Vom politisierten zum rechststaatlichen Verfassungsverständnis: Entwicklungen im China des 20. und Erwartungen des 21. Jh
In: Der Staat: Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches öffentliches Recht, Band 44, Heft 2, S. 289-307
ISSN: 0038-884X
Jede politische Praxis bedeutet eine Koinzidenz von zufälligem Geschehen und historischen Notwendigkeiten. Der Beitrag zeigt entlang dieser These, dass die chinesischen Verfassungen des 20. Jh. durchweg von der Rechtsanschauung der Politiker dominiert wurden. Dass Personen auftraten, die sowohl Führereigenschaften als auch theoretisches Talent besaßen, ist eher ein zufälliger Faktor; dass die Wahl der Geschichte auf diese Personen fiel, hat jedoch etwas Zwangsläufiges. Wurden die Ideen Mao Zedongs (besonders die vor den 1950er Jahren) als "Essenz kollektiver Weisheit" zusammenfassend gewürdigt, so ist das Verfassungsverständnis Deng Xiaopings in hohem Maße individualisiert. Der Einfluss von Dengs Theorie auf die chinesische Verfassung schlägt sich in den seit 1988 vorgenommenen diversen Verfassungsänderungen nieder. Der Autor konstatiert, dass die Theorien der chinesischen Juristen in verschiedenen Rechtsgebieten - wie Straf- und Zivilprozessrecht - relevant sind, der Einfluss im Bereich des Verfassungsrechts äußerst limitiert. Auch für die geltende Verfassung ist es offenkundig, dass es sich um eine von dem Rechtsverständnis der Politiker dominierte Verfassung handelt. (ICA2)