Vom "Sozialstaat" zur "Sozialpolitik" und zurück zum "Staat": Überlegungen am Beispiel der bevorstehenden Krise der umlagefinanzierten Alterssicherung
In: Spaltungen der Gesellschaft und die Zukunft des Sozialstaates: Beiträge eines Symposiums aus Anlaß des 60. Geburtstages von Hans-Hermann Hartwich, S. 25-38
In dem Beitrag wird der Wechsel vom "Sozialstaat zur "Sozialpolitik" untersucht, der konzeptionell als der Wechsel von einem gesamtgesellschaftlichen, ordnungspolitischen, aktiven Gestaltungswillen zu einer an einzelnen Interessen und einzelnen Problembereichen im wesentlichen reaktiv intervenierenden Politik konkreter Maßnahmen der Bewältigung oder Kompensation von Problemlagen gesehen wird. In der Wende vom "Sozialstaats"-Diskurs zu dem der "Sozialpolitik" liegt die Gefahr einer konzeptionellen Fragmentierung einzelner policy-areas begründet, die sich am Ende lediglich noch in Einzelüberprüfungen auf ihre Angemessenheit und interessenmäßige Formierung hin untersuchen lassen. Am Beispiel der zukünftigen Alterssicherung werden einige Argumente dafür vorgebracht, warum eine solche fragmentierte Sozialpolitik zukünftig kaum in der Lage sein wird, die ordnungspolitischen Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene bewußt politisch aktiv zu gestalten und durchzusetzen, die notwendig wären, um aus der derzeit sichtbaren, bloß reaktiven und das Problem der Alterssicherung in konzeptioneller Isolierung betrachtenden "Rentenpolitik" herauszugelangen, von der sich alle Experten einig sind, daß die mittelfristig in einer politischen Katastrophe wird enden müssen. Es wird gezeigt, daß der Wechsel des Diskurses vom "Sozialstaat" zur "Sozialpolitik" nicht nur die Aspekte der Verteilung von ökonomischem Besitz und gesellschaftlichen Privilegien weitgehend aus dem Blick geraten sind, sondern vor allem die Vorstellung einer staatlichen Verantwortlichkeit für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozesse, insbesondere auch der weiteren Zukunft. Vor diesem Hintergrund wird abschließend die Frage diskutiert, ob es eine Möglichkeit der Wiederanknüpfung an das Sozialstaatspostulat als einem Mittel der auf Synthese gerichteten Reintegration der auseinanderstrebenden und sich in spezialistische Einzeldiskurse ausdifferenzierten international vergleichenden Policy-Forschung gibt. (KW)