Weibliche Arbeitskraft und gesellschaftliche Reproduktion: Eine Problemskizze
In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 4, Heft 4, S. 543-558
ISSN: 0340-0425
Die Autorin setzt sich mit dem Buch des Anthropologen C. Meillassoux: Die wilden Früchte der Frau, Frankfurt 1976, auseinander und will das dort reflektierte Verhältnis von Produktion und Reproduktion auf 'metropolitanische Gesellschaftsformationen' innerhalb des kapitalistischen Weltmarktes übertragen. Insbesondere will sie die Frage klären, ob in den imperialistischen Zentren alle Sozialstrukturen integrativ durchkapitalisiert oder ob sie durch eine 'strukturelle Heterogenität' geprägt sind. In der Privatsphäre findet die Autorin noch Rückstände bäuerlicher Subsistenzgesellschaften, mithin einen nur formell dem Kapital subsumierten Bereich. Damit rücken zugleich Rolle und Funktion der weiblichen Arbeitskraft für die Produktion und Reproduktion menschlicher Arbeitskraft in den Vordergrund. Der aufkommende Kapitalismus hat die vorgefundene gesellschaftliche und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die in bisherigen Gesellschaftsformationen noch einen Sinn beanspruchte, geschickt funktionalisiert: Ausschluß des überwiegenden Teils der weiblichen Bevölkerung aus der öffentlichen Sphäre, stattdessen unentgeltliche Haus- und Familienarbeit; generelle Unterbewertung weiblicher Erwerbstätigkeit und ihre ideologische Absicherung. Die frühzeitig auftretenden Widersprüche, die dokumentieren, daß sich der Mensch nicht auf die Kategorie Ware reduzieren läßt, signalisierten die Auflösung der Institution Familie mit ihren negativen Folgen für die gesellschaftliche Reproduktion. Hier mußte der Staat in seiner systemimmanenten Vermittlungsfunktion einspringen und über Schutz- und Sozialgesetzgebung, Kindergeld u.ä. einen materiellen Ausgleich vornehmen. In diesem formell untergeordneten Rahmen erfüllt die Familie weiterhin - und obwohl einige Bereiche ausgelagert wurden (Kinderkrippe und -heim, Krankenhaus, Altenheim) - die unentbehrlichen Funktionen der affektiven Zuwendung, der auch emotionalen 'Bearbeitung' für das Berufsleben, der 'Beziehungsarbeit' insgesamt; wegen seiner spezifischen Bedingungen ist dieser Bereich von der Geltung des kapitalistischen Wertgesetzes ausgespart. Das Potential weiblicher Arbeitskräfte dient dem Staat als arbeitsmarktpolitisches Steuerungsinstrument. In dieser Funktionalisierung drückt sich eine weitere Ebene der Unterordnung unter das Kapitalverhältnis aus, die abschließend auf die 'häuslichen Verhältnisse' auf der Weltmarktebene, insbesondere die zukünftige Perspektive in den imperialistischen Peripherien übertragen wird. Offenbart sich dort der destruktive Charakter der kapitalistischen Produktionsweise Zug um Zug mit der Zurückdrängung natürlicher Lebensweisen, so müssen in den Metropolen die Residualelemente der 'Natur des Menschen' gerettet werden; dies muß in der theoretischen und praktischen Arbeit der neuen Frauenbewegung berücksichtigt werden. (KHS)