Soziale Integration als Ausgleich von Interessen, als Bewältigung von Konflikten und als soziale Praxis gegenseitiger Anerkennung ist schwieriger geworden. Vielfältige gesellschaftlich-politische Krisenerscheinungen deuten darauf hin, dass mit dem Wandel gesellschaftlicher Strukturen und Beziehungen gewohnte soziale Interessen und Rechte neu ausgehandelt werden müssen. Mit Bezug auf die Stadtregion und aus der Perspektive einzelner Akteure aus Stadt- und Raumplanung, Architektur und Sozial- und Politikwissenschaft liefert dieser Band aktuelle Analysen der Krise sozialer Integration. Dokumentiert werden die Beiträge der jährlichen Ringvorlesung des Kompetenzzentrums für Raumforschung und Regionalentwicklung in der Region Hannover aus dem Sommersemester 2004.
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 653-658
"Trotz vielfältiger Integrationsangebote bestehen nach wie vor gravierende, migrationsspezifische Benachteiligungen bei einem großen Teil der EinwanderInnen, die sich vor allem in den krisenhaften Stadtteilen der großen Städte manifestieren. Handlungsspielräume sind eine notwendige Voraussetzung für soziale Integration. Diese fehlen aber gerade dort in bezug auf die soziale Versorgung, auf Einkommen, Kontakt und Kommunikation, Bildung, Arbeitswelt, räumliche Mobilität, Regeneration und Partizipation. Stadtviertel in der Krise verstärken die Konkurrenz der Bewohnerlnnen um diese Handlungsspielräume, Kommunikation und Integration werden erschwert. Die Identität der Bewohnerlnnen im Stadtteil und im sozialen Raum wird gebrochen, verstärkt durch räumliche Mängel unabhängig von Ethnien. Aktuelle Modernisierungs-, Aufwertungs- und Verdrängungsstrategien verstärken diesen bedrohlichen Prozeß. Identität im Raum ist eine zentrale Kategorie für die Fähigkeit und Möglichkeit des Einzelnen und der Gruppe zur Integration, Interaktion und Konfliktaustragung im Raum. Identität zeigt sich in den realen Praktiken der Raumnutzung, Raumaneignung und Raumsymbolisierung. Wir müssen den städtischen Raum als einen Integrationsrahmen ansehen, in dem die Annäherung der Kulturen auf verschiedene Weise geschehen kann und geschieht. Der Raum, vor allem der öffentliche, trägt Zeichen der inneren Veränderungen und Umwälzungen durch die Einwanderlnnen, die Aufschluß über das Maß an Integration und die Art der Konfliktaustragung geben. Es besteht eine Dialektik zwischen Segregation und Integration. Die Konzentration auf die eigene Ethnie im Stadtteil, freiwillige Segregation, kann den schätzenden und geschützten Rückzugsraum schaffen, um Identifikations- und Integrationsraum zu werden. Rückzug und Frustration als Folge mangelnder Identität und mangelnder sozialer Integration können den Krisenprozeß im Stadtteil noch beschleunigen." (Autorenreferat)
"Migration stellt die betroffenen Personen vor zahlreiche Herausforderungen. Neben der Arbeitsmarktintegration oder dem Erwerb von Sprachkompetenz müssen sie auch neue soziale Kontakte in einem fremden Lebensumfeld aufbauen. Mit der IAB-SOEP-Migrationsstichprobe kann die soziale Integration von Migrantinnen und Migranten vertieft untersucht werden. Dabei spielen auch Integrationshemmnisse und Diskriminierungserfahrungen eine zentrale Rolle. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lebenszufriedenheit von Migranten, aber auch ihre Identifikation mit Deutschland neben strukturellen Faktoren wie Erwerbsstatus und Einkommen maßgeblich von der sozialen Integration beeinflusst werden." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Die herkömmliche Sichtweise der Politik bezüglich Integration und Segregation basiert mehr oder weniger bewusst auf der so genannten "Kontakthypothese". Diese besagt, dass eine Integration von Migranten umso eher erfolgt, je geringer die ethnische Segregation ist. Nicht nur populistische und nationalistische Integrationspolitik orten deswegen das Problem sehr rasch in zu hoher Segregation und machen diese für Defizite der Integration verantwortlich. Unabhängig davon zeigt sich jedoch in der zeitgenössischen Forschungsliteratur, dass der Zusammenhang zwischen Segregation und Integration nicht so eng ist. Die Formel "je weniger segregiert, desto besser integriert" kann als zu einfache Schlussfolgerung und ohne eine weitere kritische Differenzierung nicht akzeptiert werden. Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die Frage, ob und inwiefern soziale Integration in einem Zusammenhang mit dem Niveau der Segregation steht und welche Bedeutung dabei den lokalen Bedingungen, die das soziale Milieu in einem Wohngebiet bestimmen, zukommt. Dieser Frage wird anhand der Problemstruktur für zwei unterschiedliche Stadtteilgebiete in Wien nachgegangen, um die gebietsspezifischen Integrationsleistungen herauszuarbeiten. Die Reduktion von Fragen und Problemen der Integration auf das räumliche Phänomen Segregation behindert eher das Verständnis sozialstrukturellen Stadtentwicklung und ist für die Integrationsbemühungen nicht nachhaltig nützlich. (ICA2)