Gegenstand der hier präsentierten explorativen Studie ist die Makroebene der Lehrerausbildung. Ziel ist, mithilfe eines internationalen Vergleichs grundlegende Strukturmerkmale der Ausbildung zu identifizieren, eine Typologie dieser Merkmale zu entwickeln und sie auf mögliche Zusammenhänge zum sozio-kulturellen Kontext zu untersuchen. Dafür wird auf vorliegende Daten und ein eigens durchgeführtes zweitägiges Focus-Gruppen-Interview mit Experten für Fragen der Lehrerausbildung aus acht Ländern zurückgegriffen. Ergebnis ist die Identifizierung von 12 Strukturmerkmalen, auf deren Basis sich vier Typen an Ausbildungssystemen herausarbeiten lassen. Die Ausprägungen der Typen hängen eng mit dem jeweiligen soziokulturellen Kontext zusammen. (DIPF/Orig.) ; The present explorative study focusses on the macro level of teacher training. By means of an international comparison, the author identifies fundamental structural characteristics of teacher training, develops a typology of these characteristics, and examines possible links with the socio-cultural context. This is done on the basis of data already available and of a two-day focusgroup-interview carried out specifically for this study with experts in teacher training from eight different countries. As a result, twelve strutural characteristics are identified, on the basis of which four types of training systems can be shown to exist. The moulding of the types is closely connected with the respective socio-cultural context. (DIPF/Orig.)
"Das Arbeitspapier entstand im Rahmen des Teilprojekts A1 'Differenzierungsprozesse von Berufsbiographien bei der Integration in das Beschäftigungssystem' des Sfb 186. Gegenstand des Projekts sind die Bildungs- und Berufsverläufe junger Fachkräfte, ihre subjektiven Verarbeitungsweisen und Handlungsstrategien sowie Steuerungs- und Selektionspraktiken der beteiligten Institutionen. In einer vergleichenden Längsschnittstudie wird seit 1989 der berufliche Werdegang junger Fachkräften aus sechs ausgewählten Berufen in zwei unterschiedlich strukturierten Arbeitsmarktregionen (Bremen und München) in einer statistischen Verlaufs- sowie einer biographischen Analyse untersucht. Eine dritte Analyseebene, aus der der vorliegende Beitrag hervorgegangen ist, befasst sich mit den beruflichen Handlungsbedingungen der jungen Erwachsenen."
Aus der Einleitung: Mein Praxissemester leistete ich bei der Organisation 'Vida Nueva' in San Isidro de El General im Süden Costa Ricas. Der Verein 'Vida Nueva' ist eine NGO, die sich zur Aufgabe gestellt hat, in der Region von Pèrez Zeledón, mit den sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen ökonomische, kulturelle und soziale Projekte zu organisieren. Die zwei Einsatzgebiete umfassen zum einen die Hilfestellung für sozial gefährdete Kinder und Jugendliche in den marginalen Stadtaußenvierteln, zum anderen die Beratung und Begleitung von Frauen, die mit dem Problem von Gewalt in der Familie konfrontiert werden. Durch mein Praxissemester, meine Erlebnisse in der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika, entwickelte ich ein großes Interesse an der dortigen Sozialen Arbeit. Durch weitere Reisen und Kontakte zu Hilfsorganisationen konnte ich vor Ort meine Erfahrungen ausbauen. Bereits vor Beginn meines Studiums der Sozialen Arbeit absolvierte ich ein Praktikum in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, was mich schlussendlich davon überzeugte, Soziale Arbeit zu studieren. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen begleitete mich also sowohl vor, als auch während des Studiums, so dass ich mich dazu entschlossen habe, meine Bachelorarbeit diesem Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit zu widmen: der Kinder- und Jugendarbeit. Kinder und Jugendliche sind weltweit unterschiedlichsten Sozialisationsinstanzen ausgesetzt und gehören den verschiedensten Kulturen an. Und doch ist ihnen allen etwas gemeinsam: den Wunsch sich frei und selbstbestimmt entwickeln und leben zu dürfen und die Befriedigung ihrer biologischen, biopsychischen und biopsychosozialen Bedürfnisse, der universalen Grundbedürfnisse. Diese Befriedigung kann aufgrund der Kultur und der, die Kinder und Jugendlichen umgebenen familiären und regionalen Bedingungen, der sie umgebenden Lebenswelten, unterschiedlich aussehen, doch jeder Mensch strebt ein für sich tragbares und für ihn sinngebendes Leben an. Und jeder Mensch besitzt Kräfte zur Selbstverwirklichung, die er einsetzen kann. Besonders Kinder und Jugendliche sind in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern oftmals Lebensbedingungen ausgesetzt, die sie daran hindern, Kräfte zur Selbstverwirklichung einzusetzen und ihre körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnisse dahingehend zu befriedigen, dass sie sich frei entwickeln und nach ihren Vorstellungen ein unbeschwertes Leben mit glücklichen Momenten führen können. Dies hat verschiedene Ursachen; es kann an unzureichenden Wohnverhältnissen liegen, an mangelnder Hygiene, Hunger, Armut, Krieg oder aber auch an fehlenden Möglichkeiten Bildung und Gesundheit zu erlangen. Hierzu gehört auch die Tatsache, dass viele Kinder und Jugendliche weltweit von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen, oder darauf angewiesen sind zu arbeiten, was aus Sicht der meisten Organisationen und Menschen aus Industrienationen negativ bewertet wird. Kinderarbeit ist ein kontroverses globales Thema voller Emotionen, was, wie bereits erwähnt, besonders von Industrienationen stark kritisiert und denunziert wird. Auch in unserer deutschen Gesellschaft ist der Begriff 'KINDERARBEIT' stark negativ belegt und wird unmittelbar mit negativen Assoziationen in Verbindung gebracht. Ich möchte in dieser Bachelorarbeit anhand von arbeitenden Kindern und Jugendlichen in Bolivien aufzeigen, dass Arbeit für diese auch positive Wirkungen und viele Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten kann. Meine These lautet demnach, ob Kinderarbeit, am Beispiel von Bolivien, eine Notwendigkeit und Chance sein kann. Vorab werden im ersten Teil der Bachelorarbeit in der Begriffsklärung verschiedene Grundlagen zum Thema Kinderarbeit dargestellt und erläutert. Im Anschluss werde ich den Protagonismus der Kinder und die menschlichen Bedürfnisse nach Obrecht aufzeigen. Außerdem werde ich in Kapitel 4 konkret die Situation von arbeitenden Kindern und Jugendlichen in Lateinamerika, am Beispiel von Bolivien, beschreiben. Wie sieht Kinderarbeit in Lateinamerika, speziell in Bolivien, aus? Wie sollte sie aussehen, um menschenwürdig zu sein? Auch die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Bolivien, wie auch das Gesundheits- und Bildungssystem werden angesprochen. Ich werde in der vorliegenden Arbeit, verstärkt in Kapitel 5, aufzeigen, dass die heutige Kinderarbeit ein breites Spektrum von Formen umfasst, die von selbstbestimmten Tätigkeiten, die von den Kindern aus eigenem Willen und unter menschenwürdigen Bedingungen ausgeübt werden, bis hin zu extrem ausgebeuteten Arbeiten, die die Würde der Kinder verletzen und ihre persönliche Entwicklung gefährden, reicht. Je nachdem, welche Kriterien für Dauer, Häufigkeit und Ort der Tätigkeit herangezogen werden, unterscheiden sich Daten und Einschätzungen zur Verbreitung der Kinderarbeit weltweit. NGO´s, die sich weltweit mit den Rechten von Kindern und dem Phänomen Kinderarbeit beschäftigen, verstärkt gegen Kinderarbeit kämpfen und einen großen Einfluss ausüben, wie UNICEF und ILO, orientieren ihren Begriff der Kinderarbeit an Erwerbsverhältnissen erwachsener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was der besonderen Situation von Kindern als Arbeitende nicht gerecht wird. Wie setzen sich diese weltweitvertretenen NGO´s auf welche Weise für, beziehungsweise gegen Kinderarbeit ein? Ist deren Vorgehen sinnvoll? Hinzu kommt: Welche gesellschaftliche Verantwortung besitzen die Politik und wirtschaftliche Unternehmen? Darauf werde ich gesondert in Kapitel 6 eingehen. Auch Soziale Arbeit findet, genau wie Kinderarbeit, weltweit unter den unterschiedlichsten Rahmenbedingungen statt und hat nach Wolf Rainer Wendt zum Ziel, die Lebensverhältnisse von notleidenden Menschen in einer Gesellschaft zu verbessern. Sozialarbeiterinnen sollen für gerechte soziale Verhältnisse sorgen und den Menschen Entfaltungsmöglichkeiten bieten, während sie Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das gestaltet sich je nach kulturellen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen unterschiedlich. Soziale Arbeit ist demnach eine Menschenrechtsprofession, die sich den unterschiedlichsten Verhältnissen anpassen und dementsprechend im Sinne des hilfebedürftigen Menschen handeln muss. Gerade in der Entwicklungszusammenarbeit spielt die interkulturelle und kultursensible Soziale Arbeit eine herausragende Rolle. In Kapitel 7 wird die Herausforderung und Aufgabe der Sozialen Arbeit im Kampf GEGEN ausbeuterische Kinderarbeit und FÜR menschenwürdige Kinderarbeit dargestellt. Ein zentrales wichtiges Thema hierbei ist die Aufgabe und Verantwortung der Sozialen Arbeit in Bolivien mit arbeitenden Kindern und Jugendlichen. Wie agieren Sozialarbeiterinnen in der Entwicklungszusammenarbeit und als Fachkraft vor Ort? Welche Herausforderungen erwarten diese? Durch die Globalisierung sind viele Länder von einer Multikulturalität betroffen. Dies stellt völlig neue Anforderungen an Sozialarbeiterinnen im Bereich der kultursensiblen Arbeit. Wie kann Soziale Arbeit aussehen und stattfinden ohne unter einer ethnozentrischen und westlichen Blickweise zu stehen und Kinderarbeit vorab pauschal negativ zu bewerten? Mein Ziel ist es, mit dieser Arbeit am Beispiel von Bolivien zu zeigen, dass Kinderarbeit auch sinnvoll und sogar lebensnotwendig sein kann und welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um die Arbeit, die Kinder verrichten, als positiv bewerten zu können. Denn Kindheit und Arbeit schließen sich nicht grundsätzlich aus. Weiterhin möchte ich aufzeigen, welche Rolle die Soziale Arbeit und Organisationen weltweit, am Beispiel von Bolivien und global betrachtet, innehaben, um die Rechte der arbeitenden Kinder zu sichern und gegen die ausbeuterische Kinderarbeit vorzugehen. Meine Beispiele und Studien werden sich zwar hauptsächlich auf Bolivien, aufgrund mangelnden Datenmaterials jedoch zum Teil auch auf Lateinamerika beziehen. Im Anhang stelle ich vier Organisationen, bzw. Einrichtungen in Bolivien vor, die sich der Zielgruppe der arbeitenden und/oder auf der Straße lebenden Kinder angenommen haben.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung1 2.Begriffsklärungen5 3.Protagonismus der Kinder8 3.1Kulturen der Kinderarbeit10 3.1.1Solidarische Ökonomie von Kindern13 3.1.2Die menschlichen Bedürfnisse nach Obrecht15 4.Zur Situation von Kindern und Jugendlichen in Lateinamerika17 4.1Bolivien19 4.1.1Der wirtschaftliche und soziale Kontext21 4.1.2Bildung und Gesundheit22 5.Kinderarbeit und deren Ursachen24 5.1Kinderarbeit in Bolivien28 5.2Definitionen von ausbeuterischer Kinderarbeit30 5.2.1Mögliche Folgen von ausbeuterischer Kinderarbeit33 5.2.2Die gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaft und Politik34 5.2.3Subjektorientierte Zugänge zur Arbeit der Kinder36 5.2.4Kinderbewegungen37 5.2.5Kinderarbeit als Notwendigkeit und Chance42 6.Der globale Kampf gegen die ausbeuterische Kinderarbeit44 6.1Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)45 6.2Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF)48 6.3Die Aufgabe und Verpflichtung der Sozialen Arbeit50 6.3.1International Federation of Social Work (IFSW)51 7.Soziale Arbeit in Bolivien53 7.1Zielgruppe54 7.2Die Herausforderung an die Sozialarbeiterinnen55 7.2.1Empowerment56 7.2.2Präventionsarbeit57 8.Arbeitende Kinder in Deutschland58 8.1PRONATS – eine deutsche Initiative -62 9.Fazit/Ausblick63 10.Anhang69 11."Alalay" – Un hogar para los niños de la calle. Projekt zur Resozialisierung von (arbeitenden) Straßenkindern71 11.1Zielgruppe und Zielsetzung73 11.2Methodik74 11.3Prozess in vier Abschnitten75 11.4Soziale Arbeit innerhalb des Projektes77 12.Das Projekt "Mi Tai" in Santa Cruz79 12.1Soziale Gruppenarbeit bei "Mi Tai"80 13.Das Projekt "Chicalle" in Cochabamba83 14.Die Organisation "Inti Wara Yassi"86 15.La Ciudad Potosí (Die Stadt Potosí)89 15.1Die Minenkinder89 16.Literaturverzeichnis93Textprobe:Textprobe: Kapitel 5, Kinderarbeit und deren Ursachen: Die westlichen Industrieländer begannen vor etwa 160 Jahren die Kinderarbeit zu verurteilen und als ein soziales Problem anzusehen. Von da an gab es keine arbeitenden Kinder mehr, sondern lediglich Kinderarbeit. Kinder wurden nicht als selbstbestimmt und fähig, für ihre Anliegen in der Gesellschaft einzustehen, angesehen; sie waren Opfer. Seit den 1980-er Jahren erhalten arbeitende Kinder wieder vermehrt Aufmerksamkeit seitens der Politik der einzelnen Länder und ebenso gesellschaftlichen Einfluss. Sie stehen auf verschiedene Weise für ihre Rechte ein, die ich im Kapitel 5.2.4 näher erläutern möchte. Kinderarbeit ist nur schwer statistisch zu erfassen, da die Dunkelziffer sehr hoch ist und viele Kinder, beispielsweise Mädchen die im Familienbetrieb oder in der Stadt in einem Haushalt angestellt sind und arbeiten, nicht erfasst werden. Es können fast ausschließlich legal beschäftige Kinder von der Statistik mitgezählt werden. Auch ist Kinderarbeit in manchen Ländern offiziell verboten, so auch in Bolivien, wird aber unter bestimmten Voraussetzungen geduldet. Heute ist der Begriff Kinderarbeit, den ich in Kapitel 5.2 definieren werde, von verschiedenen Organisationen klar festgelegt und abgegrenzt, wobei 'gute' und 'schlechte' Kinderarbeit unterschieden wird. Die Vorstellung und die Dauer des Kindseins variieren zwar je nach Kultur, geographischen Gegebenheiten, sozialer Schicht und Geschlecht, doch haben die Vereinten Nationen und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) Konventionen erlassen, was unter 'schlechter' Kinderarbeit verstanden werden soll, da diese sehr unterschiedliche Tätigkeiten umfassen kann, die unter Umständen auch ausbeuterisch und schädigend auf ein Kind einwirken können. Es gibt verschiedene Gründe, warum Familien gezwungen sind ihre Kinder arbeiten zu lassen, beziehungsweise die Kinder selbst sich dazu gezwungen sehen. Je nach gesellschaftlichen und geographischen Gegebenheiten reicht das Familieneinkommen nur durch Mithilfe der Kinder aus, wenn zusätzlich von staatlicher Seite keine Hilfe zu erwarten ist. In diesen Gesellschaften besitzen die Menschen oftmals eine ökonomisch-utilitaristische Einstellung zu ihren Kindern. Kinderarbeit kann, besonders in Lateinamerika, durchaus mit Armut in Verbindung gebracht werden. Diese Armut ist häufig verstärkt auf dem Land vorzufinden, wo sowohl Möglichkeiten der Bildung und Ausbildung fehlen, als auch die Infrastruktur erhebliche Mängel aufweist. Immer häufiger müssen bäuerliche Familien, die ihr Land traditionell anbauen, der industriellen Landwirtschaft weichen, da diese mehr Profit abwirft. Diese modernen und hochtechnologisierten Anbaumethoden sind mit notwendigen technischen und chemischen Hilfsmitteln verbunden, die viele Bauern nicht bezahlen können. Ihre Erzeugnisse sind ohne diese Hilfsmittel jedoch nicht konkurrenzfähig gegenüber denen der großen Plantagenbesitzer, so dass viele Kinder in der eigenen Familie hart mitarbeiten müssen. Oftmals müssen Väter auf dem Acker 'ersetzt' werden, da sie als zusätzliche Einnahme gezwungen sind auf den Feldern der großen Plantagen zu arbeiten. Kinder, die in Entwicklungsländern aufwachsen, können als Folge davon nicht oder nur unzureichend die Schule besuchen oder Freizeit genießen. Manche Familien verkaufen aufgrund einer solchen Situation ihr Land an Großgrundbesitzer und begeben sich in deren Abhängigkeit als Tagelöhner. Nur selten erhalten landlos gewordene Menschen eine Anstellung als niedrig entlohnter Landarbeiter mit Arbeitsvertrag. Die meisten werden Wander- oder Saisonarbeiter mit unregelmäßigen Einkünften. Beispiele hierfür sind Teeplantagen in Indien und Sri Lanka, Blumenplantagen in Westafrika und Baumwoll-, Orangen-, Kaffee-, Bananen-, oder Zuckerrohrplantagen in Lateinamerika. In Lateinamerika arbeiten sogenannte Clandestinos ohne Arbeitserlaubnis und ohne angestellt zu sein. Hierzu gehören auch Kinder, die keinerlei Rechte besitzen und für einen Hungerlohn ausgebeutet werden, aber trotz allem eine unabdingbare Hilfe für ihre Familien sind. Die Großgrundbesitzer wiederum können durch die billigen und flinken Kinderarbeitskräfte höheren Profit erhalten und die Möglichkeit, weiteres Land von ärmeren Kleinbauern zu kaufen. Auch die Städte wachsen in vielen Entwicklungsländern durch die steigende Zahl land- und arbeitsloser Familien, die auf dem Land keine Überlebensmöglichkeiten besitzen. Sie suchen Arbeitsstellen bei großen und modernen Betrieben in der Stadt, die von ausländischem Kapital kontrolliert werden; finden häufig jedoch lediglich eine Beschäftigung im informellen Sektor, der sich durch niedrige Verdienste, einfache Organisation und geringe Produktivität auszeichnet. Durch die auch hier niedrigen Löhne müssen Kinder durch Arbeit zum Unterhalt beitragen. Kinder helfen als Hausgemeinschaft in kleinen Unternehmen oder Fabriken mit, anstatt zur Schule zu gehen. Die so produzierten Billigprodukte setzen die ausländischen Konzerne in den Industriestaaten ab. Andere Familien arbeiten im Kunsthandwerk, in der Kleiderherstellung oder als Abfallsammler für die Recyclingindustrie. Kinder stellen in Werkstätten, Restaurants, Tankstellen und privaten Haushalten die billigen Arbeitskräfte. Die Arbeitsbedingungen sind teilweise katastrophal; die Kinder arbeiten bis zu 14 Stunden pro Tag und besitzen weder Anspruch auf Urlaub, noch eine Krankenversicherung. Verletzt sich ein Kind oder wird es krank, ist die Entlassung die häufigste Folge. Kinder, die keine Anstellung in einem solchen Betrieb finden, versuchen die Familie durch selbstständige Beschäftigungen zu unterstützen. Hierzu gehören Zeitungs- oder Süssigkeitenverkäufer, Schuhputzer oder Lastenträger, Boten, Aufpasser und Autowäscher. Kinder, die keine dieser Verdienstmöglichkeiten finden oder ausüben können, stehlen, betteln und sammeln Müll auf den Straßen der Großstadt oder sind zur Prostitution gezwungen. Es existieren Netzwerke und Absprachen unter den Kindern, wer zu welcher Uhrzeit an welchem Ort stehen darf. Statistisch gesehen gehen Jungen hauptsächlich Beschäftigungen außerhalb des Hauses nach, während Mädchen oftmals den Haushalt übernehmen. Dies hat zur Folge, dass viele Mädchen nicht bezahlt werden und in Statistiken, die Kinderarbeit betreffen, häufig durchfallen, also zur Dunkelziffer gehören. Auch fangen sie durchschnittlich mit jüngeren Jahren an zu arbeiten, als Jungen, da sie bereits von klein auf mit in den Haushalt einbezogen und eingeplant werden; das heißt sie genießen in der Regel noch weniger Schulausbildung als Jungen. Die Mädchen schaffen auf diese Weise den anderen Familienmitgliedern die Möglichkeiten den Tätigkeiten außerhalb des Hauses nachgehen zu können, was einer enormen Leistung gleichkommt. Denn sie erhalten je nach kultureller und gesellschaftlicher Region wenig bis keine Wertschätzung, werden oftmals sogar, ganz im Gegenteil, ignoriert. Landflucht, die Hoffnung auf Arbeit in den Städten, die oft zu Arbeitslosigkeit führt und das Fehlen staatlicher Sozialprogramme verwandeln viele Städte in Entwicklungsländern in Elendsgürtel. Soziale Hilfen oder Unterstützung vom Staat gibt es in vielen Ländern des Südens nicht, da das Budget für Soziales zu gering ist. In Kapitel 4.1.1 bin ich bereits darauf eingegangen, dass diese Länder bei Internationalen Banken und beim Internationalen Währungsfond (IFW) stark verschuldet sind, Zinsen oder Zinsenzinsen abbezahlen müssen und dadurch nicht oder nur schwer in der Lage sind Sozialleistungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Nahrungsmittelsubventionen zu leisten. Ausländische Konzerne und Unternehmen nutzen bzw. begünstigen diese Situation, da sie billige Exporte und Arbeitskräfte und Förderung von Direktinvestitionen verlangen, um hohe Profite zu erlangen. Diese Auflagen gehen zu Lasten der ärmeren Bevölkerung, allen voran den Menschen, die weder Arbeit noch eigenes Land besitzen. Dies sind übergeordnete und direkte Ursachen, sowie negative Formen und Aspekte von Kinderarbeit, die weltweit existieren und auftreten können. In den folgenden Kapiteln zeige ich die möglichen positiven Aspekte von Kinderarbeit und deren 'Folgen' auf, zu denen beispielsweise die Kinderbewegungen gehören, denn Arbeit kann für Kinder auch als eine Notwendigkeit und Chance gesehen werden, wie ich bereits in Kapitel 3 erläutert habe.
Das neue Medium Fernsehen und die soziale Klasse der Arbeiter bis Mitte der 1970er Jahre: Zuwendung, Bedeutung und Auswirkungen Die Nachkriegszeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bis Mitte der 1970er Jahre stellt sich in der Rückschau der Historiker als das ''Goldene Zeitalter" (Hobsbawm) dar. Es ist geprägt von einem ungewöhnlichen wirtschaftlichen Aufschwung, von Vollbeschäftigung und einem zunehmenden Wohlstand auch für Angehörige der sozialen Klasse der Arbeiter. Mit der Ölkrise von 1973 geht diese Zeit der Prosperität zu Ende, es folgen Jahrzehnte der wirtschaftlichen Krise und zunehmend der Umbau der Weltökonomie unter dem Begriff der ''Globalisierung". In dieses ''Goldene Zeitalter" fällt der Aufstieg und die massenhafte Verbreitung eines neuen Mediums des Fernsehens. Innerhalb weniger Jahre erwerben Millionen von Haushalten in den meisten Industrieländern ein Empfangsgerät und spätestens Mitte der 1970er Jahre ist die Vollversorgung erreicht. Ab den 1980er Jahren wandeln sich aufgrund technologischer und ordnungspolitischer Neuerungen die Mediensysteme ein Wandel, dem epochale Qualität zugeschrieben wird. Das neue Medium Fernsehen zeichnet sich durch eine Reihe von sozial relevanten Eigenschaften aus, die es z.B. mit dem Rundfunk teilt und die es z.B. vom Kinofilm unterscheidet: Es ist rezipierbar in der Privatheit der eigenen Wohnung, es ist im Prinzip ständig verfügbar und die Zugangskosten sind nach Anschaffung eines Empfangsgerätes gering. Das neue Medium Fernsehen zeichnet sich aber vor allem mit Meyrowitz durch die Veränderung des Zugangs zu Wissen (hier umfassend verstanden als all die Inhalte menschlichen Denkens) aus. Es führt vormals getrennte Informationswelten zusammen und überwindet somit soziale Barrieren, die bislang den Zugang zu Wissen bzw. Orten verhindert haben. Für die unterprivilegierten Klassen bedeutet dies auch den virtuellen Zugang zu Lebenswelten sozialer Klassen, die ih nen bisher aufgrund ihrer sozialen Lage weitgehend verschlossen blieben. Fernsehen überwindet so virtuell soziale Grenzen. Die Angehörigen von unterprivilegierten Klassen sind es vor allem auch, in deren Leben das Fernsehen eine bedeutende Rolle einnimmt. Die ''Fernsehbedürftigen (Glick/Levy) konzentrieren sich in den mittleren und unteren Regionen des Bourdieuschen Sozialraumes, gemessen an Ausstattung mit ökonomischem und kulturellem Kapital. Differenziert man Fernsehzuwendung unter dem Aspekt der sozialen Lage und der Verortung im Bourdieuschen Sozialraum, so ergibt sich für den Untersuchungszeitraum folgendes Bild: Die ersten Besitzer von Fernsehgeräten in der Anfangsphase des Mediums rekrutieren sich vor allem aus den höheren Regionen des sozialen Raumes. Sie verfügen über ein hohes Einkommen und über hohe Bildung. Nach dieser Anfangsphase verbreitet sich das Fernsehen rasch in den Haushalten von Angestellten und Arbeitern und wird zu einem Massenkonsumgut. Das Einkommen ist bis zur Vollversorgung der Haushalte ein Maß für die Ausstattung mit einem Fernsehgerät. Je geringer das Einkommen, desto geringer der Anteil der Gerätebesitzer. Die meisten Gerätebesitzer finden sich in mittleren und höheren Einkommenslagen. Ab einer gewissen Einkommenshöhe jedoch stagniert der Besitz an Fernsehge räten. Eine Reihe von DetailStudien, die neben dem Einkommen auch Bildung berücksichtigen respektive auf Schichtungsmodelle abheben, zeigen eine inverse Beziehung zwischen hohem sozioökonomischen Status und dem Besitz eines Fernsehgerätes. Wurde das Medium zum Massenkonsumgut, so setzte sich in jenem Segment der Gesellschaft, das sowohl über hohes ökonomisches Kapital als auch hohes kulturelles Kapital verfügte, ein Distinktionsprozess ein, Fernsehen wurde als Zeichen für schlechten Geschmack empfunden. Auf der anderen Seite weist eine Abnahme des Gerätebesitzes mit sinkendem Einkommen nicht unbedingt auf eine geringere Fernsehbedürftigkeit hin: Fernsehen wurde in der Anfangsphase des Mediums von vielen Nichtgerätebesitzern auch in öffentlichen Räumen (Gaststätten) oder bei Freunden und Verwandten rezipiert. Bezüglich der Arbeiterhaushalte in der Bundesrepublik zeigt sich, dass sie ab 1962 geringfügig besser mit Empfangsgeräten ausgestattet sind als Angestelltenhaushalte. Dies gilt auch für untere Einkommen. Dieser Versorgungsgrad stellt für Arbeiter jedoch eine Ausnahme dar: Ansonsten sind sie hinsichtlich der Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern schlechter gestellt als Angestelltenhaushalte. Die täglich verbrachte Zeit vor dem Fernseher korrespondiert mit der sozialen Lage: Arbeiter sehen mehr fern als Angestellte. Die Einstellung zum Medium Fernsehen korrespondiert ebenfalls mit der sozialen Lage: Einer geringen Ausstattung mit ökonomischem und kulturellem Kapital entspricht eine eher bejahenden Einstellung, ein hoher sozioökonomischer Status entspricht eher einer kritischen Einstellung. Arbeiter bevorzugen mehr populäre Sendungen. In der Mehrzahl dieser Sendungen kommen Arbeiter als Protagonisten und ihre Lebenswelt kaum vor. Diese Befunde lassen sich sich als eine klassenspezifische Fernsehzuwendung der Arbeiter intepretieren: In der Bundesrepublik sind die Arbeiterhaushalte ab 1962 quer durch alle Einkommensgruppen besser mit Fernsehgeräten ausgestattet als z.B. Angestelltenhaushalte, dafür aber stellen Arbeiter die Anschaffung anderer langlebiger Gebrauchsgüter zurück. Die subjektiv hohe Bedeutung des Fernsehens für Arbeiter scheint in dieser Wahl auf. Arbeiter nutzen auch das Fernsehen zeitlich mehr als Angestellte und sie stehen dem Medium positiver gegenüber. Die Lebensbedingungen der Arbeiter sind im Untersuchungszeitraum von Grenzen bestimmt, die um das zentrale Moment der Lohnarbeit herum gruppiert, den Raum der Lebensmöglichkeiten auf ein spezifisches Maß reduzieren. Dieses Maß äußert sich als eine im Vergleich zu Angestellten, Beamten und Selbständigen mindere Ausstattung mit Ressourcen, mit Kapitalarten im Sinne Bourdieus. So ist ein generelles Merkmal der Lebensbedingungen der Angehörigen der sozialen Klasse der Arbeiter die Minderausstattung mit Wissen. Der Zugang zu formaler höherer Schulbildung ist durch ''unsichtbare" Klassenschranken erschwert. Dazu zählen neben geringen finanziellen Ressourcen auch eine ''soziale und affektive Distanz" zur bürgerlichen Welt jenseits der eigenen Arbeiterexistenz, die kaum bekannt ist und in der der Arbeiterhabitus sich als Hemmnis erweist. So bleibt der Zugang zu höherer Schulbildung, in der Bundesrepublik zumindest bis zur Öffnung des Bildungssystems Ende der 1960er Jahre, nur wenigen vorbehalten. Arbeiterkinder an den Universitäten sind die Außnahme von der Regel und sie sind Grenzgänger zwischen zwei sozialen Welten: ''Die eine seiner Welten ist tot, und doch ist er ohnmächtig, die andere zu gewinnen." Ein weiteres Merkmal der Arbeiterexistenz ist die Verortung der Arbeiter im physischen Raum als Widerspiegelung der Verortung im sozialen Raum. Die von den Arbeitern sich selbst zugeschriebene soziale Position des ''unten" findet seine Entsprechung in der Positionierung innerhalb der räumlichen Struktur der Produktion: Unten das ist konkret auch die Fabrikhalle, über die sich die Verwaltungsetagen erheben. In der Topographie des öffentlichen Raumes sind die Arbeiter an bestimmte Orte gebunden: Das Arbeiterviertel, Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, bestimmten Freizeiteinrichtungen wie das Fußballstation etc. Diese habituelle und gesellschaftlich konstituierte Gebundenheit läßt den Arbeiter selten aus seinem Verkehrskreis heraus und in gleichgestellten Kontak mit Angehörigen anderer sozialer Klassen treten. In der privaten Sphäre ist die Aneignungsmöglichkeit von Raum durch die finanziellen Ressourcen bestimmt: Arbeiterhaushalte sind, was Wohnfläche und Wohnungsausstattung betrifft, am häufigsten unterversorgt, Arbeiter wohnen in beengteren Verhältnissen. Neben diese spezifische Aneignungsmöglichkeit von Raum tritt die spezifische Aneignungsmöglichkeit von frei verfügbarer Lebenszeit. Die Ausgestaltung und das Maß dieser frei verfügbaren Zeit ist untrennbar gekoppelt an die Bedingungen der Lohnarbeit und dieses ''Reich des Notwendigen" strahlt aus auf die ''Freizeit". Die Arbeitsbedingungen sind gekennzeichnet durch einen Mangel an Autonomie und Selbstbestimmung, die körperliche Arbeit steht im Vordergrund und bringt Belastungen durch Lärm, Staub, Hitze etc. mit sich. Akkord und Schichtarbeit ist weitverbreitet und Arbeiterfrauen sind der Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Haushalt ausgesetzt. Trotz aller Arbeitszeitverkürzung bleibt Zeit für Arbeiter und vor allem für Arbeiterfrauen eine knappe Ressource. Die Freizeit ist vor allem geprägt durch ein spezifisches Regenerationsbedürfnis, in dem die Wiederherstellung der Arbeitskraft einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt als bei Angehörigen anderer Berufsgruppen. Diese Charakteristika der Arbeiterexistenz bleiben im wesentlichen bis in die 1970er Jahre hinein bestehen, auch wenn sich im ''Goldenen Zeitalter" die Lebensbedingungen der Arbeiter im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich verbessert haben. Auf der Folie dieser Lebensbedingungen lässt sich die Bedeutung der spezifischen Fernsehzuwendung der Arbeiter rekonstruieren. Fernsehen öffnet zum einen (medial) die Grenzen einer sozialen Klasse, in deren Lebenszusammenhang soziale Grenzen eine alltägliche Erfahrung darstellen und diese schwer zu überwinden sind. Fernsehen zeigt die Welt jenseits der eigenen Arbeiterexistenz und überwindet die Perspektive des ''unten", überwindet das Eingeschlossensein in den eigenen Verkehrskreis und den beschränkten (Erfahrungs)Horizont des Arbeiterviertels und der beengten Wohnung. Der Gebrauchswert von Fernsehen für Arbeiter ist so bedingt durch das Bedürfnis, wenn schon nicht die eigene soziale Lage überwinden zu können, so doch zumindest Anteil an der Welt jenseits der eigenen sozialen Grenzen zu nehmen. Der Gebrauchswert von Fernsehen ergibt sich dann aus seiner Eigenschaft als Medium, den Zugang zu Wissen zu ermöglichen und diese Eigenschaft gewinnt in Hinsicht auf den beschränkten Wissenszugang von Arbeitern eine klassenspezifische Relevanz. Via Bildschirm öffnet sich der Blick auf die Welt jenseits der eigenen sozialen Grenzen und ermöglicht damit die Kompensation von auch subjektiv so empfundenen Einschränkungen der Welterfahrung und Weltaneignung. Verbunden mit diesem Gebrauchswert und im Grunde auch nur für analytische Zwecke zu trennen ist zum anderen der Gebrauchswert des Fernsehens für Arbeiter im Kontext ihrer spezifischen Regenerationsbedürfnisse. Die soziale relevanten Eigenschaften des Fernsehens wie die Plazierung innerhalb der privaten Sphäre der Wohnung, die Verfügbarkeit und die geringen Kosten ergänzen sich durch den ''Fluß der Bil der" (Kracauer) und bieten so ein Medium, das ohne zusätzliche weitere Verausgabung wie Ortswechsel oder soziokulturelle Anstrengungen nach den Belastungen der Produktionsarbeit Entspannung und Erholung bietet. Als Äquivalent zu passiven Tätigkeiten auf niedrigem Aktivitätsniveau wie Dösen oder AusdemFensterSchauen fügt es sich optimal in die Regenerationsbedürfnisse von Arbeitern innerhalb der ''Freizeit" ein. Und der kollektiven Erfahrung einer sozialen Lage, die zwischen Fabrik und Familie, zwischen Produktion und Reproduktion wenig Spielraum für Weltaneignung lässt, entspricht die Zuwendung zu den Produkten der Kulturindustrie, die den Glanz einer vielfältigeren Welt jenseits von Betriebstoren und Wohnküchen anbieten. Arbeiter lassen sich kaum für sogenannte ''Arbeiterfilme" begeistern, die Verdoppelung ihrer tagtäglich erlebten Erfahrungswelt auf dem Bildschirm hat für sie keinen Gebrauchswert. Dem entspricht vielmehr, was schon Hofmannsthal über das Kino der Stummfilmzeit schrieb: Die Suche nach Lebensessenz, nach Bildern, die einem das Leben schuldig bleibt. Für die Angehörigen der sozialen Klasse der Arbeiter lassen sich die Gebrauchswerte von Fernsehen in Bezug auf das Mediennutzungsschema als zu dem kompensatorischen Pol hinneigen interpretieren. Was die soziale Lage und die ihr eingschriebenen sozialen Grenzen an Handlungsmöglichkeiten mindert, erfährt virtuelle Kompensation durch das Medium. Auf diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum geht die Frage nach den Auswirkungen dieser spezifischen Fernsehzuwendung durch Arbeiter all das rezipierte Wissen z.B. über die Praktiken der Angehörigen anderer sozialer Klassen sich nicht in den Praktiken der Arbeiter niederschlagen. Denn dieses Wissen, dessen Gebrauchswert aus einer anderen sozialen Realität mit anderen Bedürfnissystemen entspringt, macht innerhalb der klassenspezifischen Handlungsmöglichkeiten der Arbeiter und ihrer Bedürfnissysteme schlicht keinen Sinn der Handlungspol bleibt sozusagen blockiert. Der Arbeiterhabitus bleibt wie empirische Studien aus den 1960er Jahren zeigen auch angesichts eines wachsenden, bis dahin nicht gekannten Wohlstandes des ''Goldenen Zeitalters" und auch angesichts der Rezeption von FernsehWissen, wie zu ergänzen ist, bestehen. Die These von der ''Verbürgerlichung der Arbeiterklasse", auch unter dem Einfluss des Fernsehens wie sie in den 1960er Jahren formuliert wurde, war nicht haltbar, von einer Verbürgerlichung im Sinne der Übernahme von Werten, Praktiken und Einstellungen der Mittelklasse konnte keine Rede sein. Arbeiter gingen auch nicht auf in einer großen Masse der Lohnabhängigen, sondern blieben eine unterscheidbare Großgruppe innerhalb einer Gesellschaft, die sehr wohl soziale Unterschiede kannte und von einer ''Nivellierten Gesellschaft" noch weit entfernt war und ist. Allerdings aber setzte zeitgleich mit der Verbreitung des Fernsehens ein Prozess der Privatisierung der Arbeiter ein, der sich im Rückzug auf die private Sphäre das Heim und die Familie äußerte und in der wesentliche Kompensationsmöglichkeiten für die Zumutungen aus der Arbeitswelt gesucht als auch wesentliche Identitätsbedürfnisse in diese Sphäre verlagert wurden. Diese Bindung des Arbeiters an das Heim ist nicht zuletzt den sozial relevanten Eigenschaften des Mediums Fernsehen zuzuschreiben, das innerhalb der ''eigenen vier Wände" die oben angeführten Gebrauchswertansprüche erfüllte. Das Wohnzimmer in den Arbeiterhaushalten und der darin zentral plazierte Fernsehapparat sind ein Symbol für diese neue Privatheit, die durch die Auflösung ehemals proletarischer Wohn und Nachbarschaftsverhältnisse bestärkt wird. Innerhalb dieser privaten Sphäre öffnen sich auch die relativ autonomen Handlungsmöglichkeiten des Arbeiters lassen sich Gebrauchswertansprüche an das Fernsehwissen der handlungsorientierten Funktion zuschreiben in den Bereichen des Körpers, des Konsums, der Familie und ihnen entspricht die Rezeption populärer Sendung vom Sport über Heimwerkertipps bis hin zur Darstellung menschlicher Schicksale. Von einer ideologischen Intergration der Arbeiter durch Fernsehen kann, zumindest was den Habitus anbetrifft, nicht gesprochen werden. Arbeiter bleiben Arbeiter und übernehmen nicht die Werte und Praktiken der Mittelklassen. Die medienzentrierte und ideologiethematisierende Sicht etwa des materialistischen Ansatzes als auch der frühen cultural studies aber auch die Thesen von einer ''nivellierenden" Wirkung des Fernsehens unterschätzen die Macht materieller Strukturen. Für die Integration der sozialen Klasse der Arbeiter in die Nachkriegsgesellschaft spielen die materiellen Verbesserungen der Lebensverhältnisse im ''goldenen Zeitalter" des Klassenkompromisses (relative Vollbeschäftigung über längere Zeiträume hinweg, erhöhtes Lohnniveau über der Schwelle der Existenzerhaltung, soziale Absicherung, schließlich vermehrte Bildungschancen etc.) eine ungleich größere Rolle als die ideologische Integration durch Massenmedien wie dem Fernsehen. Die Dominanz der materiellen Strukturen zeigt auch der Vergleich der möglichen Auswirkungen der Umwälzung des WissensZuganges durch Fernsehen in den beiden deutschen Staaten. Gegeben, dass mit Meyrowitz und somit auch weitgehend unabhängig von den Inhalten, dem Fernsehen in der DDR und in der Bundesrepublik der gleiche Effekt in Bezug auf einen veränderten WissensZugang zuzuschreiben ist, entwickeln sich die Sozialstrukturen der beiden deutschen Staaten unterschiedlich. Während in der Bundesrepublik die Zahl der Arbeiter abnimmt und sich die soziale Klasse in Teilen modernisiert, zeichnet sich die Sozialstruktur der DDR durch einen nach wie vor hohen Anteil an Arbeitern aus. Die ''pluralistische Klassengesellschaft" der Bundesrepublik zeichnet sich gegenüber der ''blockierten Klassengesellschaft" der DDR durch einen ab den 1960er Jahren stattfindenden Modernisierungsprozess bzw. der ''Öffnung des sozialen Raumes" aus. Diese Öffnung des sozialen Raumes meint u.a. auch eine Modernisierung der Erwerbsstruktur, in dessen Verlauf Berufe zunehmen, zu deren Ausübung ein vermehrter Erwerb von Bildung bzw. kulturellem Kapital erforderlich ist. Von den neuen Bildungs und Berufschancen profitieren vor allem die Kinder der (Fach)Arbeiter und unteren Angestellten. Während in der Bundesrepublik durch die Öffnung des sozialen Raumes Handlungsmöglichkeiten entstehen, in denen das FernsehWissen in kulturelles Kapital gewandelt werden konnte, ist die Sozialstruktur der DDR dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund des unterbliebenen Modernisierungsprozesses die Entwicklung hin zu modernisierten Fraktionen der einzelnen Klassen und zu einer modernisierten Mitte unterblieb. FernsehWissen blieb somit aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten auf der materiellen Ebene ohne Bedeutung. Während in der Bundesrepublik sich Kinder aus Arbeiterhaushalten durch Wechsel in andere Berufspositionen auch in andere Positionen des sozialen Raumes begeben konnten, die soziale Klasse der Arbeiter rein zahlenmäßig schrumpfte und sich in Teilen modernisierte und sich das Fernseh-Wissen sozialstrukturell als prinzipielle Unterstützung dieses Bildungsaufstieges niederschlagen konnte, blieb in der DDR die soziale Klasse der Arbeiter bzw. der Anteil der Bevölkerung mit Arbeiterhabitus als Indikator für eine blockierte Klassengesellschaft vergleichsweise groß. Die Auswirkungen von FernsehWissen zeigen sich somit abhängig von der Eröffnung von Handlungsmöglichkeiten auf der materiellen Ebene hier: die Öffnung des sozialen Raumes in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren und lassen sich als eine Verstärkung von Entwicklungstendenzen des sozialstrukturellen Wandels interpretieren.
Gesundheitliche Einschränkungen im Alltagsleben durch seelische oder körperliche Erkrankungen. Gesundheitswesen. Pflegeleistungen für hilfsbedürftige Personen. Schwarzarbeit. Meinung zu Steuerhinterziehung. Europäische Nachbarschaftspolitik. Entwicklungshilfe. Kenntnisse über die europäische Währung.
Themen: 1. Gesundheitliche Einschränkungen im Alltagsleben: Einschränkungen durch seelische oder körperliche Erkrankungen; alltägliche Tätigkeiten, bei denen Probleme auftreten (durch Behinderungen); Einschätzung der Qualität, Erreichbarkeit sowie Erschwinglichkeit der Gesundheitsdienste: Krankenhäuser, Zahnärzte, Medizinische Experten, Hausärzte, Pflegedienste, Pflegeheime; Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten in den letzten 12 Monaten; Nicht-Inanspruchnahme aufgrund zu hoher Kosten; Präferenz für häusliche Pflege oder Pflege in Heimen; Meinung zur Pflege hilfsbedürftiger älterer Menschen: Möglichkeit zur Betreuung in Pflegeheimen gefördert durch den Staat, Verpflichtung zur Einzahlung in eine Pflegeversicherung, Eigenfinanzierung der Pflegeleistung bei Besitz von Eigenkapital, Finanzierung durch die Kinder, Pflege durch nahe Verwandte, Zahlung eines Einkommensanteils durch den Staat für die pflegende Person in der Familie; Finanzierung von professionellen Pflegern durch den Staat; eigene Inanspruchnahme von Pflegeleistungen oder Inanspruchnahme durch nahe stehende Personen; bei Inanspruchnahme: Zulänglichkeit dieser Pflege, eigene Beteiligung an der Pflege von Bekannten, Entfernung zur pflegebedürftigen Person; an alle: Kostenbeteiligung an den Pflegeleistungen; Anteil des Betrags am gesamten Haushaltseinkommen; Anteil der insgesamt gezahlt werden muss; Aufgabe einer Arbeitstelle aufgrund der Pflege der Eltern; Erwartung eigener Pflegebedürftigkeit sowie das Gefühl dabei; Erwartung ausreichender Pflegeleistungen und präferierte Art der Betreuung (bezogen auf die eigene Person); Kostenträger der eigenen zu erwartenden Pflege; Gründe für unzureichende Pflegeleistungen; ideale Häufigkeit selbst praktizierter Kontrollbesuche beim Arzt; Selbsteinschätzung von gesundheitlichen Risikofaktoren; erwartete Erhöhung der eigenen Lebenserwartung bei Umstellung des Verhaltens; Einschätzung der eigenen Lebenserwartung; Gesprächspartner über die Ausgestaltung der Pflege im Pflegefall; ideale Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Pflegebedürftigkeit: Sparen, Anpassen des Heims auf veränderte Bedürfnisse, Besuch von Pflegeeinrichtungen, die für die Pflege in Frage kämen, Diskussion der zukünftigen Bedürfnisse mit Ärzten, Pflegediensten sowie der Familie; Meinung über Pflegeleistungen: Verlassen auf Angehörige, professionelle Pflege zuhause ist erschwinglich, ausreichende Pflegestandards in Pflegeheimen, Pflegeheime sind engagiert und leisten hervorragende Arbeit, pflegebedürftige ältere Personen werden Opfer von Missbrauch durch Pflegekräfte; vermuteter Umfang des Missbrauchs und der Vernachlässigung von Pflegebedürftigen im Lande; Einschätzung des Missbrauchsrisikos: bei schlechten Lebensbedingungen, bei ungenügender Versorgung, Verschlechterung des Gesundheitszustands durch unzureichende Pflege, psychologischer Missbrauch, Missbrauch des Eigentums der pflegebedürftigen Person, körperlicher Missbrauch, sexuelle Nötigung; Personen, die ältere Menschen am ehesten schlecht behandeln; geeignetste Maßnahmen zur Vorbeugung von Misshandlungen; Anzahl eigener Kinder; Entfernung des Kindes, das am nächsten zum eigenen Wohnort wohnt; Alter der Mutter sowie des Vaters; Beschreibung der Wohnsituation der Mutter sowie des Vaters.
2. Schwarzarbeit (EU27): vermuteter Anteil der Bevölkerung, der Schwarzarbeit betreibt; Kenntnis von Personen, die schwarzarbeiten; Einschätzung des Risikos, bei Schwarzarbeit erwischt zu werden; erwartete Strafe bei Schwarzarbeit; Frauen oder Männer sowie Berufsgruppe, die vermutlich am ehesten schwarzarbeitet; Gründe für Schwarzarbeit; Inanspruchnahme von Dienstleistungen sowie Kauf von Produkten, bei denen zu vermuten war, dass sie Schwarzarbeit beinhalten; Art der Produkte oder Dienstleistungen sowie teuerste schwarz erworbene Ware oder Dienstleistung; Höhe der Ausgaben für dieses Produkt; Einkaufsquelle des Produkts; Motive für den Schwarzkauf; Kaufverhalten für den Fall, dass das Produkt nur auf dem regulären Markt erwerbbar gewesen wäre; Gehaltszahlungen durch den Arbeitsgeber ohne Tätigung von Steuerabgaben; Abrechnung regulärer Arbeitszeit oder von Überstunden an der Steuer vorbei; Anteil des jährlichen Brutto-Gehalts, der schwarz ausgezahlt wurde; Zufriedenheit mit steuerfreien Auszahlungen; Betroffenheit von versicherungsrechtlichen Auswirkungen einer Schwarzarbeit; Art der Auswirkung; eigene Ausführung von Schwarzarbeit; Art der Tätigkeiten; Regelmäßigkeit von Schwarzarbeit; Umfang von Schwarzarbeit: Anzahl der Wochen sowie Stunden; Bezahlung durch Sachleistungen; Beweggründe der Akzeptanz von Sachleistungen; Vorgehensweise im Falle der Erwerbbarkeit der als Gegenleistung erhaltenen Ware oder Dienstleistung auf dem regulären Markt; Arbeitgeber und Veranlassung zur eigenen Schwarzarbeit; Betroffenheit von versicherungsrechtlichen Auswirkungen durch getätigte Schwarzarbeit; Meinung zu unberechtigtem Bezug von Sozialleistungen, zum Schwarzfahren und zur Steuerhinterziehung; Tätigkeitsbereich (Branche) des Befragten; Betriebsgröße; Bruttoeinkommen; Wochenarbeitszeit in regulärer beruflicher Tätigkeit.
3. Europäische Nachbarschaftspolitik: Kenntnis der EU-Beitrittsländer; Kenntnis der Nachbarländer der EU; Kenntnis der Europäischen Nachbarschaftspolitik; Einschätzung der Wichtigkeit besonderer Beziehungen zu den Nachbarländern des eigenen Landes in Hinblick auf: Einwanderung, Umwelt und Energie, Demokratie, Terrorismus, wirtschaftliche Entwicklung, Aus- und Fortbildung; europäische Nachbarländer teilen Werte der EU-Länder; Einschätzung der Wertegemeinschaft mit diesen Ländern; Konfliktreduzierung durch Kontakt zu diesen Ländern; Meinung zur Vorgehensweise mit europäischen Nachbarländern: Förderung der Demokratie in Nachbarländern, Verringerung der Beziehungsintensität bei mangelndem Fortschrittswillen, Verringerung der Einwanderung durch Zusammenarbeit, Reformwille der Länder, Erleichterung des Zugangs zum europäischen Markt; erwartete Konsequenzen aus Unterstützungsleistungen des eigenen Landes an die direkten Nachbarländer (Skala); Zugangserleichterung für neue Länder; Einstellung zur finanziellen Unterstützung der Nachbarländer; Interesse am Geschehen in Nachbarländern; Einschätzung der Beziehung des eigenen Landes zu Nachbarländern.
4. Entwicklungshilfe (nur in den 12 neuen Mitgliedsstaaten): Kenntnis über Entwicklungshilfe der EU; geschätzter Betrag für Entwicklungshilfe im Jahr 2006 pro EU-Einwohner; effizientere Entwicklungshilfe durch Bereitstellung durch die einzelnen Mitgliedsstaaten versus durch die EU bzw. die Europäische Kommission; Länder mit dem größten Etat für Entwicklungshilfe (USA, EU, Japan, China bzw. Russland); präferierte vorrangige Ziele der EU-Entwicklungshilfe (z.B. Aufbau der Infrastruktur, Förderung von Wirtschaftswachstum u.a.); Kenntnis über Werbekampagnen bezüglich Entwicklungshilfe der EU; genutzte Informationsquellen zum Thema Entwicklungshilfe und Entwicklungsländer (TV, Radio, Tageszeitungen, NGOs, Internet, Informationsbroschüren, mündlich durch Verwandte und Freunde); vertrauenswürdigste Informationsquellen zum Thema Entwicklungshilfe und Entwicklungsländer (NGOs, Journalisten, Landesregierung, Regierungen der Entwicklungsländer, Europäische Kommission, Vereinte Nationen, Freunde und Familie).
5. Gestalt des Euro (EU EUROZONE 13): Kenntnistest der Gestalt der Euro-Münzen; Kontakt mit Falschgeld in Münzenform oder einer Münze, die der Euro-Münze ähnelt; Schwierigkeiten bei der Werterkennung der Münzen; Art der Münzen, bei denen Schwierigkeiten bestehen; Meinung zur länderspezifischen Gestaltung der Münzen; Meinungsbegründung; Präferenz für eine länderspezifische oder zu einer europaweit einheitlichen Gestaltung der Münzen.
Demographie: Staatsangehörigkeit (Mehrfachnennung möglich); Berufstätigkeit; berufliche Position; Selbsteinschätzung auf einem Links-Rechts-Kontinuum; Familienstand; Alter bei Ende der Schulausbildung; Geschlecht; Alter; Urbanisierungsgrad; Anzahl der Personen im Haushalt ab 15 Jahren; Anzahl der Kinder im Haushalt unter 10 Jahren sowie im Alter von 10 bis 14 Jahren; Migrationshintergrund und Herkunftsregion; Festnetz-Telefonanschluss im Haushalt, Mobiltelefonbesitz; Besitz langlebiger Wirtschaftsgüter: Unterhaltungselektronik, Internetverbindung, Auto, bezahltes bzw. noch abzuzahlendes Wohneigentum.
Zusätzlich verkodet wurde: Interviewdatum; Interviewbeginn; Interviewdauer; Anzahl anwesender Personen während des Interviews; Kooperationsbereitschaft des Befragten; Ortsgröße; Region; Gewichtungsfaktor.
"Sie sind kaum greifbar und doch in aller Munde. Sie gelten als 'Erfolgsfaktoren' im globalisierten Wettbewerb und fallen doch gerne aus dem Entscheidungskalkül. Man sieht in ihnen die Basis einer neuen Ökonomie und läßt sich im Weiteren nur noch von technischen Potentialen blenden. Immaterielle Ressourcen wie Humankapital und Sozialkapital bzw. Wissen und Vertrauen, Kompetenzen und Reputation sind Gegenstand neuer Verwertungsstrategien und konsequenzloser Sonntagsreden zugleich. Warum wird in Praxis und Wissenschaft so intensiv über nichtfinanzielle Erfolgsbedingungen wirtschaftlichen Handelns gesprochen? Setzt sich die Vorstellung durch, dass in humane und soziale Potentiale investiert werden muß? Welche Theorien bieten Erklärungen? Diesen Fragen geht der vorliegende Band nach und präsentiert einen potentialorientierten Ansatz zur Bewertung und Förderung sozialökonomischer Nachhaltigkeit im Feld von Arbeit und Unternehmensführung." (Autorenreferat). Inhaltsverzeichnis: Manfred Moldaschl: Nachhaltigkeit von Arbeit und Unternehmensführung. Zur Wiederentdeckung der immateriellen Ressourcen (19-46); Manfred Moldaschl: Unternehmensfähigkeiten und ihre Entwicklung. Kritik des Strategischen Managements als Basis einer theoretischen Alternative (47-80); Manfred Moldaschl: Kapitalarten, Verwertungsstrategien, Nachhaltigkeit. Grundbegriffe des Modells Nachhaltiger Unternehmensführung (81-110); Wenzel Matiaske: Soziales Kapital in ökonomischer Perspektive (111-136); Hans Pongratz, Rainer Trinczek: Industrielle Beziehungen als soziales und kulturelles Kapital. Innovative Bildungs- und Qualifizierungskonzepte von Gewerkschaften und Unternehmen (137-172); Ingo Weller, Wenzel Matiaske, Doris Holtmann: Leistungsorientierung, Ressourcen und Nachhaltigkeit in öffentlichen Betrieben: Zur "Machbarkeit" von Extra-Rollenverhalten und Commitment (173-184); Andrea Fried: Was erklärt die Resource-based View of the Firm? (185-218); Thomas Diefenbach, Tino Vordank: Erfassung und Bewertung von intangible assets im Rahmen betrieblicher Meß- und Bewertungssysteme (219-262); Steffen Lehndorff: Von der Dienstleistungs- zur Nachhaltigkeitslücke. Plädoyer für einen Themenwechsel (263-284); Manfred Moldaschl: Ressourcenorientierte Analyse von Belastung und Bewältigung in der Arbeit (285-322); Erich Latniak, Anja Gerlmaier, Dorothea Voss-Dahm, Peter Brödner: Projektarbeit und Nachhaltigkeit Intensität als Preis für mehr Autonomie? (323-356); Manfred Moldaschl: Essentials der Potentialorientierten Perspektive (357-360).
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Lambert T. Koch reagiert auf die Vorwürfe einer zu großen Nähe des Hochschulverbands zum "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit". Im Interview sagt der DHV-Präsident, wo er die Berufsvertretung wissenschaftspolitisch verortet sieht, wie er um nichtprofessorale Mitglieder wirbt – und welche Rolle für ihn Gender Studies und die Postkoloniale Theorie spielen.
Lambert T. Koch, 58, ist Wirtschaftswissenschaftler und war von 2008 bis 2022 Rektor der Bergischen Universität Wuppertal. Viermal wurde er von DHV-Mitgliedern zum "Rektor des Jahres" gekürt. 2023 trat Koch die Nachfolge von Bernhard Kempen als Präsident des Deutschen Hochschulverbandes an. Foto: Deutscher Hochschulverband/BeAStarProductions.
Herr Koch, der Deutsche Hochschulverband (DHV) bezeichnet sich selbst als "Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland". Wäre es nicht fairer zu sagen, dass er lange vor allem eine Vertretung arrivierter Professoren und ihre Interessen war? Und ist er es immer noch?
Wie es der Begriff "Berufsvertretung" nahelegt, versteht sich der DHV schwerpunktmäßig als ein Interessenverbund von Menschen, die hauptberuflich und dauerhaft in der Wissenschaft tätig sind oder sich für eine solche Tätigkeit qualifizieren. Natürlich passt er sich dabei an veränderte Karrierewege an. So hat er sich schon vor Jahren nicht nur für Habilitierende und Juniorprofessorinnen und -professoren, sondern generell auch für Postdocs geöffnet. Die Serviceangebote des DHV wollen Mitglieder in jedem beruflichen Stadium ansprechen – von der Phase der Qualifizierung bis in die Zeit nach der Emeritierung. Was Studierende und Promovierende anbetrifft, strebt rein statistisch am Ende nur ein geringer Prozentsatz eine wissenschaftliche Karriere an. Dennoch sind uns auch berechtigte Interessen dieser Gruppen nicht gleichgültig.
Rund 70 Prozent der DHV-Mitglieder sind unbefristet beschäftigte Professorinnen und Professoren. Was tun Sie, um den Anteil von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu erhöhen, die keine Professur, aber eine Dauerstelle haben? Und wie wollen Sie mehr junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Karrierephase als Mitglieder gewinnen? Zuletzt gab es in zwei Protestwellen sogar zahlreiche Austritte.
Zu den zentralen wissenschaftspolitischen Zielen des DHV gehört es, über alle Personalkategorien hinweg Wissenschaft als Beruf attraktiv zu halten. Deshalb legen wir regelmäßig dort den Finger in die Wunde, wo sich Rahmenbedingungen verbessern müssen. Wir nehmen natürlich Rücksicht darauf, dass die Interessen unserer Mitglieder divergieren. So haben beispielsweise junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein mehr als verständliches Interesse daran, dass für sie verlässliche Perspektiven im Wissenschaftssystem gegeben sind. Dies nimmt der Verband genauso auf, wie er unermüdlich auf eine auskömmliche Budgetierung von Hochschulen drängt, damit junge Menschen überhaupt eine wissenschaftliche Karriere anstreben können. Vielerorts werden zusätzliche Dauerstellen im Mittelbau benötigt, auch im Rahmen neuer Personalkategorien unterhalb der Professur. Das mahnen wir an. Dass es trotz unserer Bemühungen, möglichst alle Gruppierungen mitzunehmen, Austritte gegeben hat, bedauere ich. Der DHV konnte diese Austritte bislang zwar immer durch Eintritte mehr als kompensieren. Doch unser Anspruch ist es, artikulierte Unzufriedenheit ernst zu nehmen. Dass ansonsten die schon erwähnten Serviceangebote und persönlichen Beratungen insbesondere auch von jüngeren Mitgliedern immer wieder sehr gutes Feedback erhalten, ist dann doch zumindest ein Indikator dafür, dass der DHV einiges richtig macht.
Ihr Vorgänger Bernhard Kempen hat den DHV sehr konservativ positioniert. An welcher Stelle und bei welchen Positionen unterscheiden Sie sich von ihm?
In der öffentlichen Debatte ist man für meinen Geschmack heute zu schnell dabei, Menschen und Institutionen Stempel aufzudrücken oder Bekenntnisse abzufordern: rechts oder links, konservativ oder progressiv, für mich oder gegen mich. Wenn man dies bezüglich meiner Person versuchte, wäre ich darüber nicht glücklich. Gerade in einer Zeit, in der Politik an den Hochschulen wieder eine größere Rolle spielt, müssen wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das leisten, was Wissenschaftsfreiheit ja Gott sei Dank ermöglicht: Wir sollten Sachverhalte differenzierter betrachten und dabei auch unterschiedliche Sichtweisen respektieren – fair und ohne Polemik, mit der man nach meinem Eindruck heute allzu schnell bei der Hand ist. Der DHV vereinigt rund 33.500 fachlich, biografisch und von ihrer politischen Anschauung her höchst unterschiedliche Mitglieder. Diese Vielfalt bereichert den Verband. Was uns verbindet, ist das Interesse an freier Forschung und Lehre sowie guten Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus sind wir alle dem Streben nach Erkenntnis verpflichtet. Wir sind gewissermaßen immer auf dem Weg und offen für neue Positionen und Perspektiven. Nur so bleiben wir auch als Verband glaubwürdig und interessant. Davon bin ich überzeugt.
"Der DHV arbeitet institutionell mit dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit nicht zusammen und hat keinen Einfluss auf dessen Entwicklung."
Wenn der DHV, wie geschehen, das "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" als "willkommenen Mitstreiter" bezeichnet, was sagt das über das Verhältnis zwischen DHV und Netzwerk?
Die Bezeichnung halte ich für missverständlich. Sie ist meines Wissens ein einziges Mal verwendet worden und bezog sich auf das wichtige Anliegen, die Freiheit der Wissenschaft gegen Übergriffe zu verteidigen. Missverständlich deshalb, weil damit zu keinem Zeitpunkt eine pauschale Zustimmung zu sämtlichen Aktivitäten und Positionen des Netzwerks verbunden war, erst recht nicht zu problematischen Personalia. Der DHV arbeitet institutionell mit dem Netzwerk nicht zusammen und hat keinen Einfluss auf dessen Entwicklung. Das Netzwerk hat gut 700 Mitglieder, die sich aus einer gemeinsamen Problemwahrnehmung heraus zusammengefunden haben. Wir vertreten wie gesagt mehr als 33.000 Mitglieder und sprechen dabei für eine große Zahl von Kolleginnen und Kollegen, die heterogene Perspektiven und voneinander abweichende Erwartungen pflegen. Was unterschiedliche wissenschaftliche Positionen angeht, kommt es uns nicht zu, eine Schiedsrichterrolle einzunehmen.
Und wissenschaftspolitisch? Anhand welcher Kriterien sollte sich eine Berufsvertretung da positionieren?
Eine Berufsvertretung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern muss für die Freiheit von Forschung und Lehre eintreten. Das ist ihr klarer wissenschaftspolitischer Auftrag. Welche konkreten Positionen und Forderungen daraus erwachsen, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Bewertungsrundlage ist aber stets die freiheitlich demokratische Grundordnung. Das heißt beispielsweise, dass auch unliebsame, den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufen Ansichten im wissenschaftlichen Diskurs zuzulassen sind. Sollte bestimmten wissenschaftlichen Positionen oder Fachrichtungen die Daseinsberechtigung abgesprochen werden, muss der DHV die Stimme erheben. Er würde aber sein Mandat überziehen, wenn er sich beispielsweise in politischen Diskussionen dazu einmischte, welche Fachrichtungen auf Kosten anderer besonders gefördert werden sollten. Dies ergibt sich schon aus der Vielzahl von Fächern, die in unseren eigenen Reihen vertreten sind.
Wie stehen Sie zu der per Offenen Brief geäußerten Kritik des "Netzwerks Wissenschaftsfreiheit", die Postkoloniale Theorie habe "erheblichen Anteil an der Diskreditierung und Erosion fundamentaler Prinzipien der Wissenschaftlichkeit und der Wissenschaftsfreiheit"?
Ich halte diese Position für zu pauschal. Die mir bekannten postkolonialen Theorieangebote weisen eine hohe Heterogenität und Differenziertheit auf. Sie gehen auch unterschiedlich weit, was ihre implizite oder explizite Normativität betrifft. Hier besteht vor allem auf fachlich-inhaltlicher Ebene viel Diskursbedarf. Zum Teil wurde in der Kritik an dem von Ihnen erwähnten Offenen Brief ja behauptet, dass das Netzwerk die Politik dazu auffordere, postkoloniale Studien an Universitäten zu unterbinden. Tatsächlich heißt es aber in dem Schreiben: "Wir wenden uns selbstverständlich nicht dagegen, dass postkoloniales und anderes postmodernes Gedankengut an unseren Universitäten vertreten wird. Es muss aber jederzeit kritisch diskutiert werden können." Da halte ich es schon für wichtig, bei aller Erregung, korrekt zu bleiben. Ich persönlich mag den polemischen Stil auf beiden Seiten nicht und glaube auch nicht, dass wir uns als Wissenschaft mit Blick auf die interessierte Öffentlichkeit damit einen Gefallen tun. Das Thema ist wichtig. In der Sache sollte daher gerne auch hart diskutiert werden. Dabei sollten die Beteiligten aber gelassener bleiben und nicht immer wieder unter die Gürtellinie zielen.
"Viele, die selbst eine wissenschaftliche Laufbahn durchschritten haben, werden mir zustimmen, dass es in frühen Karrierephasen riskanter ist, sich gegen den Mainstream des eigenen Fachs zu positionieren."
Besteht die eigentliche Gefahr einer mangelnden Meinungs- und Perspektivenvielfalt in der deutschen Wissenschaft nicht in der mangelnden Vielfalt in den wissenschaftlichen Führungspositionen?
Ich halte Perspektivenvielfalt in einer offenen und innovativen Wissenschaft für wesentlich und unverzichtbar. Das deutsche Wissenschaftssystem verträgt fraglos mehr biografische Heterogenität. Vielfalt darf dann aber auch unterschiedliche politische Positionen nicht ausschließen. Außerdem darf nicht aus dem Blick geraten, dass Wissenschaft vor allem einem Wahrheitsanspruch verpflichtet ist. Ihre Positionen entwickeln sich methodengeleitet und dürfen nicht leichthin auf schlichte Meinungen reduziert werden. Dies kommt mir bisweilen in der aufgeheizten Debatte um Vielfalt zu kurz. Wir müssen genauer fragen, wo mehr Vielfalt benötigt wird und was wir davon erwarten. Es gibt viele gute Gründe dafür, Chancengleichheit zu fordern und Benachteiligungen auf dem Karriereweg zu bekämpfen. Doch das allein führt nicht notwendigerweise zu besserer Erkenntnis. Im Übrigen ist es eine Stärke des DHV, dass so viele unterschiedliche Fächer vertreten sind, die mit dem Thema Vielfalt je eigene Perspektiven verbinden. Diese gilt es zusammenzubringen, um zu differenzierten Antworten zu gelangen. Darin liegt zugleich ein großer Vorzug, der Wissenschaft gegenüber Politik auszeichnet.
Wessen Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ist stärker gefährdet: die verbeamteter Professor:innen oder wissenschaftlicher Mitarbeiter:innen in frühen Karrierephasen?
Es gibt nur eine Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit für alle, unabhängig vom Beschäftigungsstatus. Aber viele, die selbst eine wissenschaftliche Laufbahn durchschritten haben, werden mir zustimmen, dass es in frühen Karrierephasen riskanter ist, sich gegen den Mainstream des eigenen Fachs zu positionieren. Grundsätzlich sollten die Organisationsstrukturen in der Wissenschaft für alle so sein, dass die Bereitschaft, Überkommenes infrage zu stellen und innovative Pfade zu beschreiten, unterstützt und geschützt wird, ohne die Verantwortung für Qualitätssicherung zu vernachlässigen. Das heißt etwa auch, Professorinnen und Professoren müssen ebenso selbstverständlich mit dem begründeten Widerspruch von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leben wie umgekehrt.
Wie soll das gehen angesichts des Machtgefälles, das vielerorts immer noch herrscht?
Ich bin optimistisch, dass sich Varianten der alten Idee einer so gearteten Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden in einem transparenten, offenen Wissenschaftsbetrieb auch heute realisieren lassen.
Inwiefern braucht es für eine Steigerung der Exzellenz und für eine größere Perspektivenvielfalt in der deutschen Wissenschaft auch mehr Vielfalt und Diversität unter den Professor:innen, und wie wollen Sie sich als DHV konkret für Veränderungen einsetzen?
Der DHV setzt sich in vielerlei Hinsicht für ein offenes und faires Wissenschaftssystem in Deutschland ein. Dieser Einsatz betrifft die grenzüberschreitende Offenheit für Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Nationalität, Sprache, Religion oder sozialem Status. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Bestenauslese können zusätzliche Perspektiven die Ergebnisse von Wissenschaft bereichern. Ansatzpunkte, in diese Richtung zu wirken, ergeben sich bei jeder Beteiligung an Hochschulgesetzesnovellen, bei der Auditierung von Hochschulen für transparente und faire Berufungsverhandlungen oder auch mit Blick auf viele Serviceangebote, gerade für neue Mitglieder.
"Als wenig redlich empfinde ich es, wenn der Eindruck erweckt wird, als wäre es an der Tagesordnung, dass der DHV gegen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler namentlich Stellung bezieht."
Könnten hier auch die Gender Studies willkommene Mitstreiter des DHV sein? Welche Bedeutung haben diese grundsätzlich an deutschen Universitäten?
Jede Disziplin, die mit wissenschaftlichen Methoden nach rationaler Erkenntnis sucht und dafür Wissenschaftsfreiheit einfordert, ist eine willkommene Mitstreiterin des DHV. Ich sehe keinerlei Grund, warum dies für Gender Studies nicht gelten sollte, sofern sie, wie jedes andere Fach auch, danach trachten, methodengeleitet einen Teilausschnitt der Welt besser zu verstehen. Worauf es hier für Universitäten ankommt, hat beispielsweise der Wissenschaftsrat in seiner jüngsten Bestandaufnahme zur Geschlechterforschung hervorgehoben.
War es klug, dass der DHV in einer Debatte über die Wissenschaftsfreiheit eine einzelne kritische Wissenschaftlerin per Tweet namentlich angegangen ist?
Ich persönlich mag den rauen oder teils sogar sehr derben Stil, der in Debatten auf Plattformen wie "X" zuweilen vorherrscht, nicht. Das kam ja schon raus. Ihre Frage, ob es im konkreten Fall, den ich natürlich kenne, klug war, eine einzelne Wissenschaftlerin per Tweet namentlich zu nennen, lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Am besten macht sich jeder selbst ein Bild. Ich weiß, dass der Fall in einem Blog-Beitrag harsch kritisiert wurde. Als wenig redlich empfinde ich es allerdings, wenn der Eindruck erweckt wird, als wäre es an der Tagesordnung, dass der DHV gegen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler namentlich Stellung bezieht. Richtig ist, dass ein großer Berufsverband sicherlich mehr aushalten kann und muss als eine Einzelperson, selbst wenn diese gelegentlich im Verbund mit meinungsstarken Netzwerken und Akteuren agiert. Die konkrete Namensnennung erfolgte im Tweet zu einem FAZ-Artikel. In diesem wird die Wissenschaftlerin zwar nicht namentlich erwähnt, jedoch unter offensichtlicher Bezugnahme auf zuvor öffentlich im Blog getätigte Äußerungen kritisiert. Dass die Weiterleitung des Artikels und der Tweet die Gemüter derart erhitzen, hat mich überrascht. Aber natürlich nehme ich den Unmut zur Kenntnis.
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Aus der Einleitung: Die Ereignisse rund um die deutlich verspätete Einführung der LKW-Maut in Deutschland und die deutlich gewordenen Schwächen des mit dem Betreiberkonsortium TollCollect geschlossenen Vertrages haben das Thema 'Public Private Partnerships (Öffentlich-Private Partnerschaften)' in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Insbesondere stellte sich hier konkret die Frage, ob das allgemein vertretene Postulat 'die Privatwirtschaft sei auf jeden Fall leistungsfähiger und kostengünstiger als der Öffentliche Dienst' noch bestehen bleiben kann und wie gut sich der öffentliche Partner einer PPP über vertragliche Regelungen gegen vom privaten Partner verursachte Misserfolge schützen und seine gerechtfertigten finanziellen Ansprüche verfolgen kann. Während das plakative Thema 'Maut-Chaos' über viele Monate den deutschen Blätterwald beherrschte, blieb in der deutschen Öffentlichkeit relativ unbeobachtet, dass zunächst auf Seiten einzelner Bundesländer (z.B. Nordrhein-Westfalen ab Oktober 2001) und dann auch auf der Seite der Bundesverwaltung (ab November 2004) sog. Task Forces PPP gegründet wurden, die die Nutzung des Instrumentes Öffentlich-Private Partnerschaften im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung verstärkt vorantreiben sollen. In Nordrhein-Westfalen waren es die Kommunen als hauptsächliche Träger von Investitionen in die öffentlicher Infrastruktur, die mit Unterstützung der Landesregierung erste Pilotprojekte durchführten. Das Konstrukt PPP als dritter Weg zwischen konventioneller Selbsterstellung durch den öffentlichen Dienst und Privatisierung vormals öffentlicher Dienstleistungen ist allerdings keine deutsche Erfindung. In Europa auf diesem Gebiet seit langem führend ist Großbritannien, wo die damalige konservative Regierung bereits 1992 die sog. Private Finance Initiative (PFI) als Möglichkeit, öffentliche Aufgaben durch private Partner planen, bauen, (vor)-finanzieren und betreiben zu lassen, entwickelte. Allerdings machte erst die seit 1997 amtierende Labour-Regierung verstärkt von dem neuen Instrument Gebrauch. Die beiden Regionen Nordrhein-Westfalen und Schottland wurden ausgewählt, weil erstere zu den deutschen Bundesländern gehört, die das Thema PPP in Deutschland offensiv vorantreiben, und zweitere, weil das Instrument dort bereits seit etwa einem Jahrzehnt angewendet wird und dementsprechend viele – sowohl positive als auch negative – Erfahrungen vorliegen. Ganz aktuell haben die Regierungen beider Regionen Ende Januar 2005 einen Aktionsplan über eine intensivierte Zusammenarbeit unterschrieben, die im Themenfeld 'Verwaltungsmodernisierung' auch die Nutzung des 'großen Erfahrungsvorsprungs Schottlands bei PPP-Modellen' berücksichtigen soll. Ziel dieser Arbeit ist es, im komparativen Vergleich zwischen den beiden Europäischen Regionen Nordrhein-Westfalen und Schottland darzustellen, welche Argumente aus politisch-rechtlicher aber insbesondere auch aus finanzpolitischer Sicht dafür bzw. dagegen sprechen könnten, das Instrument PPP/PFI verstärkt zur Lösung der finanziellen Probleme Europäischer Regionen heranzuziehen. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Regierungen der Europäischen Regionen unter Einwirkung verschiedener politischer Einflüsse (Stichwort: Mehrebenensystem des Regierens in Europa) agieren müssen und ihre Haushalte daher auch aus verschiedenen Quellen finanziert werden. Weiterhin soll die Arbeit darstellen, ob es – sofern man sich dafür entscheidet – unter den verschiedenen Varianten von PPP/PFI eine aus Sicht der finanziellen Belastung der öffentlichen Haushalte günstigere Variante gibt, weil sie die sich aus einer PPP möglicherweise ergebenden Gewinne nicht auf private Anteilseigner aufteilt, sondern diese wieder in den Haushalt des öffentlichen Partners reinvestiert (sog. Non-Profit Distributing Organisation / NPDO). Die Masterarbeit definiert zunächst den Begriff PPP und dessen häufigste Variante PFI. Nach einer Beschreibung der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Besonderheiten der beiden Regionen und einer Darstellung der Beziehungen zwischen EU-Ebene und regionaler Ebene, geht sie auf den Vergleich der Implementierung des Instrumentes PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen und Schottland ein. Dabei werden die Argumente der jeweiligen Protagonisten (Regierungen, Parlamente, Parteien, Gewerkschaften, Beratungsunternehmen, Rechnungshöfe) ausgewertet. Aus den gemachten Erfahrungen in beiden Regionen wird eine Aussage abgeleitet, ob und wenn ja, in welchen Fällen, PPP/PFI die Haushaltsprobleme Europäischer Regionen lösen können und welche Variante von PPP/PFI die für den Steuerzahler günstigste sein kann. Im Einzelnen wird in Kapitel 1 definiert, was unter den Begriffen PPP und PFI zu verstehen ist und welche weiteren Varianten von PPP existieren, die jedoch im Rahmen dieser Masterarbeit nicht näher behandelt werden. Kapitel 2 beinhaltet eine verfassungsrechtliche Darstellung der beiden Europäischen Regionen und die Auswirkungen, die sich hieraus für die jeweilige Haushaltssituation ergeben. Der Begriff 'Region' wird dabei sowohl für Schottland als auch Nordrhein-Westfalen – ungeachtet der staatsrechtlichen Stellung eines deutschen Bundeslandes – verwendet und ist im Sinne des statistischen Begriffes der NUTS1-Region zu verstehen. In diesem Zusammenhang wird auch verdeutlicht, wie groß die jeweilige Einflussnahme durch den Zentralstaat (in Schottland) bzw. den Bundesstaat (in Nordrhein-Westfalen) ist. In Kapitel 3 wird dargestellt, welche Bedeutung die Regionen in Europa in Bezug auf die EU-Ebene haben, welchen Einfluss sie über den Ausschuss der Regionen nehmen können und wie sie über Struktur- und Regionalbeihilfen unter Umgehung der nationalen Ebene durch die EU (teil)-finanziert werden. Auch der Zusammenhang zwischen EU-Politiken und PPP wird hier erklärt. In Kapitel 4 werden die politisch-institutionellen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für PPP/PFI in beiden Regionen und deren Auswirkungen auf dieses Modell beschrieben. Der britische Public Sector Comparator (PSC) als dort allgemein verwendeter Wirtschaftlichkeitsmaßstab wird kurz erläutert. Kapitel 5 gibt einen kurzen historischen Überblick über die Strategie der Einführung und Umsetzung von PPP/PFI in beiden Regionen, während in Kapitel 6 die realisierten und geplanten PPP/PFI auf regionaler und kommunaler Ebene dargestellt werden und ihre quantitative Bedeutung für die jeweiligen – insbesondere kommunalen – Haushalte herausgearbeitet wird. Die umfangreiche Diskussion der Vor- und Nachteile von PPP/PFI durch die jeweiligen Protagonisten wird in Kapitel 7 behandelt. Naturgemäß ist hier der Anteil, den die Diskussion in Schottland einnimmt bzw. eingenommen hat, aufgrund des deutlich längeren Erfahrungshorizontes, größer. Kapitel 8 würdigt schließlich die Geeignetheit von PPP/PFI zur Lösung der Finanzprobleme Europäischer Regionen kritisch und zieht Schlussfolgerungen, ob dieses Instrument zur Lösung der Finanzprobleme europäischer Regionen angewendet werden sollte.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 0.Einführung1 1.Was verbirgt sich hinter den Begriffen Public Private Partnership (PPP) und Private Finance Initiative (PFI)?3 1.1Definition der Begrifflichkeiten3 1.1.1Public Private Partnership (PPP)3 1.1.2Private Finance Initiative (PFI)4 1.1.3Non-Profit Distributing Organisation (NPDO)4 1.1.4Weitere PPP-Varianten6 1.2Welche Ziele werden mit PPP/PFI angestrebt?7 2.Verfassungsrechtliche Stellung der Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen8 2.1Verfassungsrechtliche Stellung und Finanzsituation Schottlands und seiner Kommunen8 2.2Verfassungsrechtliche Stellung und Finanzsituation Nordrhein-Westfalens und seiner Kommunen12 2.3Vergleich von verfassungsrechtlicher Stellung und finanzpolitischer Strukturen in Schottland und Nordrhein-Westfalen einschließlich der jeweiligen Kommunen16 3.Bedeutung der Regionen in Europa im Hinblick auf die EU-Ebene18 3.1Einflussnahme verschiedener Politikebenen auf die Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen18 3.1.1Einflussnahme von EU und britischer Zentralregierung auf Schottland18 3.1.2Einflussnahme von EU und deutscher Bundesregierung auf Nordrhein-Westfalen19 3.2Einflussnahme Schottlands und Nordrhein-Westfalens auf die jeweilige Europapolitik ihrer Staaten20 3.2.1Mitwirkungsmöglichkeiten Schottlands bei der britischen Europapolitik20 3.2.2Mitwirkungsmöglichkeiten Nordrhein-Westfalens bei der deutschen Europapolitik21 3.2.3Mitwirkung Schottlands und Nordrhein-Westfalens im Ausschuss der Regionen (AdR) und bei der Konferenz der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen (RegLeg)22 3.3Einflussnahme der verschiedenen Politikebenen auf Finanzierungsmodelle wie PPP/PFI23 4.Politisch-Institutionelle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen für PPP/PFI24 4.1Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Schottland24 4.2Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen25 4.3Vergleich der politisch-institutionellen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen in Schottland und Nordrhein-Westfalen26 5.Einführung und Umsetzung von PPP/PFI in Schottland und Nordrhein-Westfalen27 5.1PPP/PFI in Schottland27 5.2PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen29 5.3Vergleich der Einführungs- und Umsetzungsszenarien in Schottland und Nordrhein-Westfalen31 6.Umfang realisierter und geplanter PPP/PFI auf der jeweiligen regionalen und kommunalen Ebene32 6.1Finanzielle Bedeutung von PPP/PFI für die regionalen und kommunalen Haushalte in Schottland32 6.2Finanzielle Bedeutung von PPP/PFI für die regionalen und kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen34 6.3Einfluss von PPP/PFI auf die Haushalte in Schottland und Nordrhein-Westfalen36 7.Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI in Schottland und Nordrhein-Westfalen37 7.1Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI aus jeweiliger Regierungssicht37 7.2Haltungen der Parteien in Schottland und Nordrhein-Westfalen zu PPP/PFI39 7.3Behandlung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI in den jeweiligen Parlamenten und deren Ausschüssen42 7.4Bewertung der Vor- und Nachteile von PPP/PFI aus Sicht der jeweiligen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes44 7.5Einschätzung von Vor- und Nachteilen von PPP/PFI durch Beratungsunternehmen, Banken und Unternehmerverbände47 7.6Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von PPP/PFI durch die jeweiligen Rechnungshöfe50 7.7Erfahrungen mit PFI-Projekten in Schottland54 8.Geeignetheit der Instrumente PPP bzw. PFI, um die Finanzprobleme der Europäischen Regionen Schottland und Nordrhein-Westfalen zu lösen57Textprobe:Textprobe: Kapitel 4, Politisch-Institutionelle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen für PPP/PFI: Sowohl die Mitgliedstaaten als auch ihre Regionen müssen europäisches Recht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwingend beachten. Die Europäische Kommission hat im Bereich des öffentlichen Vergaberechts bereits auf die Verbreitung von PPP reagiert; sie hat hierzu ein innovatives Vergabeverfahren eingeführt, das eigens auf die Vergabe 'besonders komplexer Aufträge' und somit auf bestimmte Formen von PPP zugeschnitten ist. Dieses neue Verfahren, das als 'wettbewerblicher Dialog' bezeichnet wird, ermöglicht den öffentlichen Stellen, mit den Bewerberunternehmen Gespräche zu führen, um die am besten geeigneten Lösungen zu ermitteln. Zuvor war häufig das Verhandlungsverfahren nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 93/37/EWG gewählt worden. Dieses ist jedoch nur ausnahmsweise zulässig und nicht für Fälle gedacht, in denen solche Unwägbarkeiten auftreten wie etwa Probleme mit der vorherigen Preisfestlegung aufgrund der Tatsache, dass die rechtliche und finanztechnische Konstruktion sehr komplex ist. Das neu eingeführte Verfahren des wettbewerblichen Dialogs nach Richtlinie 2004/18/EG wird dann eingeschlagen, wenn der öffentliche Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die für seinen Auftrag und seine Ziele geeigneten technischen Mittel zu bestimmen, oder wenn er objektiv nicht in der Lage ist, ein Projekt rechtlich und/oder finanztechnisch zu konzipieren. Das Verfahren gewährleistet, dass die Erörterung sämtlicher Auftragsaspekte mit den Bewerbern im Verlauf der Definitionsphase ausreichend flexibel verlaufen kann. Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Schottland: Der Schwerpunkt der schottischen Regionalregierung liegt ebenso wie der der britischen Regierung in der Förderung des Öffentlichen Dienstes. Dabei übernahm sie den gleichen pragmatischen Kurs bei der Nutzung privater Finanzierung. Den Empfehlungen des Finanzausschusses des schottischen Parlaments folgend, mussten alle PPP-Verträge in Schottland Garantien von den privatwirtschaftlichen Betreibern verlangen, dass die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der versetzten öffentlichen Angestellten nicht nachteilig beeinflusst würden. Grenzüberschreitende Rangeleien zwischen der Regierung in Edinburgh und der in London blieben selten, so dass Kritiker behaupteten, die Regionalregierung habe die Tradition des Schottland-Ministeriums, Politik-Initiativen der britischen Regierung für den schottischen Bedarf zu 'tartanisieren', weitergeführt. Während diverse Gremien und Verfahren wie zum Beispiel der Gemeinsame Ministerielle Ausschuss oder die Vereinbarung von Konkordaten zu verschiedenen Themen das enge Arbeitsverhältnis zwischen britischer Regierung und schottischer Regionalregierung erleichtern, bleibt unklar, wie Finanzstreitigkeiten gelöst würden, insbesondere bei dem in hohem Maße zentralisierten System der Überwachung öffentlicher Ausgaben und der eingeschränkten eigenen Einnahmen Schottlands. Devolution kann zwar als ein Schritt in Richtung einer föderalen Verfassung gesehen werden, aber das britische Parlament behält die höchste Staatsgewalt und somit die Zuständigkeit für die gesamtwirtschaftliche Steuerung, einschließlich Wechselkurspolitik, Geldpolitik und Finanzpolitik. Für einen unitarischen Staat typisch, wird kein Versuch unternommen, öffentliche Einnahmen und Ausgaben je Region auszugleichen: Einige Regionen tragen weniger zu den Einnahmen pro Kopf bei als andere und einige erhalten nach Maßgabe des Bedarfs Zuweisungen in größerer Höhe. Trotz Devolution gibt es, solange das Vereinigte Königreich ein Einheitsstaat bleibt, keinen Anlass die schottischen Ausgaben auf die Mittel zu beschränken, die aus Einnahmen in Schottland erzielt werden können, oder sie auf einen strikten Einwohneranteil zu stützen. Um die Wirtschaftlichkeit eines PPP/PFI-Projektes gegenüber einer konventionellen Beschaffungsvariante zu rechtfertigen, wurde in Großbritannien ein Public Sector Comparator (PSC) als fiktiver Vergleichsmaßstab entwickelt. Er bildet alle Kosten, Erlöse und Risiken der besten machbaren und finanzierbaren Projektlösung bei Erstellung durch die öffentliche Hand als Barwert ab. Dabei werden alle Kosten des Projekts (z.B. Projektentwicklung, Planung, Errichtung), die Betriebs- und Unterhaltungskosten (inkl. Abschreibungen) und die Finanzierungskosten sowie die 'übertragbaren' (z.B. Baukostenrisiko) und 'nicht übertragbaren' (z.B. Gesetzesänderungsrisiko) Risiken erfasst. Für jedes Risiko werden Kosten und Eintrittswahrscheinlichkeit gebildet; aus diesen ergibt sich ein Erwartungswert. Schließlich wird ein Barwert berechnet, indem Kosten und Risiken als Zahlungsströme über die gesamte Laufzeit des Projekts ermittelt und diskontiert werden. Abschließend wird dem berechneten PSC der Barwert der Kosten der PPP-Variante (periodische Leistungsentgelte und zurückbehaltene Risiken) gegenübergestellt. Rahmenbedingungen der Einführung von PPP/PFI in Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen bestand nicht die Notwendigkeit wie in Schottland, die gleiche PPP-Politik wie die Bundes- bzw. die Zentralregierung zu verfolgen. Aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland war auch nicht der Bund die treibende Kraft bei der Einführung von PPP/PFI, sondern der Anstoß hierzu kam aus Nordrhein-Westfalen. Gleichwohl ist es natürlich schon rein aus Gründen der Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit erforderlich, in Deutschland einheitliche Maßstäbe z.B. bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von PPP/PFI einzuführen. Dieser Aufgabe hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahre 2003 angenommen und bis zum September des Jahres einen entsprechenden Praxis-Leitfaden PPP erstellen lassen. Insofern wurde auch in Deutschland eine Kongruenz der PPP/PFI-Politiken von regionaler und zentral-/bundesstaatlicher Ebene verfolgt, nur eben nicht top-down wie in Großbritannien, sondern der föderalen Grundordnung entsprechend bottom-up. Zwar soll der Länderfinanzausgleich gleichartige Lebensverhältnisse in allen Ländern herstellen; gleichwohl bestehen deutliche Wohlstandsgefälle zwischen 'reicheren' und 'ärmeren' Bundesländern. Jedes Bundesland steht demzufolge in der Verantwortung, selbst Strategien zu entwickeln, um seine Verwaltungstätigkeit kostenoptimal zu entwickeln. Insofern besteht im föderalen System Bundesrepublik Deutschland ein deutlich größerer Anreiz als z.B. im unitarischen System Großbritannien, in dem die regionalen Budgets nach Bedarf zugewiesen werden, aus eigenem Antrieb heraus Alternativen zur bisherigen Eigenerstellung öffentlicher Aufgaben zu untersuchen und zu erproben. Zwingend erforderlich für die Anwendung alternativer Modelle wie PPP/PFI ist es aber auch in Deutschland, deren größere Wirtschaftlichkeit gegenüber der konventionellen Aufgabenwahrnehmung nachzuweisen. In Deutschland gibt es allerdings bislang noch keinen anerkannten, betriebswirtschaftlichen Kriterien genügenden Bewertungsmaßstab wie den – wenn auch nicht unumstrittenen – PSC. Auf Seiten der öffentlichen Hand in Deutschland bestehen insbesondere noch Schwierigkeiten, die für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich relevanten Daten zu ermitteln. Als erforderlich wurde jedoch die Entwicklung und Einführung eines einheitlichen Verfahrens zum Vergleich der Wirtschaftlichkeit angesehen. Ohne einen derartigen Bewertungsmaßstab sei ein fairer Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen traditionellen Beschaffungen der öffentlichen Hände und PPP-Modellen nicht möglich. Entscheidend für den Wirtschaftlichkeitsvergleich ist, dass sämtliche tatsächliche Kosten des Projekts über die gesamte Lebensdauer exakt untersucht und transparent dargestellt werden. Mit der Einführung eines doppischen Rechnungswesens über das 'Neue Kommunale Finanzmanagement' soll in Nordrhein-Westfalen die Kameralistik auf kommunaler Ebene abgeschafft und eine erhebliche Verbesserung der vorhandenen Datenbasis erreicht werden. Die ausschließliche Orientierung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs an den Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand führe aber zu falschen Ergebnissen, wenn der Private Projektrisiken übernehme, da die öffentliche Kreditaufnahme ohne jede Verbindung zu Projektrisiken erfolge und daher nominell günstiger sein müsse als die private Refinanzierung. Die auch bei traditioneller Realisierung vorhandenen und bislang nicht transparenten Projektrisiken müssten im Rahmen von PPP-Projekten daher gesehen werden.