Wie progressive Konzepte entpolitisiert werden
In: Entpolitisierung der Politikdidaktik?: politische Bildung zwischen Reform und Gegenreform
Der Aufsatz analysiert die Gründe, die zu einer Entpolitisierung progressiver Konzepte des Politikunterrichts in den letzten Jahren geführt haben. Er klärt zunächst das Demokratieverständnis, das sowohl diesen Konzepten als auch ihrer Einführung an den Schulen zu Beginn der 70er Jahre zugrundeliegt. Es begreift Demokratie nicht als formale Repräsentation - bei diesem Verständnis wird Politikunterricht als Institutionenkunde betrieben - sondern als gesellschaftlichen Prozeß, der alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfaßt. Der Versuch, "mehr Demokratie zu wagen", dem als Leitideen Kritikfähigkeit, politische Beteiligung, Emanzipation zugrunde lagen, hat jedoch so große Widerstände hervorgerufen, daß Politiker wie Didaktiker sich auf pragmatisch-resignative Positionen zurückzogen und das Theorie-Praxis-Verhältnis so verbogen wurde, daß nun ein Primat der (Lehr-)methoden vor den Inhalten besteht. Der Begriff Emanzipation wird durch den der Rationalität verdrängt, so als sei das ein Gegensatz. Auch wird unter Berufung auf das Grundgesetz eine Entpolitisierung betrieben, so als sei emanzipatorischer Unterricht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Analyse zeigt, daß beides nicht der Fall ist. (MH)