Die Chemie der immateriellen Arbeit: zur Aktualität einer materialistischen Analyse von Arbeit und Gesellschaft
In: Ein neues Zeitalter des Wissens?: kritische Beiträge zur Diskussion über die Wissensgesellschaft, S. 146-172
Mit der "immateriellen Arbeit", wie sie im Diskurs um die Wissensgesellschaft vorkommt ("virtuelle Ökonomie"), breitet sich eine Sicht auf die soziale Welt aus, die jeden Bezug auf materielle Realitäten ablehnt oder ad absurdum führt. Der Verfasser versucht demgegenüber, die Aktualität einer materialistisch inspirierten Analyse für das Verständnis der technologischen und arbeitsorganisatorischen Veränderungen aufzuzeigen. Im Rückgriff auf Marx und Bourdieu wird gezeigt, dass niemand ausschließlich körperlich oder mit dem Kopf arbeitet und dass jede Arbeit sowohl ideelle als auch materielle Dimensionen aufweist. Die historische Entwicklung der kapitalistischen Produktivkräfte verläuft in Richtung einer allgemeiner und wissenschaftlicher gebildeten Arbeitskraft und einer zunehmend automatisierten und integrierten Produktionsmaschinerie, die erweiterte Spielräume einer humanisierten Arbeitsgestaltung erkennen lässt. In der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist die Wissenschaft bereits seit dem 19. Jahrhundert "Hauptproduktivkraft". Automatisierung der Produktion und Tertiarisierung der Beschäftigungsstruktur setzten bereits vor dem Einzug des Computers ein. Am Beispiel der Restrukturierung der Basler Chemieindustrie in den letzten 15 Jahren wird ein Trend zu einer "höheren Betriebstemperatur" sichtbar, die die Beweglichkeit der einzelnen Teile der industriellen Materie steigert und es dem Kapital erleichtert, schnell Verbindungen zu trennen und neue herzustellen. (ICE2)