Das Verhältnis von Islam und Demokratie in der Türkei zwischen Islamisierung der Politik und Politisierung des Islam
In: KAS international reports, Heft 12, S. 66-90
"Die Annahme, der Islam sei mit der Demokratie unvereinbar, gilt mit Blick auf die Türkei sicher nicht. Im Gegenteil - beide sind eng miteinander verbunden, es darf gar von einer Islamisierung der Politik bzw. einer Politisierung des Islam gesprochen werden. Gesteuert wird das Verhältnis von Islam und Demokratie in der Türkei durch den Laizismus, der Trennung von religiösem und weltlichem Bereich, deren historische Wurzeln in der Doppelfunktion des osmanischen Herrschers als Sultan und Kalif liegen. Doch hat die Radikalität mancher laizistischer Reformen in der Frühzeit der von Mustafa Kemal gegründeten Republik, die eine Reislamisierung des Landes zu verhindern suchte, auch das Gefühl einer Marginalisierung des Religiösen hervorgerufen: Islamistische Bewegungen mussten kommen, aber auch eine Debatte über den Laizismus, deren Themen aktuell vor allem die Predigerschulen, das Pflichtschulfach Religion und die Kopftuchfrage für Studentinnen sind. Heutige Heimat des politischen Islam in der Türkei ist nach dem Verbot der von Necmittin Erbakan geführten Wohlfahrtspartei die AK Partei - eine islamistisch geprägte Kraft, die inzwischen zwar für diverse Wählerschichten attraktiv ist, die aber, zumal nach der Wahl Abdullah Güls zum Staatspräsidenten, noch zu zeigen hat, ob ihr Religionsbegriff tatsächlich, wie behauptet, individuellen Charakter hat oder nicht doch das Modell für eine zu schaffende islamische Gesellschaft ist." (Autorenreferat)