daniel Goleman. Bereits damals wurde Empathie als eine "Schlüsselkompetenz" emotionaler Intelligenz gefasst. Hier wurde zum einen der Versuch unternommen, auf die Bedeutung von Gefühlen beim Erreichen beruflicher Ziele und des eigenen Lebensglücks zu verweisen, zum anderen EQ messbar zu machen, sodass bald darauf zahlreiche EQ-Tests folgten. Der Versuch, Intelligenz anhand von Testsituationen oder ähnlichen Verfahren messbar zu machen, geht jedoch mit einigen Aspekten einher, die es kritisch zu betrachten gilt. Vor allem stellt sich, wie auch bei den klassischen IQ-Tests (auf denen im Übrigen unser heutiges Verständnis von Intelligenz beruht) die Frage, ob tatsächlich das gemessen wird, was gemessen werden soll. In einer Leistungsgesellschaft, die dem Diktat der Transparenz und Messbarkeit (PISA, Evaluationen etc.) unterworfen ist, haben es schlecht messbare emotionale Kompetenzen wie Empathie schwer.Die zunehmenden Abhängigkeiten im Kontext der Globalisierung weisen eigentlich in Richtung Kooperation. Die vorherrschende Ideologie unserer Gesellschaft basiert jedoch nach wie vor auf dem Konkurrenzprinzip. Die meritokratische Leistungs- und Wettbewerbsideologie des freien Marktes hat ein empathiefeindliches Umfeld geschaffen. Zudem lässt die Hyperindividualisierung Empathie unwahrscheinlicher werden. Das Wachstum des "Ichs" als Instanz der Nicht-Ähnlichkeit führt zur Kultivierung eines Bewusstseins für Differenzen anstatt für Gemeinsamkeiten. Je mehr wir uns auf die Unterschiede konzentrieren, desto schwieriger werden empathische Empfindungen und Handlungen, da diese eine Identifikation mit dem Anderen voraussetzen. Des Weiteren hat insbesondere im Bildungsdiskurs viele Jahre lang eine einseitige Fokussierung auf Rationalität stattgefunden. Diese impliziert eine künstliche Trennung zwischen Emotionalität und Rationalität. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass verschiedene gesellschaftliche, politische, aber vor allem auch ökonomische Faktoren wie die neoliberale Konkurrenz- und Wettbewerbsideologie, das Diktat der Messbarkeit, die Hyperindividualisierung sowie die einseitige Fokussierung auf Rationalität der Etablierung von Empathie als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts im Weg standen und noch immer stehen. Doch was bedeutet Empathie eigentlich konkret in einem wissenschaftlichen Verständnis? Empathie stammt von dem griechischen Wort "Pathos", zu deutsch "Leidenschaft". Umgangssprachlich ist mit Empathie die Fähigkeit des Sich-in-jemand-Einfühlens oder Hineinversetzens gemeint. Empathie hat eine kognitive (Wahrnehmung der Interessen des Anderen) und eine affektive (dabei entstehende Gefühle) Komponente. Die Entstehung von Empathie erfolgt in drei Schritten: Soziale Perspektivenübernahme, Identifikation, Empathie. Die Übernahme einer anderen Perspektive erlernen wir bereits im Kleinkindalter. Zunächst anhand der Übernahme räumlicher Perspektiven. Durch den zweiten Schritt, die Identifikation mit einer anderen Person oder einem anderen Lebewesen, entsteht das Potenzial für die empathische Einfühlung in jene Person oder jenes Lebewesen. Aus dieser empathischen Empfindung kann wiederum ein gewisses Aktionspotenzial entstehen, wenn beispielsweise eine Ungerechtigkeit Empörung auslöst und zur Aktion gegen jene Ungerechtigkeit führt.Wir kommen nun zu der dritten These meines Vortrags: Empathie kann gezielt gelehrt und gelernt werden. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Empathie eine erlernbare Fähigkeit ist. Die deutsche Neurowissenschaftlerin und Psychologin Tania Singer hat im Rahmen einer großangelegten Untersuchung, dem "ReSource-Projekt" am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften die Wirkung von Meditation auf das Verhalten und die damit verbundenen Veränderungen im Gehirn untersucht. Die Idee, die hinter diesem Forschungsprojekt steht, war die Suche nach einer Möglichkeit, gezielt soziale Fähigkeiten wie Mitgefühl, Empathie und die "Theory of Mind" zu fördern. Die Untersuchung ging über einen Zeitraum von elf Monaten und bestand aus unterschiedlichen Modulen. Im "Präsenzmodul" lag der Schwerpunkt vor allem auf der Achtsamkeit gegenüber geistigen und körperlichen Prozessen. Das Modul "Perspektive" konzentrierte sich auf sozio-kognitive Fähigkeiten, insbesondere die Perspektivenübernahme. Ein drittes Modul "Affekte" sollte den konstruktiven Umgang mit schwierigen Emotionen sowie die Kultivierung positiver Emotionen schulen. Die Probanden führten die entsprechenden Übungen täglich mit ihren zugeordneten Partnern durch Telefonate oder Videoanrufe aus.Das Team um Tania Singer konnte nach den drei Monaten mithilfe von Gehirnscans eine tatsächliche Verbesserung der Kompetenzen der TeilnehmerInnen feststellen, die mit struktureller Gehirnplastizität in den spezifischen neuronalen Netzwerken einhergingen. Das sozio-affektive Modul konnte so tatsächlich zur Verbesserung der Fähigkeit des Mitgefühls beitragen. Das sozio-kognitive Modul hingegen hat die Fähigkeit verbessert, sich gedanklich in die Perspektive eines anderen zu versetzen. Die Studie hat gezeigt, dass Empathie und Mitgefühl erlernbare Kompetenzen sind, die durch entsprechende Übungen gezielt gefördert werden können. Dazu bedarf es jedoch zunächst einer Anerkennung von Empathie als einer erlernbaren Kompetenz.Fassen wir zusammen: Rechtspopulismus agiert immer über Feindbilder. Diese Feindbilder basieren auf der Konstruktion einer homogenen Feindgruppe. Durch Verallgemeinerung werden den Individuen innerhalb dieser Feindgruppe Subjektivität und Individualität abgesprochen und so die Entstehung von Empathie verhindert. Die rechtspopulistische Ungleichheitslogik schließt an die Ungleichheitslogiken unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung an. Die Wettbewerbs- und Konkurrenzideologie hat ein empathiefeindliches Umfeld geschaffen. Zudem hat sich die Bildung zu lange einseitig auf Rationalität konzentriert. Daher gilt es, Empathie als eine soziale und emotionale Fähigkeit mit kognitiven Anteilen im bildungswissenschaftlichen Diskurs zu verankern. So können rechtspopulistische Differenzierungskategorien wie Nationalität oder Religion sowie die Verallgemeinerungen zugunsten einer Fokussierung auf Gemeinsamkeiten und Mitmenschlichkeit überwunden werden. Um in einer vernetzten, globalisierten Welt intelligent handeln zu können, nützt ein Rückzug in nationalistische Freund-Feind-Denkweisen nicht. Vielmehr gilt es, auf Kooperation und Empathie zu setzen, auch wenn diese nicht immer messbar ist. Vielen Dank.Literatur- und Quellenverzeichnis:Allport, Gordon W. (1971): Die Natur des Vorurteils. Köln: Kiepenheuer & Witsch. Bischof-Köhler, Doris (1989): Spiegelbild und Empathie. Die Anfänge der sozialen Kognition. Hans Huber: Berlin, Stuttgart, Toronto.Decker, Frank (2017): Populismus in Westeuropa. Theoretische Einordnung und vergleichende Perspektiven. In: Diendorfer, Gertraud u.a. (Hrsg.) (2017): Populismus – Gleichheit – Differenz. Herausforderungen für die politische Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Wissenschaft, S. 11-28.Holtmann, Everhard (2018): Völkische Feindbilder, Ursprünge und Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.Mudde, Cas / Kaltwasser, Cristóbal Rovira (2017): Populism. A Very Short Introduction. New York: Oxford University Press.Müller, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus? Ein Essay. Berlin: Edition Suhrkamp.ReSource-Projekt: https://www.resource-project.org/ [10.09.2019]Wodak, Ruth (2016): Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse. Wien/Hamburg: Edition Konturen.
In: Edition lendemains, 36
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In: Cicero: Magazin für politische Kultur, Heft 11, S. 21-30
ISSN: 1613-4826
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In: Edition Kulturwissenschaft 69
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In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 63, Heft 25-26, S. 43-49
ISSN: 0479-611X
Politische Entschuldigungen sind Ausdruck kollektiver Reue für Taten, die auch lange vergangen sein können. Ihr Sinn besteht in der Anerkennung kollektiver Schuld und Verantwortung und in der vorbehaltlosen Bitte um Vergebung. (APuZ)
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In: Osteuropa, Band 44, Heft 6, S. 578-590
ISSN: 0030-6428
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In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 40, Heft 7, S. 30-46
ISSN: 0479-611X
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In: Geisteswissenschaft
Inhaltsangabe:Einleitung: Wo trifft man in der heutigen Zeit Menschen mit einer geistigen Behinderung? In der Schule oder im Arbeitsalltag? Beim Einkaufen, in der Arztpraxis, im Schwimmbad oder im Fitnessclub? Oder vielleicht im Kino? Man muss sich in unserer Gesellschaft ganz bewusst vornehmen, in Kontakt mit "andersartigen Menschen" zu kommen. Für einen solchen Schritt müssen Hemmungen, Vorurteile und nicht selten Ängste vor dem Fremden überwunden werden. Warum aber sollte man sich dazu entschließen? Wer würde sich freiwillig den erwarteten Unannehmlichkeiten und - für viele Menschen sogar peinlichen - Konfrontationen aussetzen? Wird man sich als "normaler Mensch" in eine Anstalt, eine betreute Wohngemeinschaft oder eine Behindertenwerkstatt begeben? Wohl kaum. In den Köpfen wie auch in der Realität wird das Andersartige und damit scheinbar Unbequeme gemieden und verdrängt. Und doch gibt es sie, die geistig Behinderten, in unserer Umgebung und sie haben ein gesetzlich festgelegtes Recht auf ein menschenwürdiges, also normales, Leben. Deswegen geht es um die Normalisierung der Verhältnisse, darum, dass geistig Behinderte ganz einfach ein Stück des Lebensumfeldes sind. An dieser Stelle setzen integrative Projekte an. So gibt es beispielsweise kunstgewerbliche Werkstätten in denen mit Ton, Leinwand und vielen anderen Materialien gearbeitet wird. Die dort gefertigten Produkte sind professionelle künstlerische Arbeiten und werden auch als solche verkauft. Man findet Musikgruppen, Fotoprojekte, Workshops und ganze Festivals, die eine breite Öffentlichkeit ansprechen und so auch Aufmerksamkeit in den Medien erregen. Bei diesen Aktivitäten spielt natürlich der Therapieeffekt für die Behinderten eine Rolle. Aber gleichzeitig geht es um Brücken zu jenen Menschen, deren Bewusstsein "das Fremde" gern ausblendet, weil es unbequem ist. Und so gibt es Theater, welche die Innenwelt ihrer Protagonisten auf die Bühne bringen und eine erste Bewegung aufeinander zu ermöglichen. Im Theater befindet sich der Zuschauer in der aufnehmenden Position und erhält einen bewegenden Einblick in die Probleme dieser Menschen. Er wird auch über das Theatererlebnis hinaus zur Auseinandersetzung mit der Lebenswelt geistig Behinderter angeregt. Eine solche, vor allen Dingen emotionale, Beschäftigung mit dieser "anderen Welt" fordert die Theatergruppe "RAMBA ZAMBA" mit ihren aufrüttelnden Stücken heraus. Mit expressiven Themen und rasanten Inszenierungen schaffen es die Schauspieler und Musiker dieser Gruppe, Verbindungen zwischen ihrer Wirklichkeit und der Erlebniswelt der Rezipienten herzustellen. Das persönliche Theatererlebnis hat für mich eindringlich die Bedeutung solcher Initiativen im Bemühen um eine Normalisierung gezeigt. Nach wiederholten Aufführungsbesuchen und der ersten Kontaktaufnahme sind menschliche Beziehungen zu den Betroffenen und ihren Bezugspersonen entstanden, die zum Hintergrund meiner theoretischen Beschäftigung gehören und meine Arbeit begleitet haben. Um einen lebendigen Einblick in den Theateralltag der Schauspieler und Musiker von "RAMBA ZAMBA" zu geben, besteht ein Teil der Magisterarbeit aus einer Videodokumentation. Dieser Film spricht für sich selbst und bedarf daher keiner gesonderten Einleitung. Im schriftlich-theoretischen Teil befasse ich mich mit der Frage nach der Position geistig behinderter Menschen im sozialen Gefüge. Bis heute wurde zur Stellung Behinderter allgemein schon sehr viel geforscht. Was mir fehlte, war ein historischer Überblick und eine Zusammenstellung von Aspekten des heutigen Umgangs mit geistig Behinderten. Außerdem ist es mir wichtig, diesen Blick "von außen" in Beziehung zum Erleben der Betroffenen zu setzen. Bisher wurden beide Bereiche zumeist getrennt voneinander besprochen. Aus diesem Grund habe ich den Text wie folgt gegliedert: Die Geschichte des Umgangs mit geistiger Behinderung ist auch eine Geschichte ihrer Interpretation. Zur Verdeutlichung dieser Tatsache stelle ich am Anfang der Arbeit Gesichtspunkte zu einem historischen Überblick zusammen. Die ersten beiden Kapitel setzen sich unter anthropologischen Gesichtspunkten mit dem Phänomen geistige Behinderung auseinander. Dabei geht es zunächst um den Wandel der Bezeichnungen, mit denen geistige Behinderung umschrieben wurde und wird. An dieser Stelle werde ich auf die Diskussion um die moralisch richtige Verwendung der Termini eingehen. Im Anschluss daran sollen Textbeispiele aus der philosophischen Literatur und Beschreibungen von Zeitzeugen eine Annäherung an das Bild von der geistigen Behinderung durch die Jahrhunderte ermöglichen. Dabei werde ich jene Kulturen und sozialen Systeme berücksichtigen, auf die sich unsere Gesellschaft beruft. Um den Umgang mit geistig Behinderten in verschiedenen Ethnien zu erläutern, habe ich im dritten Kapitel Beispiele für Modelle und gesellschaftliche Konstruktionen in archaischen Kulturen und in nichtchristlichen Religionen zusammengetragen. Im Vergleich dazu lassen sich Reaktionen und Verhaltensweisen gegenüber geistig Behinderten in unserer heutigen Kultur einordnen. So benenne ich im vierten Teil gesellschaftstheoretische Definitionen. Außerdem werde ich Erklärungsmuster für den Umgang mit geistig Behinderten und Prinzipien der Kategorisierung vorstellen. Daran schließt sich fünftens eine Darstellung der tatsächlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland an. Der Focus dieses Kapitels liegt auf den Lebensumständen geistig behinderter Menschen. Hier berufe ich mich auf die neuesten Quellen zum Thema. Die Darstellung der Sachlage aus der Sicht der Pädagogen, Betreuer und Wissenschaftler bildet ein Gegengewicht zu den eigenen Ansichten der eingeschlossenen Menschen. So besteht der sechste Teil der Arbeit hauptsächlich aus Beispielen. Es geht um die Innensicht der Betroffenen. In Form von Interviews und literarischen Quellen kommen hier geistig Behinderte mit ihrer ganz persönlichen Sicht zu Wort. Im siebten und letzten Teil werde ich die aufgestellten Thesen mit den gewonnenen Eindrücken vergleichen. Aus der Zusammenstellung der Arbeit ergeben sich die wichtigsten Leitfragen. Der historische Hintergrund bietet eine Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Thema. Hier stellt sich die Frage nach dem Wandel der Bezeichnungen und nach dem Umgang mit geistig Behinderten durch die Jahrhunderte. Den zusammengetragenen Beispielen und der daraus gewonnenen Quintessenz stehen Umgangsformen aus jenen Kulturen gegenüber, die nur wenig von den monotheistischen Weltreligionen geprägt worden sind. Gibt es heute Rückkopplungen zwischen den Gesellschaftssystemen? Zu guter Letzt möchte ich die Außensicht der Betreuer und Forscher mit den Reflektionen der Betroffenen in Beziehung setzen. Die Beantwortung der Leitfragen schlägt den Bogen zum filmischen Beispiel dieser Arbeit, dem Porträt der Theatergruppe "RAMBA ZAMBA". Inhaltsverzeichnis: Einleitung4 1.Zur Etymologie des Begriffs Geistige Behinderung8 1.1Definition des Begriffs Behinderung9 1.2Verbale Kennzeichnung Geistiger Behinderung11 2.Zur Geschichte des Umgangs mit geistig Behinderten im europäischen Kulturkreis17 2.1Die Urzeit18 2.2Mesopotamien19 2.3Das Alte Ägypten20 2.4Griechische Antike22 2.5Römisches Reich23 2.6Frühes Christentum25 2.7Das Mittelalter25 2.8Renaissance28 2.9Aufklärung32 2.10Industrialisierung34 2.1120. Jahrhundert36 3.Die Anderen und das Anderssein: Über den Umgang mit geistig Behinderten in verschiedenen Religionen und Ethnien41 3.1Afrika42 3.1.2Beispiel Senegal43 3.2Amerika45 3.2.1Indianische Kulturen45 3.3Asien46 3.3.1Hinduismus am Beispiel Indien46 3.3.2Buddhismus48 3.3.3Buddhisten, Christen und Konfuzianer in Süd-Korea50 3.3.4Judentum51 3.3.5Islam – angesiedelt sowohl in Asien als auch in Nordafrika52 3.4Australien54 3.4.1Polynesische Kulturen am Beispiel Tonga54 3.4.2Polynesische Kulturen am Beispiel Samoa55 3.5Zusammenfassung56 4.Zum Umgang mit Geistiger Behinderung heute: Einstellungen und Verhalten gegenüber geistig Behinderten in der westlichen Kultur57 5.Zur Situation geistig Behinderter in der Bundesrepublik Deutschland62 5.1Geistig behinderte Kinder62 5.1.1Der Elementarbereich62 5.1.2Während der Schulzeit62 5.2Geistig behinderte Jugendliche und Erwachsene64 5.2.1Zur Wohnsituation64 5.2.2Das Arbeitsleben68 5.2.3Freizeit im Leben geistig behinderter Menschen71 6.Erfahrungen: Der Blick von Innen76 6.1Kreative Freizeitgestaltung77 6.2Produktives Reisen79 6.3Texte und Bilder80 Fazit84 Abbildungsnachweis87 Literatur88
Im übergroßen Schatten, den das Musikland Österreich wirft, blieb lange Zeit verborgen, daß auch der Tanz hierzulande einen hohen Stellenwert besitzt. Im 18. Jahrhundert etwa gingen neben Frankreich, England und Italien deutliche Impulse auch von Wien aus, wo Jean Georges Noverre und Gasparo Angiolini wirkten und das Handlungsballett das Licht der Welt erblickte. Am Beginn des 20. Jahrhunderts, als weltweit neue Ausdrucksformen bewußt gegen die Tradition des klassischen Balletts erprobt und entwickelt wurden, steuerte Österreich mit Grete Wiesenthal und Gertrud Bodenwieser zwei der wichtigsten Vertreterinnen des modernen Ausdruckstanzes bei. Und seit den frühen achtziger Jahren schließlich erlebt auch in Österreich die Tanzszene einen großen Aufschwung. Das alles stärker ins Bewußtsein zu rufen und damit den Tanz von einer Fußnote in der Geschichte des Musiklandes Österreich zu einem großen eigenständigen Kapitel auszuweiten, haben sich die beiden Herausgeberinnen Andrea Amort und Mimi Wunderer-Gosch in ihrem im Böhlau-Verlag erschienenen Buch Österreich tanzt. Geschichte und Gegenwart zum Ziel gesetzt. In drei Teilen - Geschichte, Gegenwart und einem Lexikon der wichtigsten ChoreographInnen in Österreich seit 1980 - legen sie mit Hilfe namhafter AutorInnen eine umfassende, durch wertvolles Bildmaterial hervorragend ergänzte Bestandsaufnahme des Tanzes in Österreich in Geschichte und Gegenwart vor. So beleuchtet Alfred Oberzaucher im ersten Beitrag des historischen Abschnitts den Stellenwert, den der Tanz in den prunkvollen Festen am Kaiserhof in Wien spielt, wo sich bereits 1557 eine Tanzausbildung belegen läßt. Sibylle Dahms zeigt die Bedeutung Wiens für die Ballettreform des 18. Jahrhunderts auf, mit der sich vor dem Hintergrund der Aufklärung der Tanz vom gesprochenen Wort emanzipierte und eine für die dramatische Darstellung fähige eigene Körpersprache entwickelte. Nicht Paris, sondern Stuttgart und vor allem Wien waren die Zentren dieser Reform, in der neben Noverre und Angiolini auch der Wiener Ballettmeister Franz Anton Hilverding eine bedeutende Rolle spielte. Die wechselhafte Geschichte der Wiener Ballettszene im 19. Jahrhundert zeichnet Gunhild Oberzaucher-Schüller nach. Ohne einer kontinuierlichen Linie zu folgen, reagierte das Ballett auf die großen gesellschaftlichen Umwälzungen jener Zeit, war zum Teil fest in der Institution Oper verankert, verstand es aber dennoch, sich daneben auch Freiräume zu erkämpfen, die zur Basis der Tanzszene des 20. Jahrhunderts werden sollten. Den Anfängen dieser Szene "zwischen Eurythmie und Tanz" ist der Beitrag von Renate Kazda-Seelig gewidmet. Das Gastspiel Isadora Duncans im geschlossenen Zirkel der Secession 1902 wird darin ebenso behandelt wie die österreichischen Spielarten des freien Ausdruckstanzes, die von Duncan wesentlich beeinflußt worden sind. Die Schwestern Wiesenthal etwa erkoren den Wiener Walzer zum Vehikel ihrer Befreiung vom "klassischen Ballett", Gertrud Bodenwieser und Rosalia Chladek waren ganz dem Expressionismus verpflichtet. Sogar an der Wiener Staatsoper hielt der moderne Ausdruckstanz Einzug. Der "freie Tänzer" Sascha Leonthew kam 1927 als Ballettmeister ins Haus am Ring, ihm folgten als Gastchoreographinnen Grete Wiesenthal, Valeria Kartina, 1930 schließlich übernahm die Wigman-Schülerin Margarete Wallmann die Leitung des Ensembles. Allerdings wurde diese Entwicklung brutal abgewürgt, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und die Moderne vertrieben. Andrea Amort beleuchtet in ihrem Beitrag unter anderem auch die verheerenden Folgen der nationalsozialistischen Kulturpolitik, die es noch in den unmittelbaren Nachkriegsjahren neuen Tendenzen schwer machten, in Österreich Fuß zu fassen. Dennoch war das "Tanzvirus" in Österreich ein besonders hartnäckiges und "nicht auszurotten", wie Horst Koegler in seinem Beitrag über das Ballett in Wien zwischen 1942 und 1976 meint. Denn über alle Dürrezeiten hinweg blieb das Interesse am Tanz lebendig. Und es gab sogar einige Glanzlichter als "Trostpflaster": So brachte etwa Merce Cunningham 1964 erstmals einen seiner später berühmt gewordenen Events im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts zur Aufführung. Und Freunde des klassischen Balletts durften sich an Rudolf Nurejew erfreuen, den Aurel von Milloss an die Wiener Staatsoper holte. Im zweiten Abschnitt des Buches wird querschnittartig die Gegenwart der österreichischen Tanzszene beleuchtet. Andrea Amort berichtet vom Aufbruch des Neuen Tanzes in den siebziger Jahren, Ursula Kneiss von den Entwicklungen, die sich in Wien daran anschlossen und von wichtigen "Einzelkämpferinnen". Der keineswegs provinziellen Tanzszene in den Bundesländern spüren Ilse Retzek und Ursula Kneiss nach, auf die Spuren des ethnischen Tanzes begibt sich Gabriele Haselberger. Vier Kapitel sind herausragenden Persönlichkeiten des österreichischen Tanzes gewidmet: dem ehemaligen Ballettdirektor der Wiener Staatsoper Gerhard Brunner und seinem fruchtbaren Wirken für die Wiener Tanzszene (Andrea Amort), Liz Kings Heidelberger Jahren (Jochen Schmidt) sowie ihrem neu formierten Wiener Tanztheater (Ursula Kneiss), Renato Zanella (Silvia Kargl) und dem Österreicher Bernd R. Bienert, der als Ballettdirektor am Züricher Opernhaus für Aufsehen sorgte (Helmut Scheier). Dem Tanz im Musical ist ein Beitrag von Heidrun Hofstetter gewidmet, die sich auch mit der Professionellen Tanzausbildung gestern und heute beschäftigt. Abgerundet wird das Bild durch einen Blick auf Tanz in Österreich in Film und Video von Eva Stanzl, einen Bericht über die Derra de Moroda Dance Archives in Salzburg von Sibylle Dahms sowie über Tanz-Zeitschriften in Österreich von Edith M. Wolf Perez. Es ist ein umfassendes, in gewissem Maße auch repräsentatives Buch über den Tanz in Österreich geworden. Die LeserInnen erhalten auf übersichtliche Art und Weise überblicksartig wichtige Informationen und genaue Literaturangaben, die es ihnen ermöglichen, sich in das eine oder andere Gebiet zusätzlich zu vertiefen. Die Klassifizierungen und Einordnungen, die die AutorInnen vornehmen, leisten darüber hinaus wichtige Orientierungshilfen, sich in der immer bunter werdenden Tanzszene mit ihren vielfältigen Stilen und Schulen zurechtzufinden. Doch es gibt auch einige Schönheitsfehler, die den Wert des Buches zwar nicht ernsthaft mindern, bei einer Neuauflage aber dennoch korrigiert werden sollten. Da wäre zum ersten das Problem der Abgrenzung zu nennen. Denn behandelt wird ausschließlich der Bühnentanz in Österreich, ohne daß die Herausgeberinnen diese Beschränkung in irgendeiner Form begründen. Der Gesellschaftstanz, der in Österreich eine so wichtige Rolle spielt - man denke nur an den Siegeszug des Walzers -, bleibt ebenso unberücksichtigt wie die ländliche Volkstanzszene, die in Österreich weit verbreitet ist und oftmals fließende Grenzen zum Bühnentanz aufweist. Man denke etwa an Maibaum- und Bandltänze, die eher Schau- als Gesellschaftstänze zum Mitmachen sind. Das Ausklammern des österreichischen Volkstanzes fällt dabei umso mehr ins Gewicht, als die ethnische Tanzszene sehr wohl Berücksichtigung findet. Neben der Abgrenzung ist auch die mangelnde Distanz einzelner Autorinnen und Autoren zu den von ihnen behandelten Gegenständen wissenschaftlich gesehen zumindest problematisch. So wirkt es etwas befremdlich, wenn etwa Sibylle Dahms ausführlich über sich und ihr Wirken im Bereich der Aufführungspraxis von historischem Tanzmaterial in der dritten Person schreibt, dabei aber entsprechende Aktivitäten an Institutionen außerhalb ihres Wirkungskreises unterschlägt. So erwähnt sie etwa mit keinem Wort, daß am Orff-Institut der Universität Mozarteum seit mehr als zwanzig Jahren Historischer Tanz unterrichtet wird. Lückenlosigkeit kann dem Buch also nicht durchwegs attestiert werden. Wohl aber wurde mit ihm eine wesentliche Lücke in der Literatur über den Tanz in Österreich geschlossen, das ChoreographInnen und TänzerInnen, WissenschafterInnen und dem interessierten Publikum eine Fülle an wichtigen Informationen bietet.
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