Die Enquete-Kommission Zukünftige Kernenergie-Politik: zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der Kernenergiediskussion
In: Gegenwartskunde: Zeitschrift für Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Bildung, Band 30, Heft 2, S. 249-280
ISSN: 0016-5875
Der 1980 vorgelegte Zwischenbericht der Enquete-Kommission Zukünftige Kernenergie-Politik wurde von Befürwortern wie von Kritikern der Kernenergienutzung als ein "historischer Kompromiß" gewürdigt. Der vorliegende Aufsatz analysiert die Arbeit der Enquete-Kommission im Zusammenhang der allgemeinen Problematik des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik. Der Autor gibt einen Überblick über die Entwicklung der Forschungspolitik und der Politikberatung und beschreibt die Rolle der Wissenschaft in der Kernenergiepolitik der Bundesrepublik seit 1955. Die 1971 aufgelöste Deutsche Atomkommission - das zentrale Beratungsgremien des Atomministeriums - zeigt die charakteristischen Merkmale technokratischer Politikberatung. Eine grundlegende Änderung der Beratungsstruktur erfolgte 1971 mit der Neuorganisation des Forschungsministeriums. Wichtigstes Beratungsgremium für den Kernenergiebereich ist die Reaktorsicherheitskommission, deren Arbeit an der Entwicklung der Sicherheitsforschung orientiert ist. Erst mit der Politisierung der Kernenergiediskussion wurde versucht, der Kernenergie kritisch gegenüberstehende Wissenschaftler in die Politikberatung einzubeziehen. Die Einsetzung der Enquete-Kommission war eine Folge dieser Politisierung und der Versuch, die Blockaden der wissenschaftlichen und der öffentlichen Diskussion durch die Klärung energiepolitischer Grundfragen aufzulösen. Der Zwischenbericht zeigt mögliche Entwicklungswege und Kriterien der Bewertung von Energiesystemen, die Kommissionsmitglieder formulieren ihre unterschiedlichen Bewertungen und Prioritäten und geben zugleich in einem Kompromiß gemeinsame Empfehlungen zur Energiepolitik. Das Verfahren kann als neue Form der Politikberatung gewertet werden. (KA)