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Der Erste Weltkrieg formte die Ordnung Europas grundlegend neu. Gebietsabtretungen wie im Falle des Deutschen Reichs und der Zerfall der alten Imperien (Österreich-Ungarn, russisches Zarenreich, Osmanisches Reich) führten dazu, dass sich viele Menschen in völlig anderen Staaten wiederfanden. Auch die Weimarer Republik trat in dieser Hinsicht ein herausforderndes Erbe an. ... mehr Der Beitrag Die Integration der "Grenzlandvertriebenen" – ein absehbarer Fehlschlag erschien zuerst auf Demokratiegeschichten.
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Das Konzept des demokratischen Rechtsstaates, bisher einigendes Fundament und Leitprinzip der europäischen Einigung, steht heute im Zentrum einer kritischen Debatte, die die Grundlagen des europäischen Friedensprojektes zu gefährden droht. Weltweit und insbesondere in Europa wächst die Sorge um den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Werte. Populistische Bewegungen gewinnen an Einfluss, indem sie einfache Antworten auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit anbieten. Diese Bewegungen finden vor allem bei denjenigen Anklang, die sich inmitten des raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels nach Sicherheit und Beständigkeit sehnen. Sie neigen dazu, sich Lösungen wie nationaler Abschottung und der Etablierung autoritärer Regime zuzuwenden, um ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln (vgl. Möllers 2018, S. 7).Seit der Flüchtlingskrise 2015 haben populistische Strömungen in verschiedenen europäischen Ländern an Zulauf gewonnen. Ungarn und Polen sind prominente Beispiele, in denen rechtsnationale bis rechtsradikale Parteien an die Macht gekommen sind. Diese Regierungen stehen im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Europäischen Union, einschließlich der Achtung der Menschenwürde, der Demokratie, der Freiheit, der Gleichheit und der Rechtsstaatlichkeit. Der Umbau des Staatswesens in diesen Ländern zeigt sich insbesondere in der Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz, der Verfassungsgerichtsbarkeit und der Medien (Bundeszentrale für politische Bildung 2022).Besonders in Ungarn, wo seit Viktor Orbáns zweiter Amtszeit im Jahr 2010 ein schleichender Prozess des Demokratieabbaus zu beobachten ist, wird die Bedeutung der Medienregulierung für die demokratischen Strukturen und die politische Landschaft offensichtlich. Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Problematik und beleuchtet, wie die Regulierung der Medien in Ungarn demokratische Prozesse und die politische Szenerie des Landes beeinflusst.Die Arbeit beginnt mit einer grundlegenden Definition des Begriffs "Medien" und einer Erörterung ihrer primären, sekundären und tertiären Funktionen im politischen Raum. Anschließend wird die Nutzung der Medien als Instrument der Regierungskommunikation und als Mittel der Machtsicherung untersucht. Eine Analyse der aktuellen Medienlandschaft in Ungarn, einschließlich der Einschränkungen der Pressefreiheit, der Meinungsvielfalt sowie der Kontrolle und Einflussnahme der Regierung auf die Medienorgane, bildet den Kern der Arbeit.Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Medienregulierung in Ungarn gelegt. Die Auswirkungen dieser Medienregulierung auf die Demokratie in Ungarn werden untersucht, um zu verstehen, wie Veränderungen in der Medienlandschaft die Grundpfeiler der Demokratie beeinflussen - die Bedeutung der Medien für eine demokratische Gesellschaft, die Einschränkungen der Demokratie durch Regulierungen in der Medienlandschaft und die politischen Auswirkungen auf das demokratische System. Abschließend wird in einem Fazit reflektiert, inwiefern die Medienregulierung in Ungarn als symptomatisch für eine Verschiebung weg von demokratischen Idealen gesehen werden kann.Ziel der Arbeit ist es, ein Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Medienregulierung und demokratischen Prozessen in Ungarn zu erlangen und damit einen Beitrag zur aktuellen Debatte über die Bedeutung liberaler demokratischer Werte in Europa zu leisten.Die Rolle der Medien in der PolitikDer folgende Abschnitt befasst sich mit der Rolle der Medien in der Politik. Im Mittelpunkt steht dabei die differenzierte Betrachtung der primären, sekundären und tertiären Funktionen der Medien. Mit Hilfe dieser Unterscheidung ist es möglich, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie Medien die politische Landschaft gestalten und beeinflussen. Durch die Analyse dieser Funktionen wird untersucht, wie Medien Öffentlichkeit herstellen, Informationen verbreiten, politische Akteure kontrollieren und zur politischen Sozialisation und Bildung beitragen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Medien und Politik vollständig zu erfassen. Primär-, Tertiär- und SekundärfunktionDie Macht der Massenmedien, bestehende Machtstrukturen herauszufordern, darf nicht unterschätzt werden. Durch die Sammlung, Aufbereitung und Verbreitung von Informationen, Wissen und politischen Ansichten wird die öffentliche Meinung wesentlich beeinflusst (Wittkämper, S. 37). Bereits in der Frühen Neuzeit erkannten der Adel und die Kirche als damalige Machthaber die potenzielle Bedrohung, die von den Medien ausging. Sie reagierten schnell und führten nach der Entdeckung des Buchdrucks Zensurmaßnahmen ein, um die zu druckenden Inhalte vorzuprüfen und ihre Herrschaft zu sichern (Strohmeier 2004, S. 69).In der heutigen Zeit spielen die Medien eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der politischen Realitäten, da sie in der Lage sind, die politische Macht entweder zu stärken oder zu untergraben (Strohmeier 2004, S. 69). Ziel der folgenden Ausführungen ist die Veranschaulichung des Einflusspotenzials der Massenmedien durch die Darstellung ihrer grundlegenden Funktionen.Gerd Strohmeier weist auf die Bedeutung der primären, der sekundären und der tertiären Funktion der Massenmedien hin. Die Primärfunktion besteht darin, Öffentlichkeit herzustellen, die entsteht, wenn direkte Kommunikationsformen bevölkerungsbedingt nicht ausreichen. Massenmedien ermöglichen eine schnelle und einfache Verbreitung von Nachrichten und füllen so diese kommunikative Lücke (Strohmeier 2004, S. 72).Die Kontrolle der politischen Akteure und die Verbreitung von Informationen gehören zu der Sekundärfunktion. Ziel ist die umfassende und verständliche Vermittlung von Inhalten und damit die Beeinflussung der Meinungsbildung. Zugleich haben Massenmedien die Aufgabe, das Verhalten der politischen Institutionen zu überwachen, Missstände aufzudecken und Kritik zu üben (Strohmeier 2004, S. 72f.).Die Tertiärfunktion der Medien umfasst drei wesentliche Aspekte. Erstens die Förderung der politischen Meinungs- und Willensbildung, zweitens die Integration und politische Sozialisation und drittens die Vermittlung politischer Bildung. Diese Aspekte unterstützen die Entwicklung der Persönlichkeit des Einzelnen und seine Integration in die Gesellschaft, fördern das Verständnis für das politische System und regen zur aktiven Teilnahme am politischen Leben an. Darüber hinaus haben die Massenmedien einen entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise, wie über bestimmte Themen nachgedacht und gesprochen wird, oft ohne dass sich die Menschen der Beeinflussung ihrer Meinungen durch die Medien bewusst sind (Strohmeier 2004, S. 73f.).Medien als InstrumentIm nächsten Schritt unserer Analyse konzentrieren wir uns auf die Rolle der Medien als politisches Werkzeug. Dabei unterteilt sich unsere Betrachtung in zwei Schlüsselaspekte. Einerseits die Nutzung der Medien für Regierungskommunikation, durch die Regierungen ihre Botschaften vermitteln, und andererseits die Anwendung der Medien als Mittel zur Machtsicherung, wodurch Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen und politische Macht gefestigt wird.Medien als Instrument für RegierungskommunikationDie strategische Nutzung der Medien durch die Regierung wird vor allem in Bezug auf den Einfluss der Mediengesetzgebung auf die Demokratisierungsprozesse und die Politikgestaltung in Ungarn untersucht. Durch die gezielte Verbreitung politischer Botschaften und Entscheidungen interagieren Regierungen direkt mit der Bevölkerung, was nicht nur die Verbreitung von Informationen fördert, sondern auch die öffentliche Meinung prägt und politische Unterstützung generiert.Um den Rechtspopulismus zu verstehen, ist es notwendig, sich mit Cas Muddes Definition des Populismus auseinanderzusetzen, der Populismus als eine Ideologie betrachtet, die die Gesellschaft in zwei homogene und antagonistische Gruppen teilt: "das reine Volk" gegenüber "der korrupten Elite", wobei Politik als Ausdruck des allgemeinen Volkswillens verstanden wird (Mudde 2004, S. 543). Die Tendenz, dass rechtspopulistische Parteien seit den 1980er Jahren Wahlerfolge erzielen und sich etablieren, zeigt sich nicht nur in westeuropäischen, sondern auch in jungen Demokratien Osteuropas, einschließlich Ungarns (Geden 2006, S. 17f.).Rechtspopulisten positionieren sich als Vertreter der "schweigenden Mehrheit" in direktem Gegensatz zu den politischen und kulturellen Eliten und privilegierten Minderheiten, denen sie die Verfolgung partikularer Interessen vorwerfen (Geden 2006, S. 20f.). Ihre politische Rhetorik ist durch Vereinfachung und Komplexitätsreduktion gekennzeichnet, wobei sie sich organisatorisch von den etablierten Parteien abgrenzen, etwa durch die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Gruppen, die Initiierung von Volksentscheiden oder die Präsenz charismatischer Führungspersönlichkeiten (Geden 2006, S. 22).Ein zentrales Element rechtspopulistischen Denkens ist der "Ethnopluralismus", der besagt, dass sich ethnisch und kulturell homogene Völker nicht vermischen sollten, was eine inhärente Ungleichheit der Völker suggeriert und kulturelle Begegnungen als konfliktträchtig ansieht (Bruns et al. 2015, S. 12f.).Im spezifischen Kontext Ungarns unter der Führung von Viktor Orbán zeigt sich die kritische Rolle dieser Medienstrategien. Die Regierung Orbán hat Medienregulierung bewusst eingesetzt, um ein medienfreundliches Umfeld für regierungsnahe Nachrichtenquellen zu schaffen und gleichzeitig den Raum für kritische Stimmen einzuschränken (Mudde 2004, S. 543). Dies schränkt nicht nur die Vielfalt und Freiheit der Medien ein, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf demokratische Prozesse, indem es die Möglichkeiten für eine offene politische Debatte einschränkt.Diese strategische Nutzung der Medien für die Regierungskommunikation verdeutlicht die Doppelnatur der Medien in der Politik. Einerseits als Kanäle für die transparente Kommunikation politischer Inhalte und andererseits als Instrumente der Machtkonsolidierung, die die demokratischen Grundlagen untergraben können. Diese Dynamik ist entscheidend für das Verständnis der politischen Situation in Ungarn und der Rolle, die die Medienregulierung dabei spielt (Geden 2006, S. 17f.).Detlef Grieswelle betont in "Politische Rhetorik: Macht der Rede, öffentliche Legitimation, Stiftung von Konsens" die bedeutende Rolle der Rhetorik in der Politik. Rhetorik dient nicht nur der Durchsetzung und Legitimation von Macht, sondern auch der Kontrolle und Repräsentation von Interessen, was ihre Bedeutung als Instrument politischer Führung und Einflussnahme unterstreicht (Grieswelle 2000, S. 33). In diesem Zusammenhang ist die rhetorische Strategie des ungarischen Ministerpräsidenten von besonderer Relevanz, da mit ihr versucht wird, politische Legitimität für diese Vision zu schaffen und die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen (Bruns et al. 2015, S. 12f.).Medien als Werkzeug zur Sicherung von MachtUm zu verstehen, wie die Medien zum Machterhalt beitragen, ist die Rhetorik von rechtspopulistischen Figuren wie Viktor Orbán besonders aufschlussreich. Orbán nutzt plakative und skandalträchtige Kommunikationswege, um mediale Aufmerksamkeit zu generieren die nicht nur seine Präsenz in der Öffentlichkeit stärkt, sondern auch eine Mobilisierung seiner Anhängerschaft bewirkt (Schnepf 2020, S. 5). In seinen politischen Reden kehren bestimmte rhetorische Muster immer wieder, darunter die Verwendung von Antagonismen, die eine Konfliktsituation erzeugen, insbesondere durch die Gegenüberstellung von "Elite" und "Volk". Dabei wird das "Volk" als unterdrückt dargestellt, während die rechtspopulistische Partei als volksnah inszeniert wird (Mudde 2004, S. 543). Eine charakteristische Einfachheit in den Botschaften rechter Parteien wird von Bischof und Senninger hervorgehoben. Je weiter rechts eine Partei steht, desto einfacher ist ihr Programm (Bischof/Senninger 2018, S. 484). Solche Diskurse verwenden prägnante und leicht verständliche Formulierungen für ansonsten komplexe politische Sachverhalte, suggerieren einfache Lösungen und nutzen Dramatisierungen und Metaphern. Insbesondere werden Migrant*innen durch metaphorische Vergleiche abgewertet (Hogan/Haltinner 2015, S. 533) und es wird auf die Bedrohung der nationalen Identität durch ethnische Minderheiten und Migrant*innen angespielt, ein Vorgehen, das Ruth Wodak als "politics of fear" beschreibt (Wodak 2015, S. 2).Diese Elemente rechtspopulistischer Rhetorik finden sich in Orbáns Äußerungen deutlich wieder, wie einige seiner Reden und Interviews exemplarisch zeigen. Besonders deutlich wird dies in seiner Darstellung von Migration als Bedrohung für das ungarische Volk, wobei er einen alarmistischen Ton anschlägt, um die migrationskritische Haltung der Regierung zu untermauern und ein Klima der Angst zu erzeugen: "Europa wird von einer beispiellosen Masseneinwanderung bedroht. (...) Wir sprechen heute von Hunderttausenden, nächstes Jahr werden es Millionen sein, ein Ende ist nicht in Sicht" (Orbán, zitiert nach Mendelski 2019, S. 8). Orbáns Wortwahl, in der er von der "Wahrheit" spricht, verdeutlicht seine Überzeugung von der Legitimität seiner Politik, wobei er durch Übertreibungen wie "Millionen", "massive Integration" oder "unerwartetes Ausmaß" eine Atmosphäre der Panik schafft.In einer Rede anlässlich seiner Vereidigung als Ministerpräsident präsentierte Orbán seine Vision einer Demokratie, die er als "christdemokratisch im 21. Jahrhundert" bezeichnete und damit ein stark von christlichen Werten geprägtes Bild nationaler Identität entwarf, das traditionelle Familienbilder bevorzugt und Homosexualität ausgrenzt. Diese Ausführungen zeigen, wie Orbán die Medien nutzt, um seine politische Botschaft zu verstärken und wie er die Medien als Instrument zur Sicherung seiner Macht einsetzt, indem er sich einer Rhetorik bedient, die sowohl mobilisiert als auch polarisiert, um seine Position zu festigen und Herausforderungen zu kontrollieren.Analyse der aktuellen Medienlandschaft in UngarnDer folgende Teil der Arbeit befasst sich mit der aktuellen Medienlandschaft in Ungarn. In der ersten Amtszeit Orbáns zwischen 1998 und 2002 gab es kaum Eingriffe in die Pressefreiheit, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Da Ungarn in dieser Zeit noch auf den EU-Beitritt hinarbeitete, vermied Orbán bewusst Auseinandersetzungen mit der Europäischen Union über Fragen der Pressefreiheit. Dies änderte sich jedoch in der darauffolgenden Amtszeit ab 2010 drastisch: Ein neues Gesetz wurde eingeführt, das staatlichen Stellen die Einflussnahme auf die Medien ermöglichte und deren Regulierung legitimierte. Fortan nutzte die Regierung Orbán die Medien gezielt für ihre politischen Ziele.Einschränkungen der Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in UngarnDas Beispiel Ungarns zeigt den Übergang von einem Demokratisierungsprozess zu einem schleichenden Verlust demokratischer Strukturen. Ursprünglich galt Ungarn aufgrund seiner politischen Fortschritte und wirtschaftlichen Stabilität in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren als Vorbild unter den EU-Beitrittskandidaten. Nach dem Fall der kommunistischen Einparteienherrschaft (1949-1989) und der Etablierung einer parlamentarischen Demokratie (ab 1990) unternahm das Land erhebliche Anstrengungen, um eine demokratische Staatsform zu etablieren. Wichtige Reformen dieser Zeit schufen unter anderem eine klare Trennung der Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) und die neue Verfassung verankerte Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz (Ismayr 2002, S. 310ff.).Seit 2010 hat Viktor Orbán mit seiner Fidesz-Partei jedoch einen politischen Kurs eingeschlagen der den zuvor eingeleiteten Demokratisierungsprozess nicht nur gestoppt, sondern in einigen Bereichen sogar rückgängig gemacht hat. Ein 2010 verabschiedetes Mediengesetz, das es staatlichen Stellen erlaubt, die Medien zu überwachen und bei Verstößen zu sanktionieren, markiert einen Wendepunkt in der Einschränkung der Pressefreiheit und ist ein zentraler Faktor im Demokratieabbau des Landes (Bajomi-Lazar 2018, S. 273ff.). Freedom House hebt hervor, dass von allen Kriterien zur Bewertung des Zustands von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gerade die Pressefreiheit in Ungarn die dramatischsten Einbußen zu verzeichnen hat (Bajomi-Lazar 2018, S. 273).Die ungarische Medienlandschaft hat sich seit der Regierungsübernahme durch Orbán und Fidesz sukzessive verändert. Die Regierung kontrolliert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die staatliche Nachrichtenagentur Magyar Tavirati Iroda sowie einen erheblichen Teil der privaten Medien, die sich im Besitz von Orbán nahestehenden Personen befinden. Im Rahmen einer umfassenden Umstrukturierung wurden 570 leitende Angestellte der Rundfunkanstalten durch der Fidesz-Partei loyale Mitarbeiter ersetzt (Bajomi-Lazar 2018, S. 275f.).Für die regionale Berichterstattung sind seit Sommer 2017 ausschließlich unternehmerfreundliche Medien zuständig. Mit der Schließung einiger kritischer Zeitungen, darunter die überregionalen Blätter Nepszabadsag und Magyar Nemzet, ist die kritische Berichterstattung landesweit nahezu zum Erliegen gekommen. Zudem werden Journalisten, die sich kritisch über Orbán und seine Regierung äußern, nicht selten auf "schwarze Listen" gesetzt, eine Praxis, die offensichtlich darauf abzielt, Kritiker einzuschüchtern (Bajomi-Lazar 2018, S. 280).Kontrolle und Einflussnahme der Regierung auf MedienorganeEin neues Medienpaket mit Änderungen des Medien- und Pressegesetzes trat am 01.01.2011 durch die Regierung Orban in Kraft. Dieses sorgte damals europaweit für Schlagzeilen. Die Rechtsstaatlichkeit des Gesetzes wurde von der EU-Kommission angezweifelt. Auf einige Aspekte soll im Folgenden kurz eingegangen werden.Die Unabhängigkeit der Medien wurde durch das Mediengesetz erheblich geschwächt. Das Mediengesetz sah unter anderem ein Verbot bestimmter Äußerungen vor und legte eine Registrierungspflicht für alle Medien fest. Es drohte die Löschung und der Entzug der rechtlichen Möglichkeit, in Ungarn zu publizieren, wenn der Registrierungspflicht nicht nachgekommen wurde. Dies galt auch für Medienunternehmen, die außerhalb Ungarns in anderen Staaten der Europäischen Union (EU) tätig waren.Die Aufsicht über die Medien wurde nicht mehr von verschiedenen Behörden, sondern von einem einzigen Medienkontrollgremium ausgeübt. Das Medienkontrollgremium war für die Verhängung von Geldstrafen bei "politisch unausgewogener Berichterstattung" (Möllers 2018, S. 47) zuständig. Hinzu kam, dass viele Journalistinnen und Journalisten, die für den staatlichen Rundfunk arbeiteten, entlassen wurden und beispielsweise privaten, regierungskritischen Medien erschwert wurde, eine Rundfunklizenz zu erhalten. Die EU konnte durch die Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens zumindest eine Änderung der "EU-Ausländer betreffenden Aspekte" (Möllers 2018, S. 47) erreichen.MediengesetzgebungNoch bevor Ungarn seine neue Verfassung verankerte, stand die Regierung aufgrund der Verabschiedung eines restriktiven Mediengesetzes unter Beschuss. Das Gesetz, welches im Januar 2011 in Kraft trat, beschränkt deutlich die Freiheit der Medien und Presse (Salzborn 2015, S. 76). Das Hauptziel dieser Maßnahme ist die Dominanz der Regierung Orbáns über das Mediengefüge. Zu diesem Zweck wurde die Nationale Kommunikations- und Medienbehörde ("KESMA") ins Leben gerufen. Diese Behörde und der Medienrat erhielten erweiterte Befugnisse zur Überwachung und Lizenzierung von Medienangeboten. Unter anderem ist die Nationale Kommunikations- und Medienbehörde verantwortlich für die Vergabe von Sendelizenzen und übernimmt Aufgaben im Bereich des Verbraucher- und Wettbewerbsschutzes. Eine der Hauptaufgaben des Medienrates ist die Gewährleistung einer Berichterstattung (Bos 2021, S. 38). Neben der Neustrukturierung des Medienwesens führte die Regierung ein Fördermodell ein, das regierungsnahe Medien durch staatliche Werbeverträge finanziell unterstützt.Nach den Wahlen im Jahr 2014 erwarben Unternehmer, die der Regierung nahestehen, zunehmend Medien der Opposition, die anschließend in die neu geschaffene "Mitteleuropäische Presse- und Medienstiftung" eingebracht wurden (Bos 2021, S. 38). So schaffte es die Regierung Orbán, einflussreiche Medien der Opposition zu marginalisieren oder vollständig vom Markt zu nehmen. Ebenso wurden Online-Nachrichtenplattformen in das System eingegliedert (Bos 2021, S. 39).Samuel Salzborn kritisiert insbesondere den rechtlichen Charakter des neuen Mediengesetzes, das vage Generalklauseln beinhaltet, welche sich auf unbestimmte Konzepte wie "gute Sitten" berufen. Diese Klauseln sind offen für Interpretationen und ermöglichen damit eine gewisse Willkür. Die Definition dessen was als "gute Sitte" gilt kann staatlich bestimmt und gegen kritische Berichterstattung eingesetzt werden, was deren Sanktionierung zur Folge haben kann (Salzborn 2015, S. 77).Auswirkungen der Medienregulierung auf die Demokratie in UngarnNachdem im vorangegangenen Kapitel die aktuelle Medienlandschaft in Ungarn dargestellt wurde, widmet sich der folgende Abschnitt den Auswirkungen der Medienregulierung auf die demokratische Verfasstheit Ungarns. Anhand konkreter politischer Maßnahmen der ungarischen Regierung wird untersucht, wie die Visionen Orbáns umgesetzt wurden. Darüber hinaus wird analysiert, inwiefern die rechtspopulistische Politik die Qualität der ungarischen Demokratie beeinflusst und verändert hat.Bedeutung der Medien für die demokratische GesellschaftIm Zentrum der Debatte um die Rolle der Medien in der demokratischen Gesellschaft Ungarns steht die Transformationspolitik Viktor Orbáns und seiner Fidesz-Partei, die seit ihrem Regierungsantritt eine umfassende Kontrolle über die Medienlandschaft ausüben. Die Regierung nutzt diese Kontrolle strategisch als Instrument der Regierungskommunikation, um eine fast ausschließlich positive Berichterstattung über ihre Handlungen und Entscheidungen sicherzustellen. Regierungskritische Stimmen finden kaum Gehör, stattdessen wird Kritik systematisch unterdrückt und negative Nachrichten werden in einem für die Regierung vorteilhaften Licht dargestellt. Die gezielte Durchführung von Desinformationskampagnen, die Bajomi-Lazar als "Propaganda" bezeichnet, ist ein weiterer Baustein dieser Medienpolitik (Bajomi-Lazar 2018, S. 280f.).Die Verpflichtung von Arthur J. Finkelstein, einem erfahrenen Kampagnenstrategen aus den USA, durch Viktor Orbán unterstreicht den gezielten Einsatz der Medien zur Meinungsbildung. Das Phänomen der Verbreitung von teilweise oder vollständig gefälschten Nachrichten ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal der ungarischen Medienlandschaft, die offene Zurschaustellung dieser Praktiken durch die ungarische Regierung ohne den Versuch, ihre Aktivitäten zu verschleiern, stellt jedoch einen klaren Bruch mit demokratischen Normen dar (Bajomi-Lazar 2018, S. 281).Diese Entwicklung wirft grundsätzliche Fragen nach den Auswirkungen der Medienregulierung auf die Demokratie in Ungarn auf. Die Einflussnahme auf die Medien und die damit einhergehende Unterdrückung pluralistischer Diskurse hat unmittelbare Folgen für die demokratische Gesellschaft. Indem die Medien als verlängerter Arm der Regierungskommunikation fungieren und kritische Berichterstattung marginalisiert wird, werden demokratische Grundwerte wie Meinungsvielfalt und Pressefreiheit massiv untergraben. Die strategische Manipulation der Medienlandschaft durch die Regierung Orbán verdeutlicht die Herausforderungen vor denen die Demokratie in Ungarn steht und unterstreicht die zentrale Rolle der Medienfreiheit als Grundpfeiler einer lebendigen und funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Einschränkung der Demokratie durch Regulierungen in der MedienlandschaftDie Regulierung der Medienlandschaft in Ungarn durch Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei hat weitreichende Folgen für die Demokratie im Land. Durch die systematische Übernahme und Anpassung der Medien an ihre Vorstellungen, insbesondere durch die Besetzung der Führungspositionen in den wichtigsten Medienorganisationen mit Verbündeten der Regierung, haben sie die Medien zu einem Instrument der Machtsicherung gemacht. Die Aufhebung der Unabhängigkeit der Medien ermöglicht es der Orbán-Regierung, die Berichterstattung vollständig für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren. Es dominiert eine einseitige Berichterstattung, die den Bürgern vor allem in den ländlichen Regionen wenig Spielraum lässt die Authentizität und Richtigkeit der präsentierten Nachrichten zu überprüfen. Die Bürger Ungarns stehen vor der Herausforderung, dass sie kaum Zugang zu alternativen Perspektiven oder kritischen Stimmen haben, was sie quasi dazu zwingt, den regierungsgesteuerten Nachrichten Glauben zu schenken (Bajomi-Lazar 2018, S. 281/282).Diese Einschränkung der Medienfreiheit und die Manipulation der Informationslandschaft durch die Regierung Orbán untergraben grundlegende demokratische Prinzipien, indem sie den freien Zugang zu Informationen einschränken und eine fundierte öffentliche Meinungsbildung verhindern. Durch die gezielte Meinungsmache und die Abschottung gegenüber kritischen Debatten werden die natürlichen demokratischen Kontrollmechanismen geschwächt und die Bevölkerung als Kontrollinstanz der Regierung faktisch entmachtet. Die Strategie, die Macht über die Medien zu festigen und dafür zu sorgen, dass keine Gegenmeinungen an die Öffentlichkeit gelangen oder Widerstand gegen politische Entscheidungen leisten können, ist ein deutliches Zeichen für den Missbrauch von Medienmacht zur Festigung autoritärer Strukturen.Diese Entwicklungen in Ungarn verdeutlichen die zentrale Bedeutung einer unabhängigen und pluralistischen Medienlandschaft für den Erhalt einer gesunden Demokratie. Die Einschränkung der Pressefreiheit und die gezielte Manipulation der Medien durch die Regierung stellen eine ernsthafte Bedrohung für die demokratischen Prozesse und die politische Freiheit im Land dar. Politische Auswirkungen auf das demokratische System UngarnsDie politischen Auswirkungen der Regulierung der Medien auf das demokratische System in Ungarn sind tiefgreifend und haben zu einer Verschlechterung der Qualität der Demokratie im Land geführt. Diese Veränderungen spiegeln sich in verschiedenen internationalen Indizes wider, die die demokratische Stabilität Ungarns bewerten. Der "Freedom in the World Index" von Freedom House stuft Ungarn als "teilweise frei" ein, da die Fidesz-Partei die Kontrolle über unabhängige Institutionen erlangt hat, was zu einer Schwächung der Aktivitäten von Oppositionellen, Journalisten, Universitäten und NGOs geführt hat (Freedom House 2021). Der "Nations in Transit Index" bezeichnet Ungarn sogar als "Transitional or Hybrid Regime" mit einem Wert von 49 von 100 Punkten, wobei 100 Punkte für eine funktionierende Demokratie stehen (Freedom House 2021b). Der Bertelsmann Transformationsindex beschreibt Ungarn als "defekte Demokratie", in den demokratischen Institutionen zwar existieren, aber eingeschränkt und ineffektiv sind (Bertelsmann Stiftung 2020, S. 13).Deutlich verschlechtert hat sich zudem die Platzierung Ungarns in der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen", wo das Land nur noch auf Platz 92 von 180 Ländern rangiert und die Situation der Pressefreiheit als problematisch eingestuft wird (Reporter ohne Grenzen 2021). Der "Rule of Law Index" des World Justice Project weist Ungarn den niedrigsten Wert in Osteuropa zu, weltweit liegt es auf Platz 60 von 128 (World Justice Project 2020).Diese Indizes und Bewertungen zeigen, dass die von Viktor Orbán vorangetriebene politische Transformation direkte negative Auswirkungen auf die Qualität der Demokratie in Ungarn haben. Einige Autoren wie Attila Ágh sprechen von der "ungarischen Krankheit" als antidemokratischer Herausforderung für die EU und beschreiben das Land als "worst case scenario" einer "elected autocracy" (Ágh 2015, S. 4, S. 16). János Kornai sieht in der Entwicklung seit Orbáns Amtsantritt eine Abkehr von Demokratie und Errungenschaften des Systemwechsels Ende der 1980er, einen "U-Turn" (Kornai 2015, S. 1). Samuel Salzborn identifiziert eine transformatorische Entwicklung hin zu einer Diktatur, bedingt durch rechtliche Veränderungen und eine zunehmende Ethnisierung der Innenpolitik (Salzborn 2015, S. 81).Andere Forscher sprechen von einem "hybriden Regime" und positionieren Ungarn in einer Grauzone zwischen Demokratie und Autokratie. András Bozóki und Dániel Hegedüs betonen, dass hybride Regime eine eigenständige Kategorie darstellen, die weder als Unterform der Demokratie noch der Diktatur zu verstehen ist (Bozóki/Hegedüs 2018, S. 1183). Attila Antal betont, dass das Orbán-Regime seine politische Anhängerschaft gezielt repolitisiert und den Rest der politischen Gemeinschaft depolitisiert hat (Antal 2017, S. 18).SchlussfolgerungDas Phänomen des Demokratieabbaus, beobachtet nicht nur in Ungarn, sondern weltweit und innerhalb Europas, unterstreicht eine kritische Herausforderung für die demokratische Ordnung vieler Staaten. Die systematische Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit in Ungarn seit Viktor Orbáns zweiter Amtszeit im Jahr 2010 zeichnet ein beunruhigendes Bild der Degradierung demokratischer Werte, das weit über die Grenzen Ungarns hinausreicht und die europäische Gemeinschaft insgesamt betrifft (Möllers 2018, S. 7; Ismayr 2002, S. 309ff.).Die zentrale Rolle der Medien in einer Demokratie, hervorgehoben durch ihre vielfältigen Funktionen wie die Schaffung von Öffentlichkeit, Informationsvermittlung, Kontrolle der Macht, soziale Integration und Bildung, unterstreicht die Bedeutung der Medienfreiheit für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft (Strohmeier 2004, S. 69ff.). Die Kontrolle über die Massenmedien zu haben bedeutet, einen entscheidenden Einfluss darauf zu besitzen, welche Informationen die Bevölkerung erhält und wie sie die politische Realität wahrnimmt.Ungarns Entwicklung seit 2010 unter der Fidesz-Regierung ist besonders alarmierend, da sie zeigt, wie gezielt Propaganda eingesetzt wird, um die Regierungsperspektive zu stärken und oppositionelle Stimmen effektiv zum Schweigen zu bringen. Die offene Ausführung dieser Maßnahmen und das scheinbare Desinteresse der Regierung, ihre Aktionen zu verbergen, verdeutlichen eine besorgniserregende Gleichgültigkeit gegenüber demokratischen Standards (Bajomi-Lazar 2018, S. 281f.). Trotz der Transparenz dieser Aktivitäten hat die Europäische Union bisher wenig Einfluss auf eine positive Veränderung nehmen können, was den Demokratieabbau in Ungarn weiter vorantreibt.Die Situation in Ungarn ist nicht isoliert zu betrachten, sondern stellt ein ernstes Problem für die EU dar, da es die konstitutionellen und demokratischen Grundlagen der Gemeinschaft untergräbt. Die aktuellen Entwicklungen in Ungarn sind ein Warnsignal und erfordern eine dringende und koordinierte Reaktion auf europäischer Ebene, um die Demokratie zu schützen und zu fördern. Die Frage, wie die Medienregulierung in Ungarn die demokratischen Prozesse und die politische Landschaft des Landes beeinflusst, lässt sich klar beantworten: Sie führt zu einer erheblichen Einschränkung der Demokratiequalität, indem sie die freie Meinungsäußerung untergräbt, die politische Pluralität einschränkt und die Kontrollfunktion der Medien schwächt.Die Hoffnung liegt nun darauf, dass die internationale Gemeinschaft und europäische Institutionen wirksame Maßnahmen ergreifen, um die demokratischen Prinzipien in Ungarn zu stärken und einen weiteren Demokratieabbau zu verhindern. Die Bewahrung der Medienfreiheit und die Sicherstellung einer pluralistischen und unabhängigen Medienlandschaft sind essenziell für die Aufrechterhaltung einer lebendigen und gesunden Demokratie, nicht nur in Ungarn, sondern in allen demokratischen Staaten. LiteraturverzeichnisÁgh, Attila. 2015. 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In diesem Beitrag stellt Rubina Di Stefano folgenden Text vor: Perintfalvi, Rita (2021): LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben aggressiver rechtspopulistischer und religiös-fundamentalistischer Angriffe und deren Kritik; in: LIMINA - Grazer theologische Perspektiven 4.1 (17.4.2021): S. 158-176, online unter: https://limina-graz.eu/index.php/limina/article/view/109. Der Text von Rita Perintfalvi thematisiert das Feindbild, das die LGBTIQ-Menschen sowohl für fundamentale Christen als auch für Rechtspopulisten darstellen. LGBTIQ-Menschen, wie beispielsweise homosexuelle oder transsexuelle Menschen, haben es in Ungarn nicht einfach. In Ungarn gibt es einen rechtspopulistischen Gesellschaftsentwurf und somit eine konkrete Vorstellung des Geschlechts und geschlechtlicher Identitäten sowie auch sexueller Orientierungen, die sich nicht mit den Vorstellungen der LGBTIQ-Community vereinbaren lässt. Sie schreibt darüber, wie der politische Autoritarismus die Religiosität als Manipulationsstrategie in der Politik instrumentalisiert. Denn religiöse Fundamentalisten beeinflussen die Politik und sowohl sie als auch politische Fundamentalist*innen bedrohen LGBTIQ-Menschen.Im Grunde bedeutet dies, dass Ungarns rechtspopulistische Ideologie eine illiberale christliche Demokratie zum Ziel hat, eine Gesellschaft, in der die Identitäten homogen, heterosexuell, weiß und christlich sind (vgl. S. 160). Deren Auffassung des Gesellschaftsentwurfs wird also von Rechtspopulisten aus religiöser Sicht begründet und verletzt die Menschenwürde der betroffenen Personen. Wie Perintfalvi in ihrem Text sagt, spricht "der ungarische Politikwissenschaftler András Bozóki im Fall von Ungarn über eine politische Fusion zwischen Nationalismus und Christentum" (S. 160). Nur auf diese Weise erzielen die Rechtspopulisten ihre christlich-nationale Identität.In Anbetracht der Situation wird deutlich, dass Menschen der LGBTIQ-Community also nicht als Teil der Gesellschaft gesehen werden. Auch Migrant*innen oder Obdachlose sind nicht willkommen, ein Teil der Gesellschaft darzustellen. Perintfalvi zeigt auf, dass auf diese Weise eine Spaltung des Volkes in die Gemeinschaft "Wir" und in "die Anderen" (welche nicht dazugehören) entsteht (vgl. S. 160). "Die Anderen" stellen ein Feindbild dar, welches bekämpft werden muss, um die ängstliche Gemeinschaft, die "Wir"-Gesellschaft, zu schützen und sie stabil zu halten. Denn was den Vorstellungen der Rechtspopulist*innen nicht entspricht, gilt als Bedrohung, und eine Bedrohung muss nun mal durch ein manipulatives Machtspiel bekämpft werden. Statt sich mit den wirklich wichtigen Themen der Politik auseinanderzusetzen, wird ein Feindbild gesucht, dessen Bekämpfung keine große Mühe erfordert. Seit 2020 gelten LGBTIQ-Menschen als gutes Feindbild in Ungarn, da sie eine Minderheit darstellen. Für Rechtspopulist*innen stellen sie in der Politik ein perfektes Opfer zum Attackieren dar.Schon 2010 gab es von den neuen rechtskonservativen Koalitionen in Ungarn eine Anti-Gender-Debatte. Es kam zu der Aufhebung der Geschlechtergleichstellung und ein Jahr später folgte eine Schutzpflicht für die Ehe, unter der nur die Ehen eines heterosexuellen Paares akzeptiert werden. Jedoch fokussierte sich die Regierung die darauffolgenden Jahre recht schnell auf ein neues Feindbild, das der Flüchtlinge, welches der Gesellschaft mehr "Angst" machte. Ab 2017 begann die Regierung wieder mit der Anti-Gender Attacke (vgl. S. 161-162) und 2020 hatten sie das neue Feindbild der LGBTIQ-Menschen und Communitys.2020 wurde in Ungarn das Pandemie-Notstandsgesetz verabschiedet, mit diesem kann der Präsident Orban ohne das Parlament regieren. Die rechtspopulistische Regierung setzte in dieser Zeit (des Ausnahmezustands) auch Beschlüsse durch, die nichts mit dem Corona-Virus zu tun hatten. Um das Feindbild der LGBTIQ-Menschen zu "bekämpfen", sorgen zwei Änderungen der Verfassung dafür, dass ihre Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden. Argumente, die diese Änderungen bestärken sollen, sind dabei rein religiös-fundamentalistisch. Beispielsweise wurden spätere Änderungen des Geschlechts als illegal erklärt (vgl. S. 165). Außerdem stimmte das Parlament einem Änderungsvorschlag zu, der "die Bewahrung und den Schutz der Selbstidentität des Kindes, die von Geburt an unveränderbar besteht, garantiert" (S. 165). Dies richtet sich deutlich gegen die Rechte transsexueller Menschen.In all diesen politischen wie auch religiös fundamentalistischen Debatten geht es nur darum, das veraltete und klischeehafte "Gesellschafts-, Familien-, Frauen- und Männerbild" (S. 162) beizubehalten. Es scheint, als würde die Veränderung in eine "moderne/neue" Gesellschaft Angst machen, weswegen sie eine radikale Gegenposition gegen sexuelle Minderheiten und die Emanzipation der Frau einnehmen (vgl. S. 162).Sie glauben beispielsweise daran, dass Homosexualität etwas Sündhaftes beziehungsweise eine Art Krankheit ist, und dass es unbestreitbar ist, dass es nur das von Gott gemachte und gewollte binäre Geschlecht gibt. Selbst wenn die Wissenschaft das Gegenteil beweist, scheint dies nicht relevant zu sein. Nicht nur fundamentalistisch-religiöse Gruppen, sondern auch die rechtspopulistische Politik leugnen jegliche wissenschaftliche Positionen sowie beispielsweise auch die Existenz intersexueller Menschen und die Tatsache, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt (vgl. S. 167). Es scheint, als wäre die Wissenschaft ebenfalls der Feind.Es zeigt sich in Perintfalvis Text sehr deutlich, dass in Ungarn wirklich eine Art Fusion von Nationalismus und Religion herrscht, in der sich Fundamentalisten und Rechtspopulisten gegenseitig stützen und die Menschenwürde bestimmter Personen verletzen.
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I. Was ist geschehen? Gar machtvoll dröhnte am Donnerstag, dem 22. Februar, das "Sturmgeschütz der deutschen Demokratie". Anscheinend erlegte Sabine Rennefanz in ihrer Kolumne im "SPIEGEL" einen üblen "Orbán-Versteher" und "Influencer der neuen Rechten" (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/werner-j-patzelt-der-orban-versteher-a-e964c785-38cc-4055-b0a6-7f68e056fd8a; Zugriff bei allen Links am 25- Februar 2024). Waidmanns Dank! Doch wie waidgerecht übte die Trägerin des "Deutschen Reporterpreises"...Weiterlesen Weiterlesen
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In diesem Beitrag stellt Amelie Brühl folgenden Aufsatz vor: Kovács, Kriszta / Scheppele, Kim Lane (2021): Rechtsstaat unter Druck. Ungarn, Polen und die Rolle der EU; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37/2021, S. 32-39, online unter https://www.bpb.de/apuz/herrschaft-des-rechts-2021/340009/rechtsstaat-unter-druck-ungarn-polen-und-die-rolle-der-eu. Der Artikel von Kriszta Kovács und Kim Lane Scheppele beschäftigt sich mit der Justiz in Ungarn und Polen. Es wird erklärt, wie es in den beiden Ländern dazu kommen konnte, dass die Unabhängigkeit der Justiz ins Schwanken geriet. Im Anschluss daran befasst sich der Text mit den Maßnahmen, die die EU in diesem Kontext ergriffen hat, und den Hintergründen für das Handeln der EU.Die beiden Autorinnen beginnen mit einer Zusammenfassung der Ereignisse in Ungarn. Dort gewann die Fidesz-Partei 2010 die Parlamentswahlen und erhielt zwei Drittel der Parlamentssitze. Eine Zweidrittelmehrheit im Parlament war für die Partei von Viktor Orbán ausreichend, um grundlegende Änderungen an der Verfassung Ungarns vorzunehmen. Unter anderem wurde das Verfassungsgericht geschwächt, indem neue Richterinnen und Richter sowie neue Präsidenten des Verfassungsgerichts alleinig von der Regierungspartei bestimmt werden konnten (vgl. S. 33).Als Richter durch ein Herabsetzen des Rentenalters dazu verpflichtet wurden, aufgrund ihres Alters in den Ruhestand zu wechseln, mischte sich die Europäische Kommission in den Vorgang ein. Sie brachte den Fall vor den Gerichtshof der EU, der entschied, dass das Gesetz gegen den ,,Schutz vor Altersdiskriminierung'' (S. 33) verstoße. Das Urteil hatte für Ungarn nur eine Entschädigungsleistung zur Folge, die Richter durften nicht zurück in ihre ehemalige Position kommen.Ein weiterer Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn stellte das ,,Nationale Justizteam'' dar, das unter anderem die Macht darüber innehat, Richter und Richterinnen zu entlassen. Das Justizteam wird von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt, wieder reichten also die Stimmen der Fidesz-Partei aus (vgl. S. 34).Aufgrund einer Änderung des Namens für den Obersten Gerichtshof, woraufhin sich die Richter neu um ihr Amt bewerben mussten, konnte der damalige Präsident des Gerichtshofs abgesetzt werden. Diesmal wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass dieser Vorgang nicht rechtmäßig war. Ungarn kam aber wieder mit einer Entschädigungszahlung davon (vgl. S. 34).Im Anschluss an die Zusammenfassung der Geschehnisse in Ungarn geht der Artikel auf die Justiz in Polen ein. Auch dort wurde die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts stark angegriffen. Die Regierungspartei konnte hier durch eine Reihe von Vorgängen, die im Artikel näher beschrieben werden, dafür sorgen, dass im Verfassungsgericht eine Mehrheit der Richter der Regierungspartei PiS nahestehen (vgl. S. 36).Durch ein Gesetz durfte der Justizminister Gerichtspräsidenten entlassen und andere Personen in diese Positionen einsetzen. Außerdem wurde auch in Polen das ,,Rentenalter für alle Richterinnen und Richter unterhalb des Obersten Gerichtshofs'' (S. 36) gesenkt. Im Laufe der Zeit konnte die polnische Regierung den Nationalen Justizrat, das Verfassungsgericht und den Obersten Gerichtshof kontrollieren und in die Hände der eigenen Partei geben. Mit dem sogenannten ,,Maulkorbgesetz'' können Richter für das Übergeben von Fällen an den EuGH sogar bestraft werden (vgl. S. 36).Auf die Zusammenfassung der Vorgänge in den beiden Staaten folgt das Beleuchten der Eingriffe der EU in das Vorgehen der Regierungen. Außerdem gehen Scheppele und Kovács im letzten Teil des Artikels auf die Frage ein, weshalb sich die EU nicht stärker für die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn und Polen eingesetzt hat.Als Unternehmungen der Kommission führt der Artikel auf, dass diese 2014 den ,,Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips'' (S. 34) verabschiedete, der von der nächsten Kommission jedoch nicht weitergeführt wurde. Es kam daher nicht zu einer Verwarnung Ungarns. Das Europäische Parlament leitete gegen Ungarn das Verfahren nach Artikel 7 EUV ein, welches eine Verwarnung an Ungarn nach sich ziehen würde. Die nötige Mehrheit für diesen Schritt konnte im Rat jedoch nicht erreicht werden. (vgl. S. 34f.)In Polen wurde die Kommission recht schnell aktiv und nutzte den ,,Rechtsstaatlichkeitsrahmen'', um ,,Warnungen und Empfehlungen" (S. 37) an Polen aussprechen zu können. Ein entscheidendes Urteil hat dann der EuGH gefällt. In diesem Urteil ging es darum, dass die Mitgliedsstaaten die Unabhängigkeit der Justiz schützen müssen. Daraufhin wurde von der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Ein Nichteinhalten des Urteils kann hohe Geldstrafen nach sich ziehen, dies muss jedoch von der Kommission herbeigeführt werden (vgl. S. 39).Als einen der wichtigsten Gründe dafür, dass die EU nicht besonders stark in die Geschehnisse eingreifen konnte, nennen die Autorinnen die Abhängigkeit der EU von den Mitgliedsstaaten. Einerseits wollten sich die Mitgliedsstaaten nicht gegenseitig verurteilen, aus Angst selbst verurteilt zu werden. Die Verfahren nach Artikel 7 EUV, die eine Verwarnung an den jeweiligen Mitgliedsstaat nach sich ziehen, benötigten außerdem den einstimmigen Beschluss des Rates. Eine solche einstimmige Entscheidung habe jedoch nicht erreicht werden können (vgl. S. 39).Außerdem erklären die Autorinnen, dass die EU nur beschränkte Zuständigkeitsbereiche innehat, sodass es ihr in einigen Bereichen unmöglich ist, in die nationale Politik der Mitgliedsstaaten einzugreifen. 2020 wurde eine Verordnung verabschiedet, die es zulässt, EU-Mittel zu verringern, falls diese im Land der Empfänger ,,falsch'' (S. 39) ausgegeben würden. Diese Verordnung lässt die beiden Autorinnen auf eine Besserung der Situation hoffen. Kovács und Scheppele schließen mit der Erkenntnis, dass die ,,nationalen Regierungen immer einen Vorteil gegenüber den EU-Institutionen'' (S. 39) hätten, wenn sie sich nicht an die vorgegebenen Regeln hielten. Indem die EU zu wenig für die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und Ungarn unternommen habe, habe sie ,,versäumt […]'' (S. 39), für europäische und demokratische Werte einzustehen und diese durchzusetzen.
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Mit dem Dekret 42294/2018 verfolgt die ungarische Regierung die Absicht, Gender-Studies an den Universitäten ihres Landes abzuschaffen – an der renommierten privaten Zentraleuropäischen Universität...
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Polens Präsident Andrzej Duda mit dem neuen Premier Donald Tusk auf einem Archivbild von Januar. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / newspixStück für Stück kommen neue Details der Überwachung mit der Spähsoftware Pegasus in Polen und Ungarn ans Licht. Selbst der PiS-nahe polnische Präsident soll ins Visier geraten sein. Derweil sorgt in Ungarn ein Begnadigungsskandal für ein politisches Beben – mit unerwarteten Kollateralschäden.
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In Deutschland findet schon seit Jahrzehnten ein Diskurs statt, der bei seinem österreichischen Nachbarn anklopft, aber nicht wirklich angekommen ist: Jener über Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache. Der fehlende rechtspolitische Diskurs lässt auf den ersten Blick vermuten, dass österreichische Abgeordnete nicht in eigener Sache entscheiden, sondern stets zum Gemeinwohl aller. Nüchtern betrachtet offenbart sich jedoch ein anderes Bild.
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In Österreich sind bereits seit Mitte der 1980er-Jahre obstruierende Aktivitäten der Oppositionsparteien im parlamentarischen Verfahren zu beobachten. Der Gesetzgeber und die parlamentarische Praxis haben seit den 1980ern unterschiedliche Instrumente entwickelt, um der Gefahr der Obstruktion der parlamentarischen Tätigkeit im Nationalrat[1] durch die missbräuchliche Ausübung von Minderheitenrechten zu begegnen, ohne gleichzeitig Minderheitenrechte völlig auszuschließen. Diese Abwägung ist nicht in allen Fällen geglückt und effektiv. Der Gedanke, dass im parlamentarischen Verfahren im Widerstreit von Mehrheit und Minderheit über unterschiedliche Interessenlagen ein politischer Konsens entstehen kann und soll, scheint dabei zusehends in den Hintergrund zu treten.
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In manchen europäischen Ländern haben Populisten bereits die Macht übernommen, wie beispielsweise in Italien, Ungarn oder Polen. Auch in Deutschland ist die AfD stark wie nie und gewinnt zunehmend an Popularität. Spätestens im Herbst 2024 finden in Österreich wieder Nationalratswahlen statt. Und laut aktuellen Umfragen liegt dort ebenfalls eine rechtspopulistische Partei vorne, und zwar die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) mit Kanzlerkandidat Herbert Kickl.
(INSA Austria 2023, Wahlumfrage vom 30.10. bis 02.11.2023, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-09/fpoe-oesterreich-rechtspopulismus-skandale)Doch wie hat es die FPÖ trotz vieler Skandale geschafft, zur beliebtesten Partei Österreichs zu werden und damit ein ernsthafter Anwärter auf die österreichische Kanzlerschaft zu sein? Daniel Harper mit seinem Artikel "A year away from national elections, Austria's far-right is more popular than ever" vom 06.10.2023, Christof Mackinger mit seinem Artikel "FPÖ in Österreich: Mit Antielitenkurs in die Regierung?" vom 08.09.2023 und Cathrin Kalweit mit ihrem Artikel "Österreich – Beziheung ja, Liebe nein" vom 25.06.2023 versuchen, auf diese Frage Antworten zu finden.Dazu ist ein Blick ins Jahr 2019 zurück hilfreich, als Heinz-Christian Strache, der damalige FPÖ-Parteivorsitzende und Vizekanzler, in einem Video erwischt wurde, wie er mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte über Großinvestitionen, politische Gefälligkeiten und Korruption spricht. Mit diesem "Ibiza-Skandal" verlor die FPÖ selbst bei ihren treuesten Anhängern an Glaubwürdigkeit. Infolgedessen trat Heinz-Christian Strache zurück und die Regierungskoalition wurde aufgelöst. Im Jahr 2020 erlebte die FPÖ deswegen ein Umfragetief und erreichte in Umfragen lediglich 11 %.Doch diverse Krisen verhalfen der FPÖ schneller zum Comeback als gedacht. Mithilfe der Corona-Pandemie gelang es der FPÖ, aus dem Umfragetief zu kommen. Die FPÖ stellte sich damals klar gegen die Politik der Regierung. Gegen Beschränkungen der persönlichen Freiheit in Form von Schließungen oder auch Impfungen wurde eifrig mit österreichischen Flaggen demonstriert und Stimmung gemacht. Die FPÖ konnte in dieser Zeit viele Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, dass sie die einzig wahrhaft "freie" Partei ist. Die Corona-Pandemie war für die FPÖ demnach der erste Schritt zurück zu alter Stärke.Ein weiterer entscheidender Faktor für das Wiedererstarken der FPÖ ist die anhaltende Schwäche der anderen Parteien, was sowohl Regierung als auch Opposition betrifft. Zum einen lässt sich da das Verhalten der Regierungspartei ÖVP nennen. Angefangen mit der Ukraine-Krieg kommt es immer mehr zu öffentlicher Kritik an der Regierungspartei aufgrund der explodierenden Preise und der vermeintlichen österreichischen "Neutralität". Als dann auch noch Kanzler Sebastian Kurz nach monatelangen Ermittlungen wegen Korruption zurücktrat, fanden viele frühere Anhänger den Weg zurück zur FPÖ. Zudem macht sich auch die stärkste Oppsitionspartei, die SPÖ, das Leben immer wieder selbst schwer. Interne Diskussionen um die Parteispitze sowie innere Streitigkeiten schwächen sie seit Jahren.Außerdem spielt das typisch rechtspopulistische Thema der Migration weiterhin eine entscheidende Rolle. Österreich, das an der Balkanroute liegt, verzeichnet jährlich eine hohe Zahl an Asylanträgen, weswegen Migration und Asyl ein präsentes Thema der österreichischen Politik darstellen. Die FPÖ sieht die steigenden Zahlen der Migration als große Bedrohung und wirbt teils mit fragwürdigen und rassistischen Kampagnen. Auch eine gewisse Neigung zum Rechtsextremismus wird der Partei immer wieder vorgeworfen. Gerade innerhalb der FPÖ-Jugend zeichnet sich ein deutlicher Rechtsruck ab.Trotzdem hat es die FPÖ in den letzten Jahren geschafft, ihre Beliebtheit zu stärken und ihre Wählerbasis zu erweitern. Das Vertrauen in die Regierung ist bei vielen Bürgerinnen und Bürgern am Tiefpunkt angelangt. Dies führt dazu, dass auch immer mehr Menschen der Mittelschicht die FPÖ wählen. Sie ist immer weniger eine "männerdominierte Partei der Globalisierungsverlierer" (Mackinger 2023), sondern eine Partei, deren Anhängerschaft immer "weiblicher, städtischer und wohlhabender" (Mackinger 2023) wird.Bis zur Wahl 2024 sind es zwar noch einige Monate und es ist unklar, ob die FPÖ ihre Popularität bis dahin halten kann. Doch die anhaltenden Krisen und inneren Streitigkeiten der anderen Parteien lassen darauf schließen. Die Landtagswahlen im größten Bundesland, Niederösterreich, und im wohlhabenden Salzburg haben gezeigt, dass die FPÖ nicht zu unterschätzen ist. Niederösterreich, wo die FPÖ die ÖVP zu einer Koalition gezwungen hat, obwohl Spitzenkandidatin Johanna Mikl-Leitner einen äußerst emotionalen Wahlkampf gegen die Zusammenarbeit geführt hat, zeigt die aktuelle Macht der österreichischen Rechtspopulisten.Und dann kam es überaschenderweise bereits zwei Monate später zur nächsten Koalition auf Landesebene. Auch in Salzburg hatte man sich von Seiten der ÖVP im Vorfeld kritisch gegenüber der FPÖ geäußert, im Endeffekt stellt diese schwarz-blaue Landesregierung nun die dritte ihrer Art dar. Auch deswegen ist die FPÖ-Regierungsbeteiligung auf Bundesebene in Österreich nicht unwahrscheinlich. In Brüssel wird man im nächsten Herbst jedenfalls gespannt nach Wien schauen, um zu sehen, ob ein weiterer europäischer Dominostein in Richtung Rechtspopulismus fallen könnte.Literatur:Harper, Daniel (2023): A year away from national elections, Austria's far-right is more popular than ever (euronews.com vom 06.10.2023). [Online verfügbar unter: https://www.euronews.com/my-europe/2023/10/06/a-year-away-from-national-elections-austrias-far-right-is-more-popular-than-ever], (zuletzt geprüft am 22.11.2023).INSA Austria (2023): Wahlumfrage 30.10 – 02.11.2023 (express.at vom 03.10.2023). [Online verfügbar unter: https://exxpress.at/was-macht-die-regierung-falsch-schwarz-gruen-nur-noch-bei-30-prozent/], (zuletzt geprüft am 22.11.2023).Kahlweit, Cathrin (2023): Österreich: Beziehung ja, Liebe nein (sueddeutsche.de vom 25.07.2023). [Online verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-fpoe-oevp-rechtspopulismus-1.6061474], (zuletzt geprüft am 22.11.2023).Mackinger, Christof (2023): FPÖ in Österreich: Mit Antielitenkurs in die Regierung? (zeit.de vom 08.09.2023). [Online verfügbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-09/fpoe-oesterreich-rechtspopulismus-skandale], (zuletzt geprüft am 22.11.2023).
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English In der Serie Berlin Perspectives veröffentlicht das Institut für Europäische Politik (IEP) Analysen der deutschen Europapolitik für ein englischsprachiges Publikum. Die Autor:innen beschreiben die deutschen Positionen und geben Empfehlungen.
Der jüngste Beitrag von York Albrecht erscheint auf diesem Blog in deutscher Übersetzung. Das englischsprachige Original ist auch auf der Website
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Orbán zu Besuch bei Scholz. Kurz vorher hatte er Anzeigen schalten lassen – auch in Deutschland. – Alle Rechte vorbehalten ImagoViktor Orbán betont gern, sich nicht in Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, und wirbt doch unverhohlen für die Wahl politischer Verbündeter. Jetzt kommt raus, wie massiv er kurz vor der Wahl in Polen und der Slowakei mit Online-Anzeigen Stimmung gemacht hat. Auch in Deutschland lief die Kampagne.
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Trägt zwar eine dunkle Sonnenbrille, ist aber kein böser Hacker: Thomas Lohninger. – CC-BY 2.0 Cajetan PerweinImmer wieder geraten Menschen oder Organisationen, die ethisch verantwortungsvoll Sicherheitslücken aufdecken, in den Fokus von strafrechtlichen Ermittlungen. Dieses Mal hat es Österreichs bekannteste Datenschutz-NGO epicenter.works erwischt. Die Ermittlungen wurden erst nach zwei Jahren eingestellt.
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Die immer wieder angefachte Diskussion um das Kopftuchverbot in deutschen und österreichischen Schulen kreist um die Frage, ob das Verbot eine Bevormundung, eine Einschränkung der Freiheit darstelle,...
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Österreichs Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will weniger brisante Infos aus privaten Chats in der Öffentlichkeit sehen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / photonews.atIn Österreich zielt die Kanzlerpartei ÖVP mit dem Datenschutz auf das Redaktionsgeheimnis. Sie will eine höchstgerichtlich angeordnete Reform nutzen, um unliebsame Berichterstattung von den Titelseiten zu bekommen. Investigative Medien laufen Sturm.