Die nordkaukasischen Republiken der Russischen Föderation zeigen die enge Abhängigkeit der soziopolitischen Entwicklung von der Dynamik ethnischer Prozesse. Der Beitrag beleuchtet die Bedeutung ethnischer Faktoren im Modernisierungsprozeß und in der Elitenbildung in dieser Region während der Sowjetzeit und nach dem Zusammenbruch der UdSSR und hebt einige Besonderheiten der ethnischen Entwicklung in der nordkaukasischen Region hervor, die gängigen Annahmen von Ethnologen über das Entstehen von ethnischen Identifikationsmustern widersprechen. (BIOst-Mrk)
Der Verfasser untersucht vergleichend die ethische Problematik innerhalb der Commonwealth-Karibik. Einleitend stellt er drei Ansätze innerhalb der Gesellschaftstheorie vor, die dem Faktor Ethnizität unterschiedliche Bedeutung zumessen und die die soziale Schichtung der Region zu erklären versuchen. Im Hauptteil diskutiert der Autor in historischer Perspektive wesentliche Merkmale und Entwicklungen der ethnischen Beziehungen in Belize, Guyana sowie Trinidad und Tobago. In diesem Zusammenhang werden drei Leitfragen untersucht: (1) Welche Bedeutung hat der Faktor Ethnizität für die sozio-politische Entwicklung dieser drei Staaten gewonnen? (2) Wie haben sich die Beziehungen zwischen den jeweiligen ethnischen Gruppen im historischen Prozeß verändert? (3) Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus einem Vergleich dieser drei Beispiele ethnisch segmentierter Gesellschaften hinsichtlich ihrer demokratischen Qualität und Stabilität gewinnen? Insgesamt konstatiert der Verfasser, daß die ethnische Problematik heute in keinem der drei Fälle den Zusammenhalt des Staates gefährdet. (ICC)
In den letzten Jahren ist der Sport im Zusammenhang mit der Globalisierung verstärkt in den Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Analysen geraten. Dabei zieht der Sport das Forschungsinteresse mehrerer Disziplinen auf sich: Sozialanthropologie, Medienforschung und Sportsoziologie. Das sozialwissenschaftliche Interesse an der Erforschung der Zusammenhänge des Globalen und des Lokalen hat rapide zugenommen. Transnationale soziale Räume wie die des Hochleistungs- und des Berufssports sind gekennzeichnet durch eine forcierte Entwicklung jenseits nationalstaatlicher Grenzen. Anders hingegen wachsen ethnisch-kulturelle Spannungen und Konflikte im lokal organisierten Sport, die vor allem durch den Zusammenbruch des Staatssozialismus und die Aufhebung der bipolaren Weltordnung vermehrt zu Unruhen führen. Im Zuge einer beschleunigten Globalisierung liegt die Bedeutung des Sports ausgerechnet dort, wo sie oft genug am wenigsten vermutet wird, in seiner Konflikthaftigkeit und der Möglichkeit, die Dynamik interethnischer Beziehungen im Kontext des Sportspiels in symbolischer Form darzustellen. (prk)
"Der Einfluss indigener Parteien ist in Lateinamerika heute größer denn je. Ihre politische Bedeutung erreichte im Jahr 2006 mit der Vereidigung von Evo Morales als erstem indigenen Staatspräsidenten einen vorläufigen Höhepunkt. Die indigenen Bevölkerungsgruppen haben sich seit der Demokratisierung Lateinamerikas selbstbewusst einen immer größeren Platz in der politischen Arena erobert. Indigene politische Partizipation findet längst nicht mehr nur als außerparlamentarischer Protest auf der Straße statt, sondern auch kanalisiert durch ethnische Parteien. Sie nehmen seit einigen Jahren auf nationaler und subnationaler Ebene Regierungsverantwortung wahr. Eine Unterscheidung zwischen indigenen sozialen Bewegungen und den politischen Parteien, die aus ihnen hervorgegangen sind, ist längst überfällig, da sich die jeweiligen Politiken häufig nicht decken. Die Größe des indigenen Bevölkerungsanteils spielt nicht die entscheidende Rolle bei der Herausbildung ethnischer Parteien. Gewichtigere Faktoren sind vielmehr Armut und ökonomische Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung. Ethnische Parteien haben es geschafft, lateinamerikanische Demokratien auf der lokalen Ebene um neue, innovative Elemente zu bereichern. Auf nationaler Ebene verfolgen sie jedoch oft eine Politik, die sich allein an kurzfristigen populistischen Erfolgen orientiert. Ob ethnische Parteien langfristig ihren Anspruch aufrechterhalten können, eine Alternative zu den so genannten traditionellen Parteien zu sein, muss daher bezweifelt werden." (Autorenreferat)
"Die dramatische Entwicklung der Bevölkerungen der Dritten Welt wird die globale Lage entscheidend verändern; mit den demographischen Gewichten werden sich auch die ökonomischen und politischen verlagern. Die Methoden der Vorausberechnungen haben sich in einer Weise verfeinert, daß künftige Problemlagen wie unkontrollierbare Ballungsgebiete, ethnische Konflikte, Knappheit natürlicher Ressourcen und Binnenwanderung bzw. Migration sich abschätzen lassen. Die Entwicklungsaussichten werden unter dem Gesichtspunkt des jährlichen Bevölkerungszuwachses geprüft, ohne in die Monokausalität des nur Demographischen zu verfallen; daher werden auch kulturelle und allgemeine dynamische Entwicklungsbedingungen mit einbezogen. Die günstigen Aussichten Ostasiens haben in der politischen und industriellen Entwicklung Chinas ihren Unsicherheitsfaktor. Zentralasien wird von der Rivalität zwischen dem islamischen Pakistan und Indien bestimmt, das bis 2050 China an Bevölkerungszahl übertreffen wird. Die ungelösten Macht- und Ressourcenfragen werden Westasien und Lateinamerika dominieren. Die Tendenz zur Verdoppelung ihrer Bevölkerungen bedeutet einen entsprechend hohen Investitionsdruck, nicht zuletzt in 'menschliche Ressourcen', um schneller an eine verwissenschaftlichte Weltzivilisation Anschluß zu finden. Der Westen zeigt eine der Dritten Welt entgegengesetzte demographische Entwicklung; wie er diese mit seinen ebenfalls absehbaren Folgen meistern wird, ist bis heute unklar. Europa gerät in ein 'Bevölkerungsdilemma': anhaltende Geburtendefizite mit der Folge fortgesetzter Schrumpfung der Nachwuchsgenerationen und Anstieg der Lebenserwartung entsprechend den steigenden Kosten der Alterssicherung. Das Einwanderungspotential liegt aber in fremdkulturellen Kontinenten und ist in dem gewünschten Umfang nicht in eine Hochtechnologiegesellschaft zu integrieren. Der Bevölkerungsdruck auf den Westen wird gleichwohl unvermindert anhalten. Die aus dem Entwicklungsprozeß stammenden Konflikte in den neuen Großstaaten wie Nationalismus, ethnische Abspaltungen und Sezessionskriege sowie territoriale Ansprüche werden die industrialisierte Welt mehr erschüttern, als dies heute vielfach vermutet wird." (Autorenreferat)
Die Rolle der Schule bei der Schaffung und Aufrechterhaltung kollektiver Identität wird besonders in Schulkonflikten mit ethnischem Hintergrund deutlich. Der Aufsatz untersucht solche Konflikte am Beispiel der Schulkonflikte der Mennoniten in Manitoba/Kanada um 1920, der Deutschsprachigen in Südtirol um 1963 und der deutschen Einwanderer in Chile um 1971. Es werden drei Formen des ethnischen Schulkonflikts unterschieden, (1) der Konflikt "kulturell heterogener Interessen" in einem einheitlichen nationalen Schulsystem, (2) das Nebeneinander "kulturtragender Instanzen" mit eigenen Schulen und (3) das Einwirken des Herkunftslandes einer nationalen Minderheit auf die Schulsituation in der Wirtsgesellschaft. Voraussetzung für einen offenen Konflikt sind das Bestehen unterschiedlicher Kultursysteme, schulischer Institutionen sowie einer Rechtsgarantie für die Minorität. Auslösende Faktoren sind demographische Bewegungen, Ausdehnung der sozioökonomischen Machtsphäre oder eine Bewegung der nationalen Integration in der Wirtsgesellschaft. Die Beendigung des Konflikts erfolgt über die Herabstufung auf die jeweils niedrigere Konfliktstufe (Typ 3-2-1) mit der Beseitigung der ethnischen Schulinstitutionen und der schrittweisen Assimilation der Jugendlichen. (WZ)
Anhand von empirischen Forschungsergebnissen wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich die ethnische Differenzierung in der Fußballwelt nicht allein als horizontales Nebeneinander von Gruppen, sondern vielmehr als vertikale Stratifikation interpretieren lässt. Dabei fokussiert die Studie die Rolle des Stereotyps 'heißblütigere Südländer' im symbolischen Klassifikationssystem der Fußballwelt. Es wird darum gehen, den Bedeutungsgehalt des Stereotyps abzuklären, seine unterschiedlichen kommunikativen Verwendungsformen zu ergründen, herauszuarbeiten, in welchem Verhältnis es zu anderen ethnischen Zuschreibungen steht und schließlich die sozialstrukturellen Bedingungen darzustellen, unter denen die Stereotypisierung vollzogen wird. Der Verfasser argumentiert, dass mehrfache und wechselnde Mitgliedschaften und Teilzeitzugehörigkeiten in unterschiedlichen 'sozialen Welten' und ihren 'Subwelten' den Verpflichtungscharakter des Sonderwissens relativieren und die Entstehung geteilten Wissens bedingen. In Gesellschaften, die in weiten Bereichen durch interkulturelle Kontaktsituationen geprägt sind, fällt es schwer, Menschen eindeutig mit gesellschaftlichen Teilgruppen innerhalb einer hierarchisch geordneten 'Gesamtgesellschaft' zu verrechnen. Die Forschungsergebnisse können dahingehend interpretiert werden, die 'Kreuzung sozialer Kreise' (G. Simmel) analytisch stärker in Rechnung zu stellen. (ICF2)
Seit längerem findet sich in der fachspezifischen Diskussion der Ethnologie der Terminus �Ethnizität�, der jedoch von den Medien oft vorschnell und einseitig dazu benutzt wird, um jede aggressive Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Ethnien, Gruppen oder Populationen vereinfachend als �ethnischen Konflikt� zu erklären. Bei vielen Konflikten spielen jedoch vor allem Auseinandersetzungen zwischen dominanten Ethnien/Gruppen und solchen eine Rolle, die kaum oder nur einen geringen Zugang zur Macht und zu Ressourcen haben. Eine Instrumentalisierung ethnischer Zugehörigkeiten wird oft erst im Laufe des Konfliktes vorgenommen. Hiermit können auch Prozesse eingeleitet werden, die dann zu einer �Ethnogenese� führen � Prozesse der Entstehung neuer Ethnien. Herr Wildauer hat dieses Phänomen in seinem ersten, einführenden Kapitel umfassend dargestellt, wobei er seinen Schwerpunkt bereits auf die Beschreibung derjenigen Kräfte legt, die in seinen weiteren Ausführungen eine zentrale Rolle einnehmen werden: Faktoren die der Mobilisierung ethnischer Gruppen und der Festigung kollektiver Identität dienen und so kollektives Handeln beeinflussen und ermöglichen. Die Arbeit befasst sich schwerpunktmäßig mit der Entstehung der �Ethnie der Konkomba" im Norden Ghanas. Dabei handelt es sich um ursprünglich dezentralisiert organisierte Gruppen ohne übergreifende kollektive Identität, deren Zusammenschluss dann im Sinne einer vereinheitlichenden Ethnogenese im Verlauf der Konflikte mit den dominanten Ethnien der Region bedeutsam wird. Es kann nachgewiesen werden, dass dieser Entstehungsprozess maßgeblich von politischen und ökonomischen Interessengruppen beeinflusst wurde, denen es gelang, die Konkomba für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und zu mobilisieren. Analysiert werden die Konflikte der 1980er und 1990er Jahre, deren Nachwirkungen noch in der Gegenwart zu beobachten sind.
Im November und Dezember 2004 wurde in vier der größten Städte des Tschad im Auftrag des UNESCO-"Centre des Sciences de l'Homme" eine Befragung über Einstellungen und Meinungen zu Gesellschaft, Religion und Politik durchgeführt, welche unter anderem aufzeigt, dass die ethnische und religiöse Herkunft bei der Selbsteinschätzung der Bevölkerung einen hohen Rang einnimmt. Ausgehend von dieser starken Identifikation mit Ethnie und Religion wurde die Gesamtstichprobe auf weitere Fragen unterteilt in einerseits diejenigen Menschen, die sich stark mit ihrer ethnischen oder ihrer religiösen Zugehörigkeit identifizieren und denjenigen mit schwachem ethnischem oder religiösen Zugehörigkeitsgefühl andererseits. Zwei Drittel der Befragten weisen demnach eine hohe religiöse Identifikation auf, nur knapp drei Fünftel hingegen eine ethnische. Lassen sich bei der Identifikation mit Ethnie oder Religion also unterschiedliche Einstellungen und Meinungen feststellen? Um dies zu beantworten, werden im vorliegenden Beitrag die Befragten mit hoher ethnischer und religiöser Identifikation denjenigen gegenübergestellt, bei denen diese Identifikation gering ist. Die Ergebnisse werden in Bezug auf die Sozialstruktur, die psychosozialen Faktoren und Einstellungen zu Wirtschaft und Gesellschaft, das Verhältnis von Religion, Ethnizität und Identität sowie die politischen Orientierungen und Einstellungen zur politischen Ordnung im Tschad dargestellt. (ICI2)
Zusammenfassung In Auseinandersetzung mit gängigen Argumenten über das Ende der neuen sozialen Bewegungen bin ich auf deren Zukunftschancen eingegangen. Ich habe argumentiert, dass es zwar zu einem Formwandel (insbesondere zu einem Bedeutungsanstieg spezialisierter Bewegungsorganisationen und NGOs) kommen wird, dass jedoch die links-libertären Bewegungen in den westlichen Demokratien auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Die Themenstellungen der neuen sozialen Bewegungen sind keineswegs integriert und 'erledigt', sondern bleiben von großer Relevanz. Entlang absehbarer neuer Konfliktlinien (Inklusion/Exklusion) halte ich die Chancen für rechte soziale Bewegungen oder aber populistische Politikformen im Zusammenspiel mit sozialen Bewegungen für groß. Daher ist von einem polarisierten Bewegungssektor und einer verschärften Dramatik von Bewegungen und Gegenbewegungen auszugehen. Die europäische und die internationale Arena werden als Bühne transnational vernetzter Bewegungen eine immer wichtigere Rolle spielen, die damit auf das Gewicht globaler Problemstellungen reagieren. In den Ländern des Südens und Ostens werden soziale Bewegungen in einer großen Vielfalt entstehen (von fundamentalistischen und ethnischen bis zu Bürgerbewegungen und links-libertären Bewegungen), und hier sind Formen des Massenprotestes wahrscheinlicher als in den westlichen Demokratien. Auch wenn die Bewegungen im Süden und Osten sich nicht ohne weiteres mit den westlichen sozialen Bewegungen gleichsetzen lassen, so kommt es doch zu transnationalen Bewegungskoalitionen entlang der Achse von Globalisierungsgewinnern und - Verlierern.