Renaissance des "klassischen" Austromarxismus?
In: Marxismus und Arbeiterbewegung: Josef Schleifstein zum 65. Geburtstag, p. 95-105
Die ideologische Entwicklung der Sozialdemokratie in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland ist gekennzeichnet durch eine Abkehr vom Marxismus und eine Hinwendung zu bürgerlichen Ideologien und Theorien. In beiden Parteien haben sich jedoch immer wieder Gruppierungen entwickelt, die versuchen, an marxistische Traditionen und Denkansätze anzuknüpfen. Hier spielt vor allem die Orientierung an den Theorien des linken Austromarxismus eine Rolle, wie sie auf der Otto-Bauer-Tagung in Wien 1978 zum Ausdruck kam. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem Otto Bauers Konzeption eines Gleichgewichts der Klassenkräfte, "das allein einerseits demokratische Rechte der Arbeiterklasse innerhalb des noch bürgerlichen demokratischen Rechtsstaats verbürgt, andererseits aber auch der Entfaltung der Hegemonie der abhängig arbeitenden Klasse als Mittel zur Durchsetzung des Sozialismus dienen kann". Diese Theorie des friedlichen Übergangs zum Sozialismus muß allerdings erweitert werden um den Faktor der internationalen Machtverhältnisse. Neue potentielle Aktualität erhält Bauers Konzept vom Gleichgewicht der Klassenkräfte durch die Entwicklung eines internationalen Kräftegleichgewichts zwischen kapitalistischem und sozialistischem Lager nach dem Zweiten Weltkrieg. (IB)