Migration and cosmopolitanism are said to be complementary. Cosmopolitanism means to be a citizen of the world, and migration, without impediments, should be the natural starting point for a cosmopolitan view. However, the intensification of migration, through an increasing number of refugees and economic migrants, has generated anti-cosmopolitan stances. Using the concept of cosmopolitanism as it emerges from migrant protests like Sans Papiers, No One Is Illegal, and No Borders, an interdisciplinary group of scholars addresses this discrepancy and explores how migrant protest movements elicit a new form of radical cosmopolitanism.The combination of basic theoretical concepts and detailed empirical analysis in this book will advance the theoretical debate on the inherent cosmopolitan aspects of migrant activism. As such, it will be a valuable contribution to students, researchers and scholars of political science, sociology and philosophy.
Thomas Elsaesser publiziert seit den1990er Jahren rege zu zahlreichen filmhistorischen und -theoretischen Themen und hat, gemeinsam mit Malte Hagener, eine der bis dato besten Einführung in die Filmtheorie (Filmtheorie zur Einführung, 2009) verfasst. Seit der Jahrtausendwende beschäftigt sich Elsaesser überdies mit dem sich National- und Studiogrenzen entziehenden 'Europäischen Kino'. Dazu erschien 2004 mit European Cinema. Face to Face with Hollywood eine Monographie, in welcher er das 'Filmfestival-Netzwerk' als zentralen Akteur im Bereich des europäischen Kinos identifiziert und vorschlägt, den europäisch konnotierten Autor_innenfilm zu 'globalisieren' ("the global auteur"). Die jüngste Veröffentlichung European Cinema and Continental Philosophy. Film as Thought Experiment verschränkt nun zwei der Fragestellungen, welche in den oben genannten Publikationen bereits angeschnitten wurden: Den kritischen Versuch Film philosophisch zu betrachten (in der Filmtheorie im Kapitel 'Geist und Gehirn' verhandelt), verbunden mit der Frage, was das europäische Kino womöglich – trotz oder wegen dessen Marginalisierung und Disparität – ausmacht. Dabei geht Elsaesser von drei Grundannahmen aus: Erstens hat die gegenwärtige kontinentale Philosophie, insbesondere dann, wenn sie auf die Aufklärung Bezug nimmt, etwas über Film zu sagen. Zweitens sollte der Identitätsverlust und die Marginalisierung des europäischen Kinos als Chance für eine – drittens – Neubetrachtung des Films gesehen werden. Dazu führt er sein erstes leitendes Konzept ein, das Gedankenexperiment ("thought experiment"). Filmische Gedankenexperimente sind demnach Filme, die selbstreflexiv Regelbrüche (stilistisch, formal etc.) praktizieren, narrative 'What if?'-Situationen herstellen und somit philosophische Prinzipien auf ihre Validität prüfen. Gedankenexperimente rütteln an den Grundfesten des Denkens und adressieren das Publikum auf neue Art, insbesondere darin, dass sie Film vom Zwang repräsentativ zu sein (hinsichtlich Identität, Realität) befreien. Sie können somit als politische Ethik verstanden werden, im Sinne einer Begegnung mit 'einem Anderen'. In den weiterführenden Kapiteln (2 und 3) geht Elsaesser näher auf die Wechselbeziehung von Film und Philosophie ein. Dabei fokussiert er sich auf die kontinentale Philosophie, überwiegend auf die französische. Neben Alain Badiou, Jacques Rancière, Jean-Luc Nancy und Gilles Deleuze wird außerdem Slavoj Žižek wiederholt referenziert. Bei der Lektüre dieser Kapitel stellt sich der Eindruck von Ruhelosigkeit ein, hervorgerufen einerseits durch die verknappten Anrisse komplexer Themen und großer Fragen ("A new ontology of film", S. 26-31," "The wider horizon: what is cinema good for? S. 31; "Cinema – humanism's last hope or the true face of technological determinism?", S. 32), andererseits durch die Zitationsweise des Autors: Denn oft wird nicht mit Primärquellen belegt, sondern mit Artikeln diverser Fachmagazine und einmal muss gar ein Wikipedia-Eintrag zur Begriffsdefinition herhalten ("Ontology", S. 28). Das könnte man als willkommenen Regelbruch verstehen, doch vielmehr gewinnt man den Eindruck, an repräsentativen Theorie-Gebäuden vorbei zu joggen, anstatt sie zu besichtigen. Dass sowohl die Aufklärung als auch Europa bereits Gedankenexperimente sind, beschäftigt Elsaesser im 4. Kapitel "'Europe' A Thought Experiment". Ausgehend vom derzeitigen Krisenzustand Europas/des Kinos plädiert er dafür, die Perspektive auf die Krise zu ändern, d.h. die Defizite als Vorteile ("assets", S.85) zu sehen. Hierzu fühlt er – mit einem treffsicheren Gespür für aktuelle Debatten – den Defiziten und Versprechen der aufklärerischen Proklamationen 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' auf den Zahn. Als Brückenschlag zwischen diesen, im Antagonismus verbundenen, ethischen und politischen Forderungen der Aufklärung, bietet Elsaesser – unter Bezugnahme auf Agamben und Lévinas – abschließend die Idee der 'einvernehmlichen Einmischung' ("mutual interference", S. 116 f.) an. Neben der 'einvernehmlichen Einmischung' und dem 'Gedankenexperiment' ist das 'Abjekt' der dritte Begriff, denn Elsaesser im Folgekapitel vorstellt: Das psychoanalytische Konzept von Julia Kristeva, welches in der Filmwissenschaft gerne im Zusammenhang mit dem Körperhorrorgenre zitiert wird – denn Kristevas 'Abjekt' (lat. abiectum: das Verworfene) wird mit den Affekten Ekel, Abscheu, Angst assoziiert – denkt Elsaesser politisch: Nämlich als handlungsmächtige Position zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Gemeinschaft und Individuum. Demnach kann das Abjekte im Film sowohl durch die Figuren und deren negative/destruktive Beziehung zu tradierten Gesellschafts- und Beziehungsformen zum Ausdruck kommen als auch durch die Adressierung und Positionierung der Zuschauer_innen, die somit zu "abject spectators" (S. 147 f.) werden. Außerdem kann der/die Filmschaffende innerhalb eines medienökologischen Systems ebenso zum 'Abjekt werden' wie ein Film (was sich oft in einer Schock-Reaktion äußert, beispielsweise bei Antichrist von Lars von Trier, dem 'Abjekt-Regisseur' schlechthin). Ein Kino des Abjekten ("cinema of abjection", S.219 f.) wird von postheroischen Narrativen getragen, von Narrativen, die anstelle des Konsens auf Dissens setzen und dabei das Verhältnis Individuum/Gesellschaft thematisieren. Im zweiten Teil des Bandes (Kapitel 7-11) arbeitet Elsaesser die vorgestellten Konzepte anhand einzelner Filme und Filmautor_innen heraus. So kann man anhand von Claire Denis Beau Travail eine Verschränkung des Nancy'schen Konzepts der (undarstellbaren) Gemeinschaft mit abjekter Körperlichkeit anschaulich nachvollziehen. Am Beispiel von Aki Kaurismäkis The Man Without A Past verbindet Elsasser seine Idee der 'einvernehmlichen Einmischung' mit einem auf Filmbilder und -gegenstände ausgeweiteten Agency-Denken. Dieses wird in dem Aufsatz zu Fatih Akin aufgegriffen und zu einer, gegen liberalen Multikulturalismus gewendeten, ethischen Handlungsmacht ("ethical agency", S.224) transformiert. Mit Lars von Triers Melancholia veranschaulicht Elsaesser nochmals die Idee des Gedankenexperiments, welches interessante Gedankensprünge von (innerfilmischen) Endzeitszenarien über das Konzept der Melancholie hin zur Digitalisierung des Kinos zulässt. Christian Petzolds Barbara bietet Gelegenheit, das Abjekte auf eine Nation – die 'Leiche' der DDR – auszudehnen und befragt damit Modi der Selbst-Exotisierung, für welche im deutschsprachigen Raum (nostalgieummäntelte) DDR-Themen paradigmatisch einstehen. Das abschließende Kapitel des Bandes ist ein Plädoyer für eine 'politique des auteurs', mithilfe derer es möglich sein sollte, die (durch Festivalpolitiken strukturierte) europäische Filmkultur von innen her zu reformieren und Film als eine Form von Philosophie zu begreifen. Dieser Appell führt zusammen, was sich als roter Faden durch das ganze Buch zieht: eine Wiederaufwertung des menschlichen Akteurs (als Filmfigur, als Regisseur_in, als Philosoph_in, Bürger_in), welcher in dem Sinne Abjekt ist, dass er/sie sich als Außenseiter_in innerhalb eines sich im Widerstreit befindlichen Systems bewegt. European Cinema and Continental Philosophy. Film as Thought Experiment ist eine Zusammenstellung bereits publizierter Aufsätze (Kapitel 1 und 7-12) und eigens für das Buch verfasster Kapitel. Diese Strategie, die Elsaesser bereits im angesprochenen European Cinema. Face to Face with Hollywood gewinnbringend anwandte, führt hier allerdings zu einer Häufung von Verweisen auf Kommendes und Zusammenfassungen von bereits Gesagtem. Das hat offensichtlich den Zweck, die in verschiedenen Kontexten verfassten Kapitel stärker aneinander zu binden, geht aber zulasten der Lesefreundlichkeit. Die argumentative Nachvollziehbarkeit der Kern-Konzepte, die Elsaesser bevorzugt mithilfe triadischer Begründungsmuster erläutert, wird durch die leichten definitorischen Abweichungen innerhalb der einzelnen Kapitel erschwert. Weshalb, fragt man sich am Ende der Lektüre, ist Film nun doch eine Art Philosophie? (S. 299) – wo doch Elsaesser anfangs das Gedankenexperiment einführte, um sich der Film-Philosophie-Debatte zu entziehen? ("It is to stake a more modest claim, or rather to explore and test a more modest proposal: not necessarily that films can think, but rather that a certain class of films may be best understood as borrowing the rhetorical strategies of a thought experiment. Whether this makes them 'philosophy' is a question I leave open, not least because I am neither a trained philosopher, nor do I intend to become a film-philosopher", S. 21). Dies verweist auch auf die grundsätzliche Problematik der drei Konzepte, die in ihrer Offenheit wie Schirmbegriffe anmuten – beispielsweise 'das Abjekte': Könnte man dieses Konzept in Elsaessers Lesart nicht auf fast jede gesellschaftskritische 'Außenseiter-Erzählung' zuschneiden? Auch bei der stark kanonisierten Auswahl der 'certain class of films' sowie der zitierten Philosoph(inn)en und beim Ruf nach postheroischen Narrativen hält man als Leserin inne: Welche heroischen Narrative hatte denn das europäische Kino bis dato zu bieten? Abschließend sei angemerkt, dass das eklektizistische 'zu viel' dem Thema European Cinema and Continental Philosophy inhärent und eine konzise Linie nicht zu erzwingen ist. Diejenigen, die sich mit europäischem Kino und dessen komplexen, interdisziplinären Verzweigungen beschäftigen möchten, werden auf kraftvolle Denkanstöße treffen – insbesondere dann, wenn man das Buch als Essayband begreift und liest.
En el presente trabajo daremos cuenta de la recepción intelectual de Louis Althusser en artículos de revista y libros editados en Argentina por trabajadores sociales sudamericanos que produjeron una apropiación singular del filosofo comunista francés, aunque el carácter colectivo que Althusser ha impreso a su labor académica e intelectual nos obliga a prestar atención a los escritos editados de sus discípulos y colaboradores. Ciertamente, la revisión de las obras e ideas de Louis Althusser en nuestro país han cobrado impulso debido a la traducción y edición de gran parte de sus escritos desde fines de los años noventa, donde se demuestra lo prolífico de su obra, la relación intensa entre el psicoanálisis y la filosofía de Marx, las revisiones y autocríticas del propio Louis Althusser o su pensamiento sobre la política. Otro factor de gran relevancia en el creciente interés por Louis Althusser se debe a la divulgación de escritos de sus discípulos en la escena filosófica y académica actual. Las obras de Etienne Balibar, Alain Badiou y Jacques Rancière que circulan principalmente en ámbitos académicos refieren en mayor o menor medida a la obra de su 'maestro', con diversas criticas a su figura -política e intelectual- adoptando distintas posiciones en torno a la experiencia político/intelectual de los años sesenta. En el campo del Trabajo Social, los trabajos del filósofo y sociólogo Saül Karsz, son debatidos en Francia y en el mundo iberoamericano a partir de la propuesta de fundar una clínica transdiciplinaria de la profesión que tiene como uno de los principales referentes a la obra del filósofo francés. La recepción intelectual de Louis Althusser se inserta en una trama de lecturas y sentidos pasible de ser comprendidas en un trabajo histórico que tenga en cuenta la figura de los intelectuales y su relación con la política. La apuesta teórica de Althusser se centraba en refundar la lectura de Marx sobre bases científicas estableciendo una distancia con la lectura historicista y humanista, signado por un pensamiento de la transición al socialismo ante las exigencias políticas del momento. Esta empresa intelectual en Francia dialoga con una serie de acontecimientos en el continente americano y en el continente asiático, en donde nuevas experiencias políticas revolucionarias estaban en curso: la Revolución Cubana y la Revolución Cultural China. Estas revoluciones desplegaron nuevas figuras de la política y organizaciones fieles a las mismas en América Latina, en las cuales la obra de Althusser aparecía como referencia, en conjunto con la difusión de su pensamiento en América Latina a través de la actividad de Marta Harnecker. La lectura de Althusser en esta coyuntura se encuentra asociada a regimenes de politización de franjas jóvenes intelectualizadas de los sectores medios, en donde se pone en cuestión la "neutralidad" de la ciencia defendida por el pensamiento tecnocrático-desarrollista, y/o un tradicionalismo positivista que pervivía en los ámbitos universitarios, e incluso un cuestionamiento al rol de los intelectuales a partir del proceso de polítización en curso en las sociedades latinoamericanas. Los sujetos que articularon en sus lecturas la obra de Althusser en estos años hicieron hincapié en el debate sobre la "ciencia" y las "técnicas", poniendo en tela de juicio su neutralidad en un escenario de conflictividad política y social. Por lo que, las ideas althusserianas fueron utilizadas para cuestionar la figura del técnico o experto, incorporándose progresivamente al circuito académico de circulación de ideas mediante su introducción en programas de estudio de las asignaturas promovida por intelectuales comprometidos. Durante este período circularon las primeras ediciones castellanas de Louis Althusser configurando un espacio de recepción en revistas político-culturales de la nueva izquierda en Argentina vinculadas en mayor o menor grado a organizaciones políticas radicalizadas. Consideramos que la circulación de la obra de Althusser se produce en los bordes de los espacios académicos a través de revistas político-culturales introduciéndose lentamente en programas y bibliografías obligatorias de cátedras vinculadas a las ciencias sociales en nuestro país a mediados de los años setenta, proceso de legitimación de saberes en los centros de producción de conocimiento en nuestro país ocluido por la dictadura militar. Abordaremos la recepción y apropiación intelectual de trabajadores sociales de sudamérica que tenían en la obra de Louis Althusser una referencia teórica central o relevante en la composición de sus textos, cuyos libros y artículos fueron publicados en la Argentina por colectivos editoriales ligados a la profesión entre los años 1969 a 1976. Existe en todos los casos una suerte de corte, ruptura u operación de negación hacia fines de la década del setenta y ochenta en el que se busca -como veremos más adelante- exorcizar del cuerpo de la obra las referencias a Louis Althusser. Nos proponemos conocer la relación entre la circulación de la obra de Althusser en los trabajadores sociales latinoamericanos con un proceso de radicalización intelectual y político, a fin de comprender la singularidad de las experiencias de lectura en campos problemáticos específicos, las articulaciones de lecturas teóricas efectuadas en esta coyuntura producen combinaciones históricamente situadas pasibles de ser comprendidas recuperando los imperativos políticos, las configuraciones ideológicas, elementos que comportan prácticas que se precisan desentrañar. ; Facultad de Trabajo Social
Mit der Frage, was "im Zentrum des Faches Theaterwissenschaft zu stehen hat" (S. 7), beschäftigt sich der Sammelband Theater als Dispositiv, der aus der gleichnamigen Fachtagung am Institut für angewandte Theaterwissenschaft (Justus-Liebig-Universität Gießen) hervorgeht und zugleich Teil eines von Gerald Siegmund geleiteten DFG-Projekts ist. Unter dieser Frage werden inhaltlich und disziplinär diverse Artikel versammelt, die in keiner Weise blindlings affirmativ zu dem Projekt stehen, sondern dieses sowohl kritisch als auch vielseitig problematisieren. Die Dringlichkeit der Klärung dieser Frage sieht Lorenz Aggermann in dem eröffnenden Beitrag "Die Ordnung der darstellenden Kunst und ihre Materialisation. Eine methodische Skizze zum Forschungsprojekt Theater als Dispositiv" (S. 7–32) im Gegenstand selbst verhaftet. Zunächst klärt dieser Beitrag, was 'nicht' im besagten Zentrum stehen könne, nämlich die von Erika Fischer-Lichte zum eigentlichen Gegenstand der Theaterwissenschaft erhobene 'Aufführung'. Sowohl die "ontologische Definition" als auch die "ästhetische Singularität" (S. 8) der Aufführung verhindere, "das Theater in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen" (S. 10). Bei der nachfolgenden Etablierung von Theater als Dispositiv wird vor allem aus der französischen Philosophie geschöpft: Gaston Bachelard, Georges Canguilhem, Michel Foucault, Gilles Deleuze, Jean-François Lyotard, Jacques Rancière, Jean-Louis Baudry und zuletzt – als nicht-französischer Vertreter – Giorgio Agamben geben die theoretische Rahmung vor (man könnte sich an dieser Stelle die Frage nach einem weißen, männlichen Dispositiv dieses Vorhabens stellen). Aggermann kommt zu dem Ergebnis, dass Theater "der paradigmatische Verhandlungsort von Dispositiven" sei, "gerade weil Theater nur als Dispositiv, als Konstellation von mannigfaltigen und heterogenen Elementen zu fassen" sei (S. 23). Dass solche Formulierungen provozieren sollen, ist angesichts der wissenschaftspolitischen Differenzen, von denen auch die Theaterwissenschaft betroffen ist, nicht apodiktisch zu bewerten. Hervorzuheben sind die umfassenden theoretischen Reflexionen des Beitrags von Aggermann, die durchdachte und notwendige Fragen an das Fach formulieren; letztere betreffen beispielsweise die Pluralität und Heterogenität von Theaterbegriffen, was eine Kritik wissenschaftlicher Monopolisierungen impliziert, sowie die institutionelle Prägung von Theaterformen und das damit jeweils einhergehende Theaterverständnis. Im zweiten Beitrag "Die Performance in ihrem Element", der als weitere methodologische Grundlegung verstanden werden kann, verbindet Dirk Baecker den 'späten Foucault', d. h. den Sorge-Begriff, mit dem Dispositiv-Konzept, denn es gehe letztendlich "ums eigene Fleisch" (S. 34). Mit Rekurs auf George Spencer-Brown, Bruno Latour und dem Verweis auf vier Performances, die "eher zufällig herausgegriffen" (S. 36) wurden, stellt Baecker eine Formel der selbstreferentiellen und differenzierenden Kommunikation im Rahmen von Performances auf. Dieser knappe und theorieaffine Artikel entspricht dem zuvor geschilderten methodologischen Ansatz der Loslösung von der Singularität der Aufführung. Jedoch scheint sich gerade hier die Herausforderung für dieses Projekt zu zeigen, nämlich in dem Verhältnis von der Abstraktion der wissenschaftlichen Reflexion zur Konkretheit der Phänomene. In dem darauffolgenden Abschnitt "Antike und moderne Konfigurationen" finden sich drei Beiträge, in denen auf unterschiedliche Weise eine historisierende Anwendbarkeit des Dispositiv-Konzepts vorgeführt wird. So versucht Andreas Hetzel mit "Theater als Dispositiv der Demokratie. Foucault liest Euripides" eine gewisse Revision der Foucault'schen Ion-Lektüre. Mit einer auf Kontinuität aufbauenden, ante-post-Argumentation, deren historisches Fundament an manchen Stellen differenzierter hätte ausfallen können, begreift der Autor Theater als eine Disziplinierungsinstanz von Publikum, Öffentlichkeit, Theaterschaffenden und AkteurInnen. Eine diachrone Anwendung des Konzepts hingegen skizziert Nikolaus Müller-Schöll mit "Das Dispositiv und das Unregierbare. Vom Anfang und Fluchtpunkt jeder Politik". Während Müller-Schöll bereits auf existierende theaterwissenschaftliche Arbeiten hinweist, die mit 'dispositiv-ähnlichen' Modellen operieren, stehen im Zentrum der Analyse die Theaterreformen um 1750 und der sog. 'performativ turn' der 1960er, die jeweils als "Ablösung eines Dispositivs durch ein anderes" (S. 75) verhandelt werden. Und zuletzt wird mit Ulrike Haß' Beitrag "Was einem Dispositiv notwendig entgeht, zum Beispiel Kleist" eine weitaus mehr auf historische Kontingenz basierende Reflexion aufgezeigt. Dabei übt die Autorin sowohl Kritik an Fischer-Lichtes Aufführungsbegriff als auch am hier verhandelten Dispositiv-Konzept, da Theater einen "Suchbegriff" (S. 93) darstelle, der sich nicht im Sinne eines Problemlösungskonzepts festmachen lässt, was anhand Heinrich von Kleists erklärt wird. Das zweite Kapitel "Anomalie und Dysfunktion der Ordnung" versammelt Beiträge, die sich zum einen mehr philosophischen Abwägungen widmen und zum anderen selbst eine gewisse 'Dysfunktion' hinsichtlich des vorliegenden Konzepts darstellen. Den Foucault'schen Vorschlag Philosophie "nicht als Denken, sondern als Theater" zu betreiben (S. 105), führt Petra Löffler in ihrem Artikel "Theorie-Szenen: Eine (Wieder-)Aufführung" weiter. Gemäß dem angedeuteten Prinzip der Umwertung der Werte wird von der Autorin vorgeschlagen, nicht mehr Theater als Dispositiv sondern das "Dispositiv als Theater" (S. 117) zu denken, so dass hier auch eine offensichtliche Verlagerung der Perspektive angeregt wird. Eine genealogische Verschiebung des Dispositiv-Konzepts legt Matteo Pasquinelli mit seinem Artikel "Was ein Dispositiv nicht ist: Archäologie der Norm bei Foucault, Canguilhem und Goldstein" dar. In erster Linie widerlegt Pasquinellii – mit dem Fokus auf den Begriff der Normierung – Agambens "etwas abseitige[n] Umweg über die oikonomia der christlichen Lehre" (S. 126), um den fachlich-disziplinären Kontext des Dispositiv-Begriffs zu erschließen. Der hier letzte Beitrag "Dispositive als strategische Ordnungen . und ihr Nicht-Scheitern-Können am Beispiel von Stanley Kubricks Dr. Strangelove" von Mirjam Schaub ortet die Grenzen des Dispositiv-Konzepts aus. Mit einer stärkeren Fokussierung auf Deleuze und am Beispiel von Dr. Strangelove zeigt Schaub auf, wie ein Dispositiv seine Selbstauflösung mitdenkt als "unfreiwillige, aber logische Selbstzerstörung" (S. 149) bzw. als strukturell eingeplante Vorwegnahme der eigenen Negation. Das dritte Kapitel "Zeitgenössische Konstellationen" führt vor allem die kultur- und wissenschaftspolitischen Reflexionen fort. So versucht Yannick Butel in seinem Artikel "Theater als Dispositiv: Eine Alternative zum ideologischen Vorhang?" eine theoretische Begründung des "Brüchig-Werden[s] traditioneller Produktionsprinzipien und Rezeptionsmodi" (S. 161). In einer z.T. kulturpessimistischen Argumentation – mit einer kulturmoralisch überlegenen Note –, bei der Theater im Kontext von Kulturindustrie betrachtet wird, macht der Autor eine Verbindung zwischen Sprache und Theater auf. Das bereits hier angedeutete Verhältnis zwischen dem Diskursiven und Nicht-Diskursiven wird durch André Eiermanns Beitrag "Aspekte des Scheins im Dispositiv der Aufführung" ergänzt. Mittels des Dispositiv-Konzepts versucht der Autor eine offene Theaterdefinition zu formulieren, die sich gegen apodiktische Grenzziehungen ausspricht, indem eine "Wiederauffüllung des Dispositivs der Aufführung" (S. 187) zentral ist, d. h. mitunter die Wandelbarkeit und das Zusammenspiel von diskursiven und nicht-diskursiven Elementen. Einen anderen blinden Fleck der Theaterwissenschaft beleuchtet Birgit Wiens in "'Ausweitung der Kunstzone'. Das szenographische Dispositiv in den Künsten der Gegenwart". Mit einem Blick auf die Unterschiede zwischen Szenographie, Bühnenbild und die diversen Definitionen markiert Wiens zum einen die bisher spärliche Behandlung dieses Aspekts im Fach und zeigt zum anderen am konkreten Beispiel auf, dass die szenographischen Objekte mehr als bloße passive Gegenstände sind. Der letzte Abschnitt "Akute Notstände" klingt existentiell bedrohlicher als er sich letztlich durch seine fachlich heterogenen Beiträge präsentiert. Zunächst stellt Alexander Jackob in seinem Artikel "Dispositive im Notstand? Ensembles zwischen Theater und Wissenschaft" Überlegungen zu einer Umbruchssituation der universitären Geisteswissenschaften an, die in die Thematisierung einer Wagner-Inszenierung von La Fura Dels Baus münden. Dabei wird eine Diskrepanz deutlich, indem eine 13 Seiten umfassende Theoriegrundlegung sich lediglich in einer kurzen Anwendung von drei Seiten zu bewähren hat. Im darauffolgenden Beitrag "Der radikale Einsatz (in) der zeitgenössischen Performance. Das Dispositiv der De-Subjektivierung" von Bojana Kunst stehen Fragen des 'Subjekts' im Zentrum. Essentielle zwischenmenschliche Ereignisse, wie Geständnis, Exzess oder Genuss, die als wesentlich für die Subjektivierung gelten, seien zu Teilen der Ökonomie und Industrie geworden, so dass die Autorin mit Fokus auf Agamben eine "Neubewertung der Performance als künstlerische Form" (S. 245) vorschlägt. Mit Christian Berkenkopfs Beitrag "Theologie und Dispositiv. Hermeneutische Überlegungen zu einem komplexen Zusammenhang am Beispiel der Sünde" wird in dem vorliegenden Sammelband die letzte Perspektive auf das Dispositiv geworfen, die ebenfalls das Subjekt prominent in die Analyse einbezieht. Mag dieser Artikel inhaltlich nur peripher mit theaterwissenschaftlichen Fragen zusammenhängen, so sind doch seine wissenschaftstheoretischen und methodologischen Betrachtungen auch für die Theaterwissenschaft relevant. Theater als Dispositiv beinhaltet also ein weites Spektrum möglicher interdisziplinärer Zugänge. Von der Soziologie und Philosophie über die Film- und Medienwissenschaft bis hin zur Theologie wird ein fachlich weitreichendes Netz gespannt, das theaterwissenschaftliche Fragestellungen jedoch stets mitbedenkt. Auffällig erscheint dabei, dass sich mehrere Beiträge dezidiert mit den Grenzen oder einer möglichen Negation des Dispositiv-Konzepts beschäftigen. Eine derart kritische Auseinandersetzung spricht für das Gesamtprojekt, das damit weniger eine Zugangsweise postuliert, sondern vielmehr das Potenzial einer solchen umfassend auslotet. Die womöglich größte Herausforderung an das Projekt zeigt sich im Verhältnis zwischen den methodologischen Reflexionen und der konkreten Anwendbarkeit, denn zuweilen entsteht im vorliegenden Sammelband noch der Eindruck, die Methode könnte sich letztendlich auch selbst genügen.
Seit September 2006 trifft sich die vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufene und nach den Regierungswechseln 2009 und 2013 jeweils neu konstituierte Deutsche Islam Konferenz (DIK) in regelmäßigen Plenumssitzungen, Arbeitskreistreffen und Tagungen. Unter dem Motto "Muslime in Deutschland - Deutsche Muslime" soll hier erklärterweise die Institutionalisierung des Islams in Deutschland und die Entwicklung eines "deutschen Islams" angestoßen, begleitet und regierungstechnisch angeleitet werden. Das Mittel der Wahl, das politische Instrument hierfür, ist der langfristig angesetzte Dialog, den der deutsche Staat (repräsentiert durch Regierungs- und BehördenvertreterInnen) mit den "Muslimen in Deutschland" (in Person der geladenen DialogpartnerInnen - VertreterInnen von Verbänden und Einzelpersonen) auf der DIK führt. Diesen Islamdialog sehe ich als Feld vielfältiger Auseinandersetzungen, in dem sich ein Prozess spezifischer "Teilwerdung" des Islams in Deutschland beispielhaft betrachten lässt. Mit einem starken Fokus auf die im Dialog entwickelten und angewandten Politiken der als "Muslime" adressierten und zur DIK geladenen IslamvertreterInnen wird den Praktiken der Grenzziehung nachgegangen und nach den Auseinandersetzungen um Bestehen, Transformation und Aufhebung der diskursiven Trennlinie zwischen Islam und Deutschland im politischen Dialog der DIK gefragt. Hierbei geht es nicht zuletzt um die Verhandlung dessen, was es heißt "deutsch" zu sein sowie von Ideen der nationalen Gemeinschaft und Staatsbürgerschaft unter Bedingungen europäischer und globaler Transnationalisierung und Migration. Empirische Grundlage der Untersuchung bilden die Dokumente der ersten Runde der DIK.
Die Arbeiten des 2009 verstorbenen Filmemachers Gerhard Benedikt Friedl sind Ausnahmeerscheinungen im österreichischen Dokumentarfilm. Oft übersehen und gerade wegen ihrer ganz eigenen Form und Ästhetik nicht einfach einzuordnen, treffen sich seine Filme wie Knittelfeld (1997) oder Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikt begangen? (2004) an den Schnittstellen von Essay, Dokumentarfilm und Fiktion. "Termitenkino" nannte dies Alexander Horwath in Referenz an den US-amerikanischen Filmkritiker Manny Farber (vgl. S. 37). Geschichte, Politik, Ökonomie und Landschaft werden in Friedls Filmen bearbeitet und mittels eines präzisen Einsatzes von Bild- und Tonmontagen umgegraben. So ist es bemerkenswert, dass sich das vom Österreichischen Filmmuseum und Synema unter Redaktion von Volker Pantenburg herausgegebene Gerhard Friedl – Ein Arbeitsbuch dem oft zu bemängelnden Hang zu interpretatorischen Monografien entzieht und Friedls Werk als eine Materialsammlung präsentiert. Diese Sammlung besitzt als biografisches wie filmhistorisches Format viele Vorteile. Sie schafft es, durch die Kompilation von Interviews, Exposés, Schriftwechseln und den journalistischen Texten Friedls nicht nur einen Einblick in seine sehr eigenwillige Idee vom Filmemachen zu geben, sondern darüber hinaus Friedls wenn auch nur kurze Entwicklung von seinen ersten Filmen als Studierender an der Hochschule für Film und Fernsehen in München bis zu seinen späten Projektentwürfen, zu skizzieren. Die nur zum Teil fertiggestellten Projekte Friedls verweisen auf mögliche Film- und Videoarbeiten an der Grenze zur bildenden Kunst und äußern ebenfalls Friedls wachsendes Interesse am Spielfilm. Besonders die Kritiken und Essays Friedls sind von einer Haltung geprägt, die Dokumentarfilm als Prozess eines Denkens in Bildern versteht. Diese theoretische Ausrichtung Friedls, die auch in seinen Filmen immer an einer Lücke, an dem Dazwischen der Bild- und Tonebenen, interessiert ist, verdeutlicht sich in dieser Materialsammlung. Das Buch ist damit ein wirkliches "Arbeitsbuch", welches die Möglichkeit bietet, sich mit Friedls Werk und Bilddenken eingehend zu befassen und darüber hinaus dazu auffordert, mit den formulierten Ideen und Begriffen weiterzuarbeiten. Während seines Studiums der Philosophie in Wien schrieb Gerhard Friedl für den Falter. Diese frühen Filmkritiken sind oft von einer etwas ungelenken und doch philosophisch geschulten Fahrigkeit. Im Hang zum Theoretisieren, in einem gezielt lässigen Stil des Auslassens, sowie einem vereinzelten Fall ins Polemische, wirken die Texte manchmal etwas zu gewollt kritisch. Trotzdem merkt man, wie Friedl versucht, den besprochenen Filmen eine Sozialkritik abzuringen. Inwiefern kann Film Ausdruck einer sozialen Realität sein, könnte die Frage lauten, welche sich anhand von Friedls Ausstellungstexten und Artikeln für die Zeitschrift Camera Austria entfaltet. In der Auseinandersetzung mit US-amerikanischer Dokumentarfotografie zeigt sich einerseits Friedls Interesse an einer Vermittlung dokumentarischer wie fiktionaler Elemente als Strategien der Repräsentation des Wirklichen. Hier äußert sich seine sehr spezifische Auffassung des Dokumentarischen als "dokumentarische Fiktion" (S. 47). In der Auseinandersetzung mit den Fotografien Jeff Walls kann man andererseits ein weiteres Motiv seiner späteren Filme entdecken: ein Interesse an künstlerischen Arbeitsprozessen, sowie gegenüber der Frage, inwiefern Kunst dem Verständnis von Arbeit etwas hinzufügen kann. Dabei äußert sich Friedls Überzeugung, dass die Produktion von Kunst "[…] den utopischen Aspekt im Gegenwärtigen umkreist" (S. 53). Auch in der im Magazin vierte hilfe. Illustrierte Theorie für das Dienstleistungsproletariat erschienenen Rezension "Arbeit und ihre Nation" versucht Friedl, in Auseinandersetzung mit Harun Farocki und Jean-Luc Godard Bilder von Arbeit zu hinterfragen. Es wird deutlich, dass Friedl Fotografie und Film generell als ein "Ver-orten" versteht. In dem Text "Vordergrund macht Bild gesund" formuliert Friedl etwa eine kleine Filmtheorie des Hintergrunds im dokumentarischen Film, der laut Friedl zwischen zwei Polen verlaufe: einerseits als Eroberung oder Diebstahl von Bildern des Wirklichen und andererseits als Rückschreiten in die Vergangenheit. Der Hintergrund bleibe so entweder ein unbeachtetes Hinten oder eine Reserve des Nicht-Erinnerten; des Nicht-Erzählten (S. 67). Diese von Friedl etwas krude Überlegung zum Verhältnis von Bildvorder- und Bildhintergrund – von Einstellung und Kamera – wird vielleicht erst richtig in der Auseinandersetzung mit seinen Filmen verständlich. Die Beschäftigung mit Friedls filmischen Arbeiten macht zunächst den Einfluss seines Studiums in München deutlich – insbesondere jenen der Seminare Helmut Färbers, welchem Friedl 2007 einen Text widmete. In "Ein Herangehen von Helmut Färber" schreibt Friedl von einer besonderen Prägung, die von Färbers Seminaren ausgegangen sei, welche sich auch in der Betrachtung seiner konkreten Arbeit am Film zeigt: "Kamera und Schneidetisch haben eine gegenseitige Zugehörigkeit." (S. 75) Dabei geht es besonders um ein von Färber gelerntes Sicheinlassen auf die Bilder, darum, diese als konkrete Dinge oder Gegenstände wahrzunehmen und aus ihnen eine Kritik der Bilder oder besser eine Kritik mit Bildern abzuleiten. "Es ist Teil der Vereinbarung, sich auf das Sichtbare einzulassen. Das Sichtbare meint hier beides. Die Dinge, die in der Welt sind; die Dinge, die wir im Kino sehen." (S. 76) Der Wunsch, jene kritischen Potentiale der Bilder herauszuarbeiten, oder anders formuliert: die Idee einer mit Bildern vollführten Kritik, wird, jenseits von Friedls ersten Arbeiten MDW (1992) und AVID (1994), insbesondere in Knittelfeld sichtbar. Es zeigt sich eine Tendenz zu strenger Bildkomposition, welche sich nicht nur in dem im Arbeitsbuch veröffentlichten Drehbuch zu Knittelfeld schon andeutet, sondern die darüber hinaus durch das Gespräch mit Friedls damaligem Kameramann Rudolf Barmettler deutlich wird. Überaus produktiv für eine filmtheoretische Auseinandersetzung mit Friedls Filmen erscheinen auch Barmettlers Aussagen zum Kameraschwenk, der in Friedls Filmästhetik ab Knittelfeld eine besondere Rolle einnimmt. Denn trotz einer eher als chaotisch beschriebenen Produktionsweise schien Friedl sehr genau zu wissen, wie seine Filme eine Einstellung vorzunehmen haben – auch wenn er nicht immer in der Lage war, dies zu kommunizieren, wie es die damalige Produktionsassistentin Ivette Löcker im Interview beschreibt. Diskussionen über die Position der Kamera, die Einstellung, Länge und das Ziel des Kameraschwenks waren ein mühsamer Prozess in der Arbeit an Friedls Filmen (vgl. S. 121). Dass sich das Produktionsteam dabei vereinzelt als Landvermesser*innen ausgeben musste, um fehlende Drehgenehmigungen zu rechtfertigen, scheint in Anbetracht der Filme und ihrer die Orte abtastenden Bilder eine passende Anekdote. Das "Ver-orten" und "Ver-messen" durch den Einsatz von Schwenks zeugt von der Fähigkeit der Kamera, "dass man mit einer Bewegung etwas zusammenbringt" (S. 127) – eine "Anti-Montage" im Raum, die es erlaube, verschiedene räumliche Situationen in einer Einstellung sichtbar zu machen. Der Schwenk gebe dem Schauplatz etwas Sequenzielles, so Friedl: "Ein Schwenk ist interessant, weil er fast eine Form von Schriftlichkeit hat" (S. 141) – eine Operation, die im Vorfeld einer Planung, einer "Lektüre des Ortes", bedarf. Man könne nur filmen, "[…] was man verstanden hat. Man muss Orte beobachten, sehen, wo die Leute herkommen, wo sie hingehen, wie schnell sie es machen, und warum langsam zu anderen Zeiten" (S. 142). Der Arbeitstitel des Amerongen-Projekts, "Tote Arbeit", verdeutlicht das schon zuvor beschriebene Interesse an Bildern von Arbeit und Ökonomie. Ausgehend von der Geschichte der Industriellen-Familie Flick möchte Friedl laut Projektbeschreibung Orte der Wirtschaft, der Schwerindustrie und des Finanzkapitals in assoziativen Bildern sichtbar machen, wobei Friedl den Film hier als Ausdruck eines Spannungsverhältnisses sieht, "das Sichtbare […] als eine Äußerung des Unsichtbaren zu begreifen" (S. 158). Anhand der für das Arbeitsbuch zusammengetragenen Materialen zu Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikt begangen? ergibt sich noch ein weiteres wichtiges Moment in Friedls Werk: das stetige Auseinander- und Zusammenfallen von Bild und Ton – von lakonischem Kommentar und komponierten Schwenkmontagen. In einem Brief an den WDR-Filmredakteur Werner Dütsch, welcher nach Knittelfeld auf Friedl aufmerksam wurde, bezeichnet Friedl das Verhältnis von Bild und Ton für Zuschauer*innen als scheinbar zufällig oder beliebig. Gerade darin liegt das Konzept in Friedls Arbeit mit Ton: in der Herstellung von "singulären, nicht-linearen Momenten" (S. 138). Die E-Mails zum Film zeugen von einem schwierigen Produktionsprozess. Rudolf Barmettler verließ das Projekt kurz nach Beginn – Friedl drehte selbst weiter, teilweise mit Kamera-Assistent Frank Stürmer, und auch der Schnitt dauerte länger als geplant. Nach mehreren Fristverlängerungen der Abgabe beim WDR erschien der Film dann aber doch. Bemerkenswert ist ein E-Mail, das Friedl 2006 nach einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Dokumentarische Positionen" an Nicolas Wackerbarth schickte. Hier bezieht sich Friedl auf Walter Benjamins Idee einer operativen Literatur – einer Literatur, die politisch einem Zweck bzw. einer Wirkung verpflichtet ist. Dieses Konzept des Operativen – eines spezifischen strategischen Einsatzes des Films – sieht Friedl in Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikt begangen? verwirklicht. Gerade durch die Arbeit mit Techniken der Verschiebung und der Assoziation entstehe so ein operatives Gefüge, das jedoch auch ein "produktives Publikum" (S. 196) benötige. Friedls Vorstellung eines operativen, handelnden Films erinnert stark an den von Harun Farocki in den frühen 2000er Jahren für zweckgebundene maschinelle Bildproduktion entworfenen Begriff der "operativen Bilder". In den zusammen mit der Künstlerin Laura Horelli erarbeiteten Projekten The Frontier Owners (2009) und Shedding Details (2008) äußert sich, nach einer gemeinsamen Residenz in den USA, ein ambivalentes Verhältnis von Gerhard Friedl zur Bildenden Kunst. Einerseits schien er angezogen von der theoretischen, recherchebasierten Arbeitsweise, gleichzeitig zeugt insbesondere das im Buch geführte Interview mit Horelli von einer Unsicherheit und Ablehnung gegenüber den Präsentationsmöglichkeiten von Film und Video in der Bildenden Kunst, wie ebenfalls eine gescheiterte Vorführung von Shedding Details auf der Venedig-Biennale 2009 zeigt. Die Skripte und Notizen zu den zwei unvollendeten Filmprojekten Panik von 94 (2005–2008) und Buffalo, New York (ab 2008) bieten wiederum thematische Anschlüsse an Friedls vorherige Arbeiten. Die intensiven historischen Recherchen zu Arbeitskämpfen, industrieller Produktion und den Verstrickungen von Politik und Wirtschaft erscheinen als vielversprechende Projektentwürfe. Die sehr spezifische Suche nach passenden Bildern von Orten – dem "Ver-orten" – wird hier nochmal besonders deutlich. Die den Band begleitenden Produktionsfotografien und zusammengesetzten Schwenks aus Friedls Filmen geben von dieser Suche nach Bildern einen besonders gelungenen und anschaulichen Eindruck. Für eine gegenwärtige filmwissenschaftliche Auseinandersetzung mit zeitgenössischem Dokumentarfilm und experimentellen Erzählformen stellt das Arbeitsbuch nicht nur eine "Materialbiografie" zur Verfügung, sondern es ist darüber hinaus eine wichtige Fallstudie für die Identifikation einer Tendenz im Dokumentarfilm, die, mit Harun Farocki gesprochen, die Bilder achtet, indem man sie anstrengt. Hier bietet sich ein Anschluss der Praxis Friedls an Theorien zum politischen Landschaftsfilm, sowie dem auch durch Jacques Rancières Filmtexte populär gewordenen Begriff der "dokumentarischen Fiktion" an. Dabei ist die Stärke des Buchs gerade, dass diese theoretischen Interpretationen ausbleiben und durch die Versammlung der Materialien eingehend gezeigt wird, wie man Filmtheorie und Filmwissenschaft auch ausgehend von der Praxis des Filmemachens selbst denken kann.
Der sogenannte affective turn, der in Medien- und Kulturwissenschaften bereits seit längerem zu verzeichnen ist und mittlerweile auch die Sozialwissenschaften erreicht hat, besitzt ganz offensichtlich politische Implikationen – insbesondere, aber nicht nur, für eine Kritik des Neoliberalismus. Diese sind auch von zahlreichen Forschern aufgegriffen und ausformuliert worden, etwa durch Michael Hardt und Antonio Negri, Lauren Berlant, Sara Ahmed oder Nigel Thrift. Der vorliegende Band, eine Sammlung von Interviews mit dem Philosophen und Affekttheoretiker Brian Massumi, verspricht zumindest in seinem Titel, diese Verbindung von Politik und Affekt auf eine systematische Grundlage zu stellen. Massumi gilt als Vorreiter eines vor allem von Deleuze und Spinoza inspirierten Strangs jüngerer Affekttheorie, der vornehmlich ontologisch argumentiert. In dieser Position ist er breit rezipiert und auch vielfach kritisiert worden. Die Interview-Sammlung dient dazu, seinen Ansatz ausführlich und gleichzeitig verhältnismäßig leicht zugänglich darzustellen. Die Form des Interviews begünstigt gewisse Vereinfachungen und tendiert zu einer Plakativität von Beispielen und Argumenten; gleichzeitig bürgt sie aber für eine Lebhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit jenseits der Mühen der Ebene. Insofern kommt diese Form dem persuasiven, seinerseits deutlich auf Affizierung angelegten Stil Massumis entgegen. Wie konzeptualisiert Massumi nun das Verhältnis zwischen Affektivität und Politik? Diese Frage erweist sich schon zu Beginn als falsch gestellt, insofern Massumi zufolge dem Affekt die politische Dimension von vornherein inhärent ist: In beiden Fällen gehe es um Wandel und Veränderung – es gelte lediglich, diese Dimension zum Vorschein zu bringen (vgl. S. ix). Grundsätzlich ist das Programm sehr ambitioniert: Affekt wird einerseits als ontologisches Begründungskonzept eingeführt, das in letzter Konsequenz an die Stelle sowohl einer Medientheorie als auch einer Theorie des Politischen zu treten vermag – und zielt andererseits klar auf menschliche Erfahrung, die sich in Gefühlen wie Furcht und Stolz manifestiert. Was dabei als politisch verstanden wird, bleibt zunächst vage: es gehe um "the arena of social order and reorderings, of settlement and resistance, of clampdowns and uprisings" (S. viii–ix). Bestimmungen der jüngeren politischen Philosophie, etwa die Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen, spielen demzufolge kaum eine Rolle. Vielmehr leitet sich aus dieser Aufzählung eine Tendenz ab, Politik als Feld von Intensitäten und Energien und politisches Handeln als Aktivismus zu begreifen – eine Tendenz, die schon in der Verwendung des Affektbegriffs angelegt ist: "[…] I use the concept of 'affect' as a way of talking about that margin of manoeuvrability, the 'where we might be able to go and what we might be able to do' in every present situation." (S. 3) Die relationale Verschränkung von Körpern in Situationen, nicht das fühlende und denkende Individuum wird daher als primär gesetzt – Emotion sei dabei jener begrenzte Anteil affektiver Erfahrung, der aus persönlicher Perspektive Sinn ergibt. Damit legt Massumi eine einerseits elegante und andererseits etwas glatt erscheinende Begründung des Politischen vor: Die verkörperte Weise menschlichen Existierens "is never entirely personal […] it's not just about us, in isolation. In affect, we are never alone." (S. 6) Mit Körpern sind dabei im wesentlichen menschliche Körper gemeint – eine Fokussierung, die so weder bei Spinoza noch bei Deleuze zu finden ist, und die aus medientheoretischer Sicht nicht unmittelbar eingängig erscheint. Tatsächlich bringt Massumi seinen Ansatz explizit gegen Theorien medialer Vermittlung in Stellung (denen er vorwirft, den cartesianischen Dualismus zwischen Geist und Körper nur zu überbrücken, nicht aber aufzuheben; vgl. auch den Begriff der Immediation, S. 146–176). Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der 'Natürlichkeit' des Affekts und nach dem Verhältnis zu Sprache und Diskurs. Hier weicht Massumi aus: "[Affect] includes very elaborated functions like language. There's an affect associated with every functioning of the body, from moving your foot to take a step to moving your lips to make words. Affect is simply a body movement looked at from the point of view of its potential […]." (S. 7) Man mag diese These als Versuch lesen, Medien- durch Affekttheorie zu ersetzen oder neu zu schreiben – und natürlich könnte man den Spieß umdrehen und kurzerhand Affekt als Medium konzipieren. Es erscheint jedoch nicht ausreichend, Sprache auf die Produktion von Wörtern, bzw. die Wortproduktion auf die Bewegung der Lippen zu reduzieren. Man ignoriert dabei zumindest eine historische Dimension der Bedeutungskonstitution, die nicht einfach aus der Akkumulation von Körperbewegungen besteht, sondern eine Dynamik eigenen Rechts entfaltet. Diese Blindheit auf dem Auge der Geschichte wird in der Auseinandersetzung mit medialen Phänomenen besonders deutlich. So eröffnet sich an einigen Stellen die überaus interessante Perspektive, das Konzept einer Politik des Affekts mit Jacques Rancières Konzept einer Politik des Ästhetischen zu verknüpfen (z.B. S. 36). Allerdings scheinen sowohl der Politikbegriff als auch jener des Ästhetischen zu eng – und diese enge Konzeption verbaut den Blick auf die historische Tiefendimension, etwa, wenn Massumi das Auftauchen der affektiven Kraft der Medien, bzw. ihres politischen Einflusses, an die Reifephase des Fernsehens bindet (vgl. S. 33) – als hätten Zeitungen, Kino und Theater stets nur sachliche Aufklärung betrieben, bzw. sich nicht in die Politik eingemischt. Der Sprung von der Ontologie in konkrete Beispiele wird an solchen Stellen nicht genügend durch Analyse vermittelt – so kann der grundlegende Zusammenhang zwischen Ästhetik und Politik nicht erkannt werden, sondern wird als Anomalie, bzw. als besondere aktivistische Haltung behandelt. Zudem wird die betonte Kontrastierung von Affekttheorie und kritischer Theorie (vgl. S. 14f.) durch die Kritik an der Rolle der Medien im gegenwärtigen Kapitalismus konterkariert. Andererseits finden sich erhellende Stellen und produktive Denkanstöße; so eröffnet z.B. Massumis Vorschlag, Sprache weniger als Korrespondenzverhältnis zwischen Signifikant und Signifikat zu verstehen, sondern eher als Weg, den Bedeutungsexzess affektiver Erfahrung ins Bewusstsein zu heben (vgl. S. 13), zahlreiche Anschlussmöglichkeiten an ästhetische Theorien, die diese historische Dimension betonen. Sprache hätte demnach die Doppelfunktion, Erfahrung sowohl zu erfassen als auch freizusetzen. Die Fokussierung des menschlichen Körpers gegenüber Körpern anderer Art wirft noch weitere Fragen auf: so erweckt die Rede vom Affekt als "Potential" an vielen Stellen den Anschein, als stehe es den Menschen frei, wie sehr sie dieses Potential zu nutzen gedenken: "Our degree of freedom at any one time corresponds to how much of our experiential depth we can access towards a next step – how intensely we are living and moving." (S. 6) Im Umkehrschluss heißt das: einige leben freier als andere. Und mehr noch: der politische Begriff der Freiheit läuft in dieser Bestimmung Gefahr, zum Merkmal eines privilegierten, weil irgendwie "intensiveren" Lebensgefühls zu verkümmern. Das auf das politische Gemeinwesen gerichtete Vermögen des Affekts zur Veränderung bliebe so zugunsten einer affirmativen Selbstfeier auf der Strecke – egal, wie sehr dieses Selbst sich mit anderen überschneidet ("Freedom always comes out of active embeddedness in a complex relational field […]", S. 161). Sobald Massumi die ontologische Ebene verlässt um konkret zu werden, gerät die Verbindung zwischen Affektivität und dem Politischen ins Wanken. So vermag z.B. seine Analyse des zeitgenössischen Kapitalismus (Anfang der 2000er formuliert) heute nicht mehr recht überzeugen – zu sehr bleibt sie den "buzzwords" (S. 22) der damaligen Zeit verpflichtet. Die von ihm diagnostizierte Tendenz des Warenverkehrs zum Immateriellen, einhergehend mit einem Verlust direkten zwischenmenschlichen Kontakts (vgl. S. 113) passt zwar sehr gut zu seiner theoretischen Agenda, ist jedoch mittlerweile ihrerseits als teleologisches Modell kritisiert worden. Immerhin ist diese diskursive Bewegung symptomatisch dafür, wie sehr ein Denken des Politischen unter dem Vorzeichen des Affekts zur ökonomischen Analyse wird (und vielleicht werden muss). In diesem Zusammenhang opfert Massumi gelegentlich theoretische Präzision zugunsten einer zu reibungslos anmutenden Beschreibung affektiver Ökonomien, etwa bezüglich des Ineinandergreifens von Patriotismus und Kapitalismus rund um 9/11 – hier wird nicht klar, wie die "affektive Umformung" ("affective conversion", S. 32) von Furcht vor Terror in Stolz auf das eigene Land vor sich gehen soll. Möglicherweise wird Massumis Projekt eher produktiv, wenn man es als Utopie begreift – Affekt als überschüssiges Potential selbst rigide kontrollierter Situationen (S. 58). Entsprechend müsste man Begriffe wie Mikropolitik (S. 47–82) als Grenzbegriffe verstehen, die sich zwar zeitphilosophisch herleiten, sich aber eben nicht ohne weiteres auf jene Phänomene übertragen lassen, die im Alltagsverständnis 'politisch' sind – etwa auf den Alarmismus der Bush-Regierung nach 9/11. Die Logik der Übertragung operiert hier kumulativ, im Sinne der Formung von Gewohnheiten und Tendenzen. Ein Ereignis ist jedoch mehr als die Summe einzelner Affizierungsakte; es unterbricht den linearen Verlauf der Zeit und öffnet die Sicht auf historische Zusammenhänge. Damit setzt es kritisches Potential frei, wobei 'kritisch' nicht zufällig auf den Konnex zwischen Krise und Kritik hinweist. Die pauschale Abgrenzung gegen die kritische Theorie, der Massumi vorwirft, sie objektiviere und fixiere ihren Gegenstand auf unzulässige Weise, erscheint so als fatale Beschneidung des affekttheoretischen Ansatzes. Massumi verkennt, dass wahre Kritik, wie etwa Jean-Luc Nancy betont, stets aus der Notlage, aus der Krise heraus operiert und sich daher den Standpunkt immer erst erarbeiten muss, von dem aus geurteilt werden kann. Ein solcher fester Standpunkt trägt für Massumi den Namen der Moral und vor allem den der Emotion, die als Gegenbegriff zum Affekt aufgebaut wird. Sie lenke die Energie des Affekts in konventionelle Bahnen, lasse das mit ihm verbundene Potential verkümmern. Hierin liegt schließlich die affekttheoretische Crux von Massumis Politikbegriff: ohne eine Instanz, die aus dem Affektgeschehen Sinn extrahiert, sich positioniert und zustimmt oder ablehnt, ist nicht ersichtlich, wie eine Intervention in die reibungslosen Kreisläufe der Affektökonomien – und damit politisches Handeln – möglich sein soll. Eine solche Instanz muss dazu mit dem Diskurs in Beziehung treten, ohne dass sie zwangsläufig rationalisierend wirken müsste (vgl. S. 115). Das transformative Potential des Affekts braucht Akte der Aneignung, braucht den Widerstand eines Urteils, soll es politisch wirksam werden. Keineswegs wäre es dazu erforderlich, das psychologische Individuum primär zu setzen. Erforderlich wäre aber eine Analyse der Handlungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Hervorbringung des Neuen und der Konstitution historischer Erfahrungsräume. Massumis detaillierte Beschreibungen affektiver Vollzüge sind dazu ein erster Schritt. Der Wert des Buches bestünde, so gesehen, nicht darin, dass Massumi fertige Rezepte für die Formulierung einer Theorie des Politischen lieferte – darin liegt auch gewiss nicht seine Absicht. Ihre Produktivität entfalten könnten seine Überlegungen als radikaler Grenzanspruch, der beispielsweise keine simple Abgrenzung einer 'Sphäre' des Politischen oder der Öffentlichkeit mehr erlauben würde. Obwohl also der "turn to affect" keineswegs eine neue Erscheinung ist, und obwohl das vorliegende Buch Massumis durchaus kontroversen Ansatz erschöpfend zu behandeln scheint, wäre damit eher ein Anfang gemacht als das letzte Wort in Sachen "Politik des Affekts" gesprochen.
Die Verflechtung einer Vielzahl von AkteurInnen abseits von geplanten Prozessen bringt mitunter neuartige überraschende Strukturen hevor. Dadurch bilden sich ''wirkmächtige Arrangements von Dingen, Zeichen und Subjekten'' (S. 10), die durch Wiederholungen automatisiert werden und sich teilweise der Wahrnehmung entziehen. Diese Annahmen über Automatismen legen eine Auseinandersetzung mit der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) nahe, die im Mai 2010 in dem Workshop 'Strukturentstehung durch Verflechtung' des Paderborner Graduiertenkollegs 'Automatismen' unternommen wurde. Der daraus entstandene gleichnamige Sammelband setzt einen größeren Rahmen. In ihm werden Kompatibilitäten und gemeinsame Traditionslinien sozial- und kulturwissenschaftlicher Fragestellungen und der Akteur-Netzwerk-Theorie untersucht. In den Beiträgen zu so verschiedenen Themen wie der Atemwegserkrankung SARS, der Hamburger Schilleroper, New Orleans nach Kathrina, Quantenphysik oder der Fernsehserie 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012) wird auf das Motiv der 'Strukturentstehung durch Verflechtung' Bezug genommen. Dies geschieht im ersten Teil des Bandes durch die Rekonstruktion von Verflechtungen unerwarteter Handlungsquellen in sich neu etablierenden Netzwerken. Die Beiträge im zweiten Teil des Bandes stellen Fragen nach Machtrelationen innerhalb nicht intendierter Strukturen und reflektieren Macht als temporär stabilisierenden Effekt. Im dritten Teil finden sich Abhandlungen zu Kritik, Korrekturen und Akzentverschiebungen der ANT. Die einzelnen Beiträge bieten dabei einen guten Einblick, wie mit Modellen und Elementen der ANT in der Medien- und Kulturwissenschaft umgangen wird, welche Thesen, Vorgehensweisen, Begriffe und Motive aufgegriffen werden, wie sich diese an Gegenständen testen und weiterentwickeln lassen und wo Lücken und Schwachstellen liegen. Dem Band vorangestellt ist ein Artikel von John Law, der die Entstehungsgeschichte(n) der ANT von den wissenschafts- und organisationstheoretischen Studien über eine erste Formierung der ANT in den 1990er-Jahren bis zur Kritik und Diaspora nach 2000 nachzeichnet (S. 21). Besonders hilfreich ist ein Überblick über die Schwerpunkte, Begriffe und Werkzeuge der ANT in den jeweiligen Phasen. Eine der Geschichten von John Law beginnt mit den mittlerweile berühmten Studien von Michel Callon und Bruno Latour. Diese und Latours Äußerungen zu Kunst nimmt Renate Wieser als Ausgangspunkt. Die moderne sozial- und kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Naturwissenschaft, die nach Latour entweder eine sozialkonstruktivistische Haltung einnimmt oder ihr unreflektiert affirmativ begegnet, trifft auch auf Bereiche der Kunst zu. In den beiden von Wieser besprochenen Beispielen, Installationen und Skizzen von Duyckaert und Dittmer, in denen Laborsituationen adaptiert werden, vermischen sich Fakt und Fiktion und werden die Grenzziehungen zwischen naturwissenschaftlicher und kultureller Handlungsmacht in Frage gestellt. Den (post-)modernen Laboren der Quantenphysik stellt Julian Rohrhuber Aspekte der klassischen wissenschaftssoziologischen Studien der ANT gegenüber. In Bruno Latours Studien werden konkrete Übersetzungsschritte verfolgt: Operationsketten, die von einem unübersichtlichen materiellen Ausgangspunkt zu anschaulichen formalen Rückschlüssen verlaufen. In der theoretischen Physik hingegen wird mit Variablen gearbeitet, die Verkettungen von Ungeklärtem erlaubt. Der übersichtlichste Punkt des Forschungsprozesses ist hier der epistemische Pol, unanschaulich sind die vorläufigen formale Enden des Prozesses. Rohrhubers Versuch den formalen AkteurInnen zu folgen zeigt, dass das Abstrakte im Forschungsprozess der modernen Physik mit zirkuliert. Dass die Prämisse, 'den AkteurInnen zu folgen' die Gefahr einer Blindheit gegenüber AkteurInnen mit eingeschränktem Handlungsspielraum birgt, betont Katharina Holas in ihrem Beitrag zu feministischen Akzentverschiebungen und Kritik an der ANT. Indem häufig große Technikprojekte und Fragen zu Konzeption und Design im Zentrum stehen, bleiben Exklusionsmechanismen intransparent und Dichotomien, etwa die zwischen Planung und Nutzung, bestehen. Mit Verweis auf das Konzept der Multiplizität von Annemarie Mol und Arbeiten von Donna Haraway und Susan Leigh Star lenkt Holas die Aufmerksamkeit auf Unsichtbarkeiten, unintendierte Handlungsabfolgen und bestehende Hierarchien. Zwei Filme über die urbane Sportart 'Parkour' und die Frage wie Atmosphären inszeniert werden, sind der Ausgangspunkt für die Studie von Christoph Michels. Der Beitrag zeigt auf, dass durch die Alltagspraxis 'Parkour' Körper und Orte inszeniert und zugleich in räumliche, soziale und narrative Ordnungslogiken, eingebunden werden. Dies geschieht beispielsweise durch den Gebrauch von SuperheldInnen- oder Tiermetaphern, die als Anleitung für neue Bewegungsabläufe und für ein neues Verhältnis zu den Orten und Gegenständen dienen. Michels beschreibt dies als gegenseitige Übersetzungsprozesse. Ein Element der ANT, das in mehreren Beiträgen aufgegriffen wird, ist der von Bruno Latour geprägte Begriff der 'immutable mobiles'. Er umfasst Techniken wie die Kartografie und Verfahren wie Statistik und bezeichnet die Eigenschaft der Formkonstanz bei gleichzeitiger Mobilität. Nach Bruno Latour machen die 'immutable mobiles' die Überlegenheit westlicher Institutionen aus und haben Anteil an der modernen Reinigungs- und Ausdifferenzierungsarbeit, die Latour in seinem Buch Wir sind nie modern gewesen ausgiebig untersucht und kritisiert hat. Im Prozess des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan 'Kathrina', den Anne Dölemeyer in ihrem Beitrag untersucht, zeigt die Autorin wie Daten, Texte und Karten als Verbündete mobilisiert werden. Durch diese Verbündeten wird Wissen sichtbar gemacht, abgeglichen und kombiniert. So agieren die Grafiken und Karten als Machtinstrument, Knotenpunkt und Repräsentation und versammeln NutzerInnen, Vergangenheit und Zukunft in politischen Aushandlungsprozessen. Erhard Schüttpelz zeigt, dass ausgehend vom Postulat einer allgemeinen Symmetrie teleologische, sozial- und technikdeterministische Mediengeschichten und ''Medien-Ursachen-Setzungen'' (S. 244) fragwürdig werden. Dies lässt sich an Bruno Latours Kodak-Studie nachvollziehen: Gegliedert in interdeterministische Schritte können für jeden historischen Zeitpunkt Verflechtungen aus technischen, natürlichen, sozialen und diskursiven Ursachen festgestellt werden. Die medienhistorische Überprüfung der 'immutable mobiles', die Schüttpelz darauf folgend vornimmt, macht die Beteiligung der modernen Medien an den drei Wissensformationen von Natur, Gesellschaft und Diskurs deutlich. Der Hamburger Schilleroper, 1889 als Zirkusgebäude in Auftrag gegeben, über 100 Jahre vielfältig genutzt und seit 2007 leer stehend, widmet sich Anke Rees in ihrem Artikel. Sie versucht, die Widerspenstigkeit des Gebäudes mit Begriffen der ANT zu erklären. Rees beschreibt ein verflochtenes Netz an Baumaterialien, EigentümerInnen, Nutzungsvorstellungen, Nachbarschaften und Behörden mit teils widersprüchlichen Interessen, aber auch die Atmosphären als Verbündete des Gebäudes, die bis jetzt zu dessen Erhalt beigetragen haben. Auffällig häufig ist der Bezug zu Michel Foucault, der in vielen Artikeln im Sammelband hergestellt wird. Verwiesen wird in diesen Beiträgen sowohl auf die Kombinierbarkeit, aber auch auf die Differenzen zu Begriffen und Konzepten Foucaults. Auch der eingangs erwähnte Beitrag von John Law weist auf die Nähe zwischen der Akteur-Netzwerk-Theorie und Foucaults Denkmodellen hin. Er bezeichnet in einer seiner Geschichtsschreibungen die ANT als ''empirische Übersetzung des Poststrukturalismus'' (S. 29). Thomas Foth gelingt es, Foucaults Analyse von Dispositiven mit der ANT in seiner Untersuchung von PatientInnenakten im Nationalsozialismus zu verbinden. Er fasst die Akte als AkteurIn innerhalb der Souveränitäts- und Disziplinarmacht Psychiatrie auf. Kombiniert mit anderen 'inscription devices' wie Checklisten, Thermometern, Waagen und Tabellen sind Akten beteiligt am Erstellen von dokumentarischen Biografien, in denen die PatientInnen sich selbst als psychisch Kranke anerkennen sollen. Umgekehrt kann das Ausbleiben von Aktenaufzeichnungen den Subjektstatus bedrohen, wie Foth am Beispiel einer Akte zeigt. In seinem Artikel ''Strategien ohne Strategen'' (S. 173), setzt Theo Röhle Michel Foucaults Modell der Dispositive in Kontrast zur ANT, in dem er dem Problem der Intentionalität in einer relationalen Perspektive nachgeht. Während Foucault zwischen den Ebenen Strategie und Taktik unterscheidet, bemüht sich die ANT alle Verbindungen und Übersetzungen auf einer Ebene darzustellen. Um Relationen zu beschreiben, ohne auf vorgängige Intentionen zurückzugreifen, habe in der ANT die Sprache eine große Last zu tragen, so Röhle. So werden in sprachlichen Kippfiguren die AkteurInnen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Resultat von Übersetzungsprozessen beschrieben. Metasprachliche Begriffe wie Handlungsprogramm oder AkteurIn sollen eine symmetrische Darstellung der Beteiligten ermöglichen. Auch Andrea Seier macht das Verhältnis zwischen Dispositiven und den Agenturen der ANT zum Thema ihres Beitrags und fragt dabei nach ihrer jeweils spezifischen Produktivität für die Medienwissenschaft. Einer der Unterschiede zwischen beiden Modellen liegt demnach in der Konzeption von Handlungsmacht. So lassen sich mit der Dispositivanalyse Rahmungen und Bedingungen untersuchen, die Handlungen anreizen, wahrscheinlich machen oder verunmöglichen. Mit der ANT geraten hingegen hybride Konstellationen aus Dingen, Apparaten und Menschen in den Blick, die in Handlungsketten aufgeschlüsselt werden können. Dass sich beide Modelle produktiv miteinander kombinieren lassen, zeigt Seier an dem Reality TV Format 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012). Zwei der Herausgeber des Sammelbands, Tobias Conradi und Florian Muhle, gehen in ihrem Beitrag auf die Möglichkeit der Kritik in den konkreten Fallstudien der ANT und auf das gespannte Verhältnis von Bruno Latour zu anderen kritischen Theorien ein. Im Umgang mit diesen Theorien schreibt Latour fort, was er selbst anderen Theorien zum Vorwurf macht: die Aufrechterhaltung der modernen Unterscheidung zwischen Natur und Kultur, Reduktionismus und den Gestus der Entlarvung. Den teils polemischen Abgrenzungen Latours, die als Teil einer Wissenschaftsstrategie gelesen werden können, stellen Conradi und Muhle den reflexiveren Ansatz von John Law gegenüber. In vielen Beiträgen wird das Postulat einer allgemeinen Symmetrie aufgegriffen, eine Weiterentwicklung der wissenschaftstheoretischen Überlegungen von David Bloor bzw. Thomas Kuhn. Richtiges und falsches Wissen muss mit den gleichen Kategorien erklärt werden, damit nicht richtige Einsichten naturalisiert und Irrtümer auf soziale Größen zurückgeführt werden. Diese Vorgaben wurden in Michel Callons und Bruno Latours Konzeption von Aktanten und menschlichen und nicht-menschlichen AkteurInnen übernommen und radikalisiert. Dominique Rudin kritisiert an Bruno Latours politischen Entwürfen in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft (2007) eine begriffliche Unschärfe zwischen dem Politischen und dem Sozialen und die Konzentration auf konsensorientierte, integrative Verfahren. Er sieht mögliche Verbindungen zwischen Jacques Rancières Prinzip der Gleichheit und der allgemeinen Symmetrie als Forschungsperspektive der ANT. Wenn AkteurInnen Gleichheit einfordern und dadurch bestehende Ordnungen in Frage stellen, wird die Symmetrie nicht nur von WissenschaftlerInnen, sondern auch von den AkteurInnen als Perspektive eingenommen. Durch diese Verschiebung lässt sich der Begriff des Politischen zur Analyse von existentiellen Konflikten, in denen neue Entitäten auftauchen und ihren Anteil einfordern, schärfen, so Rudin. Jahn-Hendrik Passoth versucht in seinem Beitrag die Denktraditionen der Praxistheorie und der ANT, die häufig als unvereinbar einander gegenübergestellt werden, zu verbinden. Er legt dar, dass der Fokus auf Multiplizität, Komplexität, Symmetrie, und Fragmentierung, den die ''postplurale ANT'' (S. 268) setzt, eine Stütze der praxäologischen Heuristik werden kann. Durch die Übernahme des Symmetrieprinzips in den Praxisbegriff kann Praxis als Zusammenspiel von Körpern und Artefakten analysiert werden, das weitere Praxis ermöglicht oder einschränkt. Die Verflechtungen von Viren, Zellen, Menschen, Tieren, Technologien und Verfahren und die Transformation etablierter Strukturen verfolgen Wiebke Pohler und Michel Schillmeier in ihrer ''Topologie von (Un)sicherheitsstrukturen'' (S. 51). Sie beschreiben die Atemwegserkrankung SARS, die 2003 die Gefahr einer Pandemie darstellte, als kosmo-politisches Ereignis, durch das Praktiken in Krankenhäusern, in der Wissenschaft und an Flughäfen verunsichert und neu konstituiert werden. SARS erscheint als hoch virulentes, komplexes Netzwerk, das tradierte Beobachtungs-, Erklärungs- und Interpretationsmuster und Routinen menschlichen Zusammenlebens radikal in Frage stellt. Der Einblick in laufende Debatten, Anwendungsbereiche und Weiterführungen der ANT ist eine Stärke des Sammelbandes. Es wird deutlich, dass die Akteur-Netzwerk-Theorie sich nicht nur der Herausforderung stellt, materiell und diskursiv heterogene Beziehungen in den Blick zu nehmen, sondern auch sehr unterschiedliche Forschungsbereiche zu Dialog und Widerspruch provoziert. Das Konzept der Automatismen kommt leider etwas zu kurz. Ein stärkerer Fokus darauf hätte dem Sammelband eine deutlichere Richtung geben können.
EDITORIAL Con sumo agrado presentamos el octavo número de DIDÁSKOMAI. REVISTA DE INVESTIGACIONES SOBRE LA ENSEÑANZA, correspondiente al año 2017. La revista se inscribe en el Departamento de Enseñanza y Aprendizaje del Instituto de Educación de la Facultad de Humanidades y Ciencias de la Educación de la Universidad de la República y tiene como finalidad la difusión de los resultados de investigaciones desarrolladas en el campo educativo. A través de la difusión del trabajo heurístico de los investigadores DIDÁSKOMAI procura contribuir con los debates teóricos y prácticos producidos en el ámbito académico y educativo. En este marco, se ofrecen producciones provenientes de los estudios didácticos y curriculares así como la interrelación de la enseñanza y la educación con otras disciplinas. En este esfuerzo editorial, el énfasis que se ha procurado impulsar es la inscripción del campo de la educación y la enseñanza en la tradición humanística y científica. Por ello se ha buscado que la revista sea una publicación arbitrada en el marco de los procesos de validación que la comunidad académica ha establecido como legítimos. A partir del número 5, la revista ha sido incluida en el sistema de indexación de LATINDEX. Es pertinente señalar que los artículos publicados abordan diversos tópicos vinculados con la reflexión teórica y con diversos recortes fenoménicos del complejo y no lineal campo educativo. Los enfoques que se desarrollan se sustentan en diferentes disciplinas y abordajes conceptuales que habilitan la interrogación crítica de los fenómenos y amplían los marcos de comprensión de estos. DIDÁSKOMAI a lo largo de siete años ha alternado números abiertos y temáticos así como un dossier. Particularmente, en este número se ofrecen cinco artículos temáticos, cuatro vinculados a diversos tópicos, dos notas de investigación y dos reseñas. Los trabajos temáticos se relacionan con investigaciones y revisiones de las políticas de segunda generación aplicadas en educación básica en el Uruguay a partir del 2005. Estas políticas educativas, denominadas por algunos investigadores de inclusión, han diseñado diversos programas y dispositivos de trabajo con el objetivo de inscribir a todos los sujetos de la educación en el ámbito escolar. La actualización del mandato moderno y la pansofía comeniana que se reflejan en estas políticas, en la actualidad, se enfrentan a nuevas tensiones vinculadas con los procesos de segregación de los sujetos que viven en situación de pobreza y con las dificultades y alteraciones producidas en los procesos de transmisión cultural. En este sentido, la enseñanza y las tareas educativas desarrolladas en la educación básica colisionan con necesidades de socialización y contención de los sujetos de la educación. En este contexto, tres de los artículos temáticos incluidos en este número son fruto del trabajo de la línea de investigación "Políticas Educativas, Curriculum y Enseñanza" del Departamento de Enseñanza y Aprendizaje del Instituto de Educación. El texto de Balmelli, Conde y Melgar, "El Plan de Formación Profesional Básica en el marco de la inclusión educativa: principales tensiones en el discurso docente", analiza las alteraciones a la forma escolar que este plan plantea así como las tensiones entre enseñanza / contención y el lugar que adquieren los sujetos de la educación. A partir de un exhaustivo trabajo de campo e indagación en torno a los discursos docentes sobre la implementación del plan, sus propuestas curriculares y el rol docente los autores aportan elementos analíticos que permitan re-pensar la educación en clave de justicia e igualdad. El trabajo de Fernanda Ventós, "Sentidos de la trayectoria escolar. Desvíos encontrados entre los trayectos y la experiencia", ofrece los principales hallazgos de un estudio cualitativo realizado a estudiantes del Plan de Formación Profesional Básica. En este se analizan los sentidos educativos que construyen los estudiantes a lo largo del curso así como la posibilidad de intervenir en la construcción de estos. Desde una comprensión mutuamente configurante entre el orden estructural y subjetivo de los sentidos la autora identifica aquellos históricos que se relacionan con los mandatos sociales e institucionales, los emergentes que se articulan con las singularidades de los recorridos y los móviles. Estos últimos dan cuenta del carácter no fijo del interés así como de la posibilidad que los docentes -y la relación pedagógica que se configura en la enseñanza -tienen en los procesos de alteración de los sentidos. Por su parte, el artículo de Valeria Píriz, "El vínculo educativo y los procesos de ligazón en educación media básica: las voces de docentes y estudiantes. Estudio exploratorio en dos liceos públicos de Montevideo", articula aportes del psicoanálisis y de la pedagogía para analizar los procesos de configuración del vínculo educativo. Desde este ángulo analítico identifica el lugar que tienen los fenómenos transferenciales en este vínculo educativo. Estos procesos incidirían - dificultando o facilitando - en el encuentro entre el deseo de enseñar del docente y el deseo de aprender de los educandos. Desde este abordaje, el vínculo y los procesos transferenciales se ubican en un lugar neurálgico para que el educando acepte la plaza que la enseñanza le ofrece y asuma el lugar de sujeto de la educación. El artículo de Clarisa Flous, "Discursos en políticas y programas de inclusión educativa en la enseñanza media básica en Uruguay (2005‑2012)", analiza la construcción de los discursos de las políticas y programas de inclusión educativa en enseñanza media básica en Uruguay. En él se efectúa una interesante discusión en torno al concepto de inclusión educativa y sus distintas interpretaciones; también se presentan algunas explicaciones en torno al problema estudiado. El último artículo temático es el de Caballero "Revisión sistemática a 10 años del Plan Ceibal en Uruguay". Este trabajo repasa los principales hallazgos que las investigaciones han producido en torno al proceso de implementación del Plan Ceibal vinculados al acceso y uso de la tecnología. En esta línea se enfatiza la disminución de la brecha digital que el plan ha producido en el conjunto de la sociedad al tiempo que se subrayan las dificultades y desafíos que se han operado en el uso educativo de las ceibalitas. Las cinco producciones temáticas, si bien recortan problemas diversos, se articulan en torno a las políticas de inclusión educativa en enseñanza básica en Uruguay. En los últimos lustros, estas políticas han promovido, con diversa suerte, procesos de integración e igualdad en el campo educativo. Los artículos reseñados aportan elementos valiosos para el ámbito académico y para el campo de las políticas educativas en tanto exploran, desde diversas miradas, las dificultades y obstáculos de alguna de estas políticas. Asimismo se identifican dispositivos y procesos que podrían potenciar el desarrollo de los programas y las políticas estudiadas. En la sección de artículos abiertos se encuentra el de Southwell y Colella, "Profesionalización y emancipación en el trabajo de enseñar: la potencia de una posición política". En él se indagan los modos en que se ha caracterizado el significante profesionalización de los docentes y, a su vez, se analizan las tensiones que se producen entre los diversos significados. Finalmente, el artículo establece un interesante diálogo entre los distintos sentidos otorgados al significante docente profesional con la figura del maestro ignorante de Jacques Rancière. En esta sección también se ubica el texto de Edh Rodríguez, "Entre enseñanza y transmisión, la epimeleia heautou en clase". El autor a partir de la recuperación de las nociones foucaultianas de epimeleia heautou y parrhesia analiza críticamente la inclusión de algunos conceptos freudianos en los programas de Formación Docente en Uruguay. El artículo de Mora, "Pensando las luchas como campo de saber", es un ensayo que se inscribe en un enfoque de la cultura corporal para abordar las interrelaciones que se producen entre las ciencias del deporte, la Educación Física y las luchas. Esta sección se cierra con el texto de Jorge Rettich, "Didáctica y experiencia en la Modernidad: una relación a partir de la instrumentalización del lenguaje". El autor ubica al lenguaje como un instrumento de la didáctica y la experiencia con el objetivo de discutir una posible reconfiguración de la enseñanza. En la sección de nota de investigación se encuentra el trabajo de Andrés Risso, "La formación en enseñanza, una mirada a partir de las teorías pedagógicas". Desde una perspectiva teórica de la enseñanza, se presenta un avance exploratorio en torno a los vínculos que se operan entre la formación de quienes enseñan y las teorías pedagógicas. Finalmente, la nota de investigación de Croci, "Entre el saber diagnóstico y el no saber del maestro ignorante: una experiencia", presenta algunos de los hallazgos de una investigación etnográfica en un liceo de la zona metropolitana. Específicamente, analiza - desde los aportes críticos de Foucault y de Rancière - la experiencia de un estudiante con diagnóstico de "dificultades de aprendizaje" en un taller de escritura de invención en la asignatura de Literatura. En la sección de reseñas se presentan dos libros. Pablo Martinis refiere a la producción de Eloísa Bordoli, "La construcción de la relación pedagógica en la escuela uruguaya. Sujetos, saber y gobierno de los niños", publicado por la FHCE en 2015. El libro recoge una investigación de la autora en torno a los procesos de construcción de la relación pedagógica en la escuela primaria desde una perspectiva teórica que articula aportes de la "teoría de la enseñanza como acontecimiento discursivo" con la perspectiva de la "gubernamentalidad" de Foucault. La segunda reseña realizada por Raumar Rodríguez presenta el libro de Cecilia Seré y Alexandre Fernández Vaz, "Políticas del cuerpo, gobierno de la ciudad: el retorno a la democracia en Uruguay", publicado en 2017 por ISEF-CSIC. El libro recoge resultados de una investigación realizada por Seré Quintero bajo la orientación de Fernández Vaz; el trabajo se centra en el análisis de aspectos vinculados al cuerpo en la política contemporánea en la ciudad de Montevideo, en el período de transición entre la dictadura cívico-militar y el retorno a la democracia. Dra. Eloísa Bordoli Por Equipo de Dirección
318 p. ; Libro Electrónico ; Entre las bondades que Google difunde de sí misma no están las 133 webs censuradas en Europa, el sometimiento a las presiones censoras del Gobierno chino o la cancelación de la publicidad del grupo ecologista Oceana 36 para evitar problemas con uno de sus inversores: la Royal Caribbean Cruise Lines. Solo tres ejemplos de como Google Corporation viola los principios de neutralidad y libertad de acceso y expresión en la Red para salvaguardar sus propios intereses. La imagen sobria y luminosa de su página principal oculta un reverso más prosaico y turbio en el que se adentra El lado oscuro de Google. «Don't be evil» (no seas malo), el lema de cabecera de la multinacional que quiso ser un «gigante bueno», entra en abierta contradicción con la agresividad de su política empresarial. El fichaje multimillonario del directivo de Microsoft Kai Fu-Lee, depositario de importantes secretos industriales, o la oferta de 50 millones de dólares a AOL a cambio de romper su contrato con Yahoo!, muestran hasta qué punto Google ha asimilado las reglas de juego de las grandes corporaciones. Pero en su estrategia de expansión, Google también se aprovecha de la filosofía del software libre para su propio beneficio. Hace un uso selectivo del código abierto para modificar programas cuyas mejoras no hace públicas, pone a disposición libre de los programadores herramientas que le permiten controlar y apropiarse del trabajo realizado con ellas, y ofrece a sus trabajadores un 20% del tiempo de trabajo para investigaciones propias, que pasan a ser propiedad exclusiva de la empresa. Desde que en 1996 Larry Page y Sergei Brin desarrollaron uno de los algoritmos más famosos y mejor guardados del mundo, el Page Rank(TM), Google ha consolidado su carácter de gran empresa hasta convertirse en el principal aspirante al monopolio de la información en la era digital. Esto, en parte, ha sido posible gracias a los gigantescos ingresos proporcionados por un modelo de publicidad personalizada, basada en los perfiles que la máquina Google dibuja de los usuarios, utilizando el rastro que éstos dejan con el empleo diario del buscador y otros servicios de uso gratuito. El colectivo Ippolita muestra la clara ambición hegemónica de Google y, con ella, uno de los principales peligros de nuestra era: la concentración en unas pocas manos del acceso a la información y la tecnología, poniendo en riesgo un sinfín de derechos ya coartados en el mundo material y seriamente amenazados en el espacio virtual. ; Ippolita adopta una perspectiva crítica para analizar el fenómeno desde una posición política democrática, es decir autogestionaria. ¿ Como contemplar la historia de Google, su funcionamiento y la lógica de su planteamiento global ? Por supuesto de manera ambivalente, recogiendo los matices de lo que es a la vez una oportunidad y un peligro. La oportunidad es el campo de posibilidades que abre un motor de búsqueda muy rápido y eficaz que pone de manera gratuita la información y los recursos de manera gratuita al usuario. Las virtudes de Google en este sentido son claras y no hace falta insistir. Sí hay que hacerlo en cambio en el segundo aspecto, el de los peligros. ¿ Qué hay detrás de esta empresa flexible, que mima a sus empleados y en la que todo el mundo quiere trabajar ? ¿ qué podemos decir de este ambiente informal, híbrido de empresa y campus universitario ? ¿ es realmente Google "el gigante bueno" abierto y democrático que quiere potenciar la libre y rápida circulación de información ? ¿ hemos de agradecerle el que nos brinde sus servicios de manera gratuita y desinteresada ? El recorrido del libro desmonta estos tópicos a través de análisis rigurosos y críticos imprescindibles para entender los entresijos ocultos de Google. Y también de la lucha feroz y despiadada ( totalmente en contra de la imagen de capitalismo blando que pretende vender) contra los otros gigantes, como Microsoff o Yahoo!. Muy interesante es la diferencia entre software open (abierto) y free ( libre) que a veces se confunden pero que vale la pena diferenciar, ya que el primero sirve para introducir en la economía de mercado a través de empresas como Google el trabajo abierto y de colaboración de los hackers. Hay que superar muchas dicotomías binarias como privado/público, verdadero/falso, subjetivo/objetivo sin no queremos quedar encerrar en las opciones que nos plantea el sistema. La lucha del ciberespacio es entre la autogestión y el control, entre la construcción de redes libres y el dominio a través de la información y los filtros que la jerarquizan y la censura determinada por intereses políticos y económicos. Tenemos ejemplos : webs censuradas, cancelación de publicidad que violan los supuestos principios de neutralidad de Google. Hay otro elemento crítico presente en el libro sobre el que quiero insistir. Es la propuesta de una cultura científico-humanista e incluso técnica para la gestión de la red abierta y no académica. La ideología tecnocrática-académica-empresarial que consolida el poder de los expertos al servicio del Capital y del Estado es hoy el principal enemigo de la democracia, que en términos reales no es otra cosa que la autogestión. Hay que ir hacia un saber científico-filosófico artesanal, basada en la razón común de los humanos de vincular la lógica, la experiencia y la información. Este es el desafió y libros como éste nos ayudan a conseguirlo. Pienso que vale la pena complementar este tipo de escritos con algunos más teóricos, tanto sobre la democracia radical ( Cornelius Castoriadis, Jacques Rancière) como con análisis más sobre el ciberespacio, como por ejemplo los de Slavoj Žižek. Tomado de. http://www.rebelion.org/noticia.php?id=121595 ; Introducción 9 I. Historias de motores 17 Motores de búsqueda 19 El nacimiento de Google: en el principio fue el garaje o, más bien, la universidad 23 Google.com: publicidad directa dentro de las páginas 29 El autoservicio publicitario: más allá de la burbuja de la new economy 33 Estilo, morfología y multiplicación de los servicios 34 Google, el gigante bueno, cotiza en Bolsa 40 Google, Inc.: el monopolio de la búsqueda 42 II. BeGoogle 49 La huida de cerebros a Google: la guerra por el control de la Web 51 Largas colas en las redes: las entrañas de la economía de la búsqueda, Google versus Microsoft 54 La guerra de los estándares 59 Arma n.º 1: Googleplex, el capitalismo blando 62 Arma n.º 2: perfeccionar la estrategia de la acumulación 67 Arma n.º 3: la imagen lo es todo, pero algo de filosofía no viene mal 69 Arma n.º 4: Google y el open source 74 III. Google open source 77 Teoría y prácticas: open no es free 79 Los hackers de Stanford 81 La era de la open source economy 84 Seducir a los hackers: autonomía, dinero fácil e instrumentos gratuitos 88 Ambientes híbridos entre universidad y empresa 96 IV. Algoritmos, ¡qué pasión! 99 Algoritmos y vida real 101 La estrategia de la objetividad 104 Spiders, base de datos y búsqueda 107 De la brand-identity a la interfaz participativa 111
An examination of the intertwined lives and writings of a group of prominent twentieth-century Jewish thinkers who experienced exile and migrationExile, Statelessness, and Migration explores the intertwined lives, careers, and writings of a group of prominent Jewish intellectuals during the mid-twentieth century--in particular, Theodor Adorno, Hannah Arendt, Walter Benjamin, Isaiah Berlin, Albert Hirschman, and Judith Shklar, as well as Hans Kelsen, Emmanuel Levinas, Gershom Scholem, and Leo Strauss. Informed by their Jewish identity and experiences of being outsiders, these thinkers produced one of the most brilliant and effervescent intellectual movements of modernity. Political philosopher Seyla Benhabib's starting point is that these thinkers faced migration, statelessness, and exile because of their Jewish origins, even if they did not take positions on specifically Jewish issues personally. The sense of belonging and not belonging, of being "eternally half-other," led them to confront essential questions: What does it mean for the individual to be an equal citizen and to wish to retain one's ethnic, cultural, and religious differences, or perhaps even to rid oneself of these differences altogether in modernity? Benhabib isolates four themes in their works: dilemmas of belonging and difference; exile, political voice, and loyalty; legality and legitimacy; and pluralism and the problem of judgment. Surveying the work of influential intellectuals, Exile, Statelessness, and Migration recovers the valuable plurality of their Jewish voices and develops their universal insights in the face of the crises of this new century
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"We live in mythical times but without knowing that we do." (Wendy Hui Kyong Chun, S. 59.) "Clearly the rise of search engines has fostered the proliferation and predominance of keywords and terms. At the same time it has changed the very nature of keywords, since now any word and pattern can become 'key'. Even further, it has transformed the very process of learning, since search presumes that a) with the right phrase, any question can be answered and b) that the answers lie within the database. The truth, in other words, is 'in there'." (Vorwort zur Reihe, S. vii-viii.) Die Wahrheit ist irgendwo da draußen drinnen. (Ein Mulder-Bot) Welche Vorstellung von Freundschaft/Nachbarschaft macht die Netzwerkforschung operabel? Was haben algorithmische Mustererkennung und Sternbilder gemeinsam? Leben wir bereits in der Singularität? Gibt es einen produktiven Moment der Paranoia? Diese rhetorischen Fragen sollen die Stoßrichtung des schmalen, aber dichten Bandes Pattern Discrimination umreißen. Die vier eng verzahnten Beiträge von Clemens Apprich, Wendy Hui Kyong Chun, Florian Cramer und Hito Steyerl kreisen dabei vorrangig um "biases" in der algorithmisierten Verarbeitung riesiger Datenmengen und somit um das Spannungsverhältnis des Begriffs 'diskriminieren' als Terminus technicus in der Informatik – im Sinne von auseinanderhalten, unterscheiden – und in seiner politischen Bedeutung als Ungleichbehandlung oder Ausschluss bestimmter Personengruppen nach soziologischen Kategorien (vorrangig 'Race', Gender, Klasse, Sexualität). Das Verhältnis lässt sich zu keinem Zeitpunkt der einzelnen Prozessschritte der Datenanalyse nach einer Seite hin auflösen. Somit geht es ganz grundlegend um die Verstrickungen von Ideologie und Technik. Diese Problemstellung an sich ist für eine Medienwissenschaft, so sie weder sozial- noch technikdeterministisch sondern sozio-technisch argumentiert, nicht neu. "What is new, though, is the fragmentation of largely stable knowledge sources into an atomized world of updates, comments, opinions, rumors, and gossip. In order to be able to filter information from this constant stream of data, we rely on algorithms, helping us bring order into our new media life" (S. 103). Die Datafizierung bzw. Mathematisierung der Welt; die Quantifizierung und Entdeckung neuer Korrelationen macht uns also abhängig von rechenbasierter Informationsverarbeitung. Die Autor*innen unterscheiden zwischen Daten, Information und Wissen/Erkenntnis. Daten sind sowohl Rohmaterial (obgleich immer schon präfiguriert) und Hintergrundrauschen, aus welchem Informationen mittels quantitativer Methoden auf Basis von Mustererkennung ('Pattern Recognition') erst gewonnen bzw. extrapoliert werden müssen. Daten begegnen uns ebenfalls als unvorstellbare Totalität der Beziehungen bei Steyerl und Chun und als das Lacan'sche Reale bei Apprich. Alle vier Beiträge durchziehen auf unterschiedlichen Ebenen Fragen der Subjektivierung. Den Anfang macht Hito Steyerl. In "A sea of data: Pattern Recognition and Corporate Animism (Forked Version)" widmet sie sich der Bedeutung der Mustererkennung für die Datenanalyse staatlicher und privatwirtschaftlicher Kontrollinstanzen und Institutionen. Dabei entfaltet sie ihre Problematisierung entlang zweier politischer Fabeln. Louis Althussers Polizist, dessen simple sprachliche Geste "Hey, du!" das basale Modell sozialer Kontrolle darstellt, wäre an den digitalen Verkehrskreuzungen, die von ca. 414 Billionen Bits pro Sekunde passiert werden, schlicht verloren: "On top of that he has to figure out whether they [Anm.: Bits] are sent by a spam bot, a trader, a porn website, a solar flare, Daesh, your mum, or what" (S. 1). Aber dieser Polizist aus einer vergangenen Zeit operiert längst nicht mehr allein, noch soll durch seinen Zuruf ein einzelnes Subjekt identifiziert und subjektiviert werden. Die sich veränderte Problemlage für Geheimdienste wie die NSA illustriert folgender Hilferuf: "Developers, please help! We're drowning (not waving) in a sea of data – with data, data everywhere, but not a drop of information" (S. 2). Hier kommt die Musterkennung zum Einsatz, im Kern geht es also darum, Signal (information) von Rauschen (excessive data) zu unterscheiden indem große Datenmengen analysiert werden um zuvor unbekannte, interessante Muster zu extrahieren (vgl. S. 2). Dass die Unterscheidung von Signal und Rauschen nicht bloß eine quantitative Verarbeitung, sondern immer auch eine qualitative Bewertung erfordert und somit hoch politisch ist, macht Steyerl mit Bezugnahme auf Jacques Rancière deutlich. Im antiken Griechenland wurde quasi ein politischer spam filter eingesetzt, der die Äußerungen männlicher, reicher Bürger als Rede (Information) definierte und jene von Frauen, Kindern und Sklaven als wirres Gebrabbel (Rauschen) (vgl. S. 3). Diese kategorische Filter- bzw. Reinigungsarbeit produziert Anomalien. Dirty data, fehlerhafte oder auch unbrauchbare Eingabedaten, bilden bei Steyerl daher auch das Eingeschlossene-Ausgeschlossene ab – das, was mit einer bestimmten Weltsicht nicht vereinbar ist, z. B. "rich brown teenagers" (vgl. S. 5). Analog zur Antike, die sich an Sternbildern orientierte, navigieren wir das Datenmeer ebenfalls mit Hilfe von ideellen Modellen und Mustern und orientieren uns an Ähnlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Steyerl plädiert nun nicht dafür, von jeglichen Kontrollmechanismen abzusehen, schlägt aber vor das gewaltige Datenmeer schlicht als "mess of human relations" zu akzeptieren (S.19). Florian Cramer widmet sich dem blinden Fleck der Datenanalyse als Determinismus eines Set-Ups, das nur scheinbar rein quantitativ-analytisch vorgeht. Sein Eingeschlossenes-Ausgeschlossenes ist die Hermeneutik, die Verdunkelung der Rolle qualitativ-subjektiver Interpretation für die Datenanalyse. "Crapularity Hermeneutics: Interpretation as the Blind Spot of Analytics, Artificial Intelligence, and Other Algorithmic Producers of the Postapocalyptic Present" stellt eine pointiert-polemische wie tiefgehende Analyse der Abgründe der digitalen Gegenwart dar. Cramer findet strukturelle Analogien für Big Data im Orakel von Delphi, standen doch die Priester ebenfalls vor der Frage, wie sie aus dem Strom aus (trancebasiertem) Kauderwelsch Sinn machen sollten (vgl. S. 23). Das Set-Up für Wahrsagerei im digitalen Zeitalter kennt keine Sprechakte bzw. Narrative mehr, die kritischer Exegese und semantischer Interpretation bedürfen, sondern Datensets, die mittels algorithmisierter "Analytics", also quantitativ-syntaktischen Operationen, enträtselt werden müssen (vgl. S. 24). Strukturell gesehen haben wir es jedoch immer noch mit Hermeneutik zu tun. Denn die Grenzen des Wissens bzw. der Interpretation legt der Algorithmus fest und somit liegt das epistemologische Kernproblem eigentlich eine Ebene tiefer, nämlich grundlegend in "using mathematics to process meaning" (vgl. S. 37). Folgerichtig sollten wir angesichts der Hoffnungen und Befürchtungen, die Künstliche Intelligenz (K. I.) weckt, die Perspektive ändern und nicht von einer eschatologisch-technischen 'Singularity' sondern der 'Crapularity' (Justin Pickard) sprechen, um der Fehleranfälligkeit und den Grenzen von K. I. Ausdruck zu verleihen (vgl. S. 40). Die Singularität versteht Cramer – wie auch Steyerl – dagegen als 'singularity of the market' und liest das Sillicon Valley als Chiffre für die Kulturindustrie des 21. Jahrhunderts, "with analytics of user-generated-content rather than content production as its (multibillion dollar) business model" (S. 35). Cramer spricht sich gegen eine offene Gesellschaft aus, die auf Gleichgewicht und Optimierung setzt und sich dabei vor dem Hintergrund gewaltiger Ausschlüsse errichtet. Behauptete Alternativlosigkeit, nichts Neues aber jede Menge Updates – die Gefahren für die Demokratie bringt er folgendermaßen auf den Punkt: "populist fascism against Big Data fascism" (S. 52). Wendy Hui Kyong Chun analysiert in "Queering Homophily" die Axiome der Netzwerkforschung und argumentiert, dass wir uns mit Identitätspolitik beschäftigen müssen, da Algorithmen reduktiv identitätslogisch operieren und Segregation ahistorisieren und verstetigen. Gleich und gleich gesellt sich gern – bei Chun nimmt der Kalenderspruch bedrohliche Züge an, liegt doch Homophilie, also die Liebe zum Ähnlichen, im Herzen des Bauplans von Netzwerken. Historisch bedingte Ungleichheiten, institutionelle Zwänge, Rassismus – Konflikte werden verdeckt und Diskriminierung naturalisiert, indem Hass in individuelle "Vorlieben" übersetzt und somit blackboxing mit der Vergangenheit betrieben wird (S. 75). Filterblasen und Echokammern sind das notwendige Resultat, wenn Prosumernetzwerke als homophile Nachbarschaften errichtet und Konsens, Komfort und Balance prämiert werden (ebd.). Dabei kartieren und verflachen Netzwerke realweltliche Phänomene, in dem sie zwei qualitative Ebenen von Verbundenheit, zwei zuvor diskontinuierliche Skalen verknüpfen: Strukturen auf Makro- und Verhalten auf Mikroebene (vgl. 70f). Dadurch entsteht eine 'grammar of action' (Phil Agre), jede individuelle Handlung, jedes individuelle Verhalten ist immer Teil eines größeren Musters oder Symptoms (vgl. S. 69). Wir werden somit konstant mit anderen verglichen und intersektional erfasst mit dem Ziel, prognostische Aussagen zu treffen. Dabei diskriminieren Algorithmen eben nicht nach essentialistischen Kategorien wie 'race/gender/class', da sie nicht auf Basis von Eigenschaften sondern von Handlungen und Verhaltensmustern operieren: "These algorithms, in other words, do not need to track racial or other differences, because these factors are already embedded in 'less crude' categories designed to predict industriousness, reliability, homicidal tendencies, et cetera" (S. 74/S. 65). Die Pointe ist entsprechend fies: Einerseits zwingen uns unsere digitalen Verhältnisse die Auseinandersetzung mit Identitätspolitik quasi auf, andererseits verrutschen uns die Angriffsflächen für Herrschaftskritik. Chun plädiert dafür, sich die Netzwerkanalyse zu eigen zu machen, um neue Hypothesen und Axiome zu kreieren und fragt beispielsweise, wie sich die Infrastruktur der Netzwerke ändern würde, wenn nicht Konsens, sondern Konflikt und größtmögliche Differenz konstitutiv wären. Clemens Apprich skizziert die Zielsetzungen und Argumente des Bandes im Vorwort und fasst diese mit "Data Paranoia: How to Make Sense of Pattern Discrimination" erneut zusammen. Paranoia war bereits bei Steyerl Thema, oder vielmehr eines deren Symptome: Apophenia, die Fähigkeit, Muster wahrzunehmen, auch wenn keine vorhanden sind, etwa Gesichter in Wolken. So lege etwa Googles Deep Dream Generator das Imaginäre unserer digitalen Erfassungssysteme und die Funktionsweise der Musterkennung neuronaler Netzwerke offen, die aus den Tiefen des Datenmeers nur jene Chimären heraufziehen können, die sie zuvor trainiert wurden zu erkennen (vgl. S. 9). Bei Apprich stellt Paranoia zum einen ein objektivierbares Phänomen jeglicher Medienbeobachtung dar. Je komplexer die Vermittlung, desto grundlegender der Verdacht, schließlich können wir immer nur die symbolische Oberfläche wahrnehmen und der submediale Raum bleibt strukturell verborgen (vgl. S. 104). Zum anderen ist Paranoia aber auch ein spezifisches Phänomen unseres aktuellen Medienwechsels – "from mass media to social media logic" (S. 116.) . Schließlich hat die Entstehung unterschiedlicher Teil-Öffentlichkeiten durch Social-Media Plattformen zum Verlust der Möglichkeit der Bezugnahme auf eine gemeinsame symbolische Ordnung geführt. Auch Chun fragte zuvor, über welchen Wahrheitsbegriff wir angesichts der flachen Ontologie unserer Netzwerke, die keine Kausalzusammenhänge aufdecken, sondern bloß Korrelationen hervorbringen und quantifizieren, heute verfügen (vgl. S. 67). Aber hat die Postmoderne von der Wahrheit ohnehin nichts mehr wissen wollen? Apprich hält dem eigenen rhetorischen Einwand entgegen, dass wir eine gemeinsame Übereinkunft dessen, was wahr oder falsch ist benötigen, um überhaupt etwas wie objektive Realität – also eine Wirklichkeit, basierend auf intersubjektiv verhandelten Normen und Regeln – zu konstituieren (vgl. S. 108). Paranoia im Kontext dieses Medienwechsels stellt also einen Versuch einer Wiederaneignung der Welt dar, eine entfesselte Sinnproduktion "at a time where data simply outnumbers facts" (S. 106f). Mit Big Data hätten wir eine völlig neue Dimension von Wahrsagerei erreicht bzw. sind in ein neues Zeitalter der Interpretation eingetreten, denn "data by definition can be interpreted in this or that way" (S. 108). Wie an mehreren Stellen angemerkt, geht es den Autor*innen vorrangig darum, den ideologischen Horizont von Big Data aufzuzeigen und somit den Digital Humanities ihr dringlichstes Forschungsgebiet zuzuweisen. In den einzelnen Beiträgen wird so auch keine defätistische Haltung eingenommen, sondern immanente Kritik geübt. Nahezu friktionsfrei aufeinander aufbauend, werden Kernargumente öfters wiederholt; Steyerl und Cramer fokussieren primär auf Datenverarbeitung, Chun und Apprich verstärkt auf Netzwerkforschung, stets steht jedoch die Verknüpfung epistemologischer und demokratiepolitischer Fragen im Vordergrund. Die auffällige Bezugnahme auf die griechische Mythologie erinnert dabei nicht nur daran, dass ältere geisteswissenschaftliche Disziplinen hilfreiche Analysewerkzeuge für die Auseinandersetzung mit Big Data und unseren digitalen Kulturen bereithalten. Die Analogieschlüsse legen umgekehrt die Vermutung nahe, sich ebenfalls (wieder) in einem mythischen Zeitalter zu befinden, da "alghorithmic computation no longer intellegible to the human mind" sei (S.101). Pattern Discrimination kann als Versuch gelesen werden, kritische Theorie auf die Netzwerkforschung anzuwenden sowie im erweiterten Sinn eine Ideologiekritik des Plattformkapitalismus zu formulieren.