"Das Karagandinsker 'Besserungsarbeitslager' in Kasachstan war einer der größten Lagerkomplexe des Gulag. Von 1930 bis 1959 leisteten hier 800,000 Häftlinge Zwangsarbeit. Sie kultivierten das öde Land und schufen die Voraussetzungen dafür, dass hier eines der größten Abbaugebiete der UdSSR für Steinkohle, Mangan und Kupfer entstand. Viele Inhaftierte fanden den Tod. Anfangs starben auch viele Kasachen, die sich gegen die Vertreibung von ihrem Weideland wehrten. Das Lagerarchiv sowie Erinnerungen von Überlebenden geben einen Einblick in die bedrückenden Lebens- und Arbeitsbedingungen, das Chaos der Aufbaujahre, in Organisation, Struktur und Produktion des Lagers." (Autorenreferat)
Der Verfasser argumentiert, dass eine gemeinsame europäische Erinnerungspolitik oder auch -kultur dreierlei heißen kann: eine Angleichung von postnationalistischen Praktiken des Erinnerns und der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, eine gegenseitige Öffnung und Destabilisierung der politischen Kulturen, und ein gemeinsamer Vorrat von leidvollen kollektiven Erinnerungen und selbstkritischen Geschichtsinterpretationen in Europa. Diese drei Varianten schließen sich nicht gegenseitig aus, obwohl die beiden letzteren ohne die erstere kaum denkbar sind. Keine läuft notwendigerweise auf eine perfide Umverteilung der Lasten der Vergangenheit hinaus - auch wenn diese Gefahr ohne Zweifel besteht. Europäische Erinnerungskultur ist integraler Bestandteil eines postnationalistischen Prozesses, der die Nationalstaaten und nationale Unterscheide nicht abschafft, sondern politische Kulturen sowohl von außen wie von innen in eine liberalere Richtung transformiert. Politische Versöhnungsgesten, Entschuldigungen, usw. sind selbstverständlich immer 'symbolisch' - und dies bisweilen im schlechten Sinne. Aber sind eben auch gehaltvolle Signale, und ein politischer 'Vergangenheitsbewältigungswille' ist ein wichtiger Gradmesser für die Präsenz genuin postnationalistischer Positionen. Die EU ist Teil dieser Entwicklung - doch ob die Union als solche Legitimität aus Vergangenheitsbewältigung beziehen kann, das ist zumindest fraglich. (ICG2)
"Nahezu alle Regionen der Welt sind von der Globalisierung betroffen, wenn diese auch nicht in allen diskutiert wird. Letzteres ist weithin der Fall in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, wo sich bis heute die alten politisch-wirtschaftlichen Machtstrukturen erhalten haben und wo die Bürger trotz hoher Erwartungen an die liberal marktwirtschaftliche Demokratie bislang keine starken Zivilgesellschaften haben aufbauen können. Die Bereiche, in denen die Globalisierung in Osteuropa und Zentralasien Realität ist, gibt es viele: Neben den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Region wäre die Politik zu nennen, doch auch im kirchlichen Leben, im Gesundheitswesen und in der Kriminalitätsstruktur zeigen sich - etwa in Form der wachsenden Bedrohung durch HIV/ AIDS, der Ausbreitung von Tbc und dem Ausufern des transnationalen Geschäfts mit Sex, gestützt auf grenzüberschreitend organisierte Zuhälter- und Schleuserringe - die Folgen einer zunehmend globalisierten Welt. Zur Inangriffnahme der drängenden Probleme im osteuropäischen und zentralasiatischen Raum wäre u.a. eine gerechtere Ordnung in den betreffenden Staaten selbst, basierend auf einer die Demokratisierung forcierenden Mittelschicht, vonnöten. Doch gerade in diesem Punkt zeichnet sich der Beginn eines positiven Trends in naher Zukunft leider nicht ab." (Autorenreferat)
"Schon ein flüchtiger Blick auf die gut sechzigjährige Geschichte der UNO zeigt, dass - trotz aller Niederlagen und Defizite dieser Organisation und ihrer Charta - in dieser Zeit das Völkerrecht einen nie zuvor in der Geschichte erlebten schnellen Wandel und eine unvergleichlich progressive Kodifizierung erfahren hat. Seit dem Ende des West-Ost-Konfliktes stehen aber traditionelle Pfeiler des Völkerrechts, wie die staatliche Souveränität, in der Diskussion. Der Autor geht der Frage nach, ob es sich hier um eine beabsichtigte konstruktive Weiterentwicklung des Völkerrechts handelt oder um eine Instrumentalisierung der Menschenrechte aus geostrategischen und machtpolitischen Interessen." (Autorenreferat)
Der Verfasser schildert das Unternehmensprofil der Bertelsmann AG, die das größte Medienunternehmen Europas und sechstgrößter Medienkonzern der Welt ist. Es wird gezeigt, dass das Aktienstimmrecht uneingeschränkt der Familie Mohn vorbehalten ist, die damit nicht nur in den Stiftungsgremien, sondern auch im Konzern über das entscheidende Gewicht verfügt. Dabei besteht die Absicht des Firmenchefs und Stifters darin, durch die von der Familie beherrschten Konzerntöchter und Stiftungsprojekte Einfluss auf die Gestaltung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu nehmen, und zwar sowohl im nationalen Maßstab als auch auf europäischer und internationaler Ebene. Die Bertelsmann-Stiftung als operative Stiftung fördert nicht andere gemeinnützige Organisationen, sondern unterhält einen eigenen Organisations-, Forschungs- und PR-Apparat, um damit die eigenständigen Zielsetzungen der Stiftungsarbeit zu verwirklichen. Die Einrichtungen der Bertelsmann-Stiftung umfassen ein engmaschiges, von Außenstehenden kaum mehr durchschaubares Geflecht von Untergliederungen, Kompetenzzentren und Projekten. Darüber hinaus bestehen vielfältige personelle Verbindungen und institutionelle Verknüpfungen zu staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationen. Auch transatlantisch ist die Stiftung mit einer Reihe von Institutionen vernetzt. Der Verfasser stellt abschließend die Frage zur Diskussion, ob ein Zusammenhang zwischen den globalen Expansionsbestrebungen des Medienkonzerns und den politischen, mit viel medialem Beifall in Szene gesetzten Aktivitäten der (steuer-)rechtlich begünstigten Stiftung besteht. Diese, so hat es den Anschein, untergräbt einerseits die institutionellen Strukturen und Grundrechte demokratischer Entscheidungsfindung und Willensbildung in Deutschland. Andererseits bereitet sie europa- und weltweit den Boden vor für die Etablierung und den ökonomischen Erfolg der vielfältigen Produktbereiche des Global Players Bertelsmann. (ICG2)
Parallelgesellschaften stoßen nach Meinung des Autors vor allem in Deutschland auf Skepsis, da sie in einem fundamentalen Widerspruch zum nationalen Selbstverständnis und zur gesellschaftspolitischen Ausrichtung des Landes stehen. Im Unterschied zu Frankreich und den angelsächsischen Ländern, die sich traditionell als willensgemeinschaftlich definierte "Staatsnationen" verstehen, beruht die deutsche "Kulturnation" ihrem Selbstverständnis nach bis heute - trotz des reformierten Staatsangehörigkeitsrecht - im wesentlichen auf der Herkunft ihrer Angehörigen, d.h. auf einer homogenen ethnischen Abstammung und gemeinsam geteilten Kultur. Das Urteil über Parallelgesellschaften fällt jedoch aus historischer Perspektive wesentlich differenzierter aus, als es die in Politik, Medien und auch Teilen der Migrationsforschung geäußerten Ansichten vermuten lassen. Die thesenhaften Überlegungen des Autors zu den klassischen deutschen Parallelgesellschaften, der polnischen Zuwanderergemeinschaft und den parteipolitischen Milieus der Sozialdemokraten haben daher zum Ziel, den vorhandenen Blickwinkel zu erweitern. (ICI2)
"Bei der Analyse politisch-religiöser Konflikte müssen sowohl die inneren Strukturen Politischer Theologien als auch die äußeren sozialen, ökonomischen und politischen Ursachen berücksichtigt werden. Prinzipiell zeichnen sich Religionen durch eine Ambivalenz des Sakralen aus, die unter gravierenden äußeren Bedrohungssituationen das Gewalt- und Konfliktpotenzial der Religionen freisetzen kann." (Autorenreferat)
"Angesichts der Strukturschwächen in der deutschen Medienpolitik setzen die Kritiker auf das Konzept 'Media Governance': eine Steuerung durch die Gesamtgesellschaft. Überprüfung eines abstrakten Modells anhand konkreter Probleme." (Autorenreferat)
"Die Nanotechnologie stellt die weitreichendste technologische Revolution unserer Zeit dar. Die Firma Lux Research, die 2006 die Kommerzialisierung in der Nanotechnologie untersucht hat, schätzt, dass im Jahr 2005 9,6 Mrd. US Dollar in Forschung und Entwicklung der Nanotechnologie investiert wurden. Auch wenn ein gewisser Grad an Polemik über den potentiellen Nutzen und die Nutznießer der Nanotechnologie vorherrscht, so lässt sich bei genauerer Betrachtung der potenziellen Nanotechnologieprodukte, isoliert von ihren spezifischen sozialen Kontexten, feststellen, dass sie zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Weltbevölkerung beitragen können. In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis auf die revolutionären Verfahren zur Entsalzung, Klärung und Gewinnung von Trinkwasser; zur Energiegewinnung durch Solarzellen; zur sicheren medizinischen Diagnose, dem Einsatz von Medikamenten, die gezielt nur betroffene Zellen und Organe ansteuern sowie die Verwendung von neuartigen Implantaten und Prothesen. Ihrer revolutionären Technologie entsprechend kommt der Nanotechnologie aber auch im Rüstungsbereich eine immer größere Bedeutung zu." (Autorenreferat)
"Sichschönmachen ist keine private Angelegenheit, keine Frauensache, und hat mit Spaß und Lust nur selten etwas zu tun. Schönheitshandeln ist ein Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung dient, das Aufmerksamkeit verschafft oder vermeidet und die eigene Identität sichert." (Autorenreferat)
Der Verfasser sieht eine der Erklärungen dafür, warum es der Agrarpolitik nie gelungen ist, die ihr gestellte Sachproblematik zu bewältigen, darin, dass die politische Logik des Umgangs mit der Agrarfrage zu Lösungen führte, die bestimmte Gruppen in der Landwirtschaft - hauptsächlich die industriewirtschaftlich orientierte Großlandwirtschaft - privilegierte, das Agrarproblem selbst aber perpetuierte. Die Agrarwende hat diesen institutionenpolitischen Kontext für den DBV entscheidend verändert. Mit der Neuorientierung der Landwirtschaft von der Ladentheke her wurden in der bundesdeutschen Agrarpolitik Verbraucher(schutz)interessen gegenüber den bislang strukturdominanten Interessen landwirtschaftlicher Massenproduktion erheblich aufgewertet. An die Stelle der Selbstverständlichkeiten der Einflussnahme trat eine massive staatliche Förderung der Interessen, die in Konkurrenz zum DBV stehen. Dieser Prozess beschleunigte sich noch dadurch, dass die bisherige Agrarpolitik und die von ihr geschaffenen Produktionsverhältnisse durch die BSE-Krise und die Futtermittelskandale gründlich diskreditiert wurden. Mit der weitgehenden Entfunktionalisierung der Agrar-Preispolitik für die Einkommenslage der Landwirte und dem Übergang zu einem Direktzahlungsregime droht die Agrarpolitik nun wieder in einen Grundsatzkonflikt zu geraten, weil es für das neue Transferregime keine Arenen und Verfahrensformen mehr gibt, die dem DBV einen exklusiven Einfluss garantieren würden. Es wird gezeigt, dass wenig wahrscheinlich ist, dass sich der DBV angesichts der Agrarwende einer Fundamentalopposition verschreiben könnte. Es gibt Anzeichen für eine wieder zunehmende Polarisierung innerhalb der am stärksten von der Agrarwende betroffenen Segmente der Landwirtschaft. Der Autor argumentiert, dass angesichts der weiter geltenden Tatsache, dass die Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft sehr viel mehr politik- als marktbestimmt sind, sich das Gros der Landwirte gleichwohl wieder verstärkt dem DBV zuwendet. Der DBV hat weder eigene Konzepte noch institutionelle Ansatzpunkte für eine alternative Agrarpolitik. Vielmehr ist er der Gefangene eines Transfer- und Verwaltungssystems, aus dem er sich nicht zurückziehen kann, wenn er seine Machtgrundlage erhalten will. (ICG2)
Einleitend werden Quellen und Determinanten des in vielen Beitrittsländern existenten Proamerikanismus identifiziert. Anschließend werden außen- und sicherheitspolitische Manifestationsformen dargestellt, die aus der Amerika-orientierten Haltung der "Neuropäer" resultieren, und es wird darauf eingegangen, welche langfristigen Konsequenzen sich hieraus für die GASP ergeben können. Ein Blick auf Erwartungen, Ziele und Interessen der Beitrittsländer kann, so der Verfasser, die Spekulation darüber erleichtern, welche Rolle die Länder in der EU bzw. in ihrer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in Zukunft einnehmen. Es wird argumentiert, dass die neuen Mitglieder keine Blockade von GASP und ESVP betreiben können. Sie wollen dies auch nicht, da sie kein gespaltenes Europa avisieren, sondern ein geeintes, starkes, allerdings atlantisch ausgerichtetes. Inwieweit die Neumitglieder zur Komplizierung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik beitragen, hängt vor allem davon ab, wie sich die Großen in der EU positionieren; ob zum Beispiel Großbritannien in sicherheitspolitische Vorstöße eingebunden ist, wohin und mit welcher Kraft eine "gaullistisch" inspirierte Emanzipationspolitik Frankreichs sich entwickelt, und nicht zuletzt wie Deutschland sich in diesen Fragen verortet. Wird insbesondere unter diesen drei Staaten ein stabiler Konsens in sicherheitspolitischen Fragen erreicht, so werden die Neumitglieder - auch die harten Atlantiker unter ihnen - keine Blockademacht entfalten. Ergeben sich indes beträchtliche Missklänge zwischen den großen Altmitgliedern, so können sich ohnehin vorhandene Differenzen deutlich verstärken. (ICG2)