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Seit 1993 führt eine Gruppe Berliner und Moskauer Wissenschaftler, der die Autoren angehören, eine regionale Feldstudie "Institutionelle Transformation, Formierung von intermediären Organisationen und Akteurwandel" im Gebiet Saratov in Rußland durch. Dabei wurde eine Reihe von Phänomenen deutlich, die sich gängigen Deutungsmustern der klassischen Transformationsforschung widersetzen. In der andauernden und komplexen Umbruchsituation und tiefen wirtschaftlichen Krise Rußlands läßt sich eine bemerkenswerte Stabilität beobachten. Obwohl die offiziellen Institutionen des sowjetischen Staatssozialismus beseitigt und die formell neue eingeführten marktwirtschaftlichen und demokratischen Institutionen, d.h. "von oben" autoritativ gesetzte staatliche Regelwerke, offenkundig schwach oder wirkungslos sind, gelingt es wesentlichen sozialen Akteuren, ihre Interessen abzustimmen und soziale Gleichgewichte zu reproduzieren. An die Stelle des Staatssozialismus ist kein wohlgeordneter Rechtsstaat, aber auch kein Chaos, sondern eine vielfältig "regulierte Anarchie" getreten. Um diese Phänomene zu erklären und einer theoretisch geleiteten empirischen Analyse zugänglich zu machen, scheint es den Autoren produktiv, den Fokus der Untersuchungsstrategien vom Implementationsansatz der Transformationsforschung weg und zu einem Regimeansatz hin zu bewegen. Statt auf die Einführung politischer Institutionen durch eine relativ autonom wirkende "autoritative" Staatsmacht wird der Analyseschwerpunkt auf die Herausbildung von Koordinations- und Regelformen durch eigenständige und zugleich interdependente staatliche und nichtstaatliche Akteure gelegt. Um diese These zu begründen, werden zunächst einige methodische Fragen beider Ansätze näher betrachtet. Auf der Basis von Feldforschung werden dann im weiteren exemplarisch ausgewählte regionale Regime des späten Staatssozialismus sowie der Postperestroika im Gebiet Saratov dargestellt. (ICE)

"Im Transformationsprozeß ehemaliger sozialistischer Gesellschaften kommt es zur Aufwertung der Rolle von Managern und Unternehmern, deren Interessen nunmehr staatliche Protektion genießen. Ausgehend von dieser Beboachtung werden Entstehung und Funktionsgewinnung von Interessenverbänden der Wirtschaft in mehreren Staaten untersucht. Beim Vergleich der Startbedingungen und des gegenüber Regierung und Gewerkschaften erlangten Status zeigt sich unter anderem, daß russische Unternehmerverbände, die sich aus etablierten Netzwerken entwickelt haben, häufig Aufgaben der staatlichen Wirtschaftskoordination übernehmen. Ihr politischer Einfluß ist jedoch aufgrund der Schwäche des Regierungssystems beschränkt. In Polen, Ungarn und Tschechien wurden Unternehmerverbände vom Staat an tripartistischen Verhandlungen beteiligt, leiden aber unter niedrigem Organisationsgrad und interorganisatorischer Konkurrenz. Demgegenüber verfügen die in Ostdeutschland aufgebauten Regionalverbände über ein unangefochtenes Vertretungsmandat, erlitten jedoch als Folge ihrer Orientierung an westdeutschen Interessen spürbare Repräsentativitäts- und Reputationsverluste. Offensichtlich entzieht sich das strukturelle Privileg von Wirtschaftsinteressen im Transformationsprozeß der einfachen verbandspolitischen Ausbeutung." (Autorenreferat)

Intro -- Inhalt -- Abbildungsverzeichnis -- Abkürzungsverzeichnis -- Verzeichnis der Transkriptionen -- Vorwort -- 1 Einleitung -- 1.1 Von der Kriegswirtschaft zum Netzwerkkapitalismus -- 1.2 Netzwerkkapitalismus -- 1.3 Restrukturierung und Modernisierung -- 1.4 Zentrale Fragestellung und These: Institutionen und Netzwerke -- 1.5 Forschungs- und Literaturstand -- 1.6 Methode und Aufbau der Arbeit -- 2 Theoretische Grundlagen -- 2.1 Netzwerktheorien und Transformationsforschung -- 2.2 Institutionentheorie: Institutionen, Akteure und Interaktionsformen -- 2.2.1 Institutionentheoretische Überlegungen -- 2.2.2 Der akteurszentrierte Institutionalismus -- 2.3 Der akteurszentrierte Netzwerkansatz und der konzeptionelle Aufbau der Untersuchung -- 3 Ausgangssituation: Schwache Kohäsion der Wertschöpfungs- und Innovationsprozesse (Phase I: 1980-1990/91) -- 3.1 Institutionelle Rahmenbedingungen auf zentralstaatlicher Ebene: Möglichkeiten und Grenzen einer zweckorientierten Steuerung in der zentralen Verwaltungswirtschaft -- 3.1.1 Top-down-Interaktionsprozesse und ihre Integrationsmechanismen -- 3.1.2 Bottom-up-Interaktionsprozesse -- 3.1.3 Neue Handlungsspielräume durch die Einführung der Glasnost- und Perestroikamaßnahmen -- 3.2 Institutionelle Rahmenbedingungen auf regionaler Ebene: Schwache Verankerung des Unternehmens im regionalen "Mestnitschesvo-Regime" -- 3.3 Unternehmensebene - Akteure, Interaktionsformen und Strategien: Fragmentierungsdynamiken und Kommerzialisierungsstrategien vertikaler Netzwerke -- 3.3.1 Ausrichtung an politischen Visionen im Rüstungswettkampf -- 3.3.2 Fragmentierungsdynamiken im formellen Interaktionssystem -- 3.3.2.1 Innerbetriebliche Fragmentierungsdynamiken - Begünstigung einer Sparten- und Funktionsorientierung -- 3.3.2.2 Außerbetriebliche Fragmentierungsdynamiken und das Kontrollsystem "Voenpred".

Kraus, P. A.: Assoziationen und Interessenrepräsentation in neuen Demokratien. - S. 23-44. (...). Schubert, G. ; Thompson, M.: Verbände im Systemwechselprozeß der Länder Taiwan, Südkorea und Philippinen. Ein Vergleich. - S. 245-278. Heilmann, S.: Verbände und Interessenvermittlung in der VR China. - S. 279-328