Rassismus und Raum bedingen sich gegenseitig. (Neo-)Rassismus bedient sich raumtheoretischer Konzeptionen, um sich selbst zu konstituieren und zu legitimieren. Carolin Mehnert greift diese bisher kaum beachtete Korrelation auf, um ein relationales und reziprokes Raumverständnis als anti-rassistische Denk-, Sprech- und Handlungsweise gegen eine absolutistische Containerraum-Vorstellung produktiv zu machen. Wieso braucht Rassismus, um an sein konsequentes Ende zu gelangen, nicht nur ein biologistisch-naturalisierendes Moment, sondern gleichermaßen eine Verortung in einem absoluten und eindeutig geographisch zu fassenden Raum?
Der Beitrag unternimmt den Versuch, mit Blick auf Probleme des Multikulturalismus legitime von illegitimen Formen der Identitätspolitik zu unterscheiden, und konzentriert sich dabei auf die Frage, wie in praktischer Hinsicht den neuen Gestalten eines zugleich "heterophilen" und "mixophoben" Neo-Rassismus entgegengetreten werden kann, ohne dem Eigensinn nach kollektiver Identitätssuche pauschal eine Absage zu erteilen. Das theoretische Vokabular, das zum Zweck des Verständnisses der verschiedenen Formen kollektiver Identitäten und ihrer Politisierung entwickelt wurde, ist mittlerweile differenziert und ausgefeilt. Die Autorin präsentiert zunächst ausgewählte Positionen aus dieser vielfältigen Literatur. Im Zentrum stehen dabei illegitime kollektive Bindungen an eine Nation oder eine ethnisch verstandene Gruppe. Die Ausführungen gliedern sich in vier Abschnitte. Zunächst stehen Positionen im Mittelpunkt, deren Fokus rassistische, und damit eindeutig als illegitim ausgewiesene Identitätsaffirmationen sind - jene Identitäten also, die im Extremfall "mörderisch" werden. Im Anschluss daran geht es um den Stellenwert, den Identitätstheorien dem Moment der Abgrenzung zuschreiben - und damit um den Stellenwert jenes Moments, das beim Umschlagen kollektiver Identitäten in Rassismus eine zentrale Rolle spielt. Abschließend folgen Überlegungen zur Frage, wie der Gefahr eines solchen Umschlagens begegnet werden kann. (ICA2)
Die "Alternative für Deutschland" (AfD) erreicht durch zahllose Beiträge auf Facebook, Twitter, YouTube oder Instagram mehr Menschen als jede andere Partei in Deutschland. Als erste digitale Massenkommunikationspartei gelingt ihr – durch das Zusammenspiel von Provokation in journalistischen Massenmedien und Emotionalisierung in ihren eigenen digitalen Medien – die Maximierung öffentlicher Aufmerksamkeit. Der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Johannes Hillje zeigt mit dieser empirischen Analyse erstmals, wie die AfD ihre Kommunikation in Mobilisierung und Wahlerfolge verwandelt. Im Zentrum seines Buchs steht die Frage nach der kollektiven Identität, nach dem einenden Band zwischen Partei und Anhängerschaft, das die AfD mangels gesellschaftlicher Verankerung durch ihre Social-Media-Kanäle knüpfen muss. Das »Wir« der AfD besteht demnach primär aus soziokulturellen Merkmalen und birgt gesellschaftlichen Sprengstoff: Es wendet sich gegen Andere und ist emotional sowohl negativ ("Wir, die kulturell Bedrohten") als auch positiv ("Wir, die Retter unserer Kultur") aufgeladen.
Der Aufsatz analysiert die politische Kultur der BRD vor allem im Hinblick auf eine nationale Identität, die als Grundlage staatlicher Stabilität angesehen wird, und er stellt fest, daß es an einer solchen Identität mangelt. (MH)
"Kollektive Identitäten werden konstruiert. Jede und jeder ist frei, eine Geschichte über Europa zu erzählen. Losgelöst von der Fiktion eines europäischen Demos könnte soziale Gerechtigkeit als visionäre europäische Identität dienen." (Autorenreferat)
Die Europäer sind gewohnt, in Begriffen der Verschiedenartigkeit zu denken - einer Vielfalt von Sprachen, Kulturregionen, Religionen und religionsinternen Konfessionen und natürlich und vor allem einer Vielzahl von Nationen. Letzteres hat das europäische Denken und die europäische Imagination lange und machtvoll geprägt, dass Europa als eine Realität, die mehr ist als ein Konglomerat aus Nationen, für Europäer ein Problem darstellt und dass die Europäer sich selbst problematisch sind. Ein Europäer zu sein ist alles andere als selbstverständlich. Um die Frage nach einer "europäischen Identität" zu beantworten, zeigt der vorliegende Beitrag, dass sich sinnvoll von einem Europa sprechen lässt, welches sich nicht darin erschöpft ein Kontinent oder ein politischer Verbund zu sein, sondern das darüber hinaus ein den einzelnen Nationen komplementäres und sie überlagerndes kulturelles und historisches Gebilde eigener Art darstellt. So verstanden, lassen sich all die Unterschiede zwischen Europa und seinen Nachbarn als Komponenten der europäischen Identität ansehen. Es lässt sich von einer historisch gewordenen, europäischen Identität sprechen, durch die sich Europa vom Rest der Welt unterscheidet. (ICA2)
Der vorliegende Beitrag untersucht zwei konträre Positionen in Frankreich in Zusammenhang mit der europäischen Integration. Bei der anstehenden Ratifizierung des Europäischen Verfassungsvertrages stehen sich Anhänger und Gegner der europäischen Integration unversöhnlich gegenüber. Die Befürworter des Vertrages betrachten ihn als eine Möglichkeit, nationale Ziele in einer sich globalisierenden Welt mit europäischer Hilfe verwirklichen zu können, die Gegner des Vertrages sehen in ihm eine tödliche Bedrohung der französischen Identität. Der Autor befasst sich zunächst mit dem Begriff der nationalen Identität in Frankreich und unterscheidet dabei das republikanische und das traditionalistische Nationenverständnis. Das zweite Kapitel untersucht die Krise des republikanischen Nationenverständnisses und die europapolitischen Auseinandersetzungen darum. Abschließend wird auf die zukünftige Entwicklung in Zusammenhang mit der europäischen Frage eingegangen. (ICD)
"Der Beitrag diskutiert die Bedeutung kollektiver Identität mit Blick auf türkische Migranten in Deutschland. Auf der Grundlage ausführlicher Interviews wird über Anzeichen für eine differenzierte kollektive Identität türkischer Migranten berichtet, die insgesamt nicht im Widerspruch zu einer gelingenden gesellschaftlichen Integration steht. Ein Bezug auf die Migrantengemeinschaft steht für die meisten nicht in Konflikt mit einer positiven Orientierung auf die deutsche Gesellschaft. Zwischen der ersten und zweiten Generation deutet sich überdies eine Transformation der Muster kollektiver Identität an. An die Stelle einer unmittelbaren Gruppenbeziehung tritt eine bewusster gewählte individuelle Identifikation." (Autorenreferat)