Die christliche Mission war in mehrfacher Hinsicht ein geschlechterspezifisches Unternehmen, in dem Frauen und Männern klar definierte Rollen und Räume zugewiesen waren. Doch das fest umrissene Geschlechterbild stieß in der Praxis an Grenzen. So forderte die Bevölkerung in Namibia und Sumatra die Vorstellungen heraus und erzwang Veränderungen. Anhand ausgewählter Beispiele entfaltet Dorothee Rempfer die Dynamiken von Aneignung und Ablehnung religiös fundierter Geschlechterverhältnisse. Damit liefert sie wichtige Erkenntnisse zu Handlungsspielräumen und Gestaltungsmöglichkeiten europäischer und nichteuropäischer Akteur*innen im Kontext von Gender und Kolonialismus
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Als "Stellvertreter des Kaisers" standen die Gouverneure an der Spitze der kolonialen Verwaltungsapparate in Afrika und Ozeanien. Sie waren somit eine der wichtigsten Akteursgruppen bei der Konsolidierung der europäischen Herrschaft und der Realisierung imperialer Zielsetzungen. Jürgen Kilian nimmt 25 Gouverneure im Rahmen eines kollektivbiographischen Ansatzes in den Blick. Dabei untersucht er ihre während der Sozialisation im Kaiserreich erzeugten Denkweisen und Handlungsdispositionen, ihre Deutungsmuster angesichts der Landschaften und Menschen in den Kolonien sowie die Bandbreite gouvernementaler Herrschaftspraktiken im Kontext von kolonialer Staatlichkeit - ein einzigartiger Einblick in die Elite der deutschen Kolonialverwaltung
Was verraten "Inflight Magazines" über die Weltwahrnehmung ihrer Zeit? Claas Henschel lässt scheinbar banales Werbematerial, das auf Flugreisen für Information und Unterhaltung sorgt, in neuem Licht erscheinen, indem er Bordmagazine als Dokumente historischer Reiseerfahrungen zum Gegenstand wissenschaftlicher Analysen macht. Anhand von Prospekten aus 90 Jahren zeigt er auf, welche internationale Wahrnehmung Akteur_innen aus Wirtschaft, Politik und Tourismus für ihre eigenen und andere Staaten anstreben. Dabei eröffnet er neue Einblicke in zeitgenössische Weltbilder - und stößt auf Ambitionen der Abgrenzung zwischen Nachbarstaaten, Legitimation von Imperialismus, koloniale Unabhängigkeitsbestrebungen sowie grenzüberschreitende Identitäten
Sebastian Koch untersucht die kulturellen Bewältigungsstrategien, die in den ehemaligen Siedlerkolonien Kanada, Australien und Aotearoa Neuseeland durch die Bedrohung ihrer britisch ausgerichteten Identität notwendig wurden. Im Zuge des sich abzeichnenden Endes des Britischen Empire und Großbritanniens Hinwendung nach Europa erschienen siedlerkolonial geprägte Ordnungsvorstellungen spätestens ab den 1960er Jahren derart brüchig, dass es für die Einwohner zu einer unumgänglichen Aufgabe wurde, ihr vormals auf Britishness , Whiteness und family values basierendes Verständnis von Kultur und Identität neuzu definieren. Sebastian Koch nimmt die Suche nach vermeintlich neuen Identitätskonzepten in den Blick und fragt, wie Kontingenz in den ehemaligen 'weißen' Siedlerkolonien nach dem end of Empire mit Hilfe 'neuer' Symbole, Erinnerungspraktiken, Erfolgsnarrative und eines 'neuen' Mythos bewältigt werden sollte.InhaltsübersichtI. Einleitung 1. Ein Blick auf das Empire zwischen Vergangenheit und Gegenwart2. Gegenstand und Zielsetzung der Studie3. Aufbau und Quellen der Untersuchung II. Kontextualisierungen und theoretischer Zugriff 1. Abschied vom Empire – Identitätskrisen und die Suche nach einer neuen Identität2. Folgen der Dekolonisation oder: Wie postkolonial sind die ehemaligen Siedlerkolonien Kanada, Australien und Aotearoa Neuseeland?3. Identität III. Auswirkungen descultural cringe . Zwischen identitärem Vakuum und Chancen der Identitätsfindung 1. Fighting for survival : Kanadas Angst vor der Amerikanisierung2. Amerikanisierung und cringe in Australien und Aotearoa Neuseeland3. Die Bedeutung der räumlichen distance 4. Die Botschaft der Propheten5. Exkurs: Inhaltliche und strukturelle Veränderungen der Geschichtswissenschaften IV. Wanted: a new identikit « – Die Suche nach einemneuen Mythos im Kontext desNew Nationalism1. Der New Nationalism . Kontext und Begriff2. It's Time – Visionen nationaler Einheit im post-nationalistischen Zeitalter3. Symbole im Wandel4. Celebrating new identities – Bikulturalismus, Multikulturalismus und Indigenität als Bewältigungsstrategien bedrohter Ordnung V. Fazit und Ausblick VI. Kommentierte Zeitleiste zu ausgewählten Ereignissen in Kanada, Australien und Aotearoa Neuseeland, 1939–1999 VII. Übersicht über die Regierungszeiten bedeutender Premierminister
Die Folkloretanzgruppen der faschistischen »Falange«-Partei waren im franquistischen Spanien allgegenwärtig. In den 1950er Jahren tourten sie um den Globus - in hochpolitischer Mission. Anhand von reichhaltigem Quellenmaterial untersucht Cécile Stephanie Stehrenberger, wie sich in ihren Auftritten Kolonial- und Geschlechterpolitik miteinander verschränkten.Mit seiner neuen Perspektive auf den Franquismus leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zu den Gender und Postcolonial Studies und stellt mit seinem innovativen Zugang zur Geschichtswissenschaft eine interessante Lektüre für eine breite Leserschaft dar.
Vernetzte Computer sind das wichtigste Kommunikationsmedium unserer Zeit. Die Verschmelzung von Datenverarbeitung und Telekommunikation war allerdings kein gradliniger Prozess. Das neuartige »Medium Computer« entwickelte sich vielmehr in einem komplexen Wechselverhältnis von technologischen Innovationen, dem Wandel von Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik sowie gegenkulturellen Strömungen. In seiner zeithistorischen Studie analysiert Matthias Röhr diesen durchwachsenen Verlauf und zeigt auf, wie die Bundespost in den 1970er und 1980er Jahren mit Bildschirmtext und ISDN auf diese Entwicklung reagierte, und warum Hackerkulturen als Reaktion hierauf für ein »Menschenrecht auf freien Datenaustausch« eintraten.
Das Buch schreibt die Entstehungsgeschichte des Kulturgüterschutzes im Völkerrecht aus einer postkolonialen Perspektive neu. Im Gegensatz zur bisherigen Historiographie von "Kultur" im Völkerrecht argumentiert die vorliegende Studie, dass der eurozentrische "Kulturstandard" des 19. und 20. Jahrhundert maßgeblich in Wechselwirkung mit der Entwicklung des Kulturgüterschutzes stand. Verschiedene Akteure nutzten das Recht auf unterschiedliche Weise, um an dem "Zivilisationsdiskurs" teilzuhaben. Das Ziel des Buchs ist es, ein neues Narrativ in die Geschichte des Kulturgüterschutzes einzuführen. Das dominante Fortschrittsnarrativ soll durch eine kritische Genealogie des Völkerrechts ersetzt werden, welche die hegemonialen Strukturen der Vergangenheit und Gegenwart aufdeckt.
Bis ins 20. Jahrhundert wurden chinesischen Mädchen die Füße gebunden, um diese möglichst klein zu halten - eine Praxis, die mit Schmerzen, aber auch mit Anerkennung und Hoffnung auf sozialen Aufstieg verbunden war. Externe Beobachter*innen blickten mit Abscheu, Mitleid und exotistischer Faszination auf diese Frauen, gleichzeitig gab es aber immer wieder Vergleiche mit eigenen Moden, vor allem Stöckelschuhen und Korsett. Die Beiträger*innen nähern sich der Praxis des Füßebindens aus kulturwissenschaftlicher, sozialanthropologischer und (medizin-)historischer Perspektive. Sie nehmen die agency der Frauen ernst und fragen nach den Wechselwirkungen von Selbst- und Fremdwahrnehmungen.
Denkmalpflege als »westlich-modern« zu vereinnahmen, ließ den Erhalt des Materiellen über den Imperialismus und die Nationalstaatenbildung sowie postkoloniale Diskussionen und kritische Kulturstudien zu einem vermeintlich autoritären Konzept werden. Der inhärente Ethnozentrismus verstellt dabei den Blick auf den Erhalt des kulturellen Erbes als globalen Aushandlungsprozess. Martina Oeter geht den Macht- und Wissensstrukturen in der internationalen Kulturerbepolitik nach und zeigt, dass die Aufwertung des immateriellen Erbes - als demokratische Antwort auf den vorherrschenden Denkmalkult - materielles Kulturerbe abgewertet hat und seither eine Auseinandersetzung mit dessen gesellschaftlichen Werten erschwert.
Auslandseinsätze deutscher Soldaten sind kein neues Phänomen. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert waren Offiziere auf den Schlachtfeldern des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, im Osmanischen Reich, in Afrika oder im Kaukasus im Einsatz - als Söldner in Diensten fremder Staaten, als militärische Beobachter oder unter dem Deckmantel von Forschung und Entdeckung. Das Buch beleuchtet diese weitgehend vergessene Vorgeschichte des deutschen Kolonialismus. Es folgt den oftmals abenteuerlichen Reisen und utopischen Planspielen deutscher Offiziere und fragt nach den langen historischen Linien des Zusammenhangs von Gewalt und Globalisierung. Krieg und Konflikt: Herausgegeben von Martin Clauss, Marian Füssel, Oliver Janz, Sönke Neitzel und Oliver Stoll
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Seit dem späten 19. Jahrhundert organisierte sich eine weltweite Temperenzbewegung gegen den Alkoholkonsum. In Argentinien und Uruguay begannen ab Ende der 1870er Jahre als erstes Mediziner insbesondere den massenhaften Konsum von Alkohol unter den eingewanderten Arbeitern aus Europa zu problematisieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierten sich dann weltweit vermehrt Frauen gegen den Alkoholismus der Männer. Diese Alkoholgegnerinnen und -gegner unterschiedlichster Couleur initiierten nationale Kampagnen stets im Spannungsfeld zwischen Erwägungen vor Ort und dem Austausch über globale Netzwerke. So standen etwa Aktivistinnen in Montevideo stets mit Gleichgesinnten der US-amerikanischen Temperenzbewegung gegen den Alkoholismus als gemeinsame Bedrohung in Kontakt, versuchten sich jedoch gleichzeitig von den "Schwestern" im Norden abzugrenzen. Sönke Bauck untersucht auf Basis bislang unerschlossener Quellen die Interaktionen und Kampagnen einer globalen Temperenzbewegung am Rio de la Plata – einer Bewegung, die letztlich ein Terrain der Konfrontation und Aushandlung nationaler, kultureller und religiöser Identitäten sowie von Geschlechternormen, Familienmodellen und schließlich auch Weltbildern und Weltordnungsentwürfen war.
Angesichts begrenzter Ressourcen und ökologischer Krisen zielt die Energiewende heute auf die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, auf ein neues Zeitalter, in dem die Kohle keine Rolle mehr spielt. Gerade diese hehre Absicht verdeutlicht, dass es eine Ära gegeben haben muss, in der Kohle für die Menschheit überaus wichtig war: die »Kohlezeit«. Helge Wendt zeichnet sie als eine globale Wissensgeschichte über das Material, seine Förderung, Lagerung und Nutzung, verbunden mit politischen Fragen und sozialen Strukturen. Beginnend im Europa der frühen Neuzeit, beleuchtet sein Buch Fragen, die in Lateinamerika genauso diskutiert wurden wie im Asien und Afrika des späten 19. Jahrhunderts. Besonders in den Kolonien europäischer Staaten – so Wendts innovativer Ansatz – zeigte sich, wie in der Kohlezeit Wissen und Macht, Praxis und Problemlösungen, fossile Energiewende und Wirtschaft in großen und kleinen räumlichen Konstellationen zusammenwirkten.
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Frontmatter -- Inhalt -- Danksagung -- 1 Einleitung -- 2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness -- 3 »A Moral Equivalent For War« – Preparedness während der Neutralitätsperiode -- 4 »The Awakening of America Has Created a National Soul« – Preparedness in Kriegszeiten -- 5 »The Integrity of Our Country Depends on the Homogeneity of its Citizens« – Preparedness während der Red Scare -- 6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit -- 7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness -- Abkürzungsverzeichnis -- Quellen- und Literaturverzeichnis
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Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche wurden nach der Katastrophe von Tschernobyl zusammen mit tausenden von Begleitpersonen auf Reisen geschickt, um sich von der Strahlenexposition, zunehmend aber auch vom Alltag in der (post-)sowjetischen Zusammenbruchsgesellschaft zu erholen. Um diese »Tschernobylkinder« bildete sich ein dichtes transnationales Netzwerk von NGOs und Privatpersonen. Es übernahm immer mehr Aufgaben, die der Staat nicht mehr leisten konnte. Das mit der Öffnung der Sowjetunion einsetzende weltweite Engagement trug dazu bei, den atomaren Unfall, der in weiten Teilen der Welt zunächst als »typisch sowjetisch« galt, als transnationale Katastrophe sicht- und wahrnehmbar zu machen, indem es die Realität der Katastrophe in den Alltag hunderttausender Menschen in Europa und Nordamerika holte. Arndt zeigt, wie die »Tschernobylkinder« zugleich zu Zeugen und Repräsentanten eines untergehenden politischen Systems und der Auflösung der bipolaren Weltordnung wurden.
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Seit gut einem Jahrzehnt ist ein wachsendes Interesse an der Geschichte einzelner Stoffe zu verzeichnen: Es gibt Studien zu Kohle, Salz oder Baumwolle, aber auch zu komplexen Stoffprodukten wie Kunststoffen oder Kokain. Das geschichtswissenschaftliche Interesse an Stoffen ist zwar keineswegs neu, aber die Perspektiven haben sich in den letzten Jahren unter dem Eindruck einer neuen Debatte über »Materialität« erheblich gewandelt. Die Beiträger*innen bündeln aktuelle Debatten und arbeiten Umrisse einer Stoffgeschichte heraus. Sie liefern damit erstmals einen Einblick in Methoden und Praktiken des Forschungsfeldes - und geben Perspektiven für die Zukunft.