Inhaltsangabe: Einleitung: Der Hintergrund einen geeigneten und attraktiven Investitionsstandort zu finden ist das Bestreben nach mehr Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Staaten bemühen sich daher um Direktinvestitionen von ausländischen Unternehmen oder um hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Gerade bei diesen Produktionsfaktoren ist die Standortfrage sehr wichtig. Unternehmen bauen keine Produktionskapazitäten in einem Land auf, in dem zum Beispiel die Infrastruktur nur unzureichend ausgeprägt ist. Staaten haben daher das Bestreben, ihre Attraktivität als Investitionsstandort oder Arbeitsstandort zu erhöhen. Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Unternehmen die Attraktivität des Investitionsstandortes beispielsweise an der Qualifikation der Arbeitskräfte, an der Höhe der Löhne, an der Höhe der Steuern, an der Qualität der Infrastruktur oder an eventuellen Regulierungen messen. In der Entscheidung für ein Unternehmen, welchen Standort es wählt, spielen verschiedene Punkte eine Rolle. Diese Punkte findet man vor allem im Konzept des Risikomanagements wieder, daher möchte ich zuerst erläutern was unter dem Begriff des Risikomanagement zu verstehen ist. Unter Risikomanagement wird die Messung und Streuung aller betriebswirtschaftlichen Risiken unternehmensweit verstanden. Die Gründe für ein Risikomanagement sind vielschichtig und komplex. Da die Ursachen für das Betreiben Auswirkungen auf Art und Weise der Ausgestaltung eines Risikomanagements haben. Zu diesem Zweck werden die Gründe in folgende Kategorien unterteilt: - Rechtliche Rahmenbedingungen. - Volkswirtschaftliche Ursachen. - Technologischer Fortschritt. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen gehört insbesondere das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen (KonTraG), welches durch eine Erweiterung des Aktien und GmbH-Gesetzes die Sorgfaltspflichten der Unternehmensführung erweitert und den Ausweis der Unternehmensrisiken im Lagebericht fordert. Diese rechtliche Grundlage betrifft in erster Linie Nichtbanken (Industrie, Dienstleistung, Handel). Für Banken stellt Basel II die aktuelle bzw. zukünftige Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung des Risikomanagements dar. Eine mögliche weitere Rechtsgrundlage stellt der Corporate Governance dar. International finden sich ähnliche rechtliche Anforderungen beispielsweise im Sarbanes-Oxley Act, einer Rechnungslegungsvorschrift für Unternehmen, die an US-Börsen gelistet sind. Die volkswirtschaftlichen Ursachen, liegen im Wesentlichen in den veränderten Rahmenbedingungen der Finanzmärkte durch Einführung neuer Finanzmarktinstrumente, Abschaffung fixer Wechselkurse sowie allgemein einer zunehmenden gesetzlichen Deregulierung der Finanzmärkte. Schließlich äußert sich der technologische Fortschritt in erster Linie durch eine schnelle Informationsverbreitung durch elektronische Medien und Internet. Aber auch die von Unternehmen hergestellten Produkte veraltern durch neue Technologien schneller, wodurch Produktrisiken steigen und sich Produktzyklen verkürzen. Im Ergebnis nehmen durch den ständigen technologischen Fortschritt die Informationsverbreitung und damit die Globalisierung erheblich an Geschwindigkeit zu. Die Folgen der Globalisierung und den verkürzten Lebenszyklen äußern sich in zahlreichen Unternehmensinsolvenzen der vergangenen Jahre. Ein professionelles Risikomanagement erfordert die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern unterschiedlicher Disziplinen. Dazu zählen insbesondere Ökonomen, Mathematiker, Naturwissenschaftler aber auch Informatiker. Die größte Herausforderung des Risikomanagements besteht darin, das heterogene Spezialwissen zu vernetzen und auf die Unternehmensziele auszurichten. Auch immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen wollen und müssen sich international orientieren, um neue Märkte zu erschließen oder Geschäftsprozesse zu optimieren. Die internationale Markterschließung ist allerdings im Vergleich zum Inlandsgeschäft mit zusätzlichen Anforderungen verbunden, die zu berücksichtigen sind. So spielen Fragen technischer oder rechtlicher Art beim Export von Produkten ebenso eine Rolle wie kulturelle Unterschiede oder Sprachprobleme bei Geschäftsverhandlungen im Ausland. Besonders erfolgreiche Geschäfte machen die Unternehmen in den EU-15/EFTA-Ländern, in Asien und in den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten. Die aktuelle Geschäftssituation als auch die weiteren Perspektiven auf den europäischen Zielmärkten wird als besonders positiv eingeschätzt. Vom erweiterten EU-Markt verspricht man sich vor allem Zukunftspotenzial: Hier sieht man gute Chancen in Polen (78%), Tschechien (75%) und Ungarn (61%). Weltweit wird die größte Dynamik der Geschäftsentwicklung in China (heute 52,4%, zukünftig 80,6%), Russland (heute 38,6%, zukünftig 68,6%) sowie Indien (heute 29,6%, zukünftig 50%) stattfinden. Es lohnt sich für Unternehmen, gleich welcher Größenordnung und Branche, sich neue Wachstumsziele durch die Erschließung internationaler Märkte zu setzten. Um diese Ziele zu erreichen ist eine gründliche Vorbereitung notwendig, es müssen passende Geschäftspartner gefunden werden, eingehende Informationen über den Markt, sowie geeignetes Fachpersonal gefunden werden. Des Weiteren muss ein ausgearbeitetes Geschäftskonzept, das die Grundlage für zukunftsweisende und wachstumsorientierte unternehmerische Entscheidungen darstellt, entworfen werden. Es eröffnet sich im Ausland eine Vielzahl von Chancen. Die Risiken sind bei gründlicher Vorbereitung meist überschaubar und kontrollierbar. Investitionschancen im europäischen Wirtschaftsraum: Mit der Erweiterung der Europäischen Union auf 27 Mitgliedstaaten ist der europäische Wirtschaftsraum der größte gemeinsame Markt der Welt. Zwei Drittel des gesamten EU-Handels entfallen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert hiervon in besonderem Maße: Im Jahr 2005 wurden von Deutschland Waren im Wert von fast 500 Mrd. Euro in die Mitgliedstaaten exportiert. Neben den Waren kommt auch den Dienstleistungen eine immer größere Bedeutung für den europäischen Binnenmarkt zu. Dienstleistungen stellen mittlerweile 60 bis 70% der wirtschaftlichen Aktivität der EU dar und sind damit auch ein wichtiger Beschäftigungsfaktor. Ein funktionierender Binnenmarkt ist die Voraussetzung dafür, dass die europäische Wirtschaftskraft weiter steigt. Er ist nicht nur Grundlage für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, sondern sichert Arbeitsplätze und bietet soziale Sicherheit in Zeiten der Globalisierung. So haben der freie Waren-, Dienstleistungs-, Kapital und Personenverkehr bei den 457 Mio. Verbrauchern in Europa zu einem höheren Lebensstandard geführt. Sie können heute günstiger einkaufen, Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder einfacher reisen als noch vor 20 Jahren. Der maßgeblich auf einem funktionierenden Binnenmarkt beruhenden Wirtschaftsraum Europa ist damit ein Eckpfeiler unseres sozialen Wohlstands. Der Schwerpunkt dieser Bachelorarbeit besteht darin, einen direkten Ländervergleich der Länder Polen und Russlands aufzuzeigen und somit mögliche Risiken und Hemmnisse zu veranschaulichen. Im Rahmen dieser Analyse werden vor allem die Komponenten des Länderrisikos zur Beurteilung herangezogen. Durch die Erweiterung der Europäischen Union im Mai 2004 und weiterer Erweiterungsrunden um die Staaten Osteuropas muss ein Umdenken in den multinationalen Unternehmen innerhalb der bisherigen Geschäftspolitik erfolgen. Diese Arbeit stellt mit ihrer aktuellen Brisanz einen wissenschaftlichen Beitrag mit erheblicher Praxisrelevanz für die hiesigen Unternehmen dar. Gleichwohl kann diese Arbeit nur einen begrenzten Einblick in die Komplexität der Thematik gewähren. Das ist insbesondere mit der Fülle von Informationen verbunden, die eine Investitionsentscheidung beeinflussen. Daher ist es erforderlich, sich auf die Verwertung wesentlicher Informationen zu beschränken. Durch die zum großen Teil analysierende Vorgehensweise hat die Verarbeitung statistischer Daten einen besonderen Stellenwert. Darauf aufbauend können gute Erkenntnisse über die Bedingungen in den osteuropäischen Transformationsländern gewonnen und schließlich Investitionsentscheidungshilfen abgeleitet werden.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: InhaltsverzeichnisII AbbildungsverzeichnisIV 1.Einführung1 1.1Themenstellung und Relevanz3 1.2Investitionschancen im europäischen Wirtschaftsraum4 2.Russland als attraktiver Markt für ausländische Investoren/Unternehmen6 2.1Investitionsklima7 2.2Konsumklima8 2.3Allgemeine Wirtschaftsentwicklungen Russlands9 2.3.1Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts10 2.4Länderrisiken13 2.4.1Politische Risikokomponenten14 2.4.2Wirtschaftliche Risikokomponenten17 2.5Überblick der Geschäftsentwicklung zwischen Deutschland und Russland19 2.5.1Exportstruktur22 2.5.2Importstruktur24 3.Polen als attraktiver Markt für ausländische Investoren/Unternehmen27 3.1.Investitionsklima28 3.2Konsumklima30 3.3Allgemeine Wirtschaftsentwicklung Polens31 3.3.1Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes31 3.4Länderrisiken37 3.4.1Politische Risikokomponenten37 3.4.2Wirtschaftspolitische Veränderungen39 3.4.3Wirtschaftliche Risikokomponenten41 3.5Überblick der Geschäftsentwicklung zwischen Deutschland und Polen43 3.5.2Wirtschaftliche Zusammenarbeit44 3.5.3Exportstruktur45 3.5.4Importstruktur46 4.Risikopotenziale/Erkennung48 4.1Risikoindikatoren51 4.1.1Quantitative Risikoindikatoren51 4.1.2Qualitative Risikoindikatoren52 5.Russland vs. Polen52 5.1Index of Economic Freedom53 5.2Global Competitiveness Index (GCI)56 5.3Ease of doing business58 5.4Corruption Perception Index64 5.5Worldwide Governance Indicators - Corruption control66 6.Risikokennzahlen68 6.1Business Environment Risk Intelligence Index (Beri-Index)68 6.2Value at Risk (VaR)/Cash Flow at Risk71 7.Risikoanalyse Russland und Polen im Ländervergleich72 8.Ausblick78 Anhang83 Literaturverzeichnis96Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.5, Überblick der Geschäftsentwicklung zwischen Deutschland und Polen: Deutschland ist seit vielen Jahren der mit Abstand wichtigste Handelspartner Polens. Umgekehrt ist Polen einer der bedeutendste Handelspartner Deutschlands in Mittel- und Osteuropa. 2006 stieg der Umsatz im bilateralen Handel um 26,4% auf 49,4 Mrd. EURO. Die deutsche Ausfuhr nach Polen betrug 2006 28,8 Mrd. EURO, die Einfuhr aus Polen belief sich auf 20,7 Mrd. EURO. Polen exportiert vor allem Maschinen, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte, Lebensmittel und Möbel; deutsche Firmen führen insbesondere Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge, Chemie - und Kunststofferzeugnisse aus. 2006 rangierte Polen bei der deutschen Ausfuhr auf dem 10. Platz, Polen bei der deutschen Einfuhr auf der 13. Stelle. Auch im ersten Halbjahr 2007 stieg der bilaterale Handel um weitere 25% an. Deutsche Investitionen in Polen: In der Rangliste der wichtigsten Investoren liegt Deutschland mit ganz vorne. Die kumulierten Direktinvestitionen in Polen von mindestens 1 Mio. Euro belaufen sich seit dem Systemwechsel 1989/ 1990 auf etwa 12 Mrd. Euro (davon im Jahr 2006 - 2,7 Mrd. Euro). Schwerpunkt größerer deutscher Investitionen in Polen sind: Automobilindustrie und Maschinenbau, Chemie und Pharma, Banken und Versicherungen, Groß- und Einzelhandel, sowie Energie. Dazu kommen die statistisch nicht erfassten Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen von weniger als 1 Mio. Euro, insbesondere in der Grenzregion. Danach dürfte Deutschland in der Summe und in der Zahl nach das führende Herkunftsland ausländischen Kapitals in Polen sein. Unter den neuen EU- Mitgliedsstaaten konnte Polen 2006 den höchsten Zufluss ausländischen Kapitals in Höhe von 12 Mrd. Euro (ohne Transitkapital; Schwerpunkte: Niederschlesien, Großraum Lodz, Wojewodschaft, Malopolskie, sowie 14 Sonderwirtschaftszonen im grenznahen Raum zu Deutschland) verzeichnen. Deutsche Unternehmen sehen Polen als einen Markt mit beachtlichen Wachstumsraten und Ertragschancen. Zu den Stärken Polens gehört das umfassende Regelwerk, die hohen Fördermitteln, die Größe des polnischen Binnenmarkts mit 38,2 Mio. Einwohner, die relativ niedrigen Steuersätze, die gute Ausbildung der Fachkräfte, das vergleichsweise günstige Lohnniveau für die meisten Fachkräfte, sowie die Existenz von Sonderwirtschaftszonen mit erheblichen Steuervergünstigungen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Deutschland unterstützt Polens wirtschaftlichen Aufholprozess auf vielfältige Weise. Im Rahmen der EU, der Polen seit 2004 angehört, leistet Deutschland als größter Nettozahler einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung Polens. Auch fördert Deutschland Polen über Programme der Weltbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie des Internationalen Währungsfonds. Vor dem EU-Beitritt Polens war Deutschland für die Heranführung Polens an die EU, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft sowie die Förderung des Unternehmenssektors durch Umstrukturierung und Privatisierung eingetreten. Auch die Bundesländer haben sich in vielfältiger Weise engagiert. Hervorzuheben ist auch die regionale und grenznahe Zusammenarbeit. Eine regelmäßig tagende Regierungskommission, an der deutsche Bundesländer und polnische Wojewodschaften beteiligt sind, koordiniert die Aktivitäten. Zugleich ist eine Reihe von Fachgremien tätig (unter anderem zum Ausbau der Grenzübergänge und zu gemeinsamer Planung von Verkehrswegen, Straßen- und Güterverkehr, Umweltrat, Oder-Probleme, Binnen- und Seeschifffahrt). Der Wegfall der Personenkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze zu Jahresende wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter erleichtern Exportstruktur: Angesichts der starken Exportorientierung vieler ausländischer Direktinvestitionen hat sich die polnische Ausfuhr seit den 1990er Jahren international umorientiert sowie quantitativ und qualitativ stark verändert. Fand 1989 der Austausch zu etwa 35% mit der damaligen östlichen Wirtschaftsgemeinschaft RGW statt, so werden heute zwei Drittel des Außenhandels mit der Europäischen Union abgewickelt. Davon wiederum entfällt ein beträchtlicher Teil auf Deutschland. Die Exportquote der polnischen Wirtschaft ist kontinuierlich angestiegen und betrug im Jahr 2007 etwa 27% (zum Vergleich, die der Deutschen liegt bei 32%). Das Wachstum des Außenhandelvolumens ging mit einer drastischen Veränderung in der Güterstruktur des Außenhandels einher. Bei den Exporten dominieren inzwischen eindeutig Güter des verarbeiteten Gewerbes, während der Anteil an Primärgütern stark geschrumpft ist. Nahrungsmittel konnten noch ein bestimmtes Gewicht halten, während die Ausfuhr von Rohstoffen und mineralischen Brennstoffen ihre ursprüngliche Bedeutung fast vollständig eingebüßt haben. Der starke Bedeutungszuwachs der Industrieexporte bezieht sich vor allem auf die Ausfuhr von Fahrzeugen, elektronischen und elektrotechnischen Produkten sowie Erzeugnisse der Maschinenbauindustrie. Der Trend in Richtung technologisch anspruchsvoller Exportgüter ist eindeutig. Mit ausländischem Kapital, oft von Grund auf errichtete Firmen, so vor allem im Automobil- und Elektroniksektor, haben wie bereits erwähnt einen sehr hohen Anteil am polnischen Exporterfolg. Inzwischen ist der Export nach der Inlandsnachfrage und den Investitionen nur noch das dritte Standbein des Wirtschaftsbooms. Noch vor drei Jahren war dies umgekehrt. Allerdings konnte der Export 2006 mit einer Zuwachsrate von 23% fast den Spitzenwert 2005 (25%) erreichen. Deutschland ist in der Exportstatistik seit Jahren führend; allerdings hat sich der Anteil am Ausfuhrvolumen 2006 leicht auf 27,2% (2005: 28,4%) verringert. Importstruktur: Die Importstruktur ist geprägt vom Bedarf der polnischen Industrie an qualitativ hochwertigen Vorprodukten und der starken Nachfrage nach insbesondere langlebigen Konsumgütern und Investitionsgütern. Dementsprechend sind Maschinen und Transportmittel auch beim Import die am raschesten wachsende Warengruppe: Ihr Anteil stieg zwischen 1995 und 2003 von 29,9% auf 38,0%. Beim Import hat Deutschland seinen Stellenwert als Polens wichtigster Handelspartner 2006 mit 24% behaupten können. Dahinter folgten Russland mit 9,7%, Italien mit 6,8% und China mit 6,1%. Polen importierte 2006 aus Deutschland laut des polnischen Wirtschaftsministeriums vor allem Erzeugnisse der Elektro- und Maschinenbauindustrie, auf die ein Anteil von 41,85% entfiel. Produkte der Chemieindustrie folgten weit ab mit 20,53% vor solchen der Metallindustrie (15,95%), Holz und Papier (5,38%), Agrarprodukten und Nahrungsmitteln (4,41%), Mineralprodukten (3,83%), Erzeugnissen der Leichtindustrie (3,63%), Keramik (1,86%), Leder und Waren (0,42%) sowie Sonstigen (2,14%). Zu den deutschen Lieferprodukten mit den größten Zuwächsen zählten Erze sowie Schlacken und Aschen (+253,2%), Getreide (+252,1%), Kupfer und Waren (+236,8%), Zink und Waren (+212,6%) sowie Teppiche und andere Fußbodenbeläge aus Spinnstoffen (+192,3%). Polen weist derzeit ein relativ hohes Defizit in seiner Zahlungsbilanz aus. Hauptgrund: Die Importnachfrage entwickelt sich angesichts hoher Investitionen schneller als die Exporte. Viele dieser Investitionen stärken allerdings die polnische Exportwirtschaft, so dass sich Wachstumseffekte mittelfristig auch auf der Ausfuhrseite niederschlagen sollten. Kurzfristig aber könnte sich das Zahlungsbilanzdefizit von voraussichtlich etwa 4,5% (Ende 2007) sogar noch um bis zu 3 Prozentpunkte ausweiten (bis Jahresende 2008).
Inhaltsangabe:Einleitung: Die Lebensplanungen der jüngeren Generationen von Frauen in Deutschland und in Polen haben sich in den letzten Jahrzehnten hinsichtlich der Familien- und Berufsplanung gewandelt. Frauen in Deutschland haben im Zuge von Bildungsexpansion und Emanzipationsbewegung die Möglichkeit erlangt, eine für sie sinnvolle Erwerbstätigkeit zu erlernen und zu ergreifen. Ebenso schuf der Sozialismus in Polen eine Basis für die Erwerbstätigkeit der Frau. Die Berufstätigkeit wird die Frauen eventuell ein Leben lang begleiten, dementsprechend wird der Berufswahl eine besondere Bedeutung zugemessen. Die weibliche Erwerbstätigkeit ist häufig identitätsstiftend und ein wichtiger Bestandteil der Unabhängigkeit. Somit können sie den Status der materiellen und persönlichen Autonomie erreichen. Demgegenüber steht das Problem, die Gründung einer Familie und die damit einhergehende Verantwortung in den Lebensplan einzubetten. Eine wie immer gewichtete Balance dieser beiden Bereiche zu erreichen, ist eine Schwierigkeit, der sich Frauen heute stellen müssen, da eine ausschließliche Konzentration auf die Familie, ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, legitimiert werden muss. In der sozialistischen Gesellschaft in Polen war die arbeitende Frau und Mutter, welche familiäre Pflichten und Berufstätigkeit miteinander verknüpfte aufgrund von Arbeitskräftemangel in den 1950er Jahren staatlich gefordert und gefördert. Zusätzliche Rahmenbedingungen zur Förderung der weiblichen Erwerbstätigkeit wurden geschaffen, wie beispielsweise staatliche Kinderbetreuung. Die weibliche doppelte Lebensführung, Familie und Beruf zu verbinden entstand nicht aus der weiblichen Wahlmöglichkeit, sondern eher aus ökonomischen Zwängen. Diese Art der Lebensführung war eine Doppelbelastung für die Frauen und von der polnischen Bevölkerung abgelehnt, da dieses Modell den traditionellen Strukturen und Werten widersprach, welche die Frauen in der Familie verorteten. Dennoch wurde diese Art der Doppelbelastung als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, unterstützt durch das historische Leitbild der Matka Polka (auf dieses Leitbild wird ausführlicher in Kapitel 2.2. eingegangen). Nach 1989 endete die Selbstverständlichkeit der staatlich geförderten weiblichen Vollzeiterwerbstätigkeit. Die hohe Frauenerwerbstätigkeit in der Volksrepublik hat in keiner Weise zu einem Wandel der Werte und Normen der Menschen geführt. Noch 1993 waren über 90% der polnischen Bevölkerung der Ansicht, dass ein Kind leiden würde, wenn die Mutter berufstätig ist. Abbildung 1 zeigt, dass sich im Jahr 1994/95 die Einstellung der Menschen geringfügig verändert hat, 65% der Bevölkerung unterstützen weiterhin traditionelle Ansichten. Auch aufgrund von Arbeitsplatzmangel ist ein traditionelleres Familien- und Frauenbild von der Regierung gewünscht. Walczewska bringt die politische Meinung eines Präsidentschaftskandidaten und Abgeordneten im EU-Parlament auf den Punkt: "Die Frauen würden viele Arbeitsplätze freimachen, die dann von arbeitslosen Männern besetzt werden könnten". Die Regierung sieht die Frau im Haushalt und bei der Kindererziehung, was die katholische Kirche in Polen grundsätzlich befürwortet. Insbesondere verbunden mit dem damaligen Pontifikat des Papstes Johannes Paul II. sind die Ausprägungen von Religiosität in Polen äußerst intensiv. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass über 90% der polnischen Bevölkerung dem katholischen Glauben angehören, sich als religiös einschätzen und an Gott glauben. Die jungen polnischen Frauen wollen jedoch eine Erwerbsarbeit ausüben, aus Gründen der Existenzsicherung, zur Selbstverwirklichung oder individuellem Karriereaufbau. 1996 wollten 71,8% der polnischen Frauen ihre Erwerbstätigkeit weiter ausüben, auch wenn die ökonomische Notwendigkeit nicht bestehen würde. In Deutschland orientieren sich immer weniger junge Frauen an traditionellen Leitbildern, denn mit dem Gleichheitsanspruch der Frauen, mit dem Wandel der Geschlechterrollen und des Alltagslebens ändern sich die Lebenslage und die Möglichkeiten der Lebensführung. Althergebrachte Leitbilder lösen sich weitgehend auf. Geburtenrückgang, erweiterte Bildungschancen für Frauen, das Streben nach Selbstständigkeit und Autonomie sowie die Pluralisierung der Familienformen sind relevante Prozesse für diesen Wandel. Erwerbstätigkeit in der Lebensplanung von Frauen nimmt heute einen wichtigen Platz ein. Der Anteil der deutschen Frauen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen lag 2002 bei 44,3%. Hierbei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass der Anteil der Frauen mit Kindern, die ausschließlich einer Teilzeitarbeit nachgehen, in Deutschland bei 38%, in Polen jedoch nur bei knapp 10% liegt. Frauen heute werden sich immer die Frage stellen müssen, "wie sie als Frauen sein sollten" und "wie sie als individuelle Person sein wollten, wenn sie könnten", gerade auch hinsichtlich normativer Leitbilder. Aufgrund der Wiedervereinigung in Deutschland ist die Zugehörigkeit zu einer christlichen Religionsgemeinschaft in West- und Ostdeutschland zu unterscheiden. Gut 70% der Westdeutschen und weniger als 30% der Ostdeutschen sind Mitglieder einer christlichen Kirche. Kirchenmitgliedschaft ist jedoch kein Indikator für gelebte Religiosität. Studien hinsichtlich der Religiosität ergaben, dass sich die Westdeutschen zu 55% und die Ostdeutschen zu ungefähr 30% als religiös einschätzen. In Ostdeutschland liegt der Anteil der Menschen, die sich als unreligiös einschätzen bei circa 40%, in Westdeutschland bezeichnen sich unter 30% als nicht religiös. Die unterschiedlichen Ausprägungen von Religiosität, die sich aufgrund der Wiedervereinigung 1990 und der vorangegangenen strukturellen Trennung und der damit verbundenen Entwicklungsunterschiede ergeben, sind Bestandteil der Arbeit. Nachfolgend ist zu überprüfen, ob sich in Deutschland und Polen mit ihrer verschieden hoch ausgeprägten Religiosität Frauen an traditionelle Vorstellungen halten und wie sich dies in deren Lebensplanung äußert. Um Unklarheiten zu vermeiden, werden in den nachfolgenden Kapiteln Aussagen über polnische bzw. deutsche Frauen besonders gekennzeichnet. Die verschiedenen Phasen der Lebensplanungsmodelle basieren auf der Studie von Birgit Geissler und Mechthild Oechsle "Lebensplanung junger Frauen" (1996). Für meine Untersuchung wurden jedoch ausschließlich Studentinnen befragt, die in Deutschland bzw. Polen beheimatet sind. Als Grundlage der Untersuchung wurden mit je drei Studentinnen im Alter von 21 bis 26 Jahren aus Duisburg und Danzig qualitative Interviews durchgeführt. Diese wurden methodisch aufgearbeitet und unter Berücksichtigung der bestehenden Literatur analysiert. Das Thema der Diplomarbeit steht in Verbindung mit einem Projekt an der Universität Duisburg-Essen, welches das Ziel "(…) einer interkulturellen Kommunikation und Kooperation zwischen Studierenden und Lehrenden (…)" an den Universitäten Danzig und Duisburg hat (Internetbrücke Danzig-Duisburg). Unter den Projektteilnehmerinnen und –teilnehmern wurden unterschiedliche Themen wie gesellschaftspolitische, ökonomische und kulturelle diskutiert. In Zusammenhang mit diesen Gesprächen entwickelte sich bei mir das Interesse, in meiner Diplomarbeit einen Vergleich von deutschen und polnischen Studentinnen hinsichtlich ihrer Lebensplanung durchzuführen. Die Arbeit untergliedert sich einschließlich Einleitung und Fazit in sechs Kapitel. Neben dem kurzen Überblick in der Einleitung wird in Kapitel 1.1. eine Klärung der für diese Arbeit zentralen Begriffe erfolgen. Kapitel 2 gibt einen wissenschaftlichen Überblick über die Themen Leitbilder, Lebensplanung und Religiosität. Kapitel 2.1. hat eine Studie zur Lebensplanung junger Frauen von den Wissenschaftlerinnen Birgit Geissler und Mechthild Oechsle zur Grundlage. Verschiedene Formen von Lebensplanungen sind hier in übersichtlichen Modellen dargestellt. Ergänzend zu dem Thema wurde bestehende Literatur anderer deutscher und polnischer Autoren und Autorinnen verwandt. Das Kapitel 2.2. befasst sich mit den Leitbildern der guten Mutter in Deutschland und der Matka Polka in Polen. Um Aussagen über die Entwicklung von Religiosität im Vergleich zu treffen, ist eine breitere Betrachtung notwendig. Aus diesem Grund wird die unterschiedliche historische religiöse Entwicklung in den Ländern Polen, Ost- und Westdeutschland bis zur Gegenwart in Kapitel 2.3. behandelt. Zur Beschreibung von Religiosität werden verschiedene Dimensionen der religiösen Ausprägungen, nach Gert Pickel, dargestellt. Kapitel 3 schildert den Aufbau und die Methode des Untersuchungsgegenstandes. Der Leitfaden der Interviews, die Fallauswahl und die Interviewverläufe werden vorgestellt. Mit der Aufbereitung der erhobenen Daten und deren Auswertung befasst sich Kapitel 4. Die einzelnen Fälle werden mit ihren Aussagen detailliert vorgestellt und auf zwei Ebenen ausgewertet. Die formale Ebene befasst sich mit dem biographischen Verlauf. Auf der inhaltlichen Ebene wird versucht, die einzelnen Aussagen zu Lebensplanung und Religiosität in kollektive und subjektive Sinnzusammenhänge zu setzen. Die Revision in Kapitel 5 befasst sich mit der kritischen Betrachtung der angewandten Methode und ihrer Durchführung. Die abschließende Zusammenfassung und Überprüfung der Anschlussfähigkeit der Untersuchung erfolgen im Fazit.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung2 1.1Begriffsklärung7 1.1.1Rolle der Frau7 1.1.2Lebensplanung8 1.1.3Religiosität8 2.Wissenschaftliche Bezüge8 2.1Typen der Lebensplanung9 2.1.1Die doppelte Lebensplanung12 2.1.2Die familienzentrierte und modernisiert-familienzentrierte Lebensplanung16 2.1.3Die berufsorientierte Lebensplanung19 2.1.4Die individualisierte Lebensplanung21 2.2Leitbilder gute Mutter/Matka Polka26 2.3Religiosität30 3.Zugang zum Forschungsgegenstand und Methoden41 3.1Methode: Problemzentrierte Interviews42 3.1.1Ausarbeitung des Leitfadens43 3.1.2Fallauswahl und Kontaktaufnahme44 3.1.3Interviewverläufe46 4.Methodische Auswertung46 4.1Fallübersicht und Fallbeschreibung48 4.1.1Aussagen zur persönlichen Lebensplanung55 4.1.2Aussagen zur Religiosität73 4.2Auswertung der empirischen Daten89 5.Revision97 6.Fazit101 7.Literaturverzeichnis105Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.3, Religiosität "Als Christen stehen Polen und Deutsche angesichts neuer gesellschaftlicher Entwicklungen insbesondere im Hinblick auf den Schutz des Lebens, der Ehe und der Familie vor großen Herausforderungen" (Gemeinsame Erklärung der deutschen Bischofskonferenz und der polnischen Bischofskonferenz aus Anlass des 40. Jahrestages des Briefswechsels von 1965, Karl Kardinal Lehmann Erzbischof, Bischof von Mainz, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Josef Michalik, Metropolit von Przemyoel, Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz). Um festzustellen, ob und in welchem Maße die Lebensplanung von jungen Frauen in Deutschland und Polen von ihren religiösen Einstellungen beeinflusst wird, ist es notwendig, in einem ersten Schritt die unterschiedlichen Dimensionen von Religiosität herauszuarbeiten. Drei Dimensionen, erarbeitet durch Pickel, erscheinen in diesem Zusammenhang relevant: Annerkennung der Institution Kirche, die kirchliche Integration der Einzelpersonen und die subjektive Religiosität. Zusätzlich wird zur Dimension der Annerkennung der Kirche die Rolle des Papstes betrachtet. Mit diesen Dimensionen soll versucht werden, eine Verbindung zwischen dem institutionalisierten Bereich, den die Institution Kirche darstellt und dem individualisierten Bereich, welcher die persönliche Gestaltung von Religion beschreibt, herzustellen, um Religiosität im Ganzen betrachten zu können. Diese Dimensionen werden auch in Kapitel 4.2. übernommen, um die Aussagen zur Religiosität auszuwerten. Anerkennung der Institution Kirche: Die Institution Kirche hat in Polen in der Vergangenheit häufig die Bedeutung von Religion und Glauben in der Bevölkerung beeinflusst. Gerade durch positive Erfahrungen mit der Kirche zu Zeiten des Umbruchs 1989 war das Vertrauen zu ihr sehr hoch. Mittlerweile unterliegen allerdings die Religion und der Glaube einer Individualisierung, gerade wenn es sich um die Akzeptanz moralischer Werte handelt. Aufgrund der Individualisierung der Religion sinkt das Vertrauen in die Institution Kirche, die noch immer an traditionellen Ansichten festhält. Während in der Zeit des Umbruchs 1989 das Vertrauen seinen Höhepunkt von ca. 88% hatte, sank es 1994 auf ca. 40%. Auch wenn in Deutschland, Ost- sowie Westdeutschland, kirchliche Feste, wie zum Beispiel die Kommunion oder Konfirmation, weiterhin bei der Mehrheit der Bevölkerung gefeiert werden, ist das Verhältnis zu der Kirche distanziert. Als Indikator für die Anerkennung der Institution Kirche kann ebenfalls die Bedeutung des Papstes für die polnische und deutsche katholische Bevölkerung herangezogen werden. In Bezug auf Polen ist es elementar, auf die Rolle des Papstes einzugehen. Gerade die starke emotionale Verehrung Papst Johannes Paul II. durch die Bevölkerung in Polen muss beachtet werden. Brandys, ein polnischer Schriftsteller und Essayist, publizierte zum 1. Besuch des Papstes in Polen 1979 folgendes: "(…) Der Heilige Vater im Himmel über Warschau schwebend, ein polnischer Papst, der aus den Wolken herabsteigt direkt ins Herz der Hauptstadt (…)". Lenschen gibt die Haltung der Bevölkerung wieder, indem er anmerkt, dass Papst Johannes Paul II. den Menschen in Polen neues Selbstbewusstsein und Mut eingab. Unter dem Aspekt, dass er der erste polnische Papst in der Geschichte war, sorgte er Lenschens Ansicht nach für eine Aufwertung Polens (ebd.). Gerade die Rolle von Johannes Paul II. als Mittler zwischen Regierung und Gesellschaft während der Zeit des Umbruchs 1989 förderte die Treue zum Papst und ist auch der jüngeren Generation noch im Gedächtnis geblieben. Der Tod des polnischen Papstes im Jahr 2005 war für die Mehrheit der polnischen Bevölkerung ein furchtbares Ereignis. Die Einflussnahme des Pontifikats des deutschen Papstes Benedikt XVI. in Hinblick auf die Religiosität in Deutschland, aber auch in Polen, bleibt abzuwarten. Die kirchliche Integration der Einzelpersonen: Wird der Kirchgang als Indikator für religiöse Integration betrachtet, kann man erkennen, dass in Polen, wo der Katholizismus stark ausgeprägt ist und die Tradition der katholischen Kirche eine starke Bindung an Religion und Kirche fördert, die kirchliche Integration weitaus höher ist als in Deutschland. Dies lässt sich auch auf den stärker verpflichtenden Charakter der katholischen Kirchenregularien zurückführen. 1998 gingen 54% der Bevölkerung regelmäßig in die Kirche. Jopek sieht das Bekenntnis zum Glauben und zu religiösen Praktiken als stabil an (ebd.). Gerade wenn es um gesellschaftspolitische Fragen geht, hat die Religion auch heute noch Einfluss auf die Bevölkerung. Durch den Besuch des Papstes 1987 in Polen wurde der Glaube der Bevölkerung gestärkt und die kirchliche Integration nahm nach einem Abwärtstrend wieder zu. Gerade in der Zeit des Umbruchs gewann die Kirche an Vertrauen und die Zahlen der Gottesdienstbesucher stiegen an. Pickel beschreibt für Deutschland, West- sowie Ostdeutschland, einen Trend zum Rückgang der kirchlichen Integration. Der Kirchgang wird nur noch sporadisch ausgeführt. 26% der katholischen und 7% der evangelischen Gläubigen besuchen regelmäßig die Kirche. Dennoch ist das Verhältnis der Mehrheit der Kirchenmitglieder zu kirchlichen Riten wie Taufe oder kirchliche Bestattung positiv. Die kirchliche Integration ist in einem eher gemischt konfessionellen Land wie Westdeutschland durchschnittlich ausgeprägt. Der Anteil der evangelischen Christen ist in etwa so hoch wie der der katholischen Christen. Meulemann führt aus, dass 2002 32% der westdeutschen Bevölkerung nie den Gottesdienst besuchten und dass der Anteil in Ostdeutschland 65% beträgt. Die gering ausgeprägte kirchliche Integration im Osten Deutschlands lässt sich ebenso durch die erzwungene Säkularisierung in der Zeit des Sozialismus erklären, wie durch das Unvermögen der Kirchen, die Mitglieder zu einer höheren Beteiligung am gottesdienstlichen Leben zu motivieren und sie dadurch enger an zentrale Inhalte des christlichen Glaubens zu binden. Die subjektive Religiosität: Wird der Glaube und die persönliche Religiosität betrachtet, erkennt man in Polen eine überwiegend gläubige Bevölkerung. Laut Untersuchungen von Zulehner/Deutz schätzen sich 95% der Polen als religiös ein. Mittlerweile ist in Polen eine Individualisierung von Religion zu beobachten. Auch wenn die Anzahl des sonntäglichen Kirchgangs weiterhin stabil ist, werden die Gebote der Kirche nicht unbedingt angenommen. Die Akzeptanz für christliche Moralvorstellungen ist gesunken. Die traditionellen Einstellungen der Kirche gegenüber modernen Entwicklungen werden von den Bürgern eher kritisch wahrgenommen. Eine Untersuchung im Jahr 1990/91 zeigt, dass die Mehrheit der polnischen Bevölkerung die Ansicht vertritt, dass die Kirche Antwort geben kann (und soll) auf Fragen bezüglich des Lebenssinns (ca. 80%), der Familie (ca. 70%) und der Moral (ca. 76%). Doch eine Studie aus dem Jahr 1994 belegt durch die Meinungsmehrheit der befragten Personen, dass der Mensch seine Entscheidungen selbständig treffen und sich nicht zu sehr von den Geboten der Kirche leiten lassen sollte. In Fragen der Moral, wie Abtreibung oder Scheidung, und in religiösen Fragen, wie die Art der Glaubensausübung, wird eine Verschiebung und Individualisierung deutlich. Untersuchungen von Pickel zur Gläubigkeit in Deutschland ergaben, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik innerhalb Gesamteuropas durchschnittlich gläubig zu nennen ist. 65% der Bevölkerung Westdeutschlands schätzt sich als "subjektiv religiös" ein In Ostdeutschland ist die subjektive Religiosität nur schwach ausgeprägt, der Anteil liegt hier bei 37%. Zusammenfassend ist für Deutschland zu sagen, dass die Dimension der subjektiven Religiosität höher ist als die der kirchlichen Religiosität.
Entgrenztes Wohnen - Die Creative Class im Medienzeitalter Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird der Kultur- und Lebensraum der Menschen mehr und mehr von den Informations- und Kommunikationsmedien geprägt. Mit dem zunehmenden Eindringen dieser Medien in die Lebensräume der Menschen erfährt auch das Wohnen verstärkte Aufmerksamkeit. William Mitchell und der amerikanische Soziologe und Politologe Richard Florida weisen auf eine Verknüpfung von intensiver Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und neuen Wohnkonzepten hin. In ihren Forschungen stellen sie eine Konzentration derartiger veränderter Nutzungskonzepte des Wohnens vor allem in den neu adaptierten Altbauten stark verdichteter (Innen-) Stadtviertel fest. Mit Blick auf die dort bevorzugt wohnende, dynamisch wachsende Berufs- und Lebensstilgruppe, die Florida als "Creative Class" bezeichnet und aufgrund ihrer technologischen Innovationen und kreativen Alltagsgestaltung als Protagonistengruppe des Informationszeitalters ansieht, hat er als einer der ersten auch empirisch auf die Verschränkung von neuen Lebenspraktiken und veränderten Raumnutzungen aufmerksam gemacht. Ziel der Forschungsarbeit war es, die strukturell veränderten Wohnstrategien und Raumdispositionen einer Pioniergruppe des Informationszeitalters, der Creative Class, herauszustellen und zu verstehen. Es wurden 52 Personen der Creative Class für Interviews ausgewählt. Die Untersuchung ist explorativ ausgerichtet und darf somit nicht als repräsentativ für die Creative Class gesehen werden. Die wachsende Bedeutung dieser Pioniergruppe wird jedoch dadurch ersichtlich, dass in den USA heute bereits bis zu 30 % der Erwerbstätigen im Kreativsektor arbeiten. Dazu zählen Berufsgruppen aus den Bereichen IT, Medien, Kunst, Wissenschaft und Management. Auch im deutschsprachigen Raum wurden bereits Untersuchungen zur Kreativwirtschaft in den Städten Wien, Berlin, Zürich und Köln angestellt. Ausgehend von diesen ersten Kreativwirtschaftsberichten, die ebenfalls die urbane räumliche Konzentration der Personengruppe der Creative Class unterstrichen, wurden die vier Städte Wien, Berlin, Zürich und Köln als Standorte der empirischen Untersuchung ausgewählt. Bei der Suche nach Interviewpartnern war bereits zu erkennen, dass sich die Wohn- und Arbeitsorte der Creative Class in allen vier Städten vorwiegend in den an die Stadtmitte angrenzenden, dicht bebauten Bezirken und Quartieren befinden. Im Zuge der Analyse der Lebensorte und Alltagspraktiken der 52 interviewten Personen konnten überwiegend Mehrraumwohnungen aus der Gründerzeit, aber auch Einraumwohnungen und Ateliers beobachtet werden. Anhand der Begriffs- und Dualismuspaare Mensch / Maschine, Mensch / Raum, Privat / Öffentlich und Wohnen / Arbeiten wird verdeutlicht, dass die Grenzziehungen, die das Wohnen des 20. Jahrhunderts entscheidend prägten, heute, mit dem Eindringen der Medien, im Auflösen begriffen sind. Die aktuelle theoretische Diskussion wird von Entgrenzungstheorien bestimmt. Mit dem Einzug von medialen Funktionen, die den Wohn- und Arbeitsort der interviewten Personen zu einer Insel werden lassen, konnten auch im Rahmen der Untersuchung Entgrenzungen festgestellt werden, welche die funktionale und räumliche Struktur dieser Lebensinseln transformieren. Diese Entgrenzungen sind im Kontext der Miniaturisierung und Mobilisierung der technischen Geräte zu betrachten. Denn durch die flexible Nutzung der technischen Geräte werden mediale Tätigkeiten in traditionelle Wohnfunktionen eingebettet. Hand in Hand mit dieser Überlagerung wurde auch ein verändertes Raumverständnis beobachtet, das nicht mehr auf vorgegebenen Funktionszuordnungen beruht, sondern auf der individuellen Mehrfachcodierung von Räumen und Raumbereichen. So wird zum Beispiel die funktionale und gestalterische Unterscheidung zwischen Wohnraum und Arbeitsraum nivelliert und die ursprüngliche Grenze zwischen Wohnen und Arbeiten in die Technologie verlagert. Die neue Tür ist das An- und Ausschalten der Geräte. Die Mehrfachcodierungen werden von den interviewten Personen jedoch nur dann positiv gewertet, wenn sie keinen Zwang darstellen, sondern der Ort der Nutzung frei gewählt werden kann. Die Grenze zwischen den einzelnen Raumbereichen wird somit durch die individuelle Wahlmöglichkeit bestimmt. Die neuen Parameter des Wohnens der Creative Class sind folglich Mehrfachcodierung und räumliche beziehungsweise örtliche Diversität. Eine weitgehend optimale Grundrissorganisation bezüglich dieser mehrfachcodierten Diversität wurde in den polyzentrisch organisierten Gründerzeitwohnungen Wiens beobachtet. Sie bieten dem Bewohner mittels eines Verteilerraums im Eingangsbereich und einer internen Verbindung zwischen Wohnen und Arbeiten die Wahlmöglichkeit, die Räume sowohl getrennt als auch im Zusammenhang zu nutzen. Die weiterführende Variante dieser "Wand-an-Wand-Lösung" konnte auch ohne interne Verbindung, in Form einer zweiten Lebensinsel im selben Haus oder im Viertel, festgestellt werden. Entscheidend, um die Wahlmöglichkeit zu gewährleisten, ist die räumliche oder örtliche Trennung bei gleichzeitiger Erreichbarkeit. In diesem Kontext haben 56 % der interviewten Personen eine zusätzliche eigene Lebensinsel in Form eines Atelierarbeitsplatzes, eines eigenen Ateliers oder einer zweiten Wohnung beziehungsweise der Wohnung des Partners zur Wahl. Auf diesen zusätzlichen Lebensinseln findet die Überlagerung von Wohnen und Arbeiten sowie Privat und Öffentlich in einem ebenso hohen Ausmaß statt, wie an den ersten Lebensorten. Die Befragten nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Orte individuell, je nach Bedarf. Die Diversität ist nicht nur innerhalb der Lebensinsel beziehungsweise zwischen den Lebensinseln von Bedeutung, sondern auch im Zusammenhang mit dem Lebensumfeld. Denn aufgrund der Inselbildung ist eine zunehmende Bedeutung der infrastrukturellen Versorgung und der sozialen Kontakte im Lebensumfeld der Creative Class zu beobachten. Die entscheidende Aufgabe, die sich mit der Erkenntnis der Erfordernis der mehrfachcodierten Diversität für den Architekten und Stadtplaner demnach stellt, ist: Eine Diversität von Orten und Räumen innerhalb der Lebensinsel und in der nahen Umgebung zu schaffen, an denen und mit Hilfe derer die Bewohner über die individuelle Wahlmöglichkeit verfügen, sowohl überkommene funktionale Grenzen zu überschreiten als auch selber Grenzen zu ziehen. ; Defragmented dwelling - creative class housing in the media age At the beginning of the 21st century the cultural and living space of society is increasingly influenced by the information and communication media. With the advance of the media into people's living spaces, concepts of living and dwelling are re-evaluated. William Mitchell and the American sociologist and political scientist Richard Florida emphasize a link between the intensive use of new information and communication technologies and new living concepts. Their research examines a concentration of changed usage concepts in newly adapted old buildings of high density neighbourhoods. Within a new career and lifestyle group, which he describes as the "creative class", Florida observes an interconnection of new living practices and changed spatial usage. Due to their technological innovation and creative work organization, Florida describes the creative class as protagonists of the information age. The objective of this dissertation was to define and understand the structurally altered living strategies and spatial dispositions of a pioneer group of the information age, the creative class. 52 individuals of the creative class were selected for interviews. The research follows an explorative approach and may therefore not be seen as representative of the creative class. However, the growing importance of this pioneer group becomes evident when considering that in the USA today already up to 30% of the economically active population is working in the creative sector, which includes professions in IT, media, art, science and management. In the German-speaking world the creative economy in the cities of Vienna, Berlin, Zurich and Cologne has already been studied. On the basis of these first creative economy reports, which already suggest a concentration of creative class population, the cities Vienna, Berlin, Zurich and Cologne were selected for the empirical study. Already during the search for potential interviewees it was apparent that the living and working spaces of the creative class are predominantly located in the high density areas adjoining the city centre. In the study of living spaces and day-to-day routines of the 52 persons from the creative class, multi-room apartments in 19th century "Gründerzeit" buildings were predominant, but there were also single room apartments and studios. An examination of the dualistic concepts man / machine, man / space, private / public and living / working illustrates that the boundary definitions that distinctly characterized dwelling in the 20th century, today, with the advance of the new media, are in the process of dissolution. The current theoretical discourse is defined by theories of boundary reduction. Together with the introduction of media functions that turn the living and working space of the interviewees into an island, boundary reductions that transform the functional and spatial structures of these life-islands could be determined also within the framework of this study. Boundary reductions can be observed in the context of miniaturization and mobilization of technological equipment. Through the flexible use of technological devices media functions become embedded within traditional living functions. Hand in hand with these overlayering a changed understanding of space was observed, that no longer is determined by a given set of functional allocations, but rather by an individualized multiple codification of spaces and spatial zones. For example the difference in form and function between living space and working space is negated and the original boundary between working and living is transferred into the technological realm. The new door is the on/off switch of the technological device. The multiple codifications are rated positively by the interviewed individuals of the creative class only when they do not constitute a constraint but when places for usage can be freely chosen. As a consequence the boundary between different spatial zones is defined by means of individual opportunities for choice. The new parameters of the creative class are therefore multiple codification and diversity of space and place. Referring to this multi-code diversity an optimum floor plan organization was to be found in the polycentrically ordered 19th century "Gründerzeit" apartments in Vienna. By means of a distribution room in the entrance and an internal connection between living and working, they offer the occupant the option of using the rooms separately as well as in combination. A further variation of these "wall-to-wall solution" was also observed without an internal connection in the form of a second life-island within the same house or the same neighbourhood. The decisive factor that ensures the possibility of choice is a spatial division with concurrent accessibility. In this context, 56% of the persons questioned have an additional separate life-island in the form of a studio work space, their own studio or a further apartment of their own or their partner's to choose from. In these additional life-islands there is a similarly high measure of interconnection of working and living, private and public as in their primary living spaces. The persons studied use the spaces at their disposal individually as the need arises. Diversity is of significance not only within the life-island itself or between the various life-islands, but also in relation to the living environment. Due to island formation there is an increased importance of the supporting infrastructure and social contacts within the environment of the live-island for the creative class. The vital task facing the architect and urban designer in terms of multi-code diversity therefore is this: to create a diversity of places and spaces within the life-island and its adjoining environment which provide and facilitate individual opportunities for the occupant to overcome traditional boundaries as well as to define boundaries of his own.
EXECUTIVE SUMMARY Germany is one of the few industrialized nations in which the tobacco industry remains a legitimate force in business, government, science and society at large. Though Germany has been an international leader in environmental protection, the German tobacco industry has been successful in preventing the translation of knowledge of the dangers of pollution from secondhand smoke into effective public health policy through a carefully planned collaboration with scientists and policymakers and a sophisticated public relations program which it initiated in the 1970's and has been quietly running ever since. The tobacco industry in Germany founded the Verband der Cigarettenindustrie, a trade association, in 1948. Located in Germany's capital cities in order to as best as possible influence political decisions, the Verband includes all the multinational and national tobacco companies doing businessin Germany (7 in 2006). In Germany, secondhand smoke emerged as a political issue in the early 1970s, but the federal government failed to enact a proposed statutory law on protection from tobacco smoke. To date, there has been no passage of effective legislation for the protection against tobacco in public places. Understanding that secondhand smoke was the crucial issue for the tobacco industry's viability, the Verband engaged the issue long before the German government and the main voluntary health agencies, leading to the industry's continuing success in preventing government action to protect citizens from the toxic chemicals in secondhand smoke. The Verband influenced science and policy by challenging the scientific evidence linking secondhand smoke to disease by conducting or financing research, recruiting independent scientists, influencing high-level working groups and commissions, and by coordinating, sponsoring and participating in scientific conferences. In 1975, the "Research Council Smoking & Health" was created as an advisory body to the scientific department of the Verband to convey the impression that the tobacco industry was committed to objective exploration and further development of its product. Research that was deemed to be too sensitive to be contracted to outside researchers was conducted in a laboratory in Munich, headed by Franz Adlkofer. In 1992, the Research Council was replaced when the Verband created the VERUM foundation with Adlkofer as Scientific and Executive Director. The Medical Action Group on Smoking or Health, a small nongovernmental organization active in the protection of nonsmokers since the 1970s founded by medical scientist Ferdinand Schmidt, made numerous attempts to influence governmental health policy in Germany. The tobacco industry successfully responded by framing the Medical Action Group and Schmidt as out of the mainstream. Probably the most important health authority allied with the tobacco industry from the 1980s onwards was Karl Überla, President of the German Federal Health Office until 1985 and simultaneously head of a private research institute, the GIS, in Munich. In 1982, the Verband contracted with Überla's GIS for a study on "passive smoking and lung cancer." In 1983, a working group on smoking-related cancer risks was set up by the Federal Ministry of Health as part of Germany's contribution to the EU "Europe Against Cancer" program. Of the 24 members the Ministry invited to comprise this working group, at least five individuals, Franz Adlkofer, Dietrich Schmähl, Gerhard Lehnert, Klaus Thurau and Jürgen v. Troschke, had worked for or received funds from the Verband. Overall, the tobacco industry in Germany has been able to maintain a level of respectability that allowed it access to high-level authorities and scientists who either themselves held a policy-relevant office or served on political advisory bodies, including Karl Überla, President of the Federal Health Office, Dietrich Henschler, Chairman of the MAK-commission, and Helmut Valentin, President of the Bavarian Academy for Industrial and Social Medicine. Despite the fact that public attitudes in Germany were very supportive of government action to restrict smoking, the industry worked to cast tobacco control as a serious threat to the European culture that was portrayed as too open, modern and enlightened for such action. Secret tobacco industry polling showed even higher levels of support for smoking restrictions in Germany than in the United States; still, the German tobacco industry portrayed policies protecting workers from secondhand smoke as examples of US extremism. Several unsuccessful efforts to pass non-smoker protection legislation followed in subsequent years, and on October 3, 2002, a revised workplace ordinance took effect that nominally puts the duty on employers to protect their employees from secondhand smoke in the (non-hospitality) workplace; still, the ordinance overall failed to guarantee smokefree workplaces and as of January 2006, the German government had not established any meaningful program to promote implementation and enforcement of the ordinance. In 2003, approximately one-third (32.5%) of Germans were smokers. Recent data shows at least 9 persons die from passive smoking each day in Germany. As this calculation only takes into account frequent domestic exposure of nonsmokers, the actual death toll is likely to be much higher. Still, as of 2006, with few smokefree laws in place, none of the major voluntary health agencies in Germany had continuously made secondhand smoke a major topic. Public health policymaking in Germany remains dominated by tobacco interests. KURZFASSUNG Deutschland ist eines der wenigen industrialisierten Länder in denen die Tabakindustrie heute in derGeschäftswelt sowie vonseiten der Regierung, der Wissenschaft und der Gesellschaft im Allgemeinen noch als eine legitime Größe angesehen wird. Obgleich Deutschland im Umweltschutz international eine Führungsrolle einnimmt, hat es dieTabakindustrie in Deutschland erfolgreich verstanden, die Umsetzung der Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Passivrauchens in wirksame Gesundheitspolitiken zu verhindern. Sie bediente sich hierzu einer sorgfältig geplanten Kollaboration mit Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern, und eines ausgeklügelten PR-Programms das in den 1970er Jahren eingeleitet wurde und seitdem still betrieben wird. Die Branchenorganisation, der Verband der Cigarettenindustrie (VdC, kurz "Verband") wurde im Jahr 1948 von der Tabakindustrie in Deutschland gegründet. Der Verband vertritt sowohl nationale als auch multinationale Tabakkonzerne, die in Deutschland ihre Geschäfte treiben und war bzw. ist in der bundesdeutschen Hauptstadt (Bonn, Berlin) ansässig, um politische Entscheidungen bestmöglich zu beeinflussen. Bereits in den frühen Siebzigerjahren wurde das Thema Passivrauchen in Deutschland zum Politikum, doch die Bundesregierung schaffte es nicht, einen damals existierenden Gesetzesvorschlag für eine Rechtsvorschrift zum Schutz vor Passivrauchen zu erlassen. Vielmehr hat die Bundesregierung es bis heute versäumt, eine wirksame Gesetzgebung zum Schutz vor Tabakrauch im öffentlichen Raum zu erlassen. Aufgrund der Einsicht dass Passivrauchen der entscheidende Faktor für Lebensfähigkeit der Tabakindustrie ist, hat sich der Verband bereits lange vor der Bundesregierung und den wichtigsten Organisationen im Gesundheitswesen und Interessengemeinschaften dieses Thema zu eigen gemacht. Dies hatte zur Folge, dass die Tabakindustrie Regierungshandeln zum Schutz der Bürger vor den giftigen Inhaltsstoffen des Tabakrauchs erfolgreich verhindert hat. Der Verband hat Einfluss auf Wissenschaft und Politik genommen indem er die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Zusammenhang von Passivrauchen und Krankheit bestritten hat, Forschungsarbeiten durchgeführt oder finanziert hat, unabhängige Wissenschaftler rekrutiert hat, Einfluss auf hochrangige Arbeitsgruppen und Kommissionen genommen hat sowie an wissenschaftlichen Tagungen teilgenommen, diese koordiniert oder finanziell gefördert hat. Im Jahr 1975 wurde der "Forschungsrat Rauchen und Gesundheit" gegründet. Er diente der Wissenschaftlichen Abteilung des Verbandes als Beratungsorgan und sollte den Eindruck vermitteln, dass die Tabakindustrie sich der objektiven Erforschung und Weiterentwicklung seines Produktes verschrieben hat. Untersuchungen die als zu heikel galten, um sie an externe Wissenschaftler zu vergeben wurden in einem Labor in München durchgeführt das von Franz Adlkofer geleitet wurde. Im Jahr 1992 wurde der Forschungsrat Rauchen und Gesundheit ersetzt durch die vom Verband gegründete Stiftung VERUM, deren Wissenschaftlicher und Geschäftsführender Direktor wiederum Adlkofer wurde. Der Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit, eine kleine Nichtregierungsorganisation, die seit den 1970er Jahren im Bereich Nichtraucherschutz aktiv ist und von Ferdinand Schmidt gegründet wurde, machte zahllose Versuche, die Regierungspolitik Deutschlands zu beeinflussen. Die Tabakindustrie reagierte darauf- erfolgreich - damit, dass sie den Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit und Schmidt als jenseits der politischen Mitte darstellte. Vermutlich die wichtigste Autorität im Gesundheitsbereich, die mit der Tabakindustrie seit den 1980er Jahren verbündet war ist Karl Überla, bis 1985 Präsident des Bundesamtes für Gesundheit und zugleich Leiter einer privaten Forschungseinrichtung in München, der Gesellschaft für Information und Statistik in der Medizin (GIS). Im Jahr 1982 nahm der Verband Überla's GIS unter Vertrag für eine Untersuchung über "Passivrauchen und Lungenkrebs". Im Jahr 1983 stellte das Bundesgesundheitsministerium eine Arbeitsgruppe über "Krebsgefährdung durch Rauchen"zusammen, als ein Beitrag vonseiten Deutschlands zum EU-Aktionsprogramm "Europa gegen den Krebs". Von den 24 Mitgliedern, die das Ministerium geladen hatte, hatten zumindest fünf Personen, Franz Adlkofer, Dietrich Schmähl, Gerhard Lehnert, Klaus Thurau und Jürgen v. Troschke für den Verband gearbeitet oder von diesem Finanzmittel erhalten. Im Großen und Ganzen ist es der Tabakindustrie in Deutschland gelungen, einen Grad der Angesehenheit aufrechtzuerhalten, die ihr Zugang zu hochrangigen Autoritäten und Wissenschaftlern verschaffte, die entweder selbst politikrelevante Ämter innehatten oder die als Sachverständige oder Mitglieder von wissenschaftlichen Beiräten direkten Zugang zur Politik hatten. Beispiele hierfür sind Karl Überla, Präsident des Bundesgesundheitsamtes, Dietrich Henschler, Vorsitzender der MAK-Kommission, und Helmut Valentin, Präsidentder Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin sowie der Bayrischen Akademie für Arbeits- und Sozialmedizin. Trotz der Tatsache, dass die Einstellung der deutschen Bevölkerung Einschränkungen des Rauchens deutlich unterstützt, war die Tabakindustrie bemüht, die Tabakkontrolle als eine ernsthafte Bedrohung für die Europäische Kultur darzustellen, indem diese als zu offen, modern und aufgeklärt für derartige Aktivitätenporträtiert wurde. Ungeachtet der Tatsache, dass Umfragen die von der Tabakindustrie durchgeführt und geheim gehalten wurdenfür Deutschland sogar eine stärkere Befürwortung von Einschränkungen des Rauchens zeigten als in den Vereinigten Staaten, karikierte die Tabakindustrie in Deutschland Maßnahmen zum Schutz der arbeitenden Bevölkerung vor Passivrauch als US-amerikanischen Extremismus. Etliche erfolglose Anläufe zur Verabschiedung eines Nichtraucherschutzgesetzes folgten in den Jahren darauf und am 3. Oktober 2003 trat die novellierte Arbeitsstättenverordnung in Kraft, die die Arbeitgeber nominelldazu verpflichtet, ihre Angestellten am Arbeitsplatz vor dem Tabakrauch zu schützen (ausgenommen sind Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr). Durch diese Verordnung werden jedoch übergreifend keine rauchfreien Arbeitsplätze geschaffen und bis Januar 2006 hatte die Bundesregierung noch kein bedeutsames Programm aufgelegt um die Umsetzung und Vollzug der Verordnung zu fördern. Im Jahr 2003 waren nahezu ein Drittel (32,5%) der deutschen Bevölkerung Raucher, neueste Daten zeigen, dass in Deutschland täglich mindestens neun Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben. Da dieser Berechnung lediglich die häufige Exposition von Nichtrauchern zu Hause zugrunde liegt, ist die wirkliche Zahl der Todesopfer wahrscheinlich deutlich höher. Dennoch garantieren bisher nur wenige Gesetze Rauchfreiheit und auch sonst hat bis heute keine der wichtigsten Gesundheitsorganisation in Deutschland sich kontinuierlich dem Passivrauchen angenommen bzw. dieses zu einem Hauptthema gemacht. Die Gesundheitspolitik wird in Deutschland bis zum heutigen Tag von Tabakindustrieinteressen dominiert.
"Wie Privatjets dem Klima überdurchschnittlich schaden"Deutschlandfunk vom 16.01.2023"So viel trägt der Luftverkehr zum Klimawandel bei"Frankfurter Allgemeine vom 03.09.2020"Eine Flugreise ist das größte ökologische Verbrechen"Süddeutsche Zeitung am 31.05.2018Spätestens durch die Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus dem Jahr 2020 ist klar, dass die Luftfahrt einen bedeutenden Anteil der globalen Klimaerwärmung ausmacht. Forschende belegten, dass der Anteil der globalen Luftfahrt an der Klimaerwärmung 3,5 Prozent beträgt (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt 2020). Entsprechend steht die Luftfahrtindustrie in Zeiten der wachsenden Sorge um den Klimawandel und den damit einhergehenden Auswirkungen auf den Menschen vor einer wesentlichen Herausforderung: Wie kann die Luftfahrt CO₂-neutral werden?Bislang stehen keine Technologien zur Verfügung, die eine solche Luftfahrt ermöglichen. Gleichzeitig ist eine – durch die Reisebeschränkungen während der Hochphase der Coronakrise nochmals verstärkte – hohe weltweite Nachfrage nach Flugreisen zu verzeichnen. Experten gehen davon aus, dass durch diese fatale Kombination zukünftig der Anteil des Luftverkehrs als Ursache von CO₂ weiter steigen wird (Bopst et al., 2019, S. 31). Deshalb müssen schnell Lösungen gefunden werden, um weitere negative Auswirkungen auf das Klima zu reduzieren.Im vorliegenden Blogbeitrag wird versucht, mögliche Wege der Luftfahrtindustrie hin zu einem klimaneutralen Flugverkehr zu skizzieren. Dazu wird zunächst die Ausgangslage beschrieben und ein Zukunftsszenario skizziert, bevor anschließend mögliche Technologien und politische Maßnahmen zur CO₂-Reduktion erläutert werden. Dabei werden neben technischen Neuerungen, wie nachhaltige Kraftstoffe und das Potenzial von Wasserstoff, die Möglichkeiten und Grenzen der betrieblichen Optimierung und einer staatlichen Regulation diskutiert. Die Ansätze werden dabei stets kritisch hinterfragt.Im zweiten Teil der Arbeit wird untersucht, inwiefern sich Airlines um eine nachhaltige CO₂-Reduktion bemühen. Als Beispiel wurde die Lufthansa Group ausgewählt. Die diesbezüglichen Maßnahmen werden ebenfalls zunächst dargestellt und anschließend kritisch betrachtet. Der Blogbeitrag endet mit einer Zusammenfassung, einer abschließenden Betrachtung der Ergebnisse und einem Verweis auf weitere Aspekte von Nachhaltigkeit beim Reisen.Eine klimaneutrale Luftfahrt – AusgangslageDer weltweite Luftverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Im Jahr 2018 [1] wurde weltweit eine so hohe Zahl an Passagieren wie nie zuvor befördert. Deren Anzahl hat sich seit den 1990er-Jahren um mehr als 100 Prozent erhöht (Bopst et al., 2019, S. 17). Allein im Jahr 2018 stieg die Anzahl der Passagiere weltweit um 6,7 Prozent und in Europa um 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (International Civil Aviation Organization (ICAO) 2019, S. 1). In Deutschland hat sich die Zahl der Fluggäste seit 1991 verdreifacht und erreichte 244 Millionen im Jahr 2018 (Bopst et al., 2019, S. 17).Trotz des Einbruchs im Flugverkehr aufgrund der Coronapandemie in den Jahren 2020 bis 2022 wird spätestens im Jahr 2025 mit einer vollständigen Erholung des Luftverkehrs gerechnet. Es gibt auch Modelle, gemäß denen davon ausgegangen wird, dass sich die Luftfahrt bereits bis 2023 vollständig erholt und bis 2025 das Vorkrisenniveau weit überschritten wird. Je nach Szenario wird bis 2040 mit einem jährlichen Wachstum von 2,8 bis 3,5 Prozent gerechnet, was einen Anstieg der Passagierzahlen auf bis zu 9,4 Mrd. Passagiere weltweit bedeutet (Gelhausen 2021; vgl. EASA at al. 2019, S. 15).Das Wachstum des Luftverkehrs in den vergangenen Jahren hat mehrere Ursachen. Eine zentrale Rolle spielen dabei sinkende Kosten auf der Angebotsseite, insbesondere durch den Rückgang von Produktionsfaktoren wie dem Kerosinpreis um mehr als die Hälfte in den letzten zwanzig Jahren (Bopst et al., 2019, S. 17f.). Auch Lohn- und Beschaffungskosten für Luftfahrzeuge sanken. Durch die steigende Treibstoffeffizienz, eine höhere Auslastung und eine höhere operative Leistung der Flugzeuge sowie die Bildung von Airline-Allianzen wurde diese Entwicklung unterstützt.Neben dem Passagierverkehr verzeichnete auch der Frachtverkehr erhebliche Zuwachsraten in den letzten Jahrzehnten. Die jährliche Frachtmenge in Deutschland ist seit 1991 um 243 Prozent auf 4,9 Mio. t im Jahr 2017 gestiegen (ebd., S. 21).Die steigende Nachfrage im Personen- und Frachtverkehr führt dazu, dass in Zukunft deutlich mehr Flugzeuge benötigt werden. Airbus prognostiziert eine Verdopplung der weltweiten Flotte bis 2036 (Bopst et al., 2019, S. 21). Trotz technischer Weiterentwicklungen und gesteigerter Effizienz bei gleichzeitiger Reduktion umweltschädlicher Schadstoffe trägt die Luftfahrt in einem bedeutenden Ausmaß zur Umweltbelastung bei. Flugzeuge sind zwar energieeffizienter geworden, aber die jährliche Effizienzsteigerung hat in der laufenden Dekade abgenommen und wird in der kommenden Dekade voraussichtlich im Durchschnitt bei 1,4 Prozent pro Jahr liegen (ebd.).Trotz dieser Fortschritte kann durch Effizienzsteigerungen der prognostizierte Anstieg der Verkehrsleistung nicht ausgeglichen werden, was bedeutet, dass der Kerosinverbrauch und der Endenergiebedarf des Luftverkehrs in Zukunft weiter zunehmen werden (ebd., S. 25). Es wird erwartet, dass der weltweite Kerosinverbrauch im Jahr 2050 je nach Szenario zwischen 484 und 1096 Millionen Tonnen liegen wird (Cames et al., 2019).Der Treibstoff verursacht eine Vielzahl klimarelevanter Emissionen. Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan, Lachgas, halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, Fluorkohlenwasserstoffe, Schwefelhexafluorid und Stickstofftrifluorid beeinflussen die Strahlungsbilanz der Erde (Bopst et al., 2019, S. 26). Sie lassen die einfallende Sonnenstrahlung passieren, blockieren aber die von der Erdoberfläche abgestrahlte langwellige Wärmestrahlung. Treibhausgase absorbieren diese Wärmestrahlung und strahlen sie in alle Richtungen, einschließlich der Erdoberfläche, ab. Dies führt insgesamt zu einer höheren Strahlungsbelastung auf der Erdoberfläche.Zusätzlich zu den Treibhausgasemissionen, die direkt bei der Verbrennung von Kerosin im Luftverkehr entstehen, gibt es andere Emissionen, wie Partikel, Wasserdampf, Schwefel- und Stickoxide, die ebenfalls zur Klimaveränderung beitragen (ebd. S. 27). Diese Emissionen beeinflussen die Bildung von Aerosolen und Wolken sowie die Konzentration bestimmter atmosphärischer Gase und tragen dadurch ebenfalls zur Veränderung des Strahlungshaushalts bei.Die CO₂-Emissionen des zivilen Luftverkehrs in Deutschland betrugen im Jahr 2017 etwa 31,2 Mio. t CO₂, wovon 2,1 Mio. t auf Inlandsflüge entfielen (ebd. S. 30). Im Vergleich dazu betrug die Gesamtmenge der CO₂-Emissionen des zivilen Luftverkehrs in Deutschland im Jahr 1990 etwa 14,3 Mio. t CO₂ (Inlandsflüge: 2,2 Mio. t CO₂) (ebd.). Somit ist der CO₂-Ausstoß des Luftverkehrs in Deutschland innerhalb von 27 Jahren um 117 Prozent gestiegen. Global betrachtet trug der zivile und militärische Luftverkehr im Jahr 2015 etwa 875 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen bei, was etwa 2,5 % der gesamten vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen entspricht (ebd.). Ohne weitergehende Maßnahmen werden auch klimarelevante Emissionen zukünftig weiter ansteigen.Im European Aviation Environmental Report 2019 werden Prognosen für die zukünftigen CO₂-Emissionen des zivilen Luftverkehrs in Europa bis zum Jahr 2040 präsentiert. Die Prognosen basieren auf drei Szenarien, die sich in der Entwicklung der Verkehrsleistung unterscheiden. Beim wahrscheinlichsten Szenario, dem 'base traffic forecast' der ICAO, wird bis 2040 von einem Anstieg der weltweiten CO₂-Emissionen, verursacht von der Luftfahrt, auf 198 Mio. t bis 224 Mio. t ausgegangen, abhängig von der technologischen Entwicklung. Dies entspricht einem Anstieg von 21 Prozent bis 37 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2017 (EASA et al. 2019, S. 23).Folglich werden in den kommenden Jahrzehnten durch den zunehmenden Flugverkehr die bereits bestehenden Umweltbelastungen weiter verstärkt. Ferner ist mit einem überproportionalen Anstieg der auf den Luftverkehr zurückzuführenden Treibhausgasemissionen zu rechnen, da andere Sektoren, wie die Automobilindustrie und der Energiesektor, voraussichtlich früher und umfassender ihre CO₂-Emissionen reduzieren werden (Bopst et al., 2019, S. 31).Maßnahmen für die Erreichung einer klimaneutralen LuftfahrtAufgrund des zunehmenden Umweltbewusstseins ist auch die Luftfahrtbranche gezwungen, sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Entsprechend wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der Luftfahrt umgesetzt bzw. befindet sich noch in der Umsetzung. Im Folgenden wird ein Teil dieser Maßnahmen exemplarisch erläutert.Nachhaltige und klimaneutrale AntriebsstoffeKernpunkt einer nachhaltigen Luftfahrt ist das Umstellen auf alternative Antriebsarten von Flugzeugen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es allerdings keine Antriebskonzepte, die bei Autos, Schiffen oder Zügen funktionieren und größtenteils bereits etabliert sind und die auch bei Flugzeugen eingesetzt werden können. Daher wird in der Industrie vor allem auf drei zukunftsweisende Technologien gesetzt, den Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen, Wasserstoff als Antriebsmittel für Flugzeuge sowie elektronische Antriebsarten.In der Entwicklung am fortgeschrittensten und daher kurzfristig einsetzbar sind nachhaltige Treibstoffe für die Luftfahrt, konkret nachhaltige Flugkraftstoffe (engl.: Sustainable Aviation Fuels – SAF). Eine nachhaltige und CO₂-neutrale Luftfahrt erfordert den Einsatz von Flugkraftstoffen, die aus erneuerbaren Energiequellen und nachhaltig produzierten Rohstoffen hergestellt werden, um fossiles Kerosin zu ersetzen (Bundesregierung 2021).Durch den Einsatz von SAF entsteht ein Kohlenstoffkreislauf, der weitgehend geschlossen ist. Der eingesetzte Kraftstoff wird aus CO₂ gewonnen, das im Idealfall zuvor aus der Atmosphäre absorbiert wurde (Geffert 2022). Es entsteht ein Kreislauf, bei dem kein zusätzliches CO₂ produziert wird, sondern das in der Atmosphäre vorhandene Kohlendioxid wiederverwertet wird.Von der Bundesregierung besonders gefördert werden 'Power-to-Liquid'-Kraftstoffe (PtL), bei denen aus Strom, Wasser und CO₂ flüssige Kraftstoffe hergestellt werden. Diese Art von Antriebsstoffen wird auch als 'strombasierte Kraftstoffe' bezeichnet (Bundesregierung 2021). Um einen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu leisten, ist es entscheidend, erneuerbare Energiequellen bei der Herstellung zu nutzen. Es wird als realistisch angesehen, dass bis 2030 im deutschen Luftverkehr mindestens 200.000 Tonnen Kerosin aus PtL verwendet werden (ebd.). Diese Menge entspricht etwa 2 Prozent des Kerosinverbrauchs in Deutschland im Jahr 2019 (ebd.).Die bis zum derzeitigen Zeitpunkt hohen Produktionskosten und die begrenzte Verfügbarkeit der PtL sind zentrale Herausforderungen für eine nachhaltige Luftfahrt (Flottau 2023). Um diesen zu begegnen, wurden von der Bundesregierung Maßnahmen zur Förderung der Produktion veranlasst. In einem gemeinsamen Papier der Bundesregierung und der Luftfahrtindustrie werden die Maßnahmen erläutert. Unter anderem plant die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, die Kostenlücke von SAF zu herkömmlichen Kraftstoffen zu schließen, die weitere Forschung und Entwicklung finanziell zu fördern (dazu zählen auch die Förderung und der Bau von SAF-Produktionsanlagen, um den Markthochlauf von PtL-Kerosin zu beschleunigen) sowie SAF bei der Flotte der Flugbereitschaft beizumischen, um als Vorläufer und Ankerkunde zum Markthochlauf beizutragen (Bundesregierung 2022, S. 5f.).Der bedeutendste Vorteil gegenüber anderen Antriebsmitteln und Technologien ist, dass SAF herkömmlichem Kerosin bis zu 50 Prozent beigemischt werden können, ohne dass es nötig ist, Anpassungen an Flugzeugen und Triebwerken vorzunehmen (Geffert 2022). Entsprechend hat die EU-Kommission im Frühjahr 2023 gesetzliche Regelungen für eine Beimischung beschlossen. Ab dem Jahr 2025 ist es erforderlich, dass alle Flüge, die von Flughäfen in der Europäischen Union starten, mindestens zwei Prozent nachhaltige Flugkraftstoffe beimischen (Flottau 2023; Europäische Union 2023). Bis 2030 wird die Quote auf sechs Prozent erhöht und schließlich bis zum Jahr 2050 schrittweise auf eine Beimischungsquote von siebzig Prozent angehoben.Beim Abflug von Flughäfen in der Europäischen Union dürfen Luftfahrzeugbetreiber zudem nur so viel Kraftstoff tanken, wie für den Flug tatsächlich benötigt wird, um zusätzliche Emissionen aufgrund von erhöhtem Gewicht zu vermeiden und um ein 'Tankering' zu verhindern (Europäische Union 2023). Durch Letzteres wird die absichtliche Mitnahme von zusätzlichem Kraftstoff beschrieben, um den Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen zu vermeiden.Neben den SAF als kurzfristig verfügbare Brückenlösung spielen die Entwicklung neuer emissionsfreier Antriebe eine zentrale Rolle. Als vielversprechender Ansatz gilt der Einsatz von regenerativem Wasserstoff als Antrieb, dessen Potenzial vor allem für den Einsatz in Brennstoffzellen, Gasturbinen und hybriden Lösungen untersucht wird (BDLI 2020, S. 4ff).Zwei Ansätze werden hierbei verfolgt. Zum einen wird beobachtet, inwiefern Wasserstoff, wie bei herkömmlichen Turbinen, direkt verbrannt werden kann und dadurch Triebwerken Schub verleiht. Bedeutend höheres Potenzial wird 'Flying Fuel Cells' zugesprochen, einer Brennstoffzelle, die flüssigen Wasserstoff in Strom umwandelt, der dann für den Antrieb des Flugzeugs genutzt werden kann (Weiner 2022; Geffert 2023).Gemein haben beide Technologieansätze, dass lediglich Wasser als Emission zurückbleibt, sofern Wasserstoff mithilfe regenerativer klimaneutraler Energien gewonnen wird (Geffert 2022). Bevor diese Technologien jedoch in hohem Umfang im Flugbetrieb zum Einsatz kommen können, bedarf es erheblicher Entwicklungsprozesse und Innovationssprünge. Neben der Entwicklung von Antriebstechnologien besteht die zentrale Herausforderung darin, das erheblich größere Volumen von verflüssigtem Wasserstoff im Vergleich zu Kerosin und damit notwendige größere Tanks in das Flugzeug zu integrieren (ebd.).Ebenfalls noch ungelöst sind Probleme, die im Zusammenhang mit Batterietechnik und Fliegen stehen. Die Verwendung von Batterien im elektrischen Flugverkehr hat zwar den Vorteil, dass sie während des Fluges keine Emissionen verursachen, einen hohen Wirkungsgrad aufweisen und es ermöglichen, eine hohe Energiemenge in kurzer Zeit abzugeben, aufgrund ihrer begrenzten Speicherkapazität sind derzeitige Batterien für den Einsatz in der kommerziellen Luftfahrt jedoch nicht geeignet. (BDLI S. 8).Auch wenn in den kommenden Jahren weiter Fortschritte hinsichtlich der Speicherkapazität zu erwarten sind, ist anzunehmen, dass elektrisches Fliegen sich vornehmlich auf die Bereiche kleine Motorsegler, Flugtaxis und Kleinflugzeuge für regionale Strecken beschränkt. Eine vielversprechende Option auf lange Sicht sind hybride Antriebe. Gasturbinen und elektrische Antriebe werden dabei so kombiniert, dass sie sich ergänzen und elektrische Antriebe besonders in Phasen mit hohem Energiebedarf die kerosinbetriebene Turbine unterstützen (ebd.).Effizientere Flugführung im europäischen LuftraumDurch die Fortentwicklung eines 'Single European Sky' kann ein maßgeblicher Beitrag zur aktiven Bekämpfung des Klimawandels geleistet werden. Bereits durch die Optimierung von Flugrouten im deutschen Luftraum konnte eine Reduzierung von Umwegen und somit eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs erzielt werden. Auf europäischer Ebene konnten beispielsweise seit 2014 durch die Einführung des 'Free Route Airspace' mehr als 2,6 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Dies entspricht etwa 0,5 Prozent der insgesamt durch den Luftverkehr verursachten CO₂-Emissionen innerhalb der Europäischen Union (BDL 2021).Um das vollständige Potenzial auszuschöpfen, wurden von politischer Seite weitere Maßnahmen zur Vereinheitlichung des europäischen Luftraums eingeleitet. Anhand von Untersuchungen wird deutlich, dass durch die Realisierung eines einheitlichen europäischen Luftraums pro Flug 250 bis 500 kg Kraftstoff bzw. 0,8 bis 1,6 Tonnen CO₂ eingespart werden können, indem optimierte und direktere Flugrouten genutzt werden (ebd.).Verbesserte Flugverfahren, wie kontinuierliche Sinkflüge und das Vermeiden von Warteschleifen, bieten weiteres Einsparungspotenzial von bis zu 325 kg Kraftstoff pro Flug (ebd.). Neben der Optimierung der Flugdurchführung gilt es auch, die Prozesse am Boden weiter zu verbessern. Kürzere Rollwege mit weniger Zwischenstopps bieten weitere Einsparungsmöglichkeiten von 38 bis 75 kg Kraftstoff (ebd.).CO2-neutraler FlughafenbetriebNeben den Flugzeugen selbst tragen Flughäfen und die damit verbundene Infrastruktur zu einer Belastung der Umwelt durch den CO2-Ausstoß bei. Entsprechend kann eine Optimierung der Flughafeninfrastruktur dazu beitragen, die Menge an Treibhausgasen zu reduzieren und so das Fliegen umweltfreundlicher zu gestalten. Zahlreiche Flughäfen haben bereits Maßnahmen ergriffen, um dies zu erreichen. Unterstützt werden sie in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung, die eine Reihe von Projekten finanziell fördert (Bundesregierung 2022).Die Maßnahmen schließen folgende Bereiche ein: Energieversorgung der Flughäfen, Gebäudetechnik, Einsparungen im Bereich der flughafenspezifischen Anlagen sowie der Bereich Fuhrpark und Mobilität (vgl. BDL 2021). Im Kontext der Energieversorgung wird eine besondere Förderung für Projekte gewährt, die sich auf die lokale und ökologische Energieerzeugung konzentrieren. Hierbei liegt der Fokus entweder auf der Eigenproduktion von Energie, z.B. durch den Einsatz von Photovoltaikanlagen, oder auf der Nutzung regional gewonnener erneuerbarer Energien (ebd.).Zusätzlich werden Fördermittel für Projekte bereitgestellt, die auf die energetische Nachhaltigkeit von Gebäuden abzielen, wie durch den Bau von entsprechend konzipierten Neubauten oder durch die energetische Optimierung bereits bestehender Bauten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Optimierung von flughafenspezifischen Anlagen. Beispielhaft ist hier die Umstellung der Vorfeldbeleuchtung auf LED-Leuchtmittel zu nennen. Besonders hohes Einsparpotenzial bietet ferner die Umstellung von für den Flugbetrieb nötigen Bodenfahrzeugen auf alternative Antriebsformen wie Elektromobilität und alternative Kraftstoffe.Vernetzung mit anderen VerkehrsträgernEine Vernetzung der Verkehrsträger trägt zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen bei. Dabei sollen Verkehrsträger miteinander vernetzt werden, um ihre verkehrlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile am geeignetsten zu nutzen (BDL & DB 2021, S. 2). Ziel ist hierbei eine Verringerung des innerdeutschen Flugverkehrs auf ein Minimum. Dazu ist es allerdings unabdingbar, die Bahninfrastruktur weiter auszubauen und Flughäfen stärker an das bestehende Bahnnetz anzuschließen.Durch den umfangreichen Ausbau der Infrastruktur, die Bereitstellung leistungsstarker und attraktiver Angebote sowie die Verbesserung der gemeinsamen Services entlang der Reisekette können das Mobilitätsangebot attraktiver gestaltet und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Hierbei liegt das Potenzial bei bis zu 4,3 Mio. Reisenden jährlich und einer damit verbundenen Reduzierung der CO₂-Emissionen um rund ein Sechstel im innerdeutschen Flugverkehr (ebd., S. 3).Prognosen zufolge wird der Luftverkehr innerhalb Deutschlands auf Kurzstrecken bis 2030 stark zurückgehen und nur noch auf längeren Strecken, wie zwischen Hamburg und München, profitabel sein. Bis zum Jahr 2050 ist zudem geplant, die Schieneninfrastruktur in Deutschland so weit auszubauen, dass nahezu alle innerdeutschen Flugverbindungen zwischen den großen Drehkreuzen und Ballungszentren durch Bahnfahrten innerhalb von vier Stunden ersetzt werden können (Bopst et al., 2019, S. 58). Durch die Einbindung der Flughäfen ins Schienennetz wird auch der Schienengüterverkehr profitieren. Die allgemeine Zielsetzung ist, dass bis 2050 schnelle Güterzüge im Nachtverkehr nationale Frachtflugverbindungen ersetzen können (ebd.).EmissionshandelDer Emissionshandel gilt als weiterer Baustein für eine klimaneutrale und nachhaltige Luftfahrt. Inwiefern der Emissionshandel zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann, wird bereits in verschiedenen Blogbeiträgen näher erläutert. An dieser Stelle sei daher insbesondere auf die Beiträge von Marion Stieger und Alexandra Knöchel verwiesen. Beide Autorinnen beleuchten, inwiefern der Emissionshandel zu einer Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit führen kann. Die in den Blogbeiträgen beschriebenen Prinzipien gelten selbstverständlich gleichermaßen für die Luftfahrt.Kritische Betrachtung der MaßnahmenObwohl es in den vergangenen Jahren zahlreiche Innovationen und technologische Fortschritte in der Luftfahrtindustrie gab, besteht weiterhin ein signifikanter Entwicklungsbedarf, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Zur Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff in Fluggasturbinen und Brennstoffzellen müssen zunächst zahlreiche neue Technologien entwickelt werden. Dies sind insbesondere Brennstoffzellen, Elektroantriebe und Tanks, die speziell für flüssigen -253 Grad kalten Wasserstoff konzipiert sind.Diese Technologien müssen anschließend wiederum in das Design und die Struktur des Flugzeugs integriert werden, was aufgrund des deutlich größeren Volumens von Wasserstoff im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin eine Neukonstruktion des Flugzeugs erforderlich macht (Geffert 2022). Unter Berücksichtigung der langen Entwicklungszyklen von Flugzeugen, die zwanzig bis dreißig Jahre betragen, sind solche Technologien frühestens Mitte der 2050er Jahre verfügbar.Wie weiter oben beschrieben, setzen EU-Kommission und Fluggesellschaften daher auf SAF. Neben den bekannten Herausforderungen der hohen Kosten und begrenzten Verfügbarkeit stellt die Nutzung von SAF auch in ökologischer Hinsicht eine komplexe Problematik dar (Frankfurter Allgemeine 2022). Das bisher bedeutendste Problem ist die begrenzte Produktionskapazität von alternativem Flugtreibstoff, da momentan die Verfügbarkeit von Rohstoffen nicht ausreicht, um den tatsächlichen Bedarf an Kerosin zu decken (ebd.; vgl. McCurdy 2021).Außerdem wird dieser alternative Treibstoff mittlerweile auch in anderen industriellen Bereichen eingesetzt, was zu einem Wettbewerb zwischen der Luftfahrtindustrie und anderen Branchen um eine begrenzte Ressource führt. Ferner ist für die Produktion dieser Treibstoffe ein erheblicher Energieaufwand notwendig. Diese Energie müsste demnach ebenfalls nachhaltig gewonnen werden, um eine positivere Klimabilanz als herkömmliches Kerosin zu erreichen. Die Produktion von nachhaltigem Kerosin ist entsprechend vom Ausbau der nachhaltigen Energiegewinnung abhängig.Der Einsatz von PtL-Kraftstoffen in der Luftfahrt wird von einem Teil der Experten kritisiert, da die vermeintliche CO₂-Reduktion durch diese Treibstoffe nicht auf einer tatsächlichen Einsparung von CO₂ beruht. Stattdessen wird das für die Herstellung der PtL-Kraftstoffe benötigte CO₂ zunächst der Umwelt entzogen und später bei der Verbrennung des Kraftstoffs wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Dieser Ansatz führt zu einer scheinbaren Kompensation von CO₂-Emissionen, die jedoch letztlich darauf hinausläuft, dass die CO₂-Bilanz lediglich als ausgeglichen angesehen werden kann. Im günstigsten Fall sollte kein zusätzliches CO₂ bei der Herstellung und dem Transport anfallen. In diesem Fall ergibt sich ein Nullsummenspiel, das jedoch nicht zur Lösung des Klimaproblems beiträgt (McCurdy 2021).Kritik kommt auch von den Airlines, die insbesondere die deutlich höheren Preise von SAF und einen damit verbundenen Wettbewerbsnachteil kritisieren. Gemäß dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) führt die Einführung von Quoten sowohl auf innereuropäischen Flügen als auch auf Langstreckenflügen, die von Drehkreuzen innerhalb der Europäischen Union starten, zu signifikanten Preissteigerungen.Berechnungen des Wirtschaftsprüfungsinstituts PricewaterhouseCoopers zufolge können durch den Einsatz von SAF Flugtickets um bis zu 16 Prozent teurer werden, wodurch ein erheblicher Wettbewerbsnachteil europäischer Airlines gegenüber außereuropäischer Konkurrenten entsteht (Frankfurter Allgemeine 2022; Flottau 2023). Laut den Berechnungen ist ebenfalls davon auszugehen, dass die genannten Kraftstoffe noch bis weit in die 2040er deutlich teurer als herkömmliches Kerosin aus fossilen Rohstoffen sein werden.Um einen dadurch entstandenen Wettbewerbsnachteil deutscher und europäischer Airlines zu minimieren, setzt sich die Bundesregierung dafür ein, durch Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten zu gewährleisten, dass sich Luftfahrtunternehmen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union beim Über- und Einfliegen in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verpflichten, die nationalen und europäischen Umweltschutzvorschriften einzuhalten (Bundesregierung 2021).Nachhaltigkeitsstrategien der Lufthansa GroupIm ersten Abschnitt dieses Beitrags konnte dargelegt werden, inwiefern durch die Luftfahrt zu einer nachhaltigeren Lebensweise und zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes sowie dem damit verbundenen, durch Menschen verursachten Klimawandel beigetragen werden kann. Dabei wurde vorwiegend die wissenschaftliche Perspektive eingenommen und über den aktuellen Stand der Forschung berichtet.Im folgenden Abschnitt soll eine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgen, welche konkreten Maßnahmen von den Airlines, d.h. den Verursachern, zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes ergriffen wurden. Hierzu wurde die Lufthansa Group als eines der führenden Luftfahrtunternehmen weltweit ausgewählt.Vorstellung der Lufthansa GroupIm Jahr 2022 hat die Lufthansa Group 826.379 Flüge mit 710 Flugzeugen durchgeführt und etwa 100 Mio. Passagiere befördert (Lufthansa Group 2023a, S. 3). Um die Beförderungsleistung erbringen zu können, wurden 7.284.584.000 Tonnen Treibstoff benötigt, was wiederum zu einem Ausstoß von 22.946.441.000 Tonnen CO₂-Emissionen führte (ebd.) Durchschnittlich wurden 3,59 Liter Kerosin pro 100 Passagierkilometer verbraucht, wobei auch ein Ausstoß von 9 Kilogramm CO2 je 100 Passagierkilometer zu berechnen ist (ebd.). Je nach Entfernung eines Flugs variiert der Verbrauch. Im Vergleich zu Kurzstrecken- wird auf Langstreckenflügen lediglich rund die Hälfte des Treibstoffs verbraucht (3,32 l/100 pkm auf Langstrecken- im Vergleich zu 5,89 l/100 pkm auf Kurzstreckenflügen) (ebd., S. 17). Trotz des höheren Verbrauchs auf Kurzstreckenflügen entfallen vor allem aufgrund der längeren zurückgelegten Strecken rund 57 Prozent des Treibstoffverbrauchs auf Langstreckenflüge, womit diese den größten Anteil an CO2-Emissionen haben.Um die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin zu stärken, wurde in den letzten Jahren der Fokus verstärkt auf die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens gelegt und Maßnahmen, insbesondere im Bereich der CO₂-Reduktion, wurden weiter verstärkt (Lufthansa Group 2023a, S. 6). Nach eigenen Angaben hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, die Netto-CO₂-Emissionen im Flugbetrieb verglichen zum Jahr 2019 zu halbieren und bis zum Jahr 2050 einen CO₂-neutralen Flugbetrieb durchzuführen (ebd.). Zudem soll zumindest an den Heimatflughäfen (Frankfurt, München, Wien, Zürich, Genf, Brüssel und den Eurowings-Basen) der Bodenverkehr auf CO₂-neutrale Antriebe umgestellt werden (ebd., S. 8).Um die angestrebten Ziele zu erreichen, wurden die eingeschlagenen Maßnahmen 'Science-based Targets initiative' validiert (ebd.). Dieser Standard verpflichtet Unternehmen, sich kurz- bis mittelfristige Ziele (fünf bis fünfzehn Jahre) zur CO₂-Reduktion zu setzen, wobei genau festgelegt wird, wann wie viele Emissionen reduziert werden. Die Vorgehensweisen und Werte orientieren sich dabei an den Zielen des Pariser Abkommens und beziehen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ein. Im weltweiten Vergleich ist die Lufthansa Group erst die zweite Airline, die nach diesen Standards zertifiziert wurde (ebd.).Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen der Lufthansa GroupDie Maßnahmen sind vielfältig und erstrecken sich vorwiegend auf die Bereiche Flottenerneuerung, nachhaltige Kraftstoffe und die erhöhte intermodale Vernetzung von Flug- und Bahnverkehr. Trotz einer erheblichen Steigerung der Transportleistung wurde in den vergangenen Jahren der Treibstoffverbrauch im Verhältnis deutlich gesenkt. Im Zeitraum von 1991 bis 2022 stieg die Transportleistung der Lufthansa Group um 290 Prozent (Lufthansa Group 2023a, S. 14). Beim Vergleich des Anstiegs des Treibstoffverbrauchs mit den Werten der Transportleistung ist im gleichen Zeitraum lediglich eine Zunahme um 133 Prozent zu verzeichnen. Im Vergleich zum Bezugsjahr 1991 ist dies eine Effizienzsteigerung von über vierzig Prozent (ebd.).Zurückzuführen ist dies auf eine kontinuierliche Erneuerung der Flugzeugflotte und dem damit verbundenen Einsatz effizienterer und kerosinsparender Flugzeuge (ebd.). Neue Flugzeuge, wie die Langstreckenmodelle Airbus A350-900 und Boeing 787-9, sowie die Kurzstreckenmodelle Airbus A320neo und A321neo haben einen im Vergleich zu den Vorgängermodellen reduzierten Treibstoffverbrauch von bis zu dreißig Prozent (ebd.).Auch zukünftig fördert die Lufthansa Group eine konsequente Erneuerung der Flotte und hat im Zuge dessen zahlreiche Flugzeuge der neuesten Generation bestellt. Allein bis Ende 2024 stoßen 24 neue Langstreckenflugzeuge zur Konzernflotte hinzu und ersetzen ältere Modelle, wie die mit vier Triebwerken versehenen Flugzeuge des Typs Airbus A340-300 und 747-400. Bis 2030 werden weitere 180 neue Flugzeuge ältere, weniger effiziente Flugzeuge ersetzen (ebd.).Die Lufthansa Group engagiert sich neben der Erneuerung ihrer Flotte für die Entwicklung und Erforschung nachhaltiger Kraftstoffe und neuer Antriebsmethoden für Flugzeuge. Bereits im Jahr 2022 konnten durch den Einsatz von modernen SAF rund 43.900 Tonnen CO₂ eingespart werden, wobei etwa 40.000 Tonnen auf die direkte Einsparung beim Verbrennungsprozess und etwa 4000 Tonnen auf vorgelagerte Prozesse, wie den Transport, zurückzuführen sind (Lufthansa Group 2023a, S. 16).Es wird angestrebt, den Anteil von SAF kontinuierlich zu erhöhen. Hierzu fördert die Lufthansa Group zahlreiche Projekte, die darauf abzielen, die Verfügbarkeit dieser Kraftstoffe zu erhöhen und ihre Produktionskosten zu senken. In diesem Rahmen wurde eine Partnerschaft mit einer der ersten Raffinerien zur Herstellung von SAF-Kerosin eingegangen und es wurde vereinbart, dass die Lufthansa Group eine garantierte Menge von mindestens 25.000 Liter dieses umweltfreundlichen Kraftstoffes abnimmt (Lufthansa Group 2022).Zudem haben das Unternehmen und der Energiekonzern VARO Energy eine gemeinsame Absichtserklärung über einen zügigen Ausbau nachhaltiger Treibstoffe unterzeichnet. Diese beinhaltet die Herstellung und Lieferung größerer Mengen von SAF ab 2026 an das Drehkreuz München (Lufthansa Group 2023b). Daneben wollen beide Unternehmen gemeinsam an "innovativen Verfahren" (ebd.) zur Herstellung von grünem Wasserstoff aus biogenen Abfallstoffen arbeiten.Die Erforschung des Potenzials von Wasserstoff als zukünftigen Antrieb für Flugzeuge ist auch Thema bei einer gemeinsamen Forschungsinitiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, des Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung und des Hamburg Airport. Gemeinsam wollen die Partner Wasserstoff als potenziellen nachhaltigen Flugzeugtreibstoff erproben und haben dazu das Projekt A320 Hydrogen Aviation Lab entwickelt (Lufthansa 2023a, S. 15). Das Projekt umfasst die Konzeption und Erprobung von Boden- und Wartungsprozessen in Verbindung mit Wasserstofftechnologie.Lufthansa Technik unterstützt vor allem bei der Entwicklung zukünftiger Wartungs- und Reparaturtechniken sowie bei der Entwicklung eines auf -253 Grad Celsius kühlbaren Tanksystems für Wasserstoff an Bord von Flugzeugen (ebd.). Basierend auf dem derzeitigen Stand der Technik würde die Betankung eines Verkehrsflugzeuges mit Wasserstoff mehrere Stunden dauern (ebd.). Um den Betrieb mit diesem Kraftstoff wirtschaftlich realisieren zu können, ist es notwendig, Technologien zu entwickeln, die einen wirtschaftlichen Flugbetrieb ermöglichen.Weiterhin ist die intermodale Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern, speziell der Bahn, erklärtes Ziel der Lufthansa Group. In den letzten Jahren ist der innerdeutsche Flugverkehr bereits erheblich zurückgegangen. Im Vergleich zum Jahr 2004 ist die Zahl an innerdeutschen Flügen um 22 Prozentpunkte gesunken (Lufthansa Group 2020).Um die Vernetzung weiter zu fördern, bietet Lufthansa Express Rail Passagieren aufeinander abgestimmte Zug-Flug-Verbindungen an. Dies beinhaltet neben einer Umsteigegarantie die Möglichkeit, das Gepäck direkt am 'AIRail-Terminal' einzuchecken (ebd.). Eine weitere Ausweitung des Lufthansa Express Rail-Netzes wird bei gleichzeitiger Verdichtung der Taktfrequenzen angestrebt.Zudem investiert das Unternehmen in eine Vielzahl kleinerer Projekte zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks in der Luftfahrt. Die AeroShark-Technologie, die von der BASF und der Lufthansa Group gemeinsam entwickelt wurde, soll an dieser Stelle exemplarisch angesprochen werden. Dabei handelt es sich um eine bionische Klebefolie, die der mikroskopischen Struktur der Haut eines Haifischs nachempfunden wurde und an den Rumpf von Flugzeugen angebracht wird (Lufthansa Group 2022). Durch die aerodynamische Wirkung verringert sich der Luftwiderstand und der Treibstoffverbrauch wird gesenkt. Der erste Test an einer Boeing 777 der Swiss hat eine jährliche Treibstoffersparnis von bis zu 1,1 Prozent ergeben (ebd.). Dies entspricht etwa 4800 Tonnen Kerosin und 15.200 Tonnen CO₂-Ersparnis bei einer Ausweitung der Technologie auf die gesamte Boeing 777-Flotte der Konzerntochter (ebd.).Kritische Betrachtung der Nachhaltigkeitsbemühungen der Lufthansa GroupTrotz der erläuterten Bemühungen und Fortschritte der Lufthansa Group im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es Kritikpunkte an den getroffenen Maßnahmen. Kritik kann besonders an der bestehenden Flotte der Lufthansa Group geäußert werden. Obwohl die Flottenerneuerung beschlossen wurde, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und Kapazitäten zu erweitern, setzt das Unternehmen weiterhin auf eine Vielzahl älterer Flugzeuge.Im Vergleich zu anderen Fluggesellschaften hat die Lufthansa Group einen besonders hohen Anteil an vierstrahligen Flugzeugen im Einsatz, deren Effizienz und Treibstoffverbrauch schlechtere Ergebnisse als vergleichbare neuere Flugzeuge erzielen. Aktuell werden im gesamten Konzern noch 84 viermotorige Langstreckenflugzeuge betrieben (Lufthansa 2023b, S. 26). Gemessen an der Gesamtzahl von 194 Langstreckenflugzeugen entspricht das einem Anteil von 43,3 Prozent. Bei den europäischen Konkurrenten ist der Anteil deutlich geringer. Die Air France-KLM-Gruppe betreibt lediglich vier vierstrahlige Flugzeuge, was mit einem Anteil von 1,6 Prozent gleichzusetzen ist (Air France-KLM-Gruppe 2023, S. 55). Einen ähnlich niedrigen Anteil hat auch die International Airline Group, deren Anteil an vierstrahligen Langstreckenflugzeugen im Jahr 2022 bei 6,3 Prozent lag (IAG 2023, S. 104).Ein weiterer Kritikpunkt an der Nachhaltigkeitsstrategie ist, dass die Lufthansa Group sich vornehmlich bemüht, durch technische Lösungen den CO₂-Ausstoß zu senken, während eine Reduzierung des Flugverkehrs, insbesondere im innerdeutschen Verkehr, nicht konsequent umgesetzt wird. Die Partnerschaft mit der Deutschen Bahn in den vergangenen Jahren wurde zwar intensiviert, dennoch bietet die Lufthansa Group weiterhin auch Flüge an, bei denen der Zug eine gleichwertige und zugleich umweltfreundlichere Alternative darstellt.Eine solche Strecke ist unter anderem die Linie Stuttgart-Frankfurt. Im Sommerflugplan 2023 werden die beiden rund 200 Kilometer entfernten Städte weiterhin bis zu fünfmal täglich mit dem Flugzeug bedient, obwohl der ICE als umweltfreundlichere Alternative die Strecke in etwa einer Stunde und 15 Minuten ohne Umsteigen befährt. Die Verbindungen Düsseldorf-Frankfurt, Nürnberg-München und Nürnberg-Frankfurt sind ebenso kritisch zu beurteilen.In diesem Zusammenhang ist auch der fehlende Ausbau der Bahninfrastruktur an deutschen Flughäfen zu bemängeln. Am Beispiel des Flughafens München lässt sich dieser Mangel deutlich erkennen. Der zweitgrößte deutsche Flughafen ist nicht an das ICE-Netz der Deutschen Bahn angeschlossen und wird es nach einer Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums auch zukünftig nicht werden (Süddeutsche Zeitung 2023). Eine Buchung von FlyRail-Verbindungen, wie dies in Frankfurt möglich ist, ist dort nicht umsetzbar, wodurch der Zug an Attraktivität verliert. Besonders die Strecken Stuttgart-München und Nürnberg-München könnten im Rahmen einer Fernverkehrsanbindung des Flughafens München eingestellt werden.Die Kompensationsmaßnahmen der Airline sind ebenfalls kritisch zu betrachten. Mit dem 'Green Fare' bietet die Lufthansa Group seit diesem Jahr Passagieren die Möglichkeit, durch den Kauf eines Tickets vermeintlich klimaneutral zu fliegen, indem die durch die Flugreise verursachten Emissionen kompensiert werden. Zwanzig Prozent der beim Flug verursachten CO₂-Emissionen werden dabei durch den Einsatz von SAF-Treibstoff und die verbleibenden achtzig Prozent durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert, indem an anderer Stelle CO₂ eingespart wird (Lufthansa 2023).Die Kompensation scheint jedoch nur vordergründig das Klima zu schützen. Die Stiftung Warentest bemängelt in diesem Zusammenhang die zu niedrig angesetzte zu kompensierende Menge, durch die nur etwa ein Drittel des ausgestoßenen CO₂ berücksichtigt wird (Stiftung Warentest 2022). Zudem liegt die Kompensation in den Händen der Passagiere. Lufthansa lässt sich entsprechend für die Kompensation und ihre Umweltbemühungen bezahlen. Ferner wird im Verhältnis zum gesamten CO₂-Ausstoß der Airline nur ein kleiner Teil kompensiert (ebd.).Auch Airline-unabhängige Anbieter von Ausgleichszertifikaten befinden sich auf demselben Niveau. Kritisiert werden speziell die Kompensation durch Ex-ante-Zertifikate, bei denen Einsparungen erst in Zukunft anfallen, und die mangelnde Transparenz (ebd.).Im Zuge der Rettung von Teilen der Lufthansa Group durch die Bundesregierung wurde oft die fehlende Verknüpfung der Milliardenhilfe mit Klimaschutzauflagen kritisiert. Besonders im Fehlen von Umweltauflagen, wie die Reduktion bzw. die Einstellung des Inlandsverkehrs und das Bekenntnis zur Emissionsreduktion, zeigt sich eine rein die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigende Vorgehensweise (Forum nachhaltig Wirtschaften 2020). Die Coronakrise und die damit verbundene Reduktion des Flugverkehrs hätten stärker als klimapolitische Chance angesehen werden können, indem vermehrt Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit in den Vordergrund gerückt worden wären (ebd.).ZusammenfassungDieser Beitrag beschäftigte sich mit der Frage, inwiefern sich die Luftfahrt in Richtung Klimaneutralität entwickelt. Dazu wurde zunächst die Ausgangslage beschrieben, dass die weltweite Luftfahrt stark wächst und auch – trotz technischer Innovationen und schadstoffärmerer Flugzeuge – für einen immer höheren Anteil der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Auf dem Weg zur Klimaneutralität werden verschiedene Pfade verfolgt, die teilweise geringe Erfolgsaussichten haben. Exemplarisch wurden die folgenden Möglichkeiten erläutert und anschließend einer kritischen Betrachtung unterzogen:der Nutzen und die Effektivität nachhaltiger Kraftstoffe, insbesondere SAF;eine effizientere Flugführung im europäischen Luftraum und die dadurch ermöglichten kürzeren Flugstrecken;Möglichkeiten eines CO₂-neutralen Flughafenbetriebs unddie intermodale Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern, v.a. der Bahn.Trotz der Bemühungen und der vielfältigen Ansätze, die Luftfahrt in eine CO₂-neutrale Zukunft zu steuern, wird dies auf absehbare Zeit nicht möglich sein, da sich die Forschung noch am Anfang befindet und es noch Jahre bzw. Jahrzehnte dauern wird, bis das erste klimaneutrale Flugzeug serienmäßig gebaut werden kann.Am Beispiel der Lufthansa Group wurden schließlich Maßnahmen aufgezeigt, die Airlines ergreifen, um die Luftfahrt nachhaltiger und klimaneutral zu gestalten. Es zeigte sich, dass der Konzern vorwiegend auf den Einsatz nachhaltiger SAF setzt. Zudem wird die alternde Flotte schrittweise erneuert, wodurch die Effizienz gesteigert wird und der Kraftstoffverbrauch verringert werden kann. Auch die Vernetzung mit der Deutschen Bahn am Flughafen Frankfurt kann als positives Zeichen gewertet werden, wenngleich hierbei eine noch stärkere Partnerschaft wünschenswert wäre.Trotz aller Bemühungen der Lufthansa Group muss die Frage gestellt werden, inwiefern wirtschaftliche Interessen und Nachhaltigkeitsbemühungen in Einklang gebracht werden können. Häufig bleibt der Eindruck zurück, dass finanzielle Aspekte höher als Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit gewichtet werden. Zahlreiche Aspekte deuten darauf hin, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz nur dann mit Nachdruck angegangen werden, wenn dies einen wirtschaftlichen und finanziellen Vorteil mit sich bringt oder von politischer Seite durch Reglementierungen Handlungsdruck erzeugt wird. Dies kommt auch in der ablehnenden Haltung gegenüber fixierten SAF-Quoten innerhalb der Europäischen Union zum Ausdruck.Auch als Kunden der Airlines dürfen wir uns nicht der Verantwortung entziehen, sondern müssen uns über die Konsequenzen unseres Handelns bewusst sein. Wenn wir von Frankfurt nach New York in den Urlaub fliegen, ist dies mit einer erheblichen Belastung für die Umwelt verbunden und die Kompensation der Flugemissionen trägt nicht dazu bei, das Klima nachhaltig zu schützen. Jeder Flug belastet das Klima erheblich, unabhängig davon, ob wir ihn kompensieren, was sich auf absehbare Zeit nicht ändern wird, wie aufgezeigt wurde. Die einzige nachhaltige Lösung ist demnach, den Flugverkehr radikal zu reduzieren, wenn das 1,5 Grad-Ziel noch eingehalten werden soll.Allerdings sollten nicht nur Flugreisen kritisch betrachtet werden, auch der zunehmende Tourismus in zahlreichen Städten und Regionen weltweit hat verstärkt negative Auswirkungen auf psychischer, sozialer, ökonomischer und ökologischer Ebene. An dieser Stelle möchte ich auf den Blogbeitrag von Lea Kopp verweisen, der sich mit dem Thema 'Overtourism' in Barcelona befasst und in dem dargelegt wird, wie die einheimische Bevölkerung und die Natur unter der steigenden Nachfrage nach Reisen in die spanische Metropole leiden. Kopp beschreibt, wie innerstädtische Gentrifizierungsprozesse negative Auswirkungen auf die dort lebende Bevölkerung haben und wie sich die Zufriedenheit der Einwohner:innen, aber auch der Tourist:innen in den letzten Jahren verschlechtert hat.Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Reiselust der Menschen, an die ich mich anschließe, ungebrochen ist. Dennoch müssen wir uns über die Auswirkungen unseres Handelns bewusst sein. Möglicherweise gelingt es, zukünftig mehr Personen davon zu überzeugen, nachhaltig mit dem Zug statt mit dem Flugzeug zu reisen und Urlaub nicht in Übersee, sondern innerhalb Deutschlands zu machen, wodurch ein - wenn auch geringer - Beitrag zur klimaschonenden Zukunft geleistet werden kann.LiteraturBopst, J., Herbener, R., Hölzer-Schopohl, O., Lindmaier, J., Myck, T., & Weiß, J. (Hgs.) (2019). Umweltschonender Luftverkehr lokal – national – international. Umweltbundesamt.Bundesregierung (2021) PtL-Roadmap Nachhaltige strombasierte Kraftstoffe für den Luftverkehr in Deutschland. Verfügbar unter: https://www.bdl.aero/wp-content/uploads/2021/05/PtL-Roadmap.pdf (Zugegriffen: 16. Mai 2023).Bundesregierung (2022) Klimaneutrale Luftfahrt - Gemeinsames Papier der Bundesregierung, bmwk.de. Verfügbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/220621-Klimaneutrale-Luftfahrt-Juni-22-Vfin-Anlage-BR.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Zugegriffen: 28. April 2023).Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e. V. (BDLI) (2020) Nachhaltige und klimaneutrale Luftfahrt aus Deutschland für die Energiewende am Himmel. Verfügbar unter: https://www.bdli.de/sites/default/files/2020-09/TechStrategie_2020_3.pdf (Zugegriffen: 16. 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Background Payments to healthcare providers create a set of economic incentives that influence their behavior, considerations and decision-making. Diagnosis related groups (DRGs) incentivize hospitals to (a) increase the number of cases; (b) increase the income per patient; and (c) reduce costs per patient. For each incentive there may be positive and negative consequences. For example, increasing the number of cases is a positive consequence if the procedures are clinically desirable and appropriate, and if they contribute to reducing waiting times and improving the efficiency of the hospital. However, if the hospital carries out unnecessary or inappropriate procedures, the financial incentive produces a negative result. Responses to economic incentives have important consequences on the patients' clinical outcomes and the providers' financial stability. A principal-agent relationship occurs when one individual (the principal) engages another (the agent), and delegates decision-making power to the agent to perform a service on its behalf. Physicians are perfect agents if they are fully committed to their patients. However, the reality is more complex, and physicians have a range of commitments and considerations, such as their own financial well-being or their organizations' objectives of fiscal equilibrium or profit maximization. Physicians and hospital managers are employed by hospitals and are supposed to act in the interest of their employer. At the same time, they are consulted by patients to make treatment decisions on their behalf. Thus, hospital professionals are "dual agents" because they must reconcile patients' clinical needs and the best treatment available with economic considerations. These simultaneous commitments are sometimes compatible, but may collide or create dilemmas. In some situations, these may result in distorted decision-making or professional burnout, but in others, professionals may be able to fulfill at least some of these considerations. When handled poorly, misaligned considerations may lead to improper care or unbalanced finances. In 2010, the Israel Ministry of Health intensified the adoption of a local variant of DRGs, known as Procedure-Related Group (PRGs) based payments. The main difference between the methods is that while DRGs classify patients based on the main diagnosis, PRGs classify them based on the main procedure performed, and are not adjusted to case-mix or severity of case like DRGs. The PRG reform opened a window of opportunity to study these new economic incentives, and how they impact hospital activities and health professionals' considerations, decision-making, and behavior. The reform created a "natural experiment" that enabled comparison between "before with per diem payments" and "after with PRGs" at various levels. It also made possible a set of interesting comparisons between the Israeli PRG and other countries' DRG-based payments. Objectives This dissertation had four main objectives: 1. To analyze the effects of the PRG reform on hospital activities, as measured by the number of patients and lengths of stay at the ward level. 2. To examine the impact of the introduction of PRG-based payments on average length of stay (ALoS) at the procedure level. 3. To examine the impact of PRG payments from the perspectives of hospital professionals (managers and physicians). Specifically, the goal was to explore which economic incentives were created by the reform, how it affected admission and treatment decision-making, clinical practice, what changes occurred and how hospitals as organizations responded to the payment reform. 4. To examine how hospital professionals work to balance and reconcile clinical and economic considerations in their decision-making in two countries with activity-based payment systems. Methods A mixed-methods design was applied. Sections 5.1 and 5.2, which are quantitative, examined the effect of the adoption of PRGs on hospital activity as measured by number of patients and ALoS. We analyzed inpatient data provided by the Ministry of Health from all 29 public hospitals in Israel between 2005 and 2016. In section 5.1, the observations were made at the level of hospital wards, as proxies for clinical fields. We used difference-in-differences analyses, where the intervention group was surgical wards for which many PRG codes were created between 2010-2013, and the control group was surgical wards for which no PRG codes were created. In section 5.2 the unit of analysis was 14 procedures. We employed a mixed-effects duration analysis approach to address the strictly non-negative and right-skewed ALoS data. We opted for a Bayesian approach to estimate the relative change in ALoS. Since a quantitative analysis may not capture all the impacts of the payment reform, we expanded the data collection and analysis by applying a qualitative approach. In sections 5.3 and 5.4 we examined the perspectives of hospital professionals in terms of the effects of the PRGs' economic incentives and impact. Data were collected through semi-structured in-depth interviews with hospital directors (chief executive officers [CEOs] and chief financial officers [CFOs]), chief physicians and physicians in five Israeli and five German hospitals, purposefully sampled by maximum variation. The interviews were conducted between December 2017 and August 2018 in Israel, and between March and August 2019 in Germany. We interviewed 33 hospital professionals from Israel and 13 from Germany. We used thematic analysis that also involved intercoder reliability and triangulation. Results The findings detailed in section 5.1 revealed that discharges increased more in the control group wards (surgical wards for which no new PRG code was created) than in the intervention wards as a group (surgical wards where many new PRG codes were created). However, a more in-depth analysis of each intervention ward separately indicated that discharges increased in some, but decreased in other wards. The ALoS decreased more in intervention wards from 3.85 to 3.59 days, which represents 6%, compared to 1% in the control group. Difference-in-differences results suggested no causality between the PRG payment reform and changes in inpatient activity. The study reported in Section 5.2 showed that when refining the unit of analysis to procedures (instead of wards), the changes became more visible. Length of stay declined in half of the procedures analyzed, and in particular in six out of seven urological procedures. In these procedures, there was a 14% average reduction in ALoS, which ranged from 11% to 20%. In section 5.3, hospital professionals reported that the payment reform led to organizational changes such as increased transparency due to better reporting of activity and enhanced supervision of activities by the MoH and hospital managers. The interviewees also reported several steps taken in response. These included (1) shifting activities to afterhours and using operating rooms more efficiently to enable increased surgical activity; (2) reducing costs by shortening lengths of stay, as well as cost-consciousness in procurement; and (3) increasing revenues by improving coding and a more judicious selection of procedures. Respondents also reported moderating factors that reduced the effects of the reform. For example, organizational factors such as the public nature of hospitals or the (un)availability of healthcare resources did not always allow hospitals to increase the number of cases treated. In addition, conflicting incentives such as multiple payment mechanisms or the underpricing of procedures tended to blur the incentives of the reform. Finally, managers and physicians noted that they have many other considerations that outweigh economic issues. Compared to managers, clinicians were more careful with the economic incentives in their daily work. Extending the latter conclusion in section 5.3, section 5.4 reports on how hospital professionals, as "dual agents" attempt to re-equilibrate misaligned considerations in Israel and Germany. The focus was on dilemmas between clinical and economic considerations, and strategies to mitigate them. Hospital professionals report many situations in which activity-based payment incentives, proper treatment, and clinical and economic considerations are aligned. In this case, efficiency can be improved; e.g., by curbing unnecessary expenditures, or specializing in certain procedures. When considerations misalign, the hospital professionals identified a range of strategies that can contribute to reducing dilemmas in decision-making or reconciling competing considerations. These included 'reshaping management', such as planning the treatment ahead and improving the coding, and 'reframing decision-making', which involves working with averages and developing toolkits for decision-making. Discussion In this dissertation, we evaluated the direct and indirect impact of PRGs on providers; namely, both the hospital as an organization and its professionals. Through a case study of the hospital payment reform in Israel, we analyzed the economic incentives created and subsequent responses at different levels: the ward, the procedure, the manager and the physician. The quantitative analysis did not suggest causality between the PRG payment reform and changes in inpatient activity at the ward level. However, a more fine-grained analysis at the procedure level found decreases in ALoS in half of the procedures under consideration. This might have freed resources to treat more patients, which may have reduced waiting times. It may have been easier to reduce ALoS in the urological procedures since these had relatively long initial ALoS. The factors that may have hampered the effects of the reform as measured by the number of patients and ALoS emerged to reflect inadequate pricing of procedures, and conflicting incentives created by other co-existing hospital-payment components such as caps and retrospective subsidies. Stretched hospital resources may have also blunted the hospitals' ability to reduce ALoS. Secondly, the findings from the qualitative methodology indicated that PRG payments affected the organizational dynamics of the hospitals and altered decision-making on admission and treatment policies. The findings also unpacked potential explanations to the (apparently) mitigated effects of the payment reform in the quantitative analysis. The perspectives of a range of Israeli hospital professionals at various levels (CEOs, CFOs, ward directors, physicians) helped clarify that the potential effects were moderated by many other factors such as organizational characteristics, conflicting incentives, and other considerations that outweighed the economic issues. These explanations can also account for the inconclusive evaluations of payment reforms in other countries. Finally, the results suggested that the misalignment between economic and clinical considerations may not be necessarily negative if professionals manage to balance and reconcile them. Context is important in determining whether considerations are aligned or not. Reconciling strategies are fragile and can be easily disrupted as a function of the context. Creating toolkits for better decision-making such as clear criteria or clinical guidelines, planning the treatment course in advance to reduce waste, working with averages, and having interdisciplinary teams to think together about ways to improve efficiency can help mitigate the dilemmas of hospital professionals. Different actors had different approaches regarding reconciling strategies. While physicians focused more on the clinical practice and how to solve dilemmas at the patient level (e.g., reducing LoS), chief physicians could take into consideration the entire ward and "work with averages", and CEOs could rethink the coding policy. Yet, professionals in all roles developed strategies to mitigate dilemmas. Similarly, in some cases, actors in the different countries had also different approaches and some reconciliation strategies depended on the context. For example, specialization in specific clinical fields was reported only by German participants in small hospitals. Israeli professionals are more used to work under pressure and resource constraints than their German colleagues, and are therefore less critical about "working faster". Yet, comparing Germany to Israel also highlights the fundamentally similar dilemmas faced by hospital professionals, despite different levels of resources, as well as commonalities in reconciliation strategies Conclusions and recommendations for policymakers Payment reforms for health providers such as hospitals need to consider the entire provider market, available resources, other – potentially conflicting – payment components, and the various parties involved and their interests. When designing and implementing payment reforms for health providers, policymakers need to pay attention to moderating factors that may blunt the reform's intended objectives. Economic incentives are important tools that shape hospital professionals' decision-making, but they are not the only ones. The commitment to the patients, their families, managerial needs and prestige are other considerations that matter. As "dual agents", managers and physicians may face difficult dilemmas when attempting to disentangle these considerations. Decision-makers and managers can help overcome these dilemmas, and support professionals to make optimal clinical and economic decisions. ; Hintergrund Zahlungen an Leistungserbringer im Gesundheitswesen beinhalten eine Reihe von ökonomischen Anreizen, die deren Verhalten, Überlegungen und Entscheidungen beeinflussen. DRGs setzen Anreize für Krankenhäuser, (a) die Anzahl der Fälle zu erhöhen; (b) die Einnahmen pro Patient zu erhöhen; und (c) die Kosten pro Patient zu senken. Alle diese Anreize können sowohl zu positiven als auch zu negativen Konsequenzen führen. Zum Beispiel ist die Erhöhung der Fallzahl eine positive Konsequenz, wenn die Eingriffe klinisch wünschenswert und richtig sind und wenn sie dazu beitragen, die Wartezeiten zu reduzieren und die Effizienz des Krankenhauses zu verbessern. Wenn das Krankenhaus jedoch unnötige oder unangemessene Eingriffe durchführt, dann hat der finanzielle Anreiz eine negative Folge. Eine Prinzipal-Agenten-Beziehung liegt vor, wenn eine Person (der Prinzipal) eine andere Person (den Agenten) beauftragt und dem Agenten die Entscheidungsbefugnis überträgt, eine Aufgabe in seinem Namen durchzuführen. Ärzte sind perfekte Agenten, wenn sie sich voll und ganz für ihre Patienten einsetzen. Die Realität ist jedoch komplexer, und Ärzte haben verschiedene Verpflichtungen und Überlegungen, wie z. B. ihr eigenes finanzielles Wohlergehen oder die Ziele ihrer Organisationen in Bezug auf finanzielles Gleichgewicht oder Gewinnmaximierung. Ärzte und Krankenhausmanager sind bei Krankenhäusern angestellt und sollen im Interesse des Arbeitgebers handeln. Gleichzeitig werden sie von Patienten konsultiert, um Behandlungsentscheidungen in deren Namen zu treffen. Damit sind Angestellte im Krankenhaus "duale Agenten", weil sie die klinischen Bedürfnisse der Patienten und die beste verfügbare Behandlung mit wirtschaftlichen Überlegungen in Einklang bringen müssen. Diese gleichzeitigen Verpflichtungen sind manchmal miteinander vereinbar, können aber auch kollidieren oder Dilemmata erzeugen. In manchen Situationen können Dilemmata zu einer verzerrten Entscheidungsfindung oder einem Burnout führen, aber in anderen Situationen können Angestellte in der Lage sein, die Überlegungen miteinander in Einklang zu bringen. Im Jahr 2010 verstärkte das israelische Gesundheitsministerium die Einführung einer lokalen Variante der DRGs, der Procedure-Related Groups (PRGs) basierten Vergütung. Die PRG-Reform eröffnete die Möglichkeit, die geschaffenen ökonomischen Anreize zu erforschen und zu untersuchen, wie sich diese auf die Aktivitäten der Krankenhäuser und die Überlegungen, Entscheidungen und das Verhalten des medizinischen Personals auswirken. Die Reform schaffte ein "natürliches Experiment", das einen Vergleich zwischen "vorher mit Tagespauschalen" und "nachher mit PRGs" auf verschiedenen Ebenen ermöglicht. Es erlaubt auch einen interessanten Vergleich zwischen der israelischen PRGs mit den DRG-basierten Vergütungssystemen anderer Länder. Zielsetzungen Diese Dissertation hat vier Hauptziele: 1. Die Analyse der Auswirkungen der PRG-Reform auf die Krankenhausaktivitäten, gemessen an der Anzahl der Patienten und der Verweildauer auf Stationsebene 2. Die Untersuchung der Auswirkungen der Einführung von PRG-basierten Vergütungen auf die durchschnittliche Verweildauer auf der Prozedurenebene 3. Die Untersuchung der Auswirkungen der PRG-Zahlungen aus der Perspektive der Krankenhausmitarbeiter (Manager und Ärzte). Insbesondere soll untersucht werden, welche ökonomischen Anreize die Reform schuf, wie sie die Aufnahme- und Behandlungsentscheidungen sowie die klinische Praxis beeinflusste, welche Veränderungen auftraten und wie Krankenhäuser als Organisationen auf die Vergütungsreform reagierten. 4. Die Untersuchung, wie Krankenhausfachkräfte klinische und ökonomische Überlegungen bei ihren Entscheidungen in zwei Ländern mit aktivitätsbezogenen Vergütungssystemen abwägen und miteinander in Einklang bringen. Methoden Ich habe verschiedene Methoden angewandt. Kapitel 5.1 und 5.2 basieren auf quantitativen Analysen und untersuchen den Effekt der Einführung von PRGs auf die Krankenhausaktivität, gemessen an der Anzahl der Patienten und der Aufenthaltsdauer. Wir analysierten stationäre Daten, die vom Gesundheitsministerium aus allen 29 öffentlichen Krankenhäusern in Israel für die Jahre 2005-2016 bereitgestellt wurden. In Kapitel 5.1 waren die Beobachtungseinheiten Krankenhausabteilungen. Wir verwendeten Difference-in-Difference-Analysen, wobei die Interventionsgruppe chirurgische Stationen waren, für die viele PRG-Codes zwischen 2010-2013 erstellt wurden, und die Kontrollgruppe chirurgische Stationen, für die keine PRG-Codes erstellt wurden. In Kapitel 5.2 waren die Einheit der Analyse 14 Prozeduren. Wir verwendeten einen Mixed-Effects-Duration-Analysis-Ansatz, um die streng nicht-negativen und rechtsschiefen Verweildauer-Daten (LoS) zu berücksichtigen. Wir haben uns für einen Bayes'schen Ansatz entschieden, um die relative Veränderung der LoS zu schätzen. Da die quantitative Analyse möglicherweise nicht alle Auswirkungen der Vergütungsreform erfasst, haben wir die Datenerhebung und -analyse durch die Anwendung eines qualitativen Ansatzes erweitert. In den Kapiteln 5.3 und 5.4 wurden die Perspektiven von Krankenhausfachleuten hinsichtlich der Auswirkungen der ökonomischen Anreize und Effekte der PRGs untersucht. Die Daten wurden durch halbstrukturierte Tiefeninterviews mit Krankenhausdirektoren (CEOs und CFOs), Chefärzten und Ärzten in fünf israelischen und fünf deutschen Krankenhäusern erhoben, die gezielt nach maximaler Variation ausgewählt wurden. Die Interviews fanden zwischen Dezember 2017 und August 2018 in Israel und zwischen März und August 2019 in Deutschland statt. Wir befragten 33 Krankenhausmitarbeiter aus Israel und 13 aus Deutschland. Wir verwendeten eine thematische Analyse und bezogen Intercoder-Reliabilität und Triangulation mit ein. Ergebnisse Die Ergebnisse aus Kapitel 5.1 zeigen, dass die Entlassungen auf den Stationen der Kontrollgruppe (chirurgische Stationen, für die kein neuer PRG-Code erstellt wurde) stärker zunahmen als auf den Stationen der Interventionsgruppe (chirurgische Stationen, auf denen viele neue PRG-Codes erstellt wurden). Eine verfeinerte Analyse jeder behandelten Station separat zeigt jedoch, dass die Entlassungen in einigen Stationen zunahmen, in anderen jedoch abnahmen. Die durchschnittliche Verweildauer (ALoS) nahm auf den Stationen der Interventionsgruppe stärker ab. Die Difference-in-Differences-Ergebnisse konnten keine Kausalität zwischen der PRG-Reform und den Veränderungen der stationären Aktivität nahelegen. Kapitel 5.2 zeigt, dass bei einer Verfeinerung der Analyseeinheit auf Prozeduren (anstelle von Stationen) die Veränderungen deutlicher sichtbar sind. Bei der Hälfte der analysierten Prozeduren ging der LoS zurück, insbesondere bei sechs von sieben urologischen Prozeduren. Bei diesen Prozeduren gab es eine durchschnittliche Reduzierung des LoS um 14%, die zwischen 11% und 20% lag. In Kapitel 5.3 berichteten die Krankenhausberufe, dass die Vergütungsreform zu organisatorischen Veränderungen wie erhöhter Transparenz und verbesserter Überwachung führte. Die Befragten berichteten auch über verschiedene Maßnahmen als Reaktion. Dazu gehörten (1) die Verlagerung von Aktivitäten in den Feierabend und die effizientere Nutzung von Operationssälen (OPs), um eine erhöhte chirurgische Aktivität zu ermöglichen; (2) die Reduzierung von Kosten durch Verkürzung der Verweildauer und Kostenbewusstsein bei der Beschaffung; und (3) die Steigerung der Erlöse durch verbesserte Kodierung und Auswahl von Verfahren. Die Befragten berichteten auch von moderierenden Faktoren, die die Auswirkungen der Reform reduzierten. Zum Beispiel erlaubten organisatorische Faktoren wie der öffentliche Charakter von Krankenhäusern oder die (Un-)Verfügbarkeit von Gesundheitsressourcen den Krankenhäusern nicht immer, die Anzahl der behandelten Fälle zu erhöhen. Auch widersprüchliche Anreize unterschiedlicher Vergütungsmechanismen oder die zu niedrig angesetzten Preise von bestimmten PRGs reduzierten die Anreize der Reform. Schließlich berücksichtigen Manager und Ärzte bei ihren Entscheidungen viele unterschiedliche Überlegungen, die die ökonomischen häufig überwiegen. Im Anschluss an die letzte Erkenntnis aus Kapitel 5.3 berichtet Kapitel 5.4 darüber, wie Krankenhausmitarbeiter in Israel und Deutschland als "duale Agenten" zwischen den unterschiedlichen Überlegungen abwägen. Der Fokus lag auf klinischen und ökonomischen Erwägungen und den verwendeten Strategien, um Dilemmata zwischen ihnen zu entschärfen. Krankenhausmitarbeiter berichten von vielen Situationen, in denen die Vergütung Anreize für eine angemessene Behandlung bietet und klinische und wirtschaftliche Überlegungen in Einklang stehen. Dies ist der Fall, wenn die Effizienz verbessert werden kann, z.B. durch die Eindämmung unnötiger Ausgaben oder die Spezialisierung auf bestimmte Verfahren. Für Situationen, in denen die klinischen und wirtschaftlichen Überlegungen nicht übereinstimmen, haben Krankenhausmitarbeiter eine Reihe von Strategien identifiziert, die dazu beitragen können, die gegensätzlichen Überlegungen in Einklang zu bringen. Diese Strategien beinhalten: 'Umgestaltung des Managements', wie z.B. die Planung der Behandlung im Voraus und die Verbesserung der Kodierung; und 'Reframing der Entscheidungsfindung', was die Arbeit mit Durchschnittswerten und die Entwicklung von Tool-Kits für die Entscheidungsfindung beinhaltet. Diskussion In dieser Dissertation habe ich die direkten und indirekten Auswirkungen von PRGs auf die Leistungserbringer untersucht, sowohl auf das Krankenhaus als Organisation als auch auf seine Fachkräfte. Anhand der Fallstudie der Krankenhausvergütungsreform in Israel analysierte ich die geschaffenen ökonomischen Anreize und die nachfolgenden Reaktionen auf verschiedenen Ebenen: der Station, dem Verfahren, dem Manager und dem Arzt. Die quantitative Analyse konnte keine Kausalität zwischen der PRG-Vergütungsreform und Veränderungen der stationären Aktivität auf der Stationsebene aufzeigen. Eine verfeinerte Analyse auf der Prozedurenebene fand jedoch bei der Hälfte der analysierten Prozeduren einen Rückgang der LoS. Dies könnte Ressourcen freigesetzt haben, um mehr Patienten zu behandeln, was die Wartezeiten reduziert haben könnte. Möglicherweise war es einfacher, die LoS bei den urologischen Prozeduren zu reduzieren, da diese ursprünglich relativ lange LoS aufwiesen. Faktoren, die die Auswirkungen der Reform, gemessen an der Anzahl der Patienten und der LoS, behindert haben könnten, sind nicht sachgerecht kalkulierte Preise und widersprüchliche Anreize, die durch andere, nebeneinander bestehende Komponenten der Krankenhausvergütung, wie z. B. Obergrenzen und rückwirkende Zuschüsse, geschaffen wurden. Angespannte Krankenhausressourcen könnten auch die Fähigkeit der Krankenhäuser, die LoS zu reduzieren, beeinträchtigt haben. Zweitens fand ich mit qualitativen Methoden heraus, dass die PRG-Zahlungen die organisatorische Dynamik der Krankenhäuser beeinflussten und die Entscheidungsfindung über die Aufnahme- und Behandlungspolitik veränderten. Die Ergebnisse dieser zweiten Analyse enthüllten auch mögliche Erklärungen für die (scheinbar) uneindeutigen Effekte der Vergütungsreform, die in der quantitativen Analyse berichtet wurden. Durch die Perspektiven von israelischen Krankenhausmitarbeitern aus verschiedenen Ebenen (CEOs, CFOs, Stationsleiter, Ärzte) verstanden wir, dass mögliche Effekte von vielen verschiedenen Faktoren wie organisatorische Eigenschaften, widersprüchliche Anreize und andere Überlegungen, die die wirtschaftlichen überwiegen, beeinflusst wurden. Diese Erklärungen können möglicherweise die Ergebnisse bestehender Evaluierungen von Vergütungsreformen in anderen Ländern erklären, in denen keine signifikanten Effekte festgestellt wurden. Schließlich habe ich gelernt, dass ein (scheinbarer) Konflikt zwischen ökonomischen und klinischen Erwägungen nicht zwangsläufig negativ ist, wenn es den Fachleuten gelingt, sie auszubalancieren und in Einklang zu bringen. Der Kontext ist wichtig, um festzustellen, ob die Überlegungen aufeinander abgestimmt sind oder nicht. Strategien zur Vereinbarkeit sind fragil und können je nach Kontext leicht gestört werden. Die Erstellung von Tool-Kits für eine bessere Entscheidungsfindung, die Planung des Behandlungsverlaufs im Voraus, die Arbeit mit Durchschnittswerten und interdisziplinäre Teams, die gemeinsam über Wege zur Verbesserung der Effizienz nachdenken, können dazu beitragen, die Dilemmata des Krankenhauspersonals zu mildern. Schlussfolgerungen und Empfehlungen für politische Entscheidungsträger Vergütungsreformen für Leistungserbringer wie Krankenhäuser müssen den gesamten Leistungserbringermarkt, die verfügbaren Ressourcen, andere - möglicherweise widersprüchliche - Vergütungskomponenten sowie die verschiedenen beteiligten Parteien und ihre Interessen berücksichtigen. Bei der Gestaltung und Umsetzung von Vergütungsreformen für Leistungserbringer muss die Politik auf moderierende Faktoren achten. Ökonomische Anreize sind wichtige Instrumente, die die Entscheidungsfindung von Krankenhausmitarbeitern beeinflussen, aber nicht die einzigen. Das Engagement für die Patienten, die Bedürfnisse des Managements und das Prestige sind weitere Überlegungen, die eine Rolle spielen. Als "duale Agenten" können Manager und Ärzte vor schwierigen Dilemmata zwischen diesen Überlegungen stehen. Entscheidungsträger und Manager können dazu beitragen, diese Dilemmata zu entschärfen, und die Fachkräfte dabei unterstützen, optimale klinische und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen.
Inhaltsangabe:Kapitel 1., Einleitung: 'I think this is really starting a new era. I think every publisher in the world should sit down once a day and pray to thank Steve Jobs that he is saving the publishing industry with that. The iPad is really delivering what we were all waiting for'. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, in der 'Charlie Rose'-Show in den USA, April 2010. 1.1, Hintergrund: Der Markteinführung des iPad der Firma Apple im April 2010, das eine neue Gerätegattung der Tablet-Computer darstellt, hat große Hoffnungen in der Medienbranche ausgelöst. Bis heute haben mehrere Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ihre iPad-Applikationen eingeführt und hoffen dadurch einen neuen Vertriebskanal zu finden. Damit erhoffen sich die Verlage die Schwierigkeiten zu überwinden, wie etwa die schwächelnde Leserbindung und den Rückgang von Werbeeinnahmen. Denn die fortschreitende Digitalisierung und die Entwicklung des Internets haben dafür gesorgt, dass die Leser immer öfter den kostenlosen Content im Netz bevorzugen und nicht mehr bereit sind, für die Zeitungsinhalte im Internet zu bezahlen. Diese Gratis-Mentalität soll jetzt mit dem iPad und anderen Tablet-Rechnern verändert werden, so ist die Hoffnung. 1.2, Untersuchungsgegenstand und Forschungsfragen: Das Anliegen und die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit ist, die iPad-Strategien der deutschen Zeitungsverlage zu beschreiben und zu analysieren. Den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit stellen folglich die Strategien der ausgewählten Zeitungen in Hinsicht auf das iPad bzw. andere Tablet-Rechner dar, die im Bezug auf die inhaltlichen und gestalterischen Ansätze sowie auf die möglichen Modelle der Erlösgenerierung betrachtet werden. Es sollen ferner die Herausforderungen und Perspektiven im iPad-Geschäft erläutert werden. Anzumerken dabei ist, dass – obwohl der Hauptaugenmerk der Arbeit auf dem iPad und entsprechenden Zeitungsstrategien liegt – auch andere Tablet-Rechner in Betracht bezogen werden, die mit der Zeit gewiss eine größere Rolle für die Verlage spielen könnten und dessen Nutzungsmodelle sich von denen des iPad kaum unterscheiden. Es muss im Rahmen der Arbeit geklärt werden, welche Bedeutung die Verlage dem iPad sowie anderen Tablet-Rechners beimessen und wie sie diese neue Gerätegattung in ihre Diversifikationsstrategien einbinden. Die Forschungsfragen lauten im Einzelnen: 1. Welche Veränderungen in der Zeitungsbranche hat das iPad hervorgerufen? 2. Welche Strategien in Hinsicht auf Inhaltübertragung und Gestaltungsansätze verfolgen die in die Stichprobe einbezogenen Zeitungsverlage? 3. Was sind die Herausforderungen, mit denen die Verlage konfrontiert sind? 4. Welche Perspektiven sehen die Zeitungsverleger für die Entwicklung der Zeitungsapplikationen auf dem iPad und auf anderen Tablets? Um diese Fragen zu beantworten, wurde zu der Recherche eine große Zahl der der aktuellen Zeitungs-, Zeitschriften sowie Online-Publikationen herangezogen, da die iPad-Entwicklung im Zeitungsbereich in der medienwissenschaftlicher Literatur noch kaum beschrieben wird. Die Forschung in diesem Feld ist überschaubar und befindet sich noch im Anfangsstadium. Es sind darüber hinaus einige Marktanalysen erschienen, die die bisherige Entwicklung der Zeitungs- und Zeitschriftenapplikationen dokumentiert und mögliche Ansätze und Empfehlungen erarbeitet haben. Bei der vorliegenden Arbeit wurde ein deskriptiv-vergleichendes Vorgehen eingesetzt, das die Leitfadengespräche mit Experten sowie die Untersuchung relevanter Literatur und Marktanalysen beinhaltet. Diese Arbeit stellt auf keinen Fall eine umfassende Marktstudie dar, da die Experteninterviews nicht für die gesamte Branche repräsentativ sind. Es soll aber ein Überblick über den Ist-Zustand in der deutschen Verlagsbranche anhand untersuchter Zeitungen verfasst werden. Dabei werden die strukturellen Veränderungen in der Zeitungsbranche, die die Markteinführung des iPad hervorgebracht haben, erfasst und beschrieben. Der Stand der Dinge entwickelt sich rasant, von daher werden anknüpfend an die vorliegende Studie weitere Forschungen notwendig sein. 1.3, Aufbau der Arbeit: Die vorliegende Arbeit besteht aus acht Kapiteln, die die theoretischen Grundlagen sowie die Ergebnisse der empirischen Untersuchung darstellen. Im ersten Kapitel wird das Thema vorgestellt und die Forschungsfragen werden präzisiert. Es wird auch die Vorgehensweise kurz erläutert. Im zweiten Kapitel werden Medienunternehmen und Medienprodukte definiert und charakterisiert. Darüber hinaus wird im dritten Kapitel ein Einblick in den Zeitungsmarkt in Deutschland gewonnen und es werden die bestehenden Geschäfts- bzw. Erlösmodelle im klassischen Zeitungsbereich sowie im Internet-Bereich beschrieben. Anknüpfend werden die aktuellen Herausforderungen in Betracht bezogen, was eine Erklärung dafür bietet, warum die iPad-Markteinführung mit so einem großen Interesse von Verlagen begrüßt wurde. Ferner werden im vierten Kapitel die Strategien im deutschen Zeitungsmarkt näher betrachtet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Diversifikationsstrategien bzw. Cross-Media-Strategien der Zeitungsverlage. Im fünften Kapitel wird die methodologische Vorgehensweise bei der Untersuchung erläutert und der Forschungsprozess wird detailliert beschrieben, darunter wird auf die Auswahl der Befragten, auf die Leitfadenkonstruktion sowie auf die Durchführung der Befragung eingegangen. Das sechste Kapitel gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Tablet-Markt, es werden Tablet-Rechner als eine selbständige Geräteklasse definiert sowie die Einsatzmöglichkeiten des iPad bei der Produktvermarktung im Zeitungsbereich beschrieben. Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Aufgrund der geführten Gespräche werden hier die Strategien und Gestaltungsansätze der ausgewählten Zeitungsverlage geschildert, darunter auch die Inhalts- und Preisstrategien. Außerdem werden kurz die Veränderungen in der Organisationsstruktur einiger Zeitungen erläutert sowie die möglichen Erlösquellen bezüglich des iPad- bzw. der anderen Tablet-PCs dargelegt. Im achten Kapitel wird aufgrund der Untersuchungsergebnisse ein Fazit gezogen und es werden mögliche Desiderata für die weitere Forschung erarbeitet. Danach folgen die Anhänge mit dem im Rahmen der Untersuchung erarbeiteten Leitfaden, mit einer Überblickstabelle, die die untersuchten Verlage anschaulich darstellt, sowie mit den Transkripten der durchgeführten Interviews.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbstractI DanksagungII Abbildungs- und TabellenverzeichnisVI AbkürzungsverzeichnisVII 1. Einleitung1 1.1. Hintergrund1 1.2. Untersuchungsgegenstand und Forschungsfragen2 1.3. Aufbau der Arbeit3 2. Medienunternehmen und Medienprodukte5 2.1. Medienunternehmen: Definition und allgemeine Charakteristik5 2.2. Medienprodukte: Definition und Eigenschaften7 2.2.1. Merkmale und Eigenschaften von Zeitungen11 3. Deutscher Zeitungsmarkt – ein Überblick14 3.1. Struktur und Charakteristik des Zeitungsmarktes14 3.2. Geschäftsmodelle im Zeitungsbereich18 3.2.1. Definition des Begriffes 'Geschäftsmodell'18 3.2.2. Kosten- und Erlösstruktur von Zeitungen19 3.2.3. Geschäfts- und Erlösmodelle der Medienunternehmen im Internet23 3.3. Aktuelle Herausforderungen der Zeitungsbranche24 3.3.1. Rückgang von Werbeeinnahmen25 3.3.2. Veränderung des Mediennutzungsverhaltens27 3.3.2.1. Digitalisierung und Konvergenz: Definition und Ausprägungen28 3.3.3. Digitale Entwicklung als ein Zukunftsgeschäft der Verlagsbranche30 4. Strategien im deutschen Zeitungsmarkt33 4.1. Klassische Strategien in Medienmärkten und Strategiedimensionen33 4.2. Diversifikationsstrategien in der Zeitungsbranche36 4.2.1. Mehrfachnutzung von Medieninhalten41 4.2.2. Cross-Media-Strategien der deutschen Zeitungsverlage44 4.2.3. Das Internet-Engagement der Zeitungsverlage47 4.2.3.1. Digitale Versionen der Printausgaben als Teil der Zeitungsexpansion ins Internet51 5. Methode55 5.1. Methode und Vorgehensweise55 5.2. Einschränkungen im Forschungsprozess57 5.3. Forschungsplanung und Forschungsdesign57 5.3.1. Auswahl der Befragten58 5.3.2. Leitfadenkonstruktion59 5.3.3. Durchführung der Befragung60 5.3.4. Auswertung64 6. Digitale Ausgaben der Zeitungen auf dem iPad als Teil der Diversifikationsstrategie65 6.1. Tablet-Rechner als neuer Distributionskanal für die Verlage66 6.1.1. Tablet-Rechner: Definition und Besonderheiten am Beispiel des iPad67 6.1.2. Konkurrierende Tablets und Betriebssysteme71 6.1.3. Elektronische Kioske auf dem deutschen Markt74 6.2. Einsatzmöglichkeiten des iPad bei der Produktvermarktung76 6.2.1. Möglichkeiten der Erlöserzielung auf dem Werbemarkt77 6.2.2. Möglichkeit der Erlöserzielung auf dem Rezipientenmarkt80 6.3. Mögliche Ansätze für die Gestaltung von Medieninhalten für die iPad-Ausgabe84 7. Ergebnisse der empirischen Untersuchung91 7.1. Veränderung der Zeitungsstrategien in Deutschland in Hinsicht auf das iPad91 7.1.1. Ansätze und Inhaltsstrategien93 7.1.2. Erlösmodelle98 7.1.3. Preisstrategien101 7.1.4. Organisatorische Veränderungen104 7.1.5. Herausforderungen und Perspektiven106 8. Fazit112 9. Anhänge117 Anhang 1: Liste der befragten Experten117 Anhang 2: Gesprächsleitfaden118 Anhang 3: Interview mit Stephan Klemm, Leiter des iPad-Teams, 'Kölner Stadt-Anzeiger'121 Anhang 4: Interview mit Tobias Kaufmann, Chef vom Dienst, 'Kölner Stadt-Anzeiger'126 Anhang 5: Interview mit Enrique Tarragona, Leiter Produktmanagement, 'Zeit Online'135 Anhang 6: Interview mit Holger Fischbuch, Leiter Electronic Media, Verlag G + J Wirtschaftsmedien140 Anhang 7: Interview mit Mathias Bröckers, Leiter Online Redaktionsentwicklung, 'die taz'148 Anhang 8: Interview mit Michael Bayer, Ressortleiter Multimedia, 'Frankfurter Rundschau'151 Anhang 9: Interview mit Carsten Fiedler, Leitendem Redakteur und Leiter des iPad-Teams. 'Rheinische Post'154 Anhang 10: Interview mit Werner D'Inka, Herausgeber, 'Frankfurter Allgemeine Zeitung'159 Anhang 11: Übersichtstabelle über die untersuchten Zeitungen und Zeitungsapplikationen166 10. Literaturverzeichnis169Textprobe:Textprobe: Kapitel 7., Ergebnisse der empirischen Untersuchung: 7.1., Veränderung der Zeitungsstrategien in Deutschland in Hinsicht auf das iPad: 7.1.1., Ansätze und Inhaltsstrategien: Wie im Kapitel 6 bereits verdeutlicht wurde, halten es viele Medienexperten für wichtig, die Möglichkeiten des iPad maximal auszuschöpfen, um den Lesern ein befriedigendes multimediales Erlebnis zu bieten. Jedoch sind nicht alle befragten Zeitungsverantwortlichen damit einverstanden, was zum großen Teil von der Positionierung der Zeitung auf dem Markt abhängt sowie von den verfügbaren Ressourcen. So meint Mathias Bröckers, Leiter Online Redaktionsentwicklung bei der 'Tageszeitung' (die taz), die multimediale Umgestaltung wäre für den Verlag zu aufwändig. Außerdem, teile die taz 'den Hype, dass sich jetzt mit den Tablet-Computern die gesamte Medienlandschaft schlagartig ändert', nicht. Es sollte auch zwischen den Soll- und Ist-Zustand unterschieden werden, denn obgleich die meisten Befragten die multimediale Umgestaltung der Inhalte für das iPad befürworten, soll auch nicht vergessen werden, dass das iPad für die Zeitungen eher ein Experimentierfeld bleibt. Und die Ergebnisse dieses iPad-Experiments können erst in mittel- bis langfristiger Perspektive eingeschätzt werden. Die zurzeit verbreiteten Ansätze der untersuchten Zeitungen in Hinsicht auf die Inhaltsübertragung bzw. Inhaltsgestaltung lassen sich in vier Gruppen einordnen: 1. Eine E-Paper-Version mit der Möglichkeit, einzelne Artikel im Lesermodus abzurufen. Der Lesemodus wird durch die Anwendung der HTML5-Programmiersprache ermöglicht. Dabei werden alle Inhalte aus der Zeitung übernommen, ergänzende multimediale Elemente finden nicht statt. Diese Strategie verfolgen beispielsweise die FAZ, die 'Zeit', FDT und die taz. Obwohl das E-Paper nicht multimedial erweitert wird, gibt es eine Reihe nützlicher Optionen, wie etwa der Überblicksmodus, der eine Navigation durch die Zeitungsinhalte ermöglicht, oder eine Suchoption, mithilfe deren die Ausgabe durchsucht werden kann. So lassen sich beispielsweise Artikel der FAZ auf einem Merkzettel ablegen. Darüber hinaus kann man einige Abbildungsoptionen anpassen, wie etwa die Schriftgröße oder den Schriftkontrast. Anzumerken ist, dass eine PDF-Version der Zeitung als ein logischer Start ins App-Geschäft gesehen wird. Fischbuch stellt beispielsweise fest, mit einem E-Paper sollte man in erster Linie die User ansprechen, die bereits eine große Nähe zur Marke aufweisen. Dabei sind die User nicht unbedingt bereit, mehr Geld für eine Multimedia-Ausgabe zu bezahlen. Jedoch sind die meisten Zeitungsvertreter sich sicher, dass man sich nur darauf nicht beschränken soll. Ein E-Paper spricht besondere Zielgruppen an, wie etwa die Geschäftsreisenden oder die im Ausland Lebenden, doch als die einzige Möglichkeit des iPad-Engagements kann sie kaum betrachtet werden. Um den Möglichkeiten des iPad gerecht zu werden, sollten neue innovative Präsentationsformen entwickelt werden. 2. Eine iPad-optimierte Web-App wird als ein notwendiger Bestandteil der Diversifizierungsstrategie in Hinsicht auf das iPad gesehen und stellt eine technisch angepasste Zeitungswebseite dar. Die Inhalte, die in der Online-Version der Zeitung präsent sind, werden nicht geändert und nicht neu geschaffen. Diese Option schätzt Enrique Tarragona, Leiter Produktmanagement von 'Zeit Online', insofern als aussichtsreich ein, dass sie eine für die Werbetreibenden relevante Reichweite gewährleisten kann. Dieser Ansatz wird unter anderem von der 'Zeit' verfolgt. 3. Native App: Eine Multimedia-Ausgabe mit der Übernahme aller Inhalte aus der Zeitung. Diese Strategie verfolgt man bei der 'Zeit' mit einer neuen Applikation, die zur Jahresmitte erscheinen soll. Dabei werden die bestehenden Zeitungsinhalte mit multimedialen Elementen, wie etwa Fotostrecken oder Audio-Aufnahmen angereichert. Die neue Print-App soll alle in der 'Zeit' erscheinenden Texte auf das iPad übertragen. Auch bei der neuen FAS-App, die sich zurzeit in Entwicklung befindet, sollen alle Inhalte aus der Zeitung übertragen werden und dabei mit multimedialen Elementen ergänzt. 'Man kann aus praktischen Gründen überlegen, ob man mit einer etwas kleineren Version anfängt. Aber das Ziel ist, alle Inhalte hineinzupacken, wobei dann das Problem der großen Datenmenge entsteht', so D'Inka. Dabei vertritt der Experte die Meinung, eine Sonntagszeitung sei für eine multimediale Aufbereitung geeigneter als eine Tageszeitung, denn sie 'schon auch als gedruckte Zeitung deutlich mehr mit Bildern und Illustrationen arbeitet'. 4. Native App: Der 'Best of'-Ansatz. Die Auswahl der für das iPad geeigneten Inhalte aus der Zeitung findet aufgrund bestimmter Kriterien statt, dabei werden die Inhalte um Multimedia-Elemente ergänzt. Dieser Ansatz wird beispielsweise bei 'Hamburger Abendblatt', 'Kölner Stadt-Anzeiger' und 'Frankfurter Rundschau' verfolgt. So präsentiert das 'Hamburger Abendblatt' eine Auswahl von 24 multimedial aufbereiteten Geschichten aus Hamburg, aus dem Norden Deutschlands sowie aus ganz Deutschland und der Welt. Eine der wichtigen Charakteristiken einer nativen iPad-App ist, dass sie ein geschlossenes Produkt darstellt, das der Zeitung viel näher als dem Internet steht. Dabei bezeichnet Kaufmann eine native Zeitungsapp als 'Print 2.0.' Es gäbe in einer iPad-Zeitung keine direkte Kommunikation mit den Usern und keine Kommentar-Möglichkeiten, weil das Kommunikationsverhalten der Nutzer sich von dessen im Internet unterscheidet. Ein anderer Unterschied der Zeitungsapplikationen vom Internet-Auftritt bestehe darin, dass die Form mindestens genauso wichtig wie die Inhalte sei, meint Bayer. Bei dem 'Kölner Stadt-Anzeiger' werden auch nicht alle Inhalte aus der Zeitung übernommen, sondern es findet eine Auswahl der passenden Inhalte statt, dazu werden iPad-eigene Inhalte produziert, wie etwa die 'App des Tages' und 'Bilder des Tages'. Auch längere Geschichten aus dem Heft können wesentlich gekürzt und in Form einer Meldung dargestellt werden. Im Allgemeinen erscheinen ungefähr 50-80 Prozent der großen Geschichten aus der Zeitung auf dem iPad, je nach Ressort und Tag. Wie es Kaufmann auf den Punkt gebracht hat, ist es vor allem wichtig, die technischen Möglichkeiten des iPad zu nutzen, denn bei einer Zeitungsapplikation bezahlen die Leser schließlich für die Verpackung und die Auswahl der Texte, 'weil sie das Gefühl haben, die Redaktion hat sich noch mal Mühe gemacht'. Der Schwerpunkt liege dabei bei der Gestaltung, die eine gleichwertige Bedeutung mit den Inhalten hat. 5. Native App: Eine selbständige Multimedia-Ausgabe / eine multimediale Wochenzeitung. Dieser Ansatz wird unter den untersuchten Zeitungen nur von der 'Rheinischen Post' gefolgt, die die Applikation 'RP Plus' produziert, die auch als 'die siebte Ausgabe' bezeichnet wird. Die Inhalte werden dabei extra für das iPad recherchiert und produziert, eine Zweitverwendung der Zeitungsinhalte findet im Gegensatz zu anderen Zeitungen nicht statt. Interessant scheint, dass eine umgekehrte Situation möglich ist, wenn die Artikel, die zuerst in 'RP Plus' erschienen sind, danach in der Zeitung Verwendung finden können. Jede Ausgabe enthält im Durchschnitt 30 multimediale Geschichten aus der vergangenen Woche. Das Produkt wird als Ergänzung zur Zeitung und zum Internetportal 'RP Online' vermarktet. Anzumerken bei allen geschilderten Ansätzen ist, dass die Zeitungen bei ihrer Differenzierungsstrategie die Inhalte in verschiedenen Ausprägungen auf verschiedenen Kanälen bieten und beschränken sich in der Regel nicht auf einen der oben dargestellten Ansätze. So stellt die 'Zeit Online Plus'-App ein Zusammenspiel einer für das iPad angepassten Webseite und eines E-Papers dar, deren Erscheinungsweise dieser der Printausgabe entspricht. Die Webseite wird dagegen ständig aktualisiert. Das Neue an dieser Herangehensweise ist eine unmittelbare Kombination zweier Angebote in der gleichen Applikation. Zur Jahresmitte soll jedenfalls eine neue 'Zeit'-App erscheinen, die, wie bereits beschrieben, eine Multimedia-Ausgabe mit der Übernahme aller Inhalte aus der Zeitung darstellen wird. Auch bei der 'Rheinischen Post' ist zurzeit eine E-Paper-Ausgabe für das iPad in Vorbereitung, was eine zusätzliche Lösung gesehen wird.
Auf gewaltige 47,4 Milliarden Euro beziffern die Kommunen den Sanierungsbedarf. Doch wenn es um Schul- und Unigebäude geht, fehlt in "Doppel-Wumms"-Deutschland das Geld. Und der Wille.
Erst mussten fast alle zu Hause lernen, dann gab es Wechselunterricht: So startete das neue Schuljahr an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Kerpen. Foto: Screenshot von der Website.
NEIN, SAGT THOMAS MARNER, diese Misere habe keiner vorhersehen können. "Das war ein absolut unsachgemäßer Bauablauf." Marner ist Erster und Technischer Beigeordneter der Stadt Kerpen bei Köln, und seit August musste er einen zerknirschten Brief nach dem anderen an die Eltern der Willy-Brandt-Gesamtschule und der Realschule im selben Gebäude schreiben. Über dramatische Wasserschäden und Schimmelfall. Die Anordnung von Distanzunterricht, Wechselunterricht und das Verfrachten mehrerer Schulklassen in die Turnhalle.
Kerpen ist kein Einzelfall. Überall in Deutschland zerbröseln Schulen. Und mit ihnen die Grundlage für eine solide Bildung, für Wissenschaft, für Innovationen, für Wirtschaftskraft. Zig Milliarden Euro müssten für die Sanierung von den Kommunen aufgebracht werden. Doch es liegt nicht allein am Geld, dass Renovierungen verschleppt, Sanierungen vertagt und Bauarbeiten über Jahre und Jahrzehnte gestreckt werden. Das zeigen Beispiele wie der Willy-Brandt-Schule in Kerpen und der Kurt-Schumacher-Grundschule in Berlin-Kreuzberg.
In Kerpen stammt das Schulgebäude zu großen Teilen aus den 70er Jahren, besonders dringend mussten die Flachdächer über den Fachräumen für Musik und Naturwissenschaften saniert werden. In den Sommerferien legten die Dachdecker los – und hätten dann alle Lichtkuppeln auf einmal entfernt, anstatt sie einzeln auszutauschen, sagt Marner. Als nächstes begann der Regen. Wasser strömte ein, durchnässte Räume, Mobiliar und Ausstattung – mehrere Male. So genau wisse sie das nicht, sagt Kristiane Benedix, die stellvertretende Schulleiterin der Willy-Brandt-Schule. Aber die Feuerwehr sei mindestens einmal gekommen.
"Es war wie in Corona-Zeiten", sagt der Vater eines Achtkässlers
Kurz darauf die nächste Hiobsbotschaft: Tests ergaben, dass sich Schimmelsporen ausgebreitet hatten, vor allem in die angrenzenden Gänge und dort in die Zwischenräume der abgehängten Holzdecken. "Praktisch alle Schüler und Lehrer beider Schulen mussten da durch, das konnte ich nicht verantworten", sagt Marner. Weshalb er die Sperrung des Gebäudes anordnete.
"Es war wie in Corona-Zeiten", sagt Markus Rixen, dessen Sohn in die achte Klasse geht. "Distanzunterricht für fast alle Klassen. Angekündigt von einem Tag auf den nächsten." Doch das war nur der Anfang. Der Ausnahmezustand an der Willy-Brandt-Schule würde sich bis zu den Herbstferien fortsetzen.
Auf gewaltige 47,4 Milliarden Euro beziffern die deutschen Kommunen im jährlich erhobenen Kommunalpanel der KfW-Bankengruppe den aktuellen Sanierungsbedarf an ihren Schulen. "Wenn in Kommunen das Geld knapp ist, werden anstehende Bauinvestitionen mit als erstes aufgeschoben", sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. "Gebäude schreien halt nicht, wenn sie erst ein Jahr später saniert werden."
Und wenn dann endlich saniert wird, geht mitunter noch schief, was schiefgehen kann. Nur noch episch zu nennen ist der Super-Gau, der die Schüler, Eltern und Lehrkräfte der Kurt-Schumacher-Grundschule in Berlin-Kreuzberg 2012 ereilte. Von einem Tag auf den anderen wurde das Haus nach einer Brandbegehung geschlossen. Kinder und Kollegium saßen im Hortgebäude fest, ohne Mensa, ohne Sporthalle, ohne Fachräume, für mehr als ein Jahrzehnt. So lange dauerte es, bis auch nur der erste Bauabschnitt fertig war.
Eltern twitterten vom Schul-"BER Kreuzberg"
"Leider hat man sich damals für eine Sanierung entschieden, der Neubau wäre schon längst fertig", sagt Schulleiterin Anna Vonhof. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg habe "versäumt, ausreichende Bausubstanzuntersuchungen durchzuführen", urteilte 2019 der Landesrechnungshof.
Auf Twitter machte die Schule als "BER Kreuzberg" Karriere, weil eine Elternvertreterin diesen Skandal nicht mehr hinnehmen wollte und öffentlich machte. "Mittlerweile hat die erste Generation von Schülern die Kurt-Schumacher-Grundschule verlassen, ohne jemals einen Fuß in das Schulgebäude oder die Turnhalle gesetzt zu haben", schrieb sie. Und weiter: Über Jahre hätten die Bauarbeiten geruht, mehrfach seien "Firmen insolvent gegangen, hätten den Auftrag gekündigt oder wurden gekündigt", kann man auf der "BER- Kreuzberg"-Website nachlesen.
Inzwischen ist die Elternvertreterin längst weg, doch die Geschichte eines öffentlichen Komplett-Versagen geht weiter. Der zweite Gebäudeteil soll angeblich bis 2026 fertig sein, doch, sagt Schulleiterin Vonhof, "dafür müssten die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt erstmal beginnen. Doch da passiert gar nichts." Sie richte sich darauf ein, dass es bis weit nach 2026 dauern werde, "das sagt mir zwar bei den Behörden keiner so, aber die Erfahrungen der letzten Jahre sprechen dafür."
Andy Hehmke ist seit Ende 2021 Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, womit er nach eigenen Worten "letztlich die politische Verantwortung" trage, dass der zweite Bauabschnitt bald fertig werde. Allerdings räumt er ein, dass bereits eine Verzögerung eingetreten sei, statt Sommer soll nun Ende 2026 Fertigstellung sein. Die Schule sei informiert worden, im Januar treffe er sich in großer Runde vor Ort mit Schulleitung, Elternvertretung und Hochbauservice.
Seit Beginn der Berliner Schulbauoffensive laufe vieles anders als früher, versichert Hehmke, jetzt gebe es bei großen Sanierungen zunächst ausführliche Bedarfsprogramme mit Beteiligung der Schule, gegebenenfalls Machbarkeitsstudien und Bausubstanzuntersuchungen. "Damals war all dies nicht der Fall. Die Schließung kam völlig unerwartet. Es war kein Geld vorhanden. Der Bezirk versuchte damals, mit wenigen Mitteln schnell zu reagieren und stellte erst im Prozess fest, was hier eigentlich an Problemen vorhanden ist."
Für nichts geben Kommunen mehr aus als für ihre Schulen, trotzdem wächst der Sanierungsstau
Die Erhebung der KfW-Bankengruppe zeigt, dass die deutschen Kommunen gegenwärtig für nichts mehr ausgeben als für ihre Schulen. 12,1 Milliarden Euro sind es dieses Jahr, 28 Prozent aller geplanten Investitionen. Trotzdem reicht das nicht einmal, um den Sanierungsstau nicht noch weiter wachsen zu lassen: um 800 Millionen Euro gegenüber 2022.
Hinzu kommt, dass die Not der Schulen sehr ungleich verteilt ist: 47 Prozent der Kommunen sehen keinen oder nur einen geringen Investitionsrückstand. 39 Prozent bezeichnen ihn als nennenswert. Und 13 Prozent als gravierend. "Aus den Daten können wir nicht ableiten, ob diese 13 Prozent die besonders armen sind", sagt KfW-Volkswirtin Köhler-Geib. Das sei indes eine valide Vermutung. "Denn eine angespannte Haushaltslage ist eines der wichtigsten Investitionshemmnisse für Kommunen."
Welche Schulen dann zuerst dran sind mit der Sanierung und welche warten müssen, hat womöglich zudem noch mit dem gesellschaftlichen Druck zu tun, den die Eltern machen können – oder eben auch nicht. Anna Vonhof will darüber nicht spekulieren, doch fest steht: 269 der 288 Schüler der Kurt-Schumacher-Schule stammen aus Familien, in denen Deutsch nicht die erste Sprache ist. Und auch an der Willy-Brandt-Schule in Kerpen gibt es sehr viele sozial benachteiligte Familien.
Geld, sagt KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib, sei in jedem Fall nur ein Problem, und welche Rolle die angeblich so knappen Kapazitäten bei Handwerkern und Baufirmen spielt, lasse sich kaum einschätzen. Worüber die Kommunen bei Umfragen neben der Finanzlage aber stets als erstes klagten, sei der dramatische Personalmangel in ihren Verwaltungen. "Viele Investitionsvorhaben scheitern daran, dass es keinen gibt, der sie betreuen und umsetzen kann."
Der Schul-Stadtrat verweist auf "mehr Bürokratie bei gleichzeitigem Fachkräftemangel"
Fragt man den Kreuzberger Schul-Stadtrat Hehmke, warum es schon wieder Bauverzögerungen gibt an der Kurt-Schumacher-Schule, verweist er zunächst auf neues EU-Recht, das noch aufwändigere und zeitraubende europaweite Ausschreibungen vorsehe. Und dann ebenfalls auf die Personalnot: Mehrere Stellen im Hochbauservice seien nicht besetzt, und es gebe kaum oder gar keine Bewerbungen bei Ausschreibungen. "Mehr Bürokratie bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Dies sind die Gründe."
Auch Thomas Marner von der Stadt Kerpen sagt: "Jahrzehntelang hat uns das Geld gefehlt, jetzt fehlt uns ganz massiv das Personal."
Wer darunter leidet, sind vor allem die Schülerinnen und Schüler, 1200 an der Willy-Brandt-Schule. Am ersten Schultag Anfang August durften nur die 12. und 13. Klassen kommen und wurden im Kerpener Gymnasium unterrichtet. Die Klassen 5 bis 11 mussten komplett zu Hause bleiben. "In der dritten Schulwoche", berichtet Kristiane Benedix, "haben wir dann für die Jahrgänge 8 und 9 Wechselunterricht begonnen", im tageweisen Wechsel. Die restlichen Jahrgänge seien in Präsenz, teilweise in Fachräumen beschult worden.
So lange dauerte es, bis die Behörden zumindest den Anbau aus den 90er Jahren für schimmelfrei befunden hatten. Nochmal zwei Wochen später, nachdem weitere Gebäudeteile "freigetestet" waren, wie Benedix das nennt, gab es wieder für alle täglich Unterricht. Doch kamen die sechs achten Klassen, insgesamt über 150 Schüler, komplett in der Turnhalle unter, voneinander nur mit Planen getrennt, bei Temperaturen von teilweise über 30 und Frischluftzufuhr nur über die Lüftungsanlage. Die Mensa wurde zum Lehrerzimmer umfunktioniert. Bis zu den Herbstferien waren immer noch 13 Klassen- und Kursräume und fast alle Fachräume gesperrt.
Markus Rixen gehörte zu den Eltern, die sich das nicht gefallen lassen wollten von der Stadt. Er habe sich einen Anwalt genommen, erzählt er, "nachdem die Stadt Kerpen zuvor die Erstattung der uns durch das Homeschooling entstandenen Kosten abgelehnt hat, da laut NRW-Gesetzgebung kein Anspruch auf Präsenzunterricht bestehe." Das stimme jedoch nicht, sagt Rixen. "Laut Anwalt darf Distanzunterricht nur im Pandemiefall angeordnet werden, im Falle einer großen Naturkatastrophe oder bei Erkrankung zu vieler Lehrer. Nicht aber, weil die Stadt ein Sanierungschaos nicht in den Griff bekommt." Sechs Wochen nach Schuljahrsbeginn durften die Achtklässler dann in ihre Klassenräume zurückkehren.
Warten, bis die Versicherung zahlt?
Thomas Marner von der Stadt sagt, er könne keine rechtliche Grundlage für den Distanzunterricht nennen. "Aber aus gesundheitlichen Gründen hatte ich schlicht keine andere Wahl." Davon habe er auch die Schulaufsichtsbehörde und die Bezirksregierung sofort informiert.
Frustrierend sei, sagt Fritzi Köhler-Geib von der KfW, dass die Kommunen in den vergangenen Jahren nah daran gekommen seien, den Sanierungsstau in den Schulen endlich zu verkleinern. "Doch jetzt hat sich ihre Finanzlage drastisch verschlechtert, wozu die Wirtschaftslage ebenso beiträgt wie steigenden Kreditzinsen und die Zunahme der zu betreuenden Geflüchteten. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an den Klimaschutz und die Digitalisierung stark an." Die Schlussfolgerung der KfW-Chefsvolkswirtin: "Ohne zusätzliche Finanzmittel von den Ländern und dem Bund werden viele Kommunen das nicht schaffen können."
An der Willy-Brandt-Schule öffnete elf Wochen nach den Sommerferien die Mensa wieder. "Endlich", steht auf der Website. Ihre große Sorge, sagt Kristiane Benedix, seien jetzt die naturwissenschaftlichen Fachräume – also da, wo das Wasser eingedrungen sei. Im letzten Brief, den Thomas Marner an die Eltern geschrieben hat, hieß es, die Stadt arbeite "mit Hochdruck" an deren Wiederherstellung, "doch hier sind wir aber sehr stark abhängig von der Versicherung des Verursachers, bedeutet hier haben wir die zeitliche Abwicklung nicht alleine in der Hand." Kristiane Benedix sagt, das mache ihr Sorgen, weil sie keinerlei Zeitplan habe.
Thomas Marner sagt, es gehe hier um einen Millionenschaden. Er fürchtet, dass man ohne Freigabe der gegnerischen Versicherung den Anspruch verwirke. Deshalb müsse man leider abwarten, doch sei er optimistisch, dass man sich bald einig werde. Im Übrigen sei er der Meinung, "dass man Biologie oder Physik zur Not auch mal eine Weile theoretisch und ohne praktische Experimente unterrichten kann."
Markus Rixen sagt: Er frage sich, warum die Stadt einerseits ihren Bildungsauftrag beschwöre, anderseits aber nicht das Geld aus ihrem Haushalt vorstrecken wolle. "Mir fehlt hier in einem großen Maße auch das Schuldbewusstsein der Verantwortlichen der Stadt Kerpen."
Dieser Beitrag erschien in kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel.
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In Madagaskar ist ein Großteil der ländlichen Bevölkerung von Armut betroffen und ist damit auf kleinbäuerliche Landwirtschaft und die Nutzung natürlicher Ressourcen zur Grundversorgung angewiesen. Folglich sind die natürlichen und artenreichen Ökosysteme des Landes einem hohen Landnutzungsdruck ausgesetzt. Vor allem die Regenwälder im Nordosten des Landes weisen eine bemerkenswerte Vielfalt an Baumarten und eine hohe Endemismusrate auf, sind jedoch von einer raschen Umwandlung in eine von Menschen veränderte Mosaiklandschaft bedroht. In dieser Mosaiklandschaft im Nordosten Madagaskars findet sich noch ein kleiner Anteil geschützter alter Wälder, ansonsten setzt sich die Landschaft aus einem Mosaik landwirtschaftlicher Flächen, Waldfragmente und Agroforste zusammen. Diese Agroforste dienen dem kleinbäuerlichen Anbau von Gewürzvanille, die Madagaskars wichtigstes Exportprodukt darstellt. In diesen Agroforsten spielen Bäume eine entscheidende Rolle. Sie werden entweder als Schattenbäume oder als Stützbäume für die kletternde Vanille-Orchidee (Vanilla planifolia) dauerhaft in das Anbausystem integriert. Vanille-Agroforste decken bezüglich ihrer Struktur und ihrer Artenzusammensetzung ein breites Spektrum ab. Somit weisen sie vielversprechende Landnutzungsoptionen auf, um die Erhaltung der biologischen Vielfalt mit den Produktionszielen im Nordosten Madagaskars in Einklang zu bringen. Da es bisher nur wenige Belege gibt, die eine soziale und ökologische Bewertung der Vanille-Agroforstwirtschaft erlauben, befasst sich das Forschungsprojekt "Diversity Turn in Land Use Science" mit dieser Forschungslücke. Im Rahmen des Diversity Turn-Projekts befasst sich die vorliegende Doktorarbeit mit dem Naturschutzwert von Agroforsten, indem sie die Vielfalt, Bestandsstruktur und Zusammensetzung von Baumgemeinschaften in Vanille-Agroforsten untersucht und sie mit anderen baumbasierten Landnutzungstypen in der Mosaiklandschaft im Nordosten Madagaskars vergleicht. Um dies zu erreichen, entwickelt die vorliegende Doktorarbeit zunächst einen konzeptionellen Rahmen, der eine Naturschutzbewertung von Agroforstsystemen erleichtert. Anschließend werden einzelne Aspekte dieses konzeptionellen Rahmens anhand von Fallstudien untersucht. Die Fallstudien setzen unterschiedliche Schwerpunkte und decken damit ein umfassendes Spektrum ab, das von der Baumartenvielfalt und Bestandsstruktur, über die Baumartenzusammensetzung, die Vielfalt der Agroforst-Stützbäume bis zur Erfassung des oberirdischen Kohlenstoffbestands reicht. Die Fallstudien stützen sich auf Bauminventurdaten, die in Vanille-Agroforsten mit unterschiedlicher Landnutzungsgeschichte erhoben wurden, sowie in weitgehend ungestörten Wäldern, Waldfragmenten und holzigen Brachflächen, die alle Teil der kleinbäuerlichen Mosaiklandschaft im Nordosten Madagaskars sind. In der konzeptionellen Studie (Kapitel 1) wird zunächst dargelegt, dass sich tropische Agroforste in ihrer Landnutzungsgeschichte unterscheiden: sie können entweder im Wald oder auf Brachland angelegt werden. Jedoch wird dieser Unterschied in der Agroforstforschung und -politik bisher kaum beachtet. Auf der Grundlage von Literaturdaten und einem Beispiel aus eigenen Bauminventurdaten zeigt die Studie, dass sich Agroforste mit unterschiedlicher Landnutzungsgeschichte in Bezug auf biologische Vielfalt, Ökosystemfunktionen und Ökosystemdienstleistungen unterscheiden. Die Studie legt nahe, dass die Unterscheidung basierend auf der Landnutzungsgeschichte in verschiedenen Regionen und Agroforstsystemen anwendbar sein könnte, um lokale Naturschutzziele und Landschaftsmanagement besser aufeinander abzustimmen. Kapitel 2 analysiert die Bestandsstruktur und die Artenvielfalt von Bäumen in den verschiedenen Landnutzungstypen der kleinbäuerlichen Mosaiklandschaft. Dabei steht insbesondere im Fokus, wie sich die Landnutzungsgeschichte in Vanille-Agroforsten auf deren Bestandsstruktur und die Baumartenvielfalt auswirkt: die Studie zeigt, dass Agroforste, die im Wald etabliert wurden, wichtig für die Erhaltung der Lebensraumstruktur und der Baumvielfalt sind, während Agroforste, die auf Brachland etabliert wurden, eine Möglichkeit zur Wiederherstellung der Baumbestände auf diesen ehemals bewaldeten Brachflächen bieten. Kapitel 3 quantifiziert die Vielfältigkeit und Zusammensetzung der Baumartengemeinschaften innerhalb und zwischen verschiedenen Landnutzungstypen in der Mosaiklandschaft. Die Studie verwendet Beta-Diversitätsmaße, die Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung und -häufigkeit in diesen verschiedenen Landnutzungstypen widerspiegeln, und zeigt, dass (bis jetzt) viele Baumarten in dieser Mosaiklandschaft überleben können. Allerdings sind die Fluktuationsraten innerhalb und zwischen den Baumgemeinschaften in den verschiedenen Landnutzungstypen hoch, was darauf hindeutet, dass sich die Baumgemeinschaften sowohl in ihrer Identität als auch in ihrem Abundanz verändern. Die Studie befürwortet die Durchführung von Maßnahmen zur Aufforstung und Renaturierung ehemals bewaldeten Brachlands, um die einzigartigen Baumartengemeinschaften in der vom Menschen veränderten Mosaiklandschaft zu erhalten, und schlägt als Einstieg die Etablierung von Agroforsten auf ehemals bewaldeten Brachflächen vor. Die Studie betont jedoch, dass die hohe Fluktuationsrate von Baumartengemeinschaften bei der Planung solcher Aktivitäten zu berücksichtigen ist. Kapitel 4 befasst sich mit der Vielfalt und Zusammensetzung von Agroforst-Stützbäumen, denen bisher wenig wissenschaftliche Aufmerksam zukam. Die Studie stützt sich auf Daten aus der Bestandsaufnahme von Agroforst-Stützbäumen in Vanille-Agroforsten mit unterschiedlicher Landnutzungsgeschichte, sowie auf Befragungen der Besitzer:innen der jeweiligen Vanille-Agroforste. Die Studie analysiert die Artenvielfalt, die Zusammensetzung und die geographische Herkunft der Stützbäume in diesen Vanille-Agroforsten und zeigt, dass Stützbäume wesentlich zur Baumvielfalt dieser Agroforste beitragen, aber abhängig von der Landnutzungsgeschichte werden deutliche Unterschiede zwischen Stützbaum-Beständen sichtbar: Stützbäume in Agroforsten, die im Wald etabliert wurden, umfassen viele einheimische und endemische Stützbaumarten und weisen einen viermal höheren Artenreichtum auf als Agroforste, die auf Brachland etabliert wurden und einen hohen Anteil an eingeführten Stützbaumarten beherbergen. Da auf Brachland etablierte Vanille-Agroforste eine wichtige Rolle bei der Aufforstung und Renaturierung ehemals bewaldeten Brachlands spielen können, empfiehlt die Studie bei deren Etablierung verstärkt auf einheimische oder endemische Baumarten als Stützbäume zurück zu greifen. Kapitel 5 quantifiziert die oberirdischen Kohlenstoffvorräte in den verschiedenen Landnutzungstypen der kleinbäuerlichen Mosaiklandschaft. Dabei wird insbesondere analysiert, wie die Landnutzungsgeschichte die oberirdischen Kohlenstoffvorräte in Agroforstsystemen beeinflusst. Die Studie zeigt, dass Agroforste als Kohlenstoffspeicher in einer multifunktionalen Landschaft fungieren können, dass es aber wichtig ist, ihre Landnutzungsgeschichte und ihre Bewirtschaftung zu berücksichtigen, um ihren Naturschutzwert zu maximieren: Agroforste, die im Wald etabliert wurden, weisen größere oberirdischen Kohlenstoffvorräten auf und haben das Potenzial, eine waldähnliche Struktur mit einheimischen und endemischen Bäumen in der Landschaft zu erhalten, während Agroforste, die auf Brachland etabliert wurden, dieses ehemalig bewaldete Brachland in dauerhaft baumdominierte Landnutzungssysteme zurückführen. Zusammenfassend tragen die Studien im Rahmen dieser Doktorarbeit dazu bei, die ökologische Bewertung tropischer Agroforste zu verbessern. Die Studien liefern datengestützte Erkenntnisse aus Fallstudien in der Mosaiklandschaft im Nordosten Madagaskars, welche die ökologische Bewertung der Vanille-Agroforstwirtschaft in dieser Region ermöglichen. Die vorliegende Doktorarbeit beleuchtet die Vielfalt, die Zusammensetzung und die Bestandsstruktur von Baumgemeinschaften in der Mosaiklandschaft im Nordosten Madagaskars und liefert damit wichtige Informationen, um die Folgen von Landnutzungsänderungen in dieser tropischen Landschaft zu quantifizieren und zu verstehen. Ein solches Verständnis ist unerlässlich für die Entwicklung von regional angepassten Landnutzungsplänen und Schutzmaßnahmen, die darauf abzielen, die Artenvielfalt, Ökosystemfunktionen und Ökosystemdienstleistungen zu erhalten, und ist somit sowohl für die Forschung als auch für den angewandten Naturschutz von hohem Wert. ; In Madagascar, a large percentage of the rural human population faces multifaceted poverty and depends on agriculture and natural resources as main livelihood sources. Consequently, the country's biodiverse natural ecosystems experience high land-use pressure. Especially the north-eastern rainforests comprise a remarkable diversity of trees species with high endemism rates but face rapid transformation into a human-modified mosaic landscape. This human-modified mosaic landscape in north-eastern Madagascar still contains a small share of protected old-growth forest and is otherwise composed of smallholder agricultural land, forest fragments, and smallholder agroforests to cultivate Madagascar's major export product vanilla. In these agroforests, trees are permanently integrated into the crop cultivation system either as shade trees or as support trees for the climbing vanilla orchid (Vanilla planifolia). Vanilla agroforests cover a wide range of structural and compositional characteristics and might offer promising land use options to reconcile biodiversity conservation with production goals in north-eastern Madagascar. Since evidence on the social and environmental benefits and tradeoffs of vanilla agroforestry has been scarce so far, the research project "Diversity Turn in Land Use Science" addresses this research gap. Within the frame of the Diversity Turn project, this thesis addresses the conservation value of agroforests by examining the diversity, stand structure, and composition of tree communities in vanilla agroforests and contrasting them to other tree-based land-use types in the mosaic landscape of north-eastern Madagascar. To do so, this thesis first establishes a conceptual framework on agroforestry systems and then works through the individual aspects of this framework, using case studies on species diversity and stand structure, species composition, support tree diversity, and aboveground carbon stocks. The case studies build on tree inventory data from vanilla agroforests of contrasting land-use history, old-growth forests, forest fragments, and woody fallows after slash-and-burn shifting cultivation, which all contribute to the smallholder mosaic landscape of north-eastern Madagascar. The conceptual study (chapter 1) elaborates that tropical agroforests differ in land-use history and may be either established inside a forest or on open land but this difference is often neglected in agroforestry research and policy. Based on literature data and an example from own tree inventories, the study shows that agroforests of contrasting land-use history differ in biodiversity, ecosystem functions, and services. The study suggests that the differentiation based on land-use history might be applicable in various regions and agroforestry systems, to better align landscape management with conservation goals. Chapter 2 analyses the stand structure and species diversity of trees in the different land-use types of the smallholder mosaic landscape. Therein, the study puts a special focus on how land-use history affects stand structure and species diversity in vanilla agroforests and demonstrates that forest-derived agroforests are important for maintaining habitat structure and tree diversity, whereas fallow-derived agroforests offer tree cover rehabilitation opportunities on open but formerly forested land. Chapter 3 quantifies the variation of tree species communities within and among different land-use types in the mosaic landscape. The study uses beta-diversity metrics that reflect changes in both species composition and abundance in these different land-use types and demonstrates that (thus far) many tree species can persist in this mosaic landscape. However, turnover rates are high within and between tree communities in the land-use types, indicating that tree communities are transforming both in identity and abundance. The study endorses the implementation of conservation and restoration activities to maintain the unique tree species assemblages in the human-modified mosaic landscape and suggests the establishment of agroforests on formerly forested degraded land as an entry point. However, the study emphasizes considering the high turnover rates of tree species communities in the planning of such activities. Chapter 4 focuses on the diversity and composition of agroforest-support trees, which have received little scientific attention so far. The study builds on support tree inventory data and farmer interviews from vanilla agroforests of contrasting land-use history. The study analyses the species diversity, composition, and geographic origin of support trees in these vanilla agroforests and shows that support trees substantially contribute to the tree diversity in these agroforests, but show clear differences based on land-use history: support trees in forest-derived agroforests encompass many native and endemic species richness and have four times higher species richness compared to fallow-derived agroforests, which harbor a high share of introduced species. Since fallow-derived vanilla agroforests can play an important role in restoration and rehabilitation, the study suggests a stronger consideration of native or endemic tree species in new to establish vanilla agroforests. Chapter 5 estimates aboveground carbon stocks across stem diameters and geographic origin of tree species in the different land-use types of the smallholder mosaic landscape. Therein, the study particularly analyses how land-use history influences aboveground carbon stocks in agroforestry systems. The study demonstrates that agroforests can act as carbon reservoirs in a multifunctional landscape, but considering their land-use history and management is important to maximize their benefits: forest-derived agroforests support higher aboveground carbon stocks than fallow-derived agroforests and have the potential to maintain a forest-like structure with native and endemic trees in the landscape, whereas fallow-derived agroforests take land out of the slash-and-burn cycle by converting it into permanent tree-dominated land-use systems. In conclusion, the studies within this thesis contribute to refining the conservation evaluation of tropical agroforests and provide data-based evidence to assess the conservation value of vanilla agroforests in the mosaic landscape of north-eastern Madagascar. The thesis sheds light on the diversity, composition, and stand structure of tree communities in the mosaic landscape of north-eastern Madagascar and thereby provides vital information to quantify and understand the consequences of land-use change in this tropical landscape. Such understanding is essential to develop land-use management schemes and conservation measures that aim to maintain species diversity, ecosystem functions, and services and is thus important for research and applied conservation alike. ; 2022-01-21
In the context of climate change, the destruction and degradation of ecosystems, and many environmental problems and disasters in all parts of the world, environmental discourses such as growth limits, ecological modernization and sustainable development have proliferated (Dryzek 2013). Many governments, as well as international organizations have responded to the growing environmental concerns by adapting and tightening their environmental legislation. In some cases, it has been possible to implement concrete measures on-site and to solve existing problems. However, overall, environmental discourses have had limited impact in achieving tangible action. This is particularly evident in the progressive expansion of industrial- and commodity-based land uses with substantial negative social and ecological impacts, especially those countries in the tropics and subtropics with emerging economies. Why do environmental discourses sometimes translate into policies and sometimes not, and when, and under what conditions, are some then put into practice? This study deals with the problem of "turning words into action" and examines the case study of the Bolivian government under Evo Morales, which explicitly refers to the environmental discourse Buen Vivir ("good living"). The aim is to better understand the challenge of translating words into action to potentially foster the practical relevance of environmental discourses in order to positively influence the social and ecological dimensions of rural development. A discourse is a set of ideas, categorizations and concepts that reflect a particular interpretation of the world. Environmental discourses are discursive constructs that define how we perceive nature, how environmental claims are shaped, and how we deal with environmental problems (Hajer 1995). Dominant environmental discourses are those that translate into normative frameworks after their discursive elements are naturalized, and they ascribe some consensus of meaning. This study focuses on the dominant environmental discourse of Buen Vivir in Bolivia. Buen Vivir has become dominant in Bolivia as an 'alternative to development', and translated into national normative frameworks. Buen Vivir (or 'good living'), is the Spanish reference of the Quechua and Aymara words Sumac Kawsay and Suma Qamaña, respectively (Merino Acuña, 2016a). It promotes a harmonious relationship between humans and nature, in which the well-being of people and the survival of animals, plants, and ecosystems are ensured (Gudynas, 2013). In Bolivia, this discourse gained political attention during the late 1990s and early 2000s, and was adopted in its Constitution in 2009. The study follows three research goals. The first is to determine what makes an environmental discourse dominant. To this end, the study develops a four-dimensional analytical approach: content, actors, strategic practices and context. Using this approach, the study reconstructs the discursive process that led to the dominance of Buen Vivir. The second is to assess the practical relevance of Buen Vivir. This is achieved by determining if and to what extent relevant agricultural policies and socio-environmental manifestations, developing during the Morales administration, are compatible with the principles of Buen Vivir. The third is to explore what influences the practical relevance of dominant environmental discourses by exploring which factors influence the consideration of dominant environmental discourses in decisions of policymakers and land users. This is undertaken by examining subjective perceptions of the two actor groups on the role of a set of factors within three conceptual categories (political hegemony, operational capacity and personal priorities) in influencing policy and land use decisions. Finally, the plausibility of the results of the subjective perceptions is checked by looking at the socio-environmental manifestations and further land use and sectoral policy trends. The analysis showed that all four dimensions examined (content, actors, strategic practices and context) contributed to the dominance of the Buen Vivir discourse. It became clear that dominance resulted from a complex, interactive process that addresses a structural problem of society as a whole (indigenousness) and is part of broader socio-political struggles (decolonization). Concerning the relevance of Buen Vivir for the formulation of sector policies, the analysis showed very different results. For example, Buen Vivir is highly relevant for irrigation and food security policies, of moderate relevance for agricultural reform and agricultural development policies, and has no relevance for energy policies. In this respect, it must be stated that, especially, environmental policy areas were hardly influenced by Buen Vivir. Accordingly, the analyzed indicators of socio-environmental manifestations, such as deforestation and environmental degradation, hardly reflect the principles of Buen Vivir on land-use dynamics. Social aspects, such as smallholders' access to land and resources, staple vs commodity crops, as well as poverty and inequality, on the other hand, partly show greater compatibility with Buen Vivir. Nevertheless, the overall practical relevance of Buen Vivir is rather low. A greater practical relevance of Buen Vivir is necessarily subordinated to influencing factors from the category of political hegemony. In particular, the interests and preferences of the dominant political forces that limit the consideration of the principles of Buen Vivir limit in political decision-making processes. The lack of operational capacity by government agencies also has a negative impact on the implementation of Buen Vivir. In addition, personal preferences of politicians and land users influence the practical relevance of Buen Vivir. The results show that the practical relevance of environmental discourses depends on a complex network of various mutually influencing factors. It is difficult to influence the underlying processes and actors in a targeted manner in order to increase the practical relevance of eligible discourses. Nevertheless, it appears possible to identify opportunities for time and actor-suitable stimuli based on precise observation and analysis of socio-political processes and their actors. Moreover, the strengthening of advocacy coalitions is particularly effective in order to achieve political leverage. Relevant social groups, organizations and authorities can also be strengthened, for example through improved access to knowledge, resources and networks, as well as support in communication and the opportunities for political participation. Such supportive measures are particularly promising if a structuring problem for society as a whole exists or can be found that affects all four dimensions of the discourse. ; Im Kontext von Klimawandel, der Zerstörung und Degradierung von Ökosystem, und vieler Umweltproblem und -katastrophen in allen Teilen der Welt, haben sich kritische Umweltdiskurse zu Wachstumsgrenzen, ökologischer Modernisierung und nachhaltiger Entwicklung weiter etabliert (Dryzek 2013). Viele Regierungen und auch die internationale Gemeinschaft haben reagiert und damit begonnen, ihre Umweltgesetzgebungen anzupassen und zu verschärfen. In manchen Fällen ist es gelungen, konkrete Maßnahmen vor Ort umzusetzen, und Probleme zumindest punktuell zu lösen. Jedoch sind insgesamt den Umweltdiskursen nur unzureichend Taten gefolgt. Dies zeigt sich insbesondere auch in einer weitestgehend ungebremst voranschreitenden Landnutzungsdynamik mit ihren massiven negativen sozialen und ökologischen vor allem in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern der Tropen und Subtropen. Warum aber werden Umweltdiskurse manchmal in Politiken umgesetzt, und manchmal nicht, und wann und unter welchen Bedingungen werden diese dann auch in die Praxis umgesetzt? Diese Studie beschäftigt sich mit diesem Problem des "Umsetzens von Worten in Taten" und untersucht dazu das Fallbeispiel der bolivianischen Regierung unter Evo Morales, die sich explizit auf den Umweltdiskurs Buen Vivir bezieht. Dadurch sollen die Herausforderung Worte in Taten umzusetzen besser verstanden werden, um letztendlich abschätzen, ob und wie es möglich sein könnte, die praktische Relevanz von Umweltdiskursen zu fördern, um die soziale und ökologische Dimension von ländlicher Entwicklung positive zu beeinflussen. Diskurse bestehen aus einer Folge von Ideen, Kategorisierungen und Konzepten, die eine bestimmte Interpretation der Welt widerspiegeln. Umweltdiskurse sind diskursive Konstrukte, die definieren, wie wir die Natur wahrnehmen, wie Umweltansprüche geformt werden und wie wir mit Umweltproblemen umgehen (Hajer 1995). Dominante Diskurse sind diejenigen, die sich nach der Naturalisation ihrer diskursiven Elemente in normative Rahmenbedingungen übersetzen lassen und eine Art Bedeutungskonsens zuschreiben. Diese Studie beschäftigt sich mit dem dominanten Umweltdiskurs des Buen Vivir im Kontext Boliviens. Buen Vivir (frei übersetzt "gutes Leben") stellt einen Diskurs zu einem alternativen Entwicklungsmodell dar und findet sich in Bolivien in wichtigen nationale Rahmengesetzen wieder. Buen Vivir ist die spanische Referenz der Quechua- und Aymara-Wörter Sumac Kawsay und Suma Qamaña (Merino Acuña 2016b). Buen Vivir zielt auf eine harmonische Beziehung zwischen Mensch und Natur ab, in der das Wohlergehen der Menschen und das Überleben von Tieren, Pflanzen und Ökosystemen gewährleistet ist (Gudynas 2013). In Bolivien erlangte dieser Diskurs in den späten 1990er politische Aufmerksamkeit und wurde 2009 in die Verfassung aufgenommen. Die Studie folgt drei Forschungszielen: Das erste Ziel besteht darin, herauszufinden, was Umweltdiskurse dominant macht. Die Studie entwickelt dazu einen analytischen Ansatz mit den vier Dimension: Inhalt, Akteur, strategische Praktiken und Kontexte, und rekonstruiert auf dieser Grundlage den diskursiven Prozess, der zur Dominanz von Buen Vivir geführt hat. In einem zweiten Schritt wird die praktische Relevanz von Buen Vivir bewertet, in dem festgestellt wird, inwieweit relevante Agrarpolitiken und sozio-ökologische Dynamiken während der Präsidentschaft von Evo Morales mit den Prinzipien von Buen Vivir kompatible sind. Schließlich wird untersucht, welche Faktoren Politiker und Landnutzer beeinflussen, dominante Umweltdiskurse in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Dazu werden Repräsentanten relevanter Akteursgruppen befragt, um ihre subjektiven Wahrnehmung zur Bedeutung von Einflussfaktoren aus drei konzeptionellen Kategorien, politische Hegemonie, operative Kapazität, und persönliche Prioritäten) abzuschätzen. Abschließend wird die Plausibilität der erzielten Ergebnisse geprüft, in dem sie mit den tatsächlichen Dynamiken in Politik und Landnutzung konfrontiert werden. Die Analyse zeigte, dass alle vier untersuchten Dimensionen (Inhalt, Akteure, strategische Praktiken und Kontext) zur politischen Relevanz von Buen Vivir beigetragen haben. Es wurde deutlich, dass dieser Relevanz ein hochkomplexer, interaktiver Prozess zu Grunde lag, der auf ein strukturierendes gesamtgesellschaftliches Problem (Indigenität) thematisiert, und Teil umfassenderer gesellschaftspolitischer Kämpfe (Entkolonialisierung) ist. In Bezug auf die Relevanz von Buen Vivir für die Formulierung von Sektorpolitiken zeigte die Analyse sehr unterschiedliche Ergebnisse. So hat Buen Vivir für Bewässerungs- und Ernährungssicherheitspolitiken eine hohe Relevanz, für Politiken der Agrarreform und der landwirtschaftlichen Entwicklung nur eine mäßige, und für Energiepolitiken überhaupt keine Relevanz. Insofern muss festgestellt werden, dass gerade umweltrelevante Politikfelder kaum von Buen Vivir beeinflusst wurden. Entsprechend spiegeln auch die analysierten Umweltindikatoren, wie zum Beispiel Entwaldung und Umweltdegradierung, zur Landnutzungsdynamik die Prinzipien von Buen Vivir kaum wieder. Soziale Aspekte, wie der Zugang von Kleinbauern zu Land und Ressourcen, Grundnahrungsmitteln und Rohstoffen sowie Armut und Ungleichheit, dagegen zeigen zum Teil eine höhere Kompatibilität mit Buen Vivir. Dennoch ist die praktische Relevanz von Buen Vivir insgesamt eher gering. Eine höhere praktische Relevanz von Buen Vivir stehen vor allem Einflussfaktoren aus der Kategorie der politischen Hegemonie entgegen. Insbesondere beschränken Interessen und Präferenzen der dominierenden politischen Kräfte die den Prinzipien von Buen Vivir entgegenstehen, dessen stärkere Berücksichtigung in politischen Entscheidungsprozessen. Auch fehlende operationale Kapazitäten von Regierungsstellen wirken sich negativ auf die Umsetzung von Buen Vivir aus. Schließlich beeinflussen persönliche Präferenzen von Politikern und Landnutzern die praktische Relevanz von Buen Vivir. Die Ergebnisse zeigen, dass die praktische Relevanz von Umweltdiskursen von einem komplexen Geflecht verschiedenster sich gegenseitig beeinflussender Faktoren abhängt. Es ist schwierig die dahinterstehenden Prozesse und Akteure gezielt zu beeinflussen, um die praktische Relevanz förderungswürdiger Diskurse zu erhöhen. Es erscheint dennoch möglich, auf der Grundlage einer genauen Beobachtung und Analyse der gesellschaftspolitischen Prozesse und deren Akteure, Möglichkeiten für zeit- und akteursoptimierte Stimuli zu identifizieren. Besonders effektiv ist dabei die Stärkung von Interessenvertretungskoalitionen, um politische Hebelwirkung zu erzielen. Auch können relevante soziale Gruppen, Organisationen und Behörden gestärkt werden, etwa durch verbesserten Zugang zu Wissen, Ressourcen und Netzwerken, sowie die Unterstützung bei Kommunikation und den Möglichkeiten politischer Partizipation. Vielversprechend sind solche unterstützenden Maßnahmen vor allen dann, wenn ein strukturierendes gesamtgesellschaftliches Problem existiert bzw. gefunden werden kann, dass in alle vier Dimension des Diskurses wirkt.
Die Frage, warum eine Gerichtsentscheidung zum Prüfungsgegenstand eines außerordentlichen Grundrechtsschutzmittels werden sollte, ist nicht a priori zu beantworten. Um judikatives Unrecht zu sanktionieren, könnte man an Stelle des außerordentlichen Rechtsbehelfs noch einen weiteren Rechtsbehelf im ordentlichen Rechtsweg vorsehen. Der Grund, warum dieser Weg nicht vorzuziehen ist, lässt sich nicht durch die Annahme erklären, dass die Mentalität der Fachrichter für die Wahrung der Grundrechte weniger geeignet sei als die der Verfassungsrichter. Der politische Modus der Verfassungsrichterwahl gewährleistet nicht unbedingt die Qualifikation für einen Hüter der Verfassung. Die Notwendigkeit der Urteilsverfassungsbeschwerde ist ebenso wenig direkt aus dem Wesen bzw. Begriff der Verfassungsbeschwerde herzuleiten. Es kommt vielmehr auf das Spezifikum der Justizstruktur oder des Gerichtsverfahrens eines bestimmten Staates an. Viele Konzeptionen über das außerordentliche Grundrechtsschutzmittel sind gerade daran gekoppelt. Aus der genetischen Untersuchung lässt sich erkennen, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Verselbständigung des Verfassungsgerichtswesens, dem die Normenkontrolle obliegt, einen wichtigen Ausgangspunkt für die Einführung der Verfassungsbeschwerde bildete. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde vor allem dem Einzelnen ermöglichen, selbst die einem Gerichtsurteil zugrunde liegende Norm beim BVerfG vorzulegen und sie anzugreifen. Auch für den Fall, dass ein Gerichtsurteil zum unmittelbaren Beschwerdegegenstand wird, stellt sich das Verfahren der Verfassungsbeschwerde eher als ein neuer Modus der Normenprüfung dar denn als Korrektur einer unrichtigen rechtskräftigen Gerichtsentscheidung; die Entscheidung des BVerfG enthält in aller Regel eine – zumindest konkludente – Grenzziehung hinsichtlich des gesetzgeberischen Spielraums. In Korea ist das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde zweigeteilt: zum einen gibt es die Verfassungsbeschwerde gemäß § 68 Abs. 1 KVerfGG und zum anderen diejenige gemäß § 68 Abs. 2 KVerfGG. Diese Zweiteilung der Verfassungsbeschwerde hängt nicht zuletzt mit dem Ausschluss der Gerichtsurteile vom statthaften Beschwerdegegenstand zusammen; wegen des Fehlens des Instituts der Urteilsverfassungsbeschwerde musste in Korea noch eine weitere Art der Verfassungsbeschwerde eingeführt werden, damit der Betroffene die vom Ausgangsgericht unterlassene Vorlage einer entscheidungserheblichen Norm nachholen kann, was in Deutschland in der Form der sog. verdeckten Rechtssatzverfassungsbeschwerde erfolgt. Ansonsten orientiert sich die koreanische Verfassungsbeschwerde im Ganzen und Großen am deutschen Vorbild. Die Grundlage für eine solche Orientierung am deutschen Vorbild ist die Verselbständigung des Normenkontrollgerichts. In der Tat bildet die Normenprüfung das Hauptfeld der koreanischen Verfassungsbeschwerde. Aber warum sollte die Normenkontrollkompetenz dem Verfassungsgericht zugeordnet werden? Darauf gibt etwa die Cappelletti'sche Erklärung keine befriedigende Antwort. Die Auffassung Cappellettis, dass die Mentalität der gewöhnlichen Richter im Civil-Law-Rechtskreis für die Verfassungsjudikatur nicht geeignet sei, ist übertrieben; ihr kommt allenfalls eine provisorische Geltung zu. Der Grund für die Errichtung des Verfassungsgerichts liegt vielmehr darin, dass die verhältnismäßig große Struktur der traditionellen höchsten Gerichtshöfe im Civil-Law-Rechtskreis und die damit verbundene breite Anrufungsmöglichkeit der Gerichtshöfe durchaus als bewahrenswert anzusehen ist, während die Wahrung der Rechtseinheit im verfassungsrechtlichen Bereich einer kleineren Gerichtsorganisation bedarf. Eine solche Erwägung gilt auch für Korea, obwohl der KOGH bislang seine relativ kleine personelle Struktur beibehält; es gibt in Korea einen großen Bedarf an höchstinstanzgerichtlicher Rechtsprechung und somit erscheint es überaus wünschenswert, etwa durch die Aufteilung des KOGH in mehrere Senate und deren fachliche Spezialisierung die Kapazität des Gerichts zu vergrößern. Um nicht nur die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, sondern auch die der Fachgerichtsbarkeit zu fördern, empfiehlt sich durchaus die Zweiteilung der gesamten Gerichtsorganisation, d.h. die institutionelle Trennung der beiden Gerichtsbarkeiten. Zwischen der Verselbständigung des Normenkontrollgerichts und der Einführung der Urteilsverfassungsbeschwerde besteht eine enge Korrelation. Im Hinblick auf die Normenkontrollkompetenz des BVerfG beschloss der deutsche Gesetzgeber die Einführung der (Urteils-)Verfassungsbeschwerde. Die Befugnis des BVerfG zur authentischen Verfassungsauslegung, die auch dem Gesetzgeber gegenüber verbindlich ist, gibt ferner einen Ansatz für die Entwicklung einer differenzierten verfassungsgerichtlichen Prüfungsdichte bei der Urteilsverfassungsbeschwerde. Die Auswirkung der institutionellen Nichtzulassung der Urteilsverfassungsbeschwerde auf die verfassungsgerichtliche Normenprüfung lässt sich am koreanischen Beispiel gut erkennen: Wegen des Fehlens des Instituts der Urteilsverfassungsbeschwerde ist das KVerfG regelmäßig nicht in der Lage, seinen Prüfungsumfang auf einen individualisierten Normenteil einzugrenzen. Das Gericht kann ebenso wenig erwarten, dass ihm die Fachgerichte ihre Sachverhaltswürdigung bzw. Fallanschauung vermitteln. Wegen des Umstands, dass das Verfassungsgericht das Gesetz losgelöst von seiner konkreten Anwendung abstrakt und generell überprüfen muss, leidet die Rationalität der verfassungsgerichtlichen Entscheidung gegebenenfalls erheblich. Allerdings ist zu beachten, dass die Einführung der Urteilsverfassungsbeschwerde in Korea ein neues Problem aufwerfen könnte. Vor allem könnte das KVerfG durch die Flut von Urteilsverfassungsbeschwerde in starkem Maße überlastet werden. Die prozessualen Steuerungsmittel wie etwa die Eintragung mangelhafter Verfassungsbeschwerden in das Allgemeine Register, die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr, die strenge Anwendung des Erfordernisses der Substantiierung bzw. des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bringen ihrerseits so viele Probleme mit sich, dass sie wenig empfehlenswert erscheinen. Stattdessen wäre es besser, über ein Outsourcing eines Teils der Verfassungsbeschwerden nachzudenken, wie es von der ehemaligen Verfassungsrichterin Karin Graßhof vorgeschlagen worden ist. Daneben ist noch in Erwägung zu ziehen, ob das bestehende koreanische Vorprüfungsverfahren nicht dahin reformiert werden sollte, dass in Zukunft die Kammern nicht nur unzulässige Verfassungsbeschwerden filtern können, sondern auch offensichtlich unbegründete. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Urteilsverfassungsbeschwerde könnte eine Differenzierung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Grundrechtsverletzung dienlich sein: Für die mittelbare Grundrechtsverletzung sollte der Prüfungsmaßstab das Willkürverbot sein, wie es in dieser Arbeit rekonstruiert worden ist. Für die unmittelbare Grundrechtsverletzung wäre die Schumann'sche "Umdenken-Methode" maßgeblich; die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist jedenfalls dadurch gekennzeichnet, dass sie der gesamten öffentlichen Gewalt gegenüber verbindlich sein sollte. Dies darf auch bei der Kontrolle der Zweiten bzw. der Dritten Gewalt niemals außer Acht gelassen werden. ; Why should an improper judicial decision require an extraordinary remedy for the protection of fundamental rights? This question cannot be answered in an a priori manner; instead of an extraordinary remedy, we could design another judicial process to correct a wrong decision rendered by a regular court. If this method is unpreferable, the objection should be explained substantially. But it does not seem persuasive to assume that the mentality of the regular judges is less suitable for the protection of fundamental rights than that of constitutional court judges. Political elements in the appointment of constitutional court judges do not necessarily qualify them to be guardians of the constitution. Neither can the need for an extraordinary remedy against judicial decisions be directly derived from the nature or the definition of the constitutional complaint. What is significant is rather the specific structure and jurisdiction of courts in a given state, from which various principles regarding the extraordinary remedy can be drawn. The historical approach makes it clear that the introduction of the constitutional complaint is related to the establishment of a special court for judicial review of the constitutionality of legislation. According to the prevailing opinion of the fathers of the German Federal Constitutional Court Act, the constitutional complaint was designed to be a pathway to judicial review of a statute on which the decision of a regular court was based. Even though a complaint is filed apparently against a judicial decision, its procedure represents itself mostly as another mode of judicial review of the law rather than as a reexamination of the final decision. At least in effect, the decision of the constitutional court on a constitutional issue restricts legislative discretion. In Korea, there are two types of constitutional complaint: one is regulated under Section 68.1 of the Korean Constitutional Court Act, the other under Section 68.2 of the same act. The acceptance of both types of constitutional complaint was due to the exclusion of the possibility to file a constitutional complaint against judicial decisions. This exclusion means that the unconstitutionality of a statute applied by a regular court also cannot be alleged by means of the general – i.e. the former type of – constitutional complaint. In compensation, the latter type of the constitutional complaint had to be introduced in order to give an individual a chance to allege the unconstitutionality of a statute on which a judicial decision is based. Apart from this aspect, the constitutional complaint in Korea is similar to the German model as both Germany and Korea have special courts for judicial review. Indeed, a significant number of complaints filed with the Korean Constitutional Court concern the unconstitutionality of legislation. Nevertheless, why should the task of judicial review be assigned to the constitutional court? Cappelletti did not provide a satisfactory answer to this question. His explanation, that the mentality of regular judges in civil law regions is unsuitable for the task, seems to be an exaggeration; it can serve at most as a provisional argument. The establishment of a special court for judicial review was rather due to the fact that the relatively large organization of the highest courts in civil law regions and the accordingly broad access to them were considered worth preserving while a small court is more apt to achieve legal unity, particularly in relation to constitutional issues. Regardless of the relatively small structure of the current Korean Supreme Court, such a historical precedent has significant meaning for Korea; the Korean people are longing for greater access to the highest court; thus, it seems desirable to enlarge the capacity of the court by establishing several specialized divisions. In order to promote the development not only of constitutional jurisprudence but also of other types of jurisprudence, it is highly advisable to have a separate constitutional court in addition to the regular courts. A narrow correlation exists between establishing a special court for judicial review and introducing the institution of the constitutional complaint against judicial decisions. First, with respect to the very power of the Federal Constitutional Court to control the constitutionality of statutes, the German legislature decided to introduce this institution. Second, the ability of the Court to interprete the constitution authoritatively – i.e. with binding effect even against the legislature – also gives insight into the intensity of review in dealing with constitutional complaints filed against court decisions. The situation of Korean constitutional jurisdiction shows what influence the prohibition against lodging a complaint against court decisions can have over judicial review of statues. Because of its inability to control the constitutionality of judicial interpretation – i.e. the meaning of a law as applied to a given case – the Constitutional Court is neither able to narrow the scope of review to an individualized subrule, nor can it expect the regular courts to provide their factual and legal assessment of the case. Isolated from its concrete application, a statute must always be reviewed in a general and abstract manner. This explains why the opinions of the Constitutional Court sometimes seem irrationally broad and inexpedient to solve the constitutional problem in a particular case. On the other hand, we should acknowledge that making it possible to file constitutional complaints against court decisions can also cause difficulties. Most significantly, the Constitutional Court may become overburdened by a flood of constitutional complaints against court decisions. However, procedural means such as recording defective complaints in the General Register, imposing court fees on the abuse of the constitutional complaint or strictly applying the requirement of substantiation or the principle of subsidiarity to the constitutional complaint may also have negative effects; thus, they do not seem advisable for the Korean judiciary. Instead, it would be better to consider outsourcing some constitutional complaints, as proposed by the former judge of the German Federal Constitutional Court, Karin Graßhof. In addition, we should ponder whether the present preliminary examination system should be reformed in order that the three-judge chamber can not only decide upon the inadmissibility of constitutional complaints but also dismiss obviously ungrounded ones. In deciding whether a constitutional complaint filed against a court decision should be granted, it would be useful to differentiate between a direct and an indirect violation of fundamental rights. In the latter case, the criterion for granting complaints should be the arbitrariness test as reconstrued in this dissertation. In the former case, the method proposed by Schumann – i.e. regarding a judicial decision as a legislative one – is significant. The key point is that the judgment of the constitutional court on a constitutional issue has binding effect against the entire public authority including the legislature. Even in controlling the second and the third power, this should not be disregarded.
Hintergrund: Die rasante Beschleunigung der Medizintechnik-Entwicklung trägt erheblich zum Erfolg der Leistungsfähigkeit der Gesundheitsdienste bei, waseine Qualitätsverbesserung für die Bevölkerung zur Folge hat. Auf der anderen Seite wird heute mehr als die Hälfte des gesamten Wachstums der Behandlungskosten durch den Kostenanstieg dieser neuen Technologien verursacht. Die Einführung neuer Gesundheitstechnologien (NHT) ist daher eindeutig ein vielschichtiger Prozess. Dieser Prozess verläufttypischerweise zwischen einkommensstarken Ländern und Ländern niedriger mittlerer Einkommensstufe sehr unterschiedlich, da die Verbreitung neuer Gesundheitstechnologien in letzteren geringer ist und verzögert stattfindet. Der Bedarf derBevölkerungwird deswegen nie völlig gedeckt. Der Vergleich zwischen der schon lange etablierten chirurgischen Resektion (SR) und der neuerenstereotaktischen Radiochirurgie (SRS) bei der Behandlung von Hirnmetastasen ist ein Beispiel dafür. Stereotaktische Radiochirurgie wird in Industrieländern schon seit längerer Zeit als die kostengünstigere Option angewendet. In Entwicklungsländern hingegen wird gerade erst damit begonnen, stereotaktische Radiochirurgie durchzuführen, und es mangelt noch immer an evidenzbasierten Technologiebewertungen SRS und SR vergleichend. Generell sind Gesundheitstechnologiebewertungen und Kosteneffektivitätsanalysen in einkommensstarken Ländern relativ gut etabliert. Dagegen ist in Ländern der niedrigen oder niedrigen mittleren Einkommensstufe nur wenig darüber bekannt.Methodologische Leitlinien fehlen, die die Übertragung von Wirtschaftlichkeitsanalysen länderübergreifend ermöglichten. Daher stellt sich die Frage, ob stereotaktische Radiochirurgiein Ländern der niedrigen mittleren Einkommensstufe tatsächlich wirtschaftlicher ist als chirurgische Resektion.Zu beantworten wäre ferner welche Faktoren die Unterschiede der Wirtschaftlichkeit der hier genannten Ländergruppensystematisch bestimmen. Hauptziel: Hauptziel der Arbeit war die Wirtschaftlichkeit einer neuen, krankenhausbasierten Gesundheitstechnologiein einem Land der niedrigen mittleren Einkommensstufe (Vietnam) mit der eines einkommensstarken Landes (Deutschland) zu vergleichen. Zu diesem Zweck wurden zwei Behandlungsstrategien von Hirnmetastasen (SRS und SR) in Vietnam verglichen. SpezifischeZiele: (1) Die Analyse der Wirtschaftlichkeit von SRS und SR bei der Behandlung von Hirnmetastasen in Vietnam und Deutschland aus der Perspektive der Krankenversicherung. (2) Faktoren zu identifizieren, die die Wirtschaftlichkeitsunterschiede zwischen einkommensstarken (Deutschland) und Ländern der mittleren niedrigen Einkommensstufe (Vietnam) systematisch bestimmen. Methoden: Primärdaten aus Bevölkerungsregistern, Verwaltungs-, Krankenhaus- und Patientendaten wurden erfasst. Sekundärdaten wie z.B. akademische Forschungsliteratur und unveröffentlichte Berichte ("graue Literatur") unterschiedlicher Interessensfelder wie Demografie, Epidemiologie, klinische Praxis, Patientencharakteristika, Gesundheitswesen und Gesundheitsfinanzierung wurden genutzt, um die Einführung von SRS als neue Gesundheitstechnologie im Vergleich mit der Standardtechnologie (SR) in der Behandlung von Hirnmetastasen einzuschätzen. Ergebnisse: Aus Perspektive der Gesundheitsversicherung ist in dem einkommensstarken Land, Deutschland, SRS SR überlegen. In Vietnam als Land der niedrigen mittleren Einkommensstufe gibt es dagegen große Unsicherheit über die Kosteneffektivität dieser zwei Behandlungsarten. Die erforderliche mehrfacheSRS-Behandlung bei rezidivierenden Hirntumoren in den erlaubten klinischen Konditionen beeinflusst die höhere SRS-Kosteneffektivität signifikant im Vergleich zur chirurgischen Resektion, welche in den einkommensstarken Ländern eher durchführbar ist als in Ländern der mittleren niedrigen Einkommensstufe. Der Unterschied in der Kosteneffektivität von SRS im Vergleich zu SR in diesen beiden Ländern wurde von unterschiedlichen Faktoren hervorgerufen: (1) Demographie, denn während Deutschland eine alternde Bevölkerung aufweist, besitzt Vietnam eine relativ junge Bevölkerung. (2) Epidemiologie, denndie Inzidenz von Gehirnmetastasen ist in Vietnam geringer als in Deutschland, wobei Primärtumoren, die Gehirnmetastasen bilden, häufiger sind. Beide Länder haben dennoch einen hohen SRS-Bedarf für die Behandlung von Gehirnmetastasen. (3) Klinische Praxis, denn Deutschland verfügt im Vergleich zu Vietnam über mehr standardisierte klinische Protokolle, Qualitätssicherungsmechanismen und evidenzbasierte Informationen. (4) Gesundheitsdienstleistungen, denn in Deutschland ist die Regulation der NHT-Diffusion transparenter und harmonisierter als die ausschließlich marktgesteuerte in Vietnam. Außerdem sind NHT-Leistungen in Deutschland relativ ausreichend, um den klinischen Bedarf zu decken.In Vietnam hingegen ist der Zugang zu Gesundheitstechnologiedienstleistungen von der begrenzten Zahlungsfähigkeit der Patienten bedingt. Als Ursachen können hier hauptsächlich der abweichende Versicherungsschutz und unterschiedliche Zuzahlungen in den zwei Ländern genannt werden. (5) Patientencharakteristika, wie dieFähigkeit neue Technologienabzurufen, Therapietreue und die Regelmäßigkeit der Nachkontrolluntersuchungen.Letztere wird für deutsche Patienten strenger gehandhabt. (6) Gesundheitsfinanzierung, die in beiden Ländern völlig unterschiedlich funktioniert. Ein deutsches Krankenhaus wird per DRGs vergütetund die Kosten von NHT werden unter bestimmten Umständen dem erstatteten Preishinzugefügt; es existieren ausreichend Mittel bezüglich NHT-Investitionen.In Vietnam werden Gesundheitstechnologieleistungen per Fee-for-service vergütet, und NHT-Investitionskosten belasten die öffentliche Hand sowie diePatientenauslagen.Dadurch wird ein Ressourcenmangel für NHT-Investitionen verursacht. Schlussfolgerung/ Fazit Im Fall von Gehirnmetastasen ist die Kosteneffektivität der stereotaktischen Radiochirurgie (SRS) im Vergleich zur chirurgischen Resektion (SR) niedriger für ein Land der niedrigen mittleren Einkommensstufe (Vietnam) als für ein einkommensstarkes Land (Deutschland). Um Beschlussfassungen bei der Einführung neuer Gesundheitstechnologien (NHT) besser zu informieren sollte jedes Land eigene Kosteneffektivitätsstudien durchführen, die Demographie, Epidemiologie, klinische Praxis, Patientencharakteristika, Gesundheitswesen und Gesundheitsfinanzierung landesspezifisch in Betracht ziehen. Für Länder der niedrigen mittleren Einkommensstufe (hier Vietnam) wird vorgeschlagen, die Rolle des Koordinators in der Einführung von Gesundheitstechnologien zu stärken, den Krankenversicherungsschutz zügig zu erweitern, damit Behandlungskosten gedeckt werden, den Übergang zu einer auf DRGs basierenden prospektiven Vergütung von Krankenhausleistungen anzustreben, "Best-Practice"-Leitfäden und Qualitätssicherungsmechanismen für die klinische Praxis zu etablieren sowie die Gesundheitsversorgungskenntnisse und Bewusstsein der Bevölkerung zu verbessern. ; Background: The rapid acceleration of medical technology development significantly contributes to the achievement of health service performance, the quality improvement of health care for the population. On the other hand, it leads to an increase of medical costs, which accounts for at least half of all medical cost growth, nowadays. New health technology (NHT) adoption is therefore a clearly complex process. It is a process that is typically different between high-income- and low-middle-income countries, as the diffusion of NHT in low-middle-income countries is far less and lagged far behind than in the high-income countries. The diffusion of NHT never fully reaches the demand of eligible population in low-middle-income countries. An example is the use of two treatment methodologies, the long established surgical resection (SR) and the newer stereotactic radiosurgery (SRS), in the treatment of brain metastasis. Whereas SRS has been used for a relatively long time and previously defined more cost-effective than SR in developed countries, it has just started to be adopted and a lack of evidence-based information on the health technology assessment of SRS versus SR in developing countries. Generally, the results of health technology assessment and cost-effectiveness analysis for particular different health technologies are relatively well defined in high-income countries, but little is known about these in low- and low-middle-income countries. There is a shortage of methodological guidance to adjust cost-effectiveness results from one to another country setting. This raises the questions of whether the NHT of SRS is or is not more cost-effective than SR in the contexts of a low-middle-income country and of a high-income country; and of what factors systematically determine differences in the cost-effectiveness between these two countries. Main objective: To compare the cost-effectiveness of a new hospital-based health technology of a low-middle-income country with a high-income country, by taking a case study of the two treatment modalities of SRS versus SR in the treatment of brain metastasis in Vietnam, which represents a low-middle-income country, and Germany, which represents a high-income country. Specific objectives (1) To analyse for SRS and SR which is more cost-effective in the treatment of brain metastases in the context of Vietnam and of Germany, from the perspective of health insurance (2) To find the factors which systematically determine the difference in cost-effectiveness between high- (Germany) and low-middle-income countries (Vietnam) Methods: A combination of primary data methods from population-based registration, administration, hospital-based, patient level data; and secondary data methods from academic and grey literature for the research in multiple fields of demography, epidemiology, clinical practice, patient characteristics, health services and health finance was used to assess the adoption of the NHT of SRS versus the standard treatment technology of SR in the treatment of brain metastasis. Results: From the perspective of health insurance, SRS is clearly dominant to SR in the treatment of brain metastasis in the high-income country of Germany, while there is high uncertainty regarding cost-effectiveness between these two methodologies in the low-middle-income country of Vietnam. The repeated treatment of the new technology of SRS for the patient with reoccurrence of brain tumors in the allowed clinical conditions significantly influences the higher cost-effectiveness of SRS comparing to surgical resection, which was more feasibly performed in the high-income rather than low-middle-income countries. The difference between the results of the cost-effectiveness of SRS versus SR in the treatment of brain metastatic in these two countries was affected by different factors which include: (1) Basic demography whereas it is an aging population in Germany on the contrary to the relatively young population in Vietnam. (2) Epidemiology of brain metastasis is rather different between two countries in the cancer incidence rate (it is lower in Vietnam than in Germany), cancer pattern (more frequent occurrence of primary tumor sites which act as main sources of brain metastasis in Vietnam than in Germany). However, both countries have high demand to the NHT of SRS for the treatment of brain metastasis. (3) Clinical practice whereas Germany has more standardized clinical protocol/practice; more strict quality accreditation; and more available medical evidence-based information than these in Vietnam. (4) Health services which are more available in Germany, where the regulation on NHT diffusion is transparent and harmonized in comparison to the market driven decision making of NHT diffusion in Vietnam. In addition, NHT services are relatively sufficient to respond to the demand as clinically required in Germany, while that is rather limited to the ability to pay of patient on the access to health technology services in Vietnam. This difference is mainly determined by the coverage of health insurance and the rate of copayment for the NHT services between two countries. (5) Patient characteristics which includes the ability to access new technology of each patient, and their adherence to the treatment, regular check-up during the follow-up period which is found more strict for the patient in Germany comparing to the patient in Vietnam. (6) Health finance, it is totally different between two countries, where German hospital get reimbursement by DRG scheme; the cost of NHT is under certain circumstances added to the price paid by public payment; there are sufficient resources in the investment of NHT which is contrary to Vietnam, where the reimbursement of the health technology service is by fee-for-service scheme, and the NHT investment cost is responsible more by Government and out-of-pocket payment of the patient, giving shortage of resources for investment of new health technology. Conclusion: The cost-effectiveness of an NHT of SRS versus SR in the treatment of brain metastasis in a low-middle income country (Vietnam) is lower than that of a high-income country (Germany). To be better advised for the decision making regarding NHT adoption, each country needs to conduct its own study of cost-effectiveness assessment of an NHT, in which an assessment of the cost-effectiveness of an NHT is examined in the broad context of demography, epidemiology, clinical practice, patient characteristics, health services and health finance. It is suggested that the low-middle-income country (Vietnam) strengthens the role of the coordinator in the medical technology adoption, rapidly increases the coverage of health insurance to cover the costs of treatment, move towards a prospective payment system based on DRG, establishes more standard protocol and quality control of clinical practices, and improve the health care knowledge and awareness of the population.
Inhaltsangabe: Einleitung: Während der Vorbereitung auf die Weinbauprüfung im Rahmen der Diploma-Ausbildung der "WSET" (Wines and Spirits Education Trust) bin ich 2002 auf das Buch von Gladstone "Viticulture and Environment" gestoßen. In diesem Buch wird dargestellt, wie Weinbaugebiete anhand von Klimaparametern auf ihre Eignung zum Anbau spezifischer Rebsorten geprüft werden können. Dies erfolgt durch die Bestimmung der Wärmesumme, die der Rebe während der Vegetationsperiode für die physiologische Entwicklung zur Verfügung steht. Im umfangreichen Tabellenteil des Werks sind auch die Daten und die Bewertung der klimatischen Verhältnisse für den Weinbau in Wien angeführt. Die damals durchgeführte Überprüfung der Werte mit aktuellen Daten hatte ergeben, dass es zu einem Anstieg der Wärmesumme gekommen war. Zeitgleich erschien auch ein Zeitungsartikel, dass es durch die Klimaänderung zu einem Temperaturanstieg in Österreich gekommen war und die 90er Jahre die wärmsten waren, seit es Temperaturaufzeichnungen gibt. Das Thema hatte begonnen mich zu interessieren, und meine erste Arbeit war die Diplomarbeit für die WSET-Ausbildung mit dem Titel "Klimaänderung als Voraussetzung für das Österreichische Rotweinwunder". In dieser Abhandlung habe ich argumentiert, dass die Klimaänderung einen wesentlichen Beitrag zu den österreichischen Top-Rotweinqualitäten, die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre entstanden sind, geleistet hat. Im Jahr 2004 habe ich mich entschlossen, die nun vorliegende Dissertation zu verfassen. Es war von Anfang an klar, dass ich dies auf meiner Alma Mater, der Wirtschaftsuniversität Wien tun möchte und thematisch hat sich das Institut für Angewandte Regional- und Wirtschaftsgeographie angeboten. Die Geographie hat sich schon immer als Brückenfach verstanden; seit jeher war die Geographie sowohl eine Natur- als auch eine Sozialwissenschaft. Das hat sich auch dadurch bestätigt, dass Herr Professor Christian Staudacher sofort bereit war, die Arbeit zu betreuen. Ich möchte ihm ganz besonders danken für die Anregungen und Gespräche, die mir immer wieder neue Perspektiven eröffnet haben und auch dafür, dass ich mich durch seine Anleitungen in meinem Forschungsvorhaben immer unterstützt und nie eingeschränkt gefühlt habe. Mein Dank gilt auch den wissenschaftlichen Mitarbeitern am Institut für die Anregungen, kritische Hinterfragung der Konzepte und Diskussionen im Rahmen der Seminare. Als Zweitbegutachterin habe ich eine anerkannte Meteorologin gewinnen können, Frau Professor Helga Kromp-Kolb. Sie hat sichergestellt, dass auch der meteorologische Teil der Arbeit in der notwendigen Breite und Tiefe abgehandelt werden konnte. Auch ihr gilt mein Dank, für ihre Anregungen, die kritische Auseinandersetzung mit meinen Ausführungen und ihre Bereitschaft, eine interdisziplinäre Arbeit zu betreuen. Herrn Doktor Herbert Formayer danke ich für seine Unterstützung bei der Analyse der Wetterdaten. Das Klima der Erde hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensbedingungen von Menschheit und belebter Natur. Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid hat seit 1750 durch menschliche Aktivitäten merklich zugenommen, und die Werte der Zeit vor Beginn der Industrialisierung weit übertroffen. Die Erhöhung der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere ist mittlerweile eindeutig nachweisbar, und ein weiterer Temperaturanstieg wird vorhergesagt. Selbst wenn die Konzentration der Treibhausgase und Aerosole auf dem Niveau von 2000 bleibt, wird eine weitere Erwärmung von ca. 0,1C pro Dekade erwartet. Die Klimaänderung wird die menschlichen Lebensverhältnisse und die Ökosysteme deutlich verändern. Das Ausmaß dieser Veränderung hängt davon ab, wie stark und wie schnell dieser Prozess voranschreitet, und welche Fähigkeiten die Gesellschaft und die Ökosysteme entwickeln, um sich an diesen anzupassen. Weinbau und Klima sind untrennbar miteinander verbunden, und die klimatischen Verhältnisse einer Region spiegeln sich in den weinbaulichen Praktiken (Erziehungsform, Ausrichtung der Weingärten, Bewässerungsanlagen, etc.) wider. Oft findet Weinbau in klimatischen Grenzregionen statt, und die besten Weinbaugebiete der Welt befinden sich innerhalb enger klimatischen Grenzen. Durch die Klimaänderung ergeben sich neue Herausforderungen -Risiken wie Chancen - für den Weinbau. In der aktuellen Paradigmendiskussion der Geographie spielt das Verhältnis von "objektiver Realität", sprich dem "Raum" und der Bedeutungszuweisung räumlicher Strukturen auf das Handeln eine grundlegende Rolle. Das ganze läuft unter dem Schlagwort "Raumdeterminismus" bzw. "Raumexorzismus". Es geht dabei um die Frage, ob und wie und ob überhaupt Physis, Materie, Raum, aber auch Bedeutungen, Regeln, Gesetze, Prominenzen usw. für das Handeln und für soziale Prozesse relevant sind und Wirkung haben bzw. diese sogar determinieren. Aus wissenschaftlicher Sicht für das Fach Geographie stellt die Arbeit einen empirischen Beitrag zur Paradigmendiskussion unter dem Stichwort "Natur-Gesellschaft-Beziehung" dar. Eine realistische Voraussage vom Ausmaß und Wirkung der Klimaänderung - global und regional - ist eine große Herausforderung für die Wissenschaft, die hohe gesellschaftliche Relevanz besitzt. Die Verbindung zwischen Klimaänderung und Umweltwandel ist auf der lokalen Skala noch sehr wenig untersucht worden. Umweltwandel führt dazu, dass die Menschen Anpassungen vornehmen, um umweltbedingte Störungen zu vermindern bzw. korrigieren oder die geänderten Bedingungen zum Vorteil ausnützen. In der Arbeit sollen die durch die Klimaänderung verursachten Anpassungsprozesse im Weinbau in der Region "Wachau" untersucht werden: Neben einer objektiven Bewertung der Klimaänderung durch die Analyse regionaler Klimadaten und den daraus entstehenden Herausforderungen im Weinbau soll in dieser Arbeit analysiert werden, wie die unmittelbar betroffenen Winzer die Klimaänderung wahrnehmen und beurteilen und welche Anpassungsmaßnahmen sie planen, um den Folgen der Klimaänderung zu begegnen. Veränderte klimatische Bedingungen haben nicht nur eine hohe Relevanz für die laufende Bewirtschaftung der Weingärten, sie reichen so weit in die Zukunft, dass es notwendig werden kann, die weinbaulichen Praktiken (z.B. Sortenstrategie, Erschließung neuer Weinbaulagen, etc.) zu ändern. Es ist wichtig zu erforschen, inwieweit die Klimaänderung bereits stattgefunden hat, welche Szenarien für die Zukunft möglich sind und wie weit oder nahe die Winzer von den tatsächlichen Gegebenheiten in der Planung und Durchführung ihrer Anpassungsmaßnahmen entfernt sind. Für das Abschätzen von zukünftigen Handlungen (Prognose) ist es entscheidend, die "Beeinflusser" (= Handelnden) selbst über ihr zukünftiges Handeln zu befragen. Die Ergebnisse dieser Befragung ergeben zwar keine Fakten im Sinne des tatsächlichen Eintritts, können aber ganz wesentlich zur Erhellung einer zukünftigen Entwicklung beitragen. Sollte sich herausstellen, dass die bereits umgesetzten oder geplanten Anpassungsmaßnahmen nicht ausreichen, um den Folgen einer Klimaänderung zu begegnen, dann besteht individueller und (gesellschafts-)politischer Handlungsbedarf, damit die Winzer durch entsprechende Maßnahmen (Trainings, Infokampagnen, Förderungen) in die Lage versetzt werden, sich der Herausforderung Klimaänderung zu stellen. Zur Untersuchung der Bewertung der Klimafolgen durch die Weinproduzenten und der Anpassungsmaßnahmen werden qualitative Methoden der Sozialforschung angewendet. Der Untersuchungsgegenstand ist noch nicht in der Tiefe erforscht worden, dass die sehr komplexen Zusammenhänge in unterscheidbare Variablen zerlegt und deren Wirkung darüber isoliert und geprüft werden können. Ausgehend von der Tatsache, dass die Klimaänderung auch in Österreich stattfindet, möchte ich mit meiner Dissertation anhand der Weinbauregion Wachau folgende Gruppen von Themenstellungen behandeln: Klimafolgenforschung: Wie vulnerabel (verwundbar) ist das "System" Weinbau gegenüber Veränderungen des Klimas? Wie können Toleranzgrenzen des "Systems" Weinbau, ab der die möglichen Folgen der Klimaänderung eine Gefahr für das System darstellen, definiert werden? Klimaforschung: Hat die Klimaänderung in der Wachau bereits stattgefunden? Welche klimatischen Verhältnisse sind in der Wachau in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten? Weinbauökonomie: Welche Auswirkungen hat die Klimaänderung auf den Weinbau? Welche (weinbau-)technischen Anpassungsmaßnahmen sind geeignet, um die Folgen der Klimaänderung zu mindern bzw. auszunützen? Wahrnehmungs- und Handlungstheorie: Wie wird die Klimaänderung von den Winzern wahrgenommen und bewertet? Welche Anpassungsmaßnahmen planen die Winzer, bzw. können sie sich vorstellen umzusetzen? Change Mangement: Wie erfolgt der organisationale und individuelle Umgang mit Widersprüchen die sich aus den Änderungen der Umwelt ergeben?Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnis3 1.EINLEITUNG14 1.1Forschungskonzept15 1.1.1Problemstellung15 1.1.2Forschungsziel16 1.1.3Forschungsfragen18 1.1.4Forschungshaltung19 1.2Methoden21 1.2.1Analyse vergangenes Klima und zukünftiges Klima in der Wachau21 1.2.2Einfluss des Klimas auf den Weinbau21 1.2.3Untersuchung der subjektiven Bewertung (= Einstellungen) der Klimaänderung22 1.2.4Individuelle Strategien im Umgang mit Veränderung22 1.3Auswahl der Interviewteilnehmer – Sampling22 1.3.1Fallkonstruktion im Sample, Fallgruppen- und Fallauswahl24 1.3.2Auswahl der Betriebe für die Durchführung der Interviews25 1.4Qualitätssicherung und Vermeidung von Bias27 1.4.1Qualitätssicherung27 1.4.2Vermeidung von Bias28 1.5Reichweite der Forschung28 1.6Vorwissen30 1.7Aufbau der Arbeit31 2.UNTERSUCHUNGSREGION: WEINBAUGEBIET WACHAU34 2.1Österreichs bekanntestes Weinanbaugebiet: Die Wachau34 2.2Das Klima der Wachau37 2.3Bodenverhältnisse in der Wachau40 2.4Rebsorten in der Wachau40 2.5Weinkategorien der Wachau41 2.6Vinea Wachau - die Qualitätsvereinigung42 2.7Betriebsstrukturen in der Wachau44 2.7.1Arbeitskräfteeinsatz47 2.7.2Ertrag48 3.KLIMAFOLGENFORSCHUNG49 3.1Anpassung an die Klimaänderung51 3.1.1Aspekte der Anpassung an die Klimaänderung52 3.2Impact Assessment und Vulnerabilität55 3.2.1Impact Assessment55 3.2.1.1Zusammenfassung - Impact Assessment59 3.2.2Vulnerabilität60 3.2.2.1Konzept der Vulnerabilität60 3.2.2.1.1Vulnerabilität als Risk-of-Exposure61 3.2.2.1.2Vulnerabilität als Social-Constructed-Phenomenon62 3.2.2.1.3Synthetische Ansätze64 3.3Methodische Konsequenzen67 4.WETTER - KLIMA – KLIMAÄNDERUNG69 4.1Temperaturschwankungen im 20. Jahrhundert72 4.2Das Klimasystem der Erde77 4.3Klimaantrieb79 4.3.1Astronomischer Klimaantrieb80 4.3.2Tektonischer Klimaantrieb82 4.3.3Anthropogener Klimaantrieb82 4.3.3.1Treibhauseffekt83 4.3.3.2Landnutzungsänderungen87 4.4Wechselwirkungen im Klimasystem88 4.5Klimamodelle91 4.6Unsicherheiten in Klimamodellen95 4.7Direkte Beobachtungen neuester Klimaänderungen100 4.8Klimaänderung in Österreich104 5.KLIMA UND WEINBAU106 5.1Weinbau109 5.1.1Natürliche Faktoren des Anbaugebietes109 5.1.1.1(Makro-)Klima und die individuellen klimatische Ausprägungen109 5.1.1.2"Licht Qualität"112 5.1.1.3Lage/Topographie (Mesoklima)112 5.1.1.4Weinbautechnik113 5.1.1.5Boden113 5.2Phänologie113 5.2.1Physiologische Entwicklungszeit115 5.3Modelle zur Bestimmung der Wärmesumme116 5.3.1Modell zur Bestimmung der Wärmesumme nach Gladstone116 5.3.1.1Zentrale Annahmen und Voraussetzungen im Modell von Gladstone117 5.3.1.2Zentrale Komponenten im Modell von Gladstone117 5.3.1.3Standardklimadaten als Grundlage für die Bewertung der Weinbaugebiete119 5.3.1.4Wärmesummen-Index nach Gladstone – Berechnung120 5.3.1.5Gruppierung der Rebsorten nach benötigten Growing-Degree-Days121 5.3.2Modell zur Bestimmung der Wärmesumme nach Huglin122 5.3.2.1Huglin Indizes für wichtige Rebsorten122 5.4Berechung der Wärmesumme - Modellanwendung aufdie Weinbauregion Wachau123 5.4.1Wärmesumme nach Gladstone - Erläuterung der Berechnung123 5.4.2Interpretation der Daten125 5.4.2.1Station Krems - Interpretation der Daten125 5.4.2.2Station Joching - Interpretation der Daten126 5.4.2.3Der westliche Teil der Wachau – Spitz126 5.4.3Huglin Index - Berechnung und Interpretation der Werte127 5.5Toleranzbereich des Systems127 5.6Ausgewählte Studienergebnisse - Klimaänderung und Weinbau130 5.7Zusammenfassung - Auswirkungen der Klimaänderung auf den Weinbau136 5.8Weinbauliche Anpassungsmaßnahmen an die Klimaänderung137 6.VERGANGENE UND ZUKÜNFTIGE KLIMATISCHE VERHÄLTNISSE IN DER WACHAU141 6.1Daten und Methoden zur Analyse des Klimas141 6.2Homogenitätsprüfung der Daten der Wetterstation Krems145 6.2.1Berechnung der Korrekturfaktoren149 6.2.2Tabelle der ermittelten Korrekturfaktoren153 6.3Analyse der Wetterdaten - "Vergangenes Klima"154 6.3.1Temperaturauswertungen154 6.3.1.1Ganzjahrestemperatur154 6.3.1.2Temperatur während der Vegetationsperiode (April - Oktober)155 6.3.1.3Temperatur im Quartal Q2 (April-Juni)157 6.3.1.4Huglin Index und Wärmesummenindex nach Gladstone158 6.3.2Phänologie160 6.3.2.1Beginn der Rebblüte160 6.3.3Besondere Tage161 6.3.4Niederschlag162 6.3.5Zusammenfassung der Ergebnisse164 6.3.5.1Einschub - westliche Wachau (Joching, Spitz)166 6.4Zukünftiges Klima167 6.4.1Projekt reclip:more167 6.4.1.1Zuverlässigkeit der Modellergebnisse (Unsicherheit)169 6.4.1.2Ergebnisse des reclip:more Projektes170 6.4.2Klimaszenariofür die Wachau172 6.4.3Toleranzbereich des Systems - Analogie auf die zukünftigen Verhältnisse176 6.4.4Zusammenfassung der Ergebnisse178 7.EINSTELLUNGEN ZUR UMWELT UND ANPASSUNGSMAßNAHMEN181 7.1Einstellungen183 7.1.1Erwerb von Einstellungen183 7.2Einstellungen und Verhalten/Handeln185 7.2.1Exkurs - Verhalten und Handeln186 7.2.2Einstellungen gegenüber Objekten und spezifischen Verhaltensweisen187 7.2.3Einstellungen gegenüber einem Verhalten "Theory of planned Behavior"188 7.2.3Methodische Konsequenzen190 8.ANPASSUNG AN VERÄNDERUNG192 8.1Einflussfaktoren auf landwirtschaftliche Entscheidungen193 8.1.1Externe Einflussfaktoren der Produktionsentscheidung195 8.1.1.1Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union195 8.1.1.2Kapitalisierung und Technologisierung der Landwirtschaft199 8.1.2Interne Einflussfaktoren der Produktionsentscheidung202 8.1.2.1Motive und Ziele von Landwirten als Einflussfaktoren auf Entscheidungen206 8.1.2.2Rolle der Familie als Einflussfaktor auf Entscheidungen von Landwirten207 8.1.3Landwirtschaft als Ausdruck der Natur-Gesellschaft-Beziehung210 8.2Methodische Konsequenzen213 8.2.1Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung und Entwicklung des Interviewleitfadens213 8.3Umgang mit Veränderung - Change Management219 8.3.1Organisationaler Umgang mit Widersprüchen219 8.3.2Widerstand gegen Wandel221 9.ERFASSUNG UND AUSWERTUNG DER EINFLUSSFAKTOREN AUF DAS ANPASSUNGSVERHALTEN DER WINZER224 9.1Erfassung der Einflussfaktoren - Qualitative Inhaltsanalyse224 9.1.1Technik der qualitativen Inhaltsanalyse224 9.1.2Festlegung des Materials224 9.1.3Analyse der Erhebungssituation225 9.1.4Formale Charakteristik des Materials225 9.1.5Richtung der Analyse226 9.1.6Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung226 9.1.7Hauptfragestellungen an das Analysematerial227 9.1.8Ablaufmodell der Analyse227 9.2Auswertung der Einflussfaktoren auf das Anpassungsverhalten230 9.2.1Betriebliche Einflüsse230 9.2.1.1Gute und schlechte Jahre230 9.2.1.2Gesellschaftliche Entwicklungen232 9.2.1.3Staatliche Regelungen und Gesetze232 9.2.1.4Wirtschaftliche Entwicklungen233 9.2.1.5Technologische Entwicklungen234 9.2.1.6Umwelteinflüsse234 9.2.1.7Zukünftige Chancen und Risiken236 9.2.1.8Zusammenfassung - Betriebliche Einflüsse237 9.2.2Klimaänderung - Wahrnehmung und Einstellungen238 9.2.2.1Wahrnehmung der Klimaänderung238 9.2.2.2Einfluss der Klimaänderung auf die Region/Betrieb239 9.2.2.3Wahrnehmung verschiedener Ausprägungen des Klimas240 9.2.2.4Wahrnehmung und Einstellungen gegenüber konkreten Ausprägungen der Klimaänderung in der Vergangenheit241 9.2.2.5Einstellungen gegenüber möglichen zukünftigen klimatischen Verhältnissen242 9.2.2.6Zuordnung der Aussagen zu den drei Einstellungskomponenten242 9.2.2.7Anpassungsmaßnahmen244 9.2.2.8Zusammenfassung -Wahrnehmung und Einstellungen246 9.2.3Einstellungen gegenüber potentiellen Anpassungsmaßnahmen an die Klimaänderung248 9.2.3.1Zusammenfassung -Einstellungen gegenüber Anpassungsmaßnahmen253 9.2.3.2Subjektive Verhaltenskontrolle253 9.2.3.3Subjektive Normen255 10.DAS "CHANGE MANAGEMENT" DER WINZER257 10.1Umgang mit Veränderung durch die Winzer259 10.2Widerstand gegen Veränderung durch die Winzer260 10.2.1Einstellungen gegenüber Veränderungen – Änderungsbereitschaft261 10.2.2Einstellung gegenüber Veränderungen – Änderungsfähigkeit265 11.HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN269 ANHANG A - STRUKTURIERUNGSDIMENSIONEN INTERVIEW272 LITERATURVERZEICHNIS274Textprobe:Textprobe: Kapitel 5.2.1, Physiologische Entwicklungszeit: Die physiologische Entwicklungszeit ergibt sich aus der Wärmesumme, die eine Pflanze benötigt, um ihre Entwicklung abzuschließen. Die Wärmesumme wird als Summe der "Growing Degree Days" GDD (Wärmegradtagen) angegeben. Folgende Parameter werden verwendet um den Temperatureffekt auf das Wachstum und die Entwicklung abzubilden: unterer Temperatur-Schwellenwert: die Entwicklung der Pflanze setzt ein bzw. stoppt, wenn die Temperatur unter den Schwellenwert fällt; oberer Temperatur-Schwellenwert: die Entwicklungsrate der Pflanze flacht ab; Ein Growing Degree Day (GDD) berechnet sich folgendermaßen: GDD=(tmax + tmin) /2 - tbase GDD = Growing Degree Days (Wärmegradtage = Wärmegrade pro Tag) tmax = tägliche Maximumtemperatur tmin = tägliche Minimumtemperatur (tmax + tmin) / 2 entspricht der Durchschnittstemperatur t tbase = Basistemperatur ab der das Wachstum der Rebe einsetzt tbase ist unterschiedlich für die verschiedenen Pflanzen und wird meist experimentell ermittelt. Für die Rebe wird tbase generell mit 10°C angenommen, d.h. ab dieser Temperatur setzt das Wachstum der Rebe ein, während bei niedrigeren Temperaturen das Wachstum eingestellt ist. Zum Beispiel würde über eine 5-Tages-Periode mit einem Maximum von 30C und einem Minimum von 15C jeder Tag zur Wärmesumme [(30 + 15) 2)] – 10 = 12,5 beitragen und die Wärmesumme 5 × 12,5 = 62,5 GDD betragen. Die Wärmesumme, welche eine Pflanze benötigt, um die Entwicklung abzuschließen, ist immer gleich. D.h., mit dem Klimaparameter Temperatur kann bestimmt werden, ob der Wärmebedarf einer bestimmten Pflanze (Rebe) unter den vorherrschenden (regionalen) klimatischen Verhältnissen erreicht wird. Kapitel 5.3, Modelle zur Bestimmung der Wärmesumme: Die Rebe ist eine ziemlich empfindliche Pflanze und sie stellt hohe Ansprüche an das Klima. Deshalb ist es kein Wunder, dass sie längst nicht überall auf der Erde wächst. Die Weinanbaugebiete liegen fast ausschließlich zwischen dem 30. und dem 50. Breitengrad Nord sowie dem 30. und 40. Breitengrad Süd. Außerhalb dieser Zonen ist es der Rebe entweder zu kalt oder zu warm. Innerhalb der genannten Zonen sind bzw. sollten verschiedene Traubensorten an die jeweiligen Standortverhältnisse optimal angepasst sein. Um den Einfluss des Klimas (und im speziellen der Temperatur) auf die Traubenreife bestimmen zu können, bedarf es eines Modells, das es ermöglicht, ein bestimmtes Anbaugebiet anhand klimatischer Daten zu bewerten und in weiterer Folge abzuleiten, ob die Voraussetzungen zur Produktion bestimmter Rebsorten gegeben sind. Kapitel 5.3.1, Modell zur Bestimmung der Wärmesumme nach Gladstone: Gladstone beschäftigt sich seit 1960 mit den Auswirkungen des Klimas auf die Physiologie von Pflanzen. Im Jahr 1992 hat er seine Erkenntnisse in dem viel beachteten Buch "Viticulture and Environment" publiziert. Dieses Buch ist 1994 mit einem Preis des "Office International de la Vigne et du Vin" (OIV) ausgezeichnet worden. Das von Gladstone entwickelte Modell ermöglicht es, anhand klimatischer Daten zu bestimmen, ob die thermischen Bedingungen zum Anbau bestimmter Rebsorten in einem Gebiet (Region und Einzellagen) erfüllt sind. Kapitel 5.3.1.1, Zentrale Annahmen und Voraussetzungen im Modell von Gladstone: Es ist möglich, die Traubenreife anhand von standardisierten Klimadaten zu bestimmen. Da sich die Rebsorten hinsichtlich des Reifezeitpunkts unterscheiden, ist es notwendig, diese in Gruppen nach benötigter Wärmesumme zu unterteilen (siehe Tab. 5.3). Kapitel 5.3.1.2, Zentrale Komponenten im Modell von Gladstone: Das Modell basiert auf den GDD (Growing Degree Days = Wärmegradtage), die für die Vegetationsperiode der Weinrebe (April – September/Oktober) berechnet werden (siehe Kap. 5.3.1.4). In Abb. 5.2 ist dargestellt, wie sich das physiologische Wachstum einer Rebe in Abhängigkeit von der Temperatur verhält. Diverse Untersuchungen in kontrollierten Umgebungen haben gezeigt, dass die stärkste physiologische Entwicklung zwischen 10°C-19°C (unterer und oberer Temperatur-Schwellenwert) stattfindet und dann stark abnimmt. Dies hat zentrale Bedeutung im Modell von Gladstone und entscheidenden Einfluss auf seine Berechnungen.
Aus der Einleitung: Die Ereignisse rund um die deutlich verspätete Einführung der LKW-Maut in Deutschland und die deutlich gewordenen Schwächen des mit dem Betreiberkonsortium TollCollect geschlossenen Vertrages haben das Thema 'Public Private Partnerships (Öffentlich-Private Partnerschaften)' in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Insbesondere stellte sich hier konkret die Frage, ob das allgemein vertretene Postulat 'die Privatwirtschaft sei auf jeden Fall leistungsfähiger und kostengünstiger als der Öffentliche Dienst' noch bestehen bleiben kann und wie gut sich der öffentliche Partner einer PPP über vertragliche Regelungen gegen vom privaten Partner verursachte Misserfolge schützen und seine gerechtfertigten finanziellen Ansprüche verfolgen kann. Während das plakative Thema 'Maut-Chaos' über viele Monate den deutschen Blätterwald beherrschte, blieb in der deutschen Öffentlichkeit relativ unbeobachtet, dass zunächst auf Seiten einzelner Bundesländer (z.B. Nordrhein-Westfalen ab Oktober 2001) und dann auch auf der Seite der Bundesverwaltung (ab November 2004) sog. Task Forces PPP gegründet wurden, die die Nutzung des Instrumentes Öffentlich-Private Partnerschaften im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung verstärkt vorantreiben sollen. In Nordrhein-Westfalen waren es die Kommunen als hauptsächliche Träger von Investitionen in die öffentlicher Infrastruktur, die mit Unterstützung der Landesregierung erste Pilotprojekte durchführten. Das Konstrukt PPP als dritter Weg zwischen konventioneller Selbsterstellung durch den öffentlichen Dienst und Privatisierung vormals öffentlicher Dienstleistungen ist allerdings keine deutsche Erfindung. In Europa auf diesem Gebiet seit langem führend ist Großbritannien, wo die damalige konservative Regierung bereits 1992 die sog. Private Finance Initiative (PFI) als Möglichkeit, öffentliche Aufgaben durch private Partner planen, bauen, (vor)-finanzieren und betreiben zu lassen, entwickelte. Allerdings machte erst die seit 1997 amtierende Labour-Regierung verstärkt von dem neuen Instrument Gebrauch. Die beiden Regionen Nordrhein-Westfalen und Schottland wurden ausgewählt, weil erstere zu den deutschen Bundesländern gehört, die das Thema PPP in Deutschland offensiv vorantreiben, und zweitere, weil das Instrument dort bereits seit etwa einem Jahrzehnt angewendet wird und dementsprechend viele – sowohl positive als auch negative – Erfahrungen vorliegen. Ganz aktuell haben die Regierungen beider Regionen Ende Januar 2005 einen Aktionsplan über eine intensivierte Zusammenarbeit unterschrieben, die im Themenfeld 'Verwaltungsmodernisierung' auch die Nutzung des 'großen Erfahrungsvorsprungs Schottlands bei PPP-Modellen' berücksichtigen soll. Ziel dieser Arbeit ist es, im komparativen Vergleich zwischen den beiden Europäischen Regionen Nordrhein-Westfalen und Schottland darzustellen, welche Argumente aus politisch-rechtlicher aber insbesondere auch aus finanzpolitischer Sicht dafür bzw. dagegen sprechen könnten, das Instrument PPP/PFI verstärkt zur Lösung der finanziellen Probleme Europäischer Regionen heranzuziehen. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Regierungen der Europäischen Regionen unter Einwirkung verschiedener politischer Einflüsse (Stichwort: Mehrebenensystem des Regierens in Europa) agieren müssen und ihre Haushalte daher auch aus verschiedenen Quellen finanziert werden. Weiterhin soll die Arbeit darstellen, ob es – sofern man sich dafür entscheidet – unter den verschiedenen Varianten von PPP/PFI eine aus Sicht der finanziellen Belastung der öffentlichen Haushalte günstigere Variante gibt, weil sie die sich aus einer PPP möglicherweise ergebenden Gewinne nicht auf private Anteilseigner aufteilt, sondern diese wieder in den Haushalt des öffentlichen Partners reinvestiert (sog. Non-Profit Distributing Organisation / NPDO). Die Masterarbeit definiert zunächst den Begriff PPP und dessen häufigste Variante PFI. Nach einer Beschreibung der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Besonderheiten der beiden Regionen und einer Darstellung der Beziehungen zwischen EU-Ebene und regionaler Ebene, geht sie auf den Vergleich der Implementierung des Instrumentes PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen und Schottland ein. Dabei werden die Argumente der jeweiligen Protagonisten (Regierungen, Parlamente, Parteien, Gewerkschaften, Beratungsunternehmen, Rechnungshöfe) ausgewertet. Aus den gemachten Erfahrungen in beiden Regionen wird eine Aussage abgeleitet, ob und wenn ja, in welchen Fällen, PPP/PFI die Haushaltsprobleme Europäischer Regionen lösen können und welche Variante von PPP/PFI die für den Steuerzahler günstigste sein kann. Im Einzelnen wird in Kapitel 1 definiert, was unter den Begriffen PPP und PFI zu verstehen ist und welche weiteren Varianten von PPP existieren, die jedoch im Rahmen dieser Masterarbeit nicht näher behandelt werden. Kapitel 2 beinhaltet eine verfassungsrechtliche Darstellung der beiden Europäischen Regionen und die Auswirkungen, die sich hieraus für die jeweilige Haushaltssituation ergeben. Der Begriff 'Region' wird dabei sowohl für Schottland als auch Nordrhein-Westfalen – ungeachtet der staatsrechtlichen Stellung eines deutschen Bundeslandes – verwendet und ist im Sinne des statistischen Begriffes der NUTS1-Region zu verstehen. In diesem Zusammenhang wird auch verdeutlicht, wie groß die jeweilige Einflussnahme durch den Zentralstaat (in Schottland) bzw. den Bundesstaat (in Nordrhein-Westfalen) ist. In Kapitel 3 wird dargestellt, welche Bedeutung die Regionen in Europa in Bezug auf die EU-Ebene haben, welchen Einfluss sie über den Ausschuss der Regionen nehmen können und wie sie über Struktur- und Regionalbeihilfen unter Umgehung der nationalen Ebene durch die EU (teil)-finanziert werden. Auch der Zusammenhang zwischen EU-Politiken und PPP wird hier erklärt. In Kapitel 4 werden die politisch-institutionellen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für PPP/PFI in beiden Regionen und deren Auswirkungen auf dieses Modell beschrieben. Der britische Public Sector Comparator (PSC) als dort allgemein verwendeter Wirtschaftlichkeitsmaßstab wird kurz erläutert. Kapitel 5 gibt einen kurzen historischen Überblick über die Strategie der Einführung und Umsetzung von PPP/PFI in beiden Regionen, während in Kapitel 6 die realisierten und geplanten PPP/PFI auf regionaler und kommunaler Ebene dargestellt werden und ihre quantitative Bedeutung für die jeweiligen – insbesondere kommunalen – Haushalte herausgearbeitet wird. Die umfangreiche Diskussion der Vor- und Nachteile von PPP/PFI durch die jeweiligen Protagonisten wird in Kapitel 7 behandelt. Naturgemäß ist hier der Anteil, den die Diskussion in Schottland einnimmt bzw. eingenommen hat, aufgrund des deutlich längeren Erfahrungshorizontes, größer. Kapitel 8 würdigt schließlich die Geeignetheit von PPP/PFI zur Lösung der Finanzprobleme Europäischer Regionen kritisch und zieht Schlussfolgerungen, ob dieses Instrument zur Lösung der Finanzprobleme europäischer Regionen angewendet werden sollte.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 0.Einführung1 1.Was verbirgt sich hinter den Begriffen Public Private Partnership (PPP) und Private Finance Initiative (PFI)?3 1.1Definition der Begrifflichkeiten3 1.1.1Public Private Partnership (PPP)3 1.1.2Private Finance Initiative (PFI)4 1.1.3Non-Profit Distributing Organisation (NPDO)4 1.1.4Weitere PPP-Varianten6 1.2Welche Ziele werden mit PPP/PFI angestrebt?7 2.Verfassungsrechtliche Stellung der Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen8 2.1Verfassungsrechtliche Stellung und Finanzsituation Schottlands und seiner Kommunen8 2.2Verfassungsrechtliche Stellung und Finanzsituation Nordrhein-Westfalens und seiner Kommunen12 2.3Vergleich von verfassungsrechtlicher Stellung und finanzpolitischer Strukturen in Schottland und Nordrhein-Westfalen einschließlich der jeweiligen Kommunen16 3.Bedeutung der Regionen in Europa im Hinblick auf die EU-Ebene18 3.1Einflussnahme verschiedener Politikebenen auf die Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen18 3.1.1Einflussnahme von EU und britischer Zentralregierung auf Schottland18 3.1.2Einflussnahme von EU und deutscher Bundesregierung auf Nordrhein-Westfalen19 3.2Einflussnahme Schottlands und Nordrhein-Westfalens auf die jeweilige Europapolitik ihrer Staaten20 3.2.1Mitwirkungsmöglichkeiten Schottlands bei der britischen Europapolitik20 3.2.2Mitwirkungsmöglichkeiten Nordrhein-Westfalens bei der deutschen Europapolitik21 3.2.3Mitwirkung Schottlands und Nordrhein-Westfalens im Ausschuss der Regionen (AdR) und bei der Konferenz der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen (RegLeg)22 3.3Einflussnahme der verschiedenen Politikebenen auf Finanzierungsmodelle wie PPP/PFI23 4.Politisch-Institutionelle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen für PPP/PFI24 4.1Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Schottland24 4.2Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen25 4.3Vergleich der politisch-institutionellen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen in Schottland und Nordrhein-Westfalen26 5.Einführung und Umsetzung von PPP/PFI in Schottland und Nordrhein-Westfalen27 5.1PPP/PFI in Schottland27 5.2PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen29 5.3Vergleich der Einführungs- und Umsetzungsszenarien in Schottland und Nordrhein-Westfalen31 6.Umfang realisierter und geplanter PPP/PFI auf der jeweiligen regionalen und kommunalen Ebene32 6.1Finanzielle Bedeutung von PPP/PFI für die regionalen und kommunalen Haushalte in Schottland32 6.2Finanzielle Bedeutung von PPP/PFI für die regionalen und kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen34 6.3Einfluss von PPP/PFI auf die Haushalte in Schottland und Nordrhein-Westfalen36 7.Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI in Schottland und Nordrhein-Westfalen37 7.1Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI aus jeweiliger Regierungssicht37 7.2Haltungen der Parteien in Schottland und Nordrhein-Westfalen zu PPP/PFI39 7.3Behandlung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI in den jeweiligen Parlamenten und deren Ausschüssen42 7.4Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI aus Sicht der jeweiligen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes44 7.5Einschätzung von Vor- und Nachteilen von PPP/PFI durch Beratungsunternehmen, Banken und Unternehmerverbände47 7.6Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von PPP/PFI durch die jeweiligen Rechnungshöfe50 7.7Erfahrungen mit PFI-Projekten in Schottland54 8.Geeignetheit der Instrumente PPP bzw. PFI, um die Finanzprobleme der Europäischen Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen zu lösen57Textprobe:Textprobe: Kapitel 4, Politisch-Institutionelle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen für PPP/PFI: Sowohl die Mitgliedstaaten als auch ihre Regionen müssen europäisches Recht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwingend beachten. Die Europäische Kommission hat im Bereich des öffentlichen Vergaberechts bereits auf die Verbreitung von PPP reagiert; sie hat hierzu ein innovatives Vergabeverfahren eingeführt, das eigens auf die Vergabe 'besonders komplexer Aufträge' und somit auf bestimmte Formen von PPP zugeschnitten ist. Dieses neue Verfahren, das als 'wettbewerblicher Dialog' bezeichnet wird, ermöglicht den öffentlichen Stellen, mit den Bewerberunternehmen Gespräche zu führen, um die am besten geeigneten Lösungen zu ermitteln. Zuvor war häufig das Verhandlungsverfahren nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 93/37/EWG gewählt worden. Dieses ist jedoch nur ausnahmsweise zulässig und nicht für Fälle gedacht, in denen solche Unwägbarkeiten auftreten wie etwa Probleme mit der vorherigen Preisfestlegung aufgrund der Tatsache, dass die rechtliche und finanztechnische Konstruktion sehr komplex ist. Das neu eingeführte Verfahren des wettbewerblichen Dialogs nach Richtlinie 2004/18/EG wird dann eingeschlagen, wenn der öffentliche Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die für seinen Auftrag und seine Ziele geeigneten technischen Mittel zu bestimmen, oder wenn er objektiv nicht in der Lage ist, ein Projekt rechtlich und/oder finanztechnisch zu konzipieren. Das Verfahren gewährleistet, dass die Erörterung sämtlicher Auftragsaspekte mit den Bewerbern im Verlauf der Definitionsphase ausreichend flexibel verlaufen kann. Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Schottland: Der Schwerpunkt der schottischen Regionalregierung liegt ebenso wie der der britischen Regierung in der Förderung des Öffentlichen Dienstes. Dabei übernahm sie den gleichen pragmatischen Kurs bei der Nutzung privater Finanzierung. Den Empfehlungen des Finanzausschusses des schottischen Parlaments folgend, mussten alle PPP-Verträge in Schottland Garantien von den privatwirtschaftlichen Betreibern verlangen, dass die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der versetzten öffentlichen Angestellten nicht nachteilig beeinflusst würden. Grenzüberschreitende Rangeleien zwischen der Regierung in Edinburgh und der in London blieben selten, so dass Kritiker behaupteten, die Regionalregierung habe die Tradition des Schottland-Ministeriums, Politik-Initiativen der britischen Regierung für den schottischen Bedarf zu 'tartanisieren', weitergeführt. Während diverse Gremien und Verfahren wie zum Beispiel der Gemeinsame Ministerielle Ausschuss oder die Vereinbarung von Konkordaten zu verschiedenen Themen das enge Arbeitsverhältnis zwischen britischer Regierung und schottischer Regionalregierung erleichtern, bleibt unklar, wie Finanzstreitigkeiten gelöst würden, insbesondere bei dem in hohem Maße zentralisierten System der Überwachung öffentlicher Ausgaben und der eingeschränkten eigenen Einnahmen Schottlands. Devolution kann zwar als ein Schritt in Richtung einer föderalen Verfassung gesehen werden, aber das britische Parlament behält die höchste Staatsgewalt und somit die Zuständigkeit für die gesamtwirtschaftliche Steuerung, einschließlich Wechselkurspolitik, Geldpolitik und Finanzpolitik. Für einen unitarischen Staat typisch, wird kein Versuch unternommen, öffentliche Einnahmen und Ausgaben je Region auszugleichen: Einige Regionen tragen weniger zu den Einnahmen pro Kopf bei als andere und einige erhalten nach Maßgabe des Bedarfs Zuweisungen in größerer Höhe. Trotz Devolution gibt es, solange das Vereinigte Königreich ein Einheitsstaat bleibt, keinen Anlass die schottischen Ausgaben auf die Mittel zu beschränken, die aus Einnahmen in Schottland erzielt werden können, oder sie auf einen strikten Einwohneranteil zu stützen. Um die Wirtschaftlichkeit eines PPP/PFI-Projektes gegenüber einer konventionellen Beschaffungsvariante zu rechtfertigen, wurde in Großbritannien ein Public Sector Comparator (PSC) als fiktiver Vergleichsmaßstab entwickelt. Er bildet alle Kosten, Erlöse und Risiken der besten machbaren und finanzierbaren Projektlösung bei Erstellung durch die öffentliche Hand als Barwert ab. Dabei werden alle Kosten des Projekts (z.B. Projektentwicklung, Planung, Errichtung), die Betriebs- und Unterhaltungskosten (inkl. Abschreibungen) und die Finanzierungskosten sowie die 'übertragbaren' (z.B. Baukostenrisiko) und 'nicht übertragbaren' (z.B. Gesetzesänderungsrisiko) Risiken erfasst. Für jedes Risiko werden Kosten und Eintrittswahrscheinlichkeit gebildet; aus diesen ergibt sich ein Erwartungswert. Schließlich wird ein Barwert berechnet, indem Kosten und Risiken als Zahlungsströme über die gesamte Laufzeit des Projekts ermittelt und diskontiert werden. Abschließend wird dem berechneten PSC der Barwert der Kosten der PPP-Variante (periodische Leistungsentgelte und zurückbehaltene Risiken) gegenübergestellt. Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen bestand nicht die Notwendigkeit wie in Schottland, die gleiche PPP-Politik wie die Bundes- bzw. die Zentralregierung zu verfolgen. Aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland war auch nicht der Bund die treibende Kraft bei der Einführung von PPP/PFI, sondern der Anstoß hierzu kam aus Nordrhein-Westfalen. Gleichwohl ist es natürlich schon rein aus Gründen der Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit erforderlich, in Deutschland einheitliche Maßstäbe z.B. bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von PPP/PFI einzuführen. Dieser Aufgabe hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahre 2003 angenommen und bis zum September des Jahres einen entsprechenden Praxis-Leitfaden PPP erstellen lassen. Insofern wurde auch in Deutschland eine Kongruenz der PPP/PFI-Politiken von regionaler und zentral-/bundesstaatlicher Ebene verfolgt, nur eben nicht top-down wie in Großbritannien, sondern der föderalen Grundordnung entsprechend bottom-up. Zwar soll der Länderfinanzausgleich gleichartige Lebensverhältnisse in allen Ländern herstellen; gleichwohl bestehen deutliche Wohlstandsgefälle zwischen 'reicheren' und 'ärmeren' Bundesländern. Jedes Bundesland steht demzufolge in der Verantwortung, selbst Strategien zu entwickeln, um seine Verwaltungstätigkeit kostenoptimal zu entwickeln. Insofern besteht im föderalen System Bundesrepublik Deutschland ein deutlich größerer Anreiz als z.B. im unitarischen System Großbritannien, in dem die regionalen Budgets nach Bedarf zugewiesen werden, aus eigenem Antrieb heraus Alternativen zur bisherigen Eigenerstellung öffentlicher Aufgaben zu untersuchen und zu erproben. Zwingend erforderlich für die Anwendung alternativer Modelle wie PPP/PFI ist es aber auch in Deutschland, deren größere Wirtschaftlichkeit gegenüber der konventionellen Aufgabenwahrnehmung nachzuweisen. In Deutschland gibt es allerdings bislang noch keinen anerkannten, betriebswirtschaftlichen Kriterien genügenden Bewertungsmaßstab wie den – wenn auch nicht unumstrittenen – PSC. Auf Seiten der öffentlichen Hand in Deutschland bestehen insbesondere noch Schwierigkeiten, die für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich relevanten Daten zu ermitteln. Als erforderlich wurde jedoch die Entwicklung und Einführung eines einheitlichen Verfahrens zum Vergleich der Wirtschaftlichkeit angesehen. Ohne einen derartigen Bewertungsmaßstab sei ein fairer Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen traditionellen Beschaffungen der öffentlichen Hände und PPP-Modellen nicht möglich. Entscheidend für den Wirtschaftlichkeitsvergleich ist, dass sämtliche tatsächliche Kosten des Projekts über die gesamte Lebensdauer exakt untersucht und transparent dargestellt werden. Mit der Einführung eines doppischen Rechnungswesens über das 'Neue Kommunale Finanzmanagement' soll in Nordrhein-Westfalen die Kameralistik auf kommunaler Ebene abgeschafft und eine erhebliche Verbesserung der vorhandenen Datenbasis erreicht werden. Die ausschließliche Orientierung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs an den Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand führe aber zu falschen Ergebnissen, wenn der Private Projektrisiken übernehme, da die öffentliche Kreditaufnahme ohne jede Verbindung zu Projektrisiken erfolge und daher nominell günstiger sein müsse als die private Refinanzierung. Die auch bei traditioneller Realisierung vorhandenen und bislang nicht transparenten Projektrisiken müssten im Rahmen von PPP-Projekten daher gesehen werden.