Das Unbehagen im Museum: postkoloniale Museologien
In: Ausstellungstheorie und Praxis 3
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In: Ausstellungstheorie und Praxis 3
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Die "intellektuelle Anschauung" erhebt um 1800 die Beziehung von Begriff und Bild zum Ausgangspunkt von Erkenntnis. Dabei wird problematisch, wie die Übereinstimmung von Begriff und Bild, die in der klassischen rhetorischen Evidenz noch garantiert war, verfasst sein kann. Aus dieser Konstellation entwickelt sich eine Vielzahl epistemischer Techniken zur Erzeugung von Evidenz. Die Beiträge des Bandes untersuchen diesen Komplex, die Vorgeschichte seit der Renaissance und die Nachspiele in der Gegenwart aus der Perspektive von Literatur-, Medien- und Theaterwissenschaft, Philosophie, Kunst- und Wissenschaftsgeschichte.
In: Topics in African studies 2
World Affairs Online
Eine der zentralen Debatten der Cultural Studies beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Medien und Identität. Die vorliegende Aufsatzsammlung liefert hier einen neuen Ansatzpunkt, indem ihre Beiträge Medien als Konstrukteure von Identitätsräumen verstehen. Unter dieser Perspektive werden folgende Themen behandelt: Welche »spaces of identity« ergeben sich aufgrund der medientechnologischen Entwicklungen? Kommt es zu einem Wiederaufleben nationaler Identitätsräume? Werden transnationale bzw. translokale Verortungen sichtbar? Welche Körper werden in den Medien repräsentiert und welche Geschlechterkonstruktionen werden damit vermittelt? Welcher Art sind die Identitätsräume, die im Cyberspace und in dessen virtuellen Umgebungen angeboten werden? Welche Bedeutung kommt Verstörungen normativer Muster durch die medialen Präsentationen von Homosexuellen und Transgenders zu? Mit diesen Fragestellungen gibt der Band spannende Impulse zu den Cultural Studies wie auch zu den theoretisch avancierten Gender und Media Studies.
Exzessive Gewaltdarstellungen in der heutigen Kunst haben ihren Ursprung in einem autonomieästhetischen Programm der Moderne, das es erst möglich macht, Gewalt zu ästhetisieren. In der Prosa Jung-Wiens kristallisieren sich um 1900 die unterschiedlichen kunstästhetischen Diskurse auch an bisher wenig erforschten Szenen der Gewalt heraus. Anhand verschiedener Texte der Jung-Wiener Autoren Schnitzler, Salten, Beer-Hofmann und Bahr geht André Reichart der Frage nach, ob die Gewalt als ausschließlich selbstreflexive ästhetische Darstellung existieren kann.
In: Historical social research: HSR-Retrospective (HSR-Retro) = Historische Sozialforschung, Band 44, Heft 3, S. 101-126
ISSN: 2366-6846
There is a peculiar relationship between contemporary poetry and perspectives that are deemed to be heretical by conservative audiences. This relationship is not fully accounted for by current anthropological theories of the secular. The field of literature has been successfully studied as a secular institution – both in the sense of the differentiation of institutions as well as in the sense of the subordination of the religious to the political. Such secularity appears as a rather safe, less controversial way to claim the power of some human entities in relation to God. Some poetry, by contrast, may be accused of heresy or unbelief even when written with pious intention. This suggests a dimension to being secular that is more offensive to conservative societal sensibilities, as it contrasts with deeply-held views on the proper form of the God-human relationship and the associated imaginaries, languages, and aesthetics. Based on a combination of ethnographic research in historical context and a theoretical focus on aesthetics and imagination of divine power as a constituent of human lives, it is proposed in this article that in addition to looking at state power, institutions, and the creation of a secular aesthetic normality, it is also necessary to look more closely at issues of faith, including heretical faith.
Das Wort Event erlebt seit nunmehr zwei Jahrzehnten eine steile Karriere. Events, als geplante, kontrollierte und letztlich auch inszenierte Ereignisse verstanden, deren Organisation zumeist professionellen Anbietern obliegt, durchdringen die Gesellschaft vom globalen bis zum lokalen und zum privaten Event. Da sie in aller Regel auf die Herstellung emotionaler Atmosphären der Übereinstimmung und des Einverständnisses angelegt sind, geraten diskursive Haltungen wie Zweifel, Nachfrage, Widerspruch und Kritik zunehmend ins Abseits. Parallel mit der Konjunktur der Events gewinnt in den pädagogischen Bereichen das Edutainment an Bedeutung. Wie verortet sich die Pädagogik gegenüber diesen Veränderungen? Kann sich die Souveränität der Subjekte in der eventisierten und medialisierten Welt von selbst einstellen, oder sollte hier auf Abstand und Innehalten gedrungen werden, um eine Souveränität zu stärken, die auch Mündigkeit meint? Vor diesem Hintergrund geht es in diesem Jahrbuch darum, unter verschiedenen Blickwinkeln und Aspekten hinter die Kulissen von Events und Edutainment zu schauen und kritisch zu fragen, wie und wohin die politische Kultur transformiert wird und welche Gegenbewegungen möglich sind. (DIPF/Orig.)
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In: kommunikation @ gesellschaft, Band 14
"Auf der Basis einer empirischen Untersuchung mit Schweizer Jugendlichen befasst sich der Aufsatz mit dem audiovisuellen Artefakt 'Handyfilm' und den mit seiner Herstellung, Verbreitung, Archivierung und Rezeption verknüpften sozialen Praktiken. Aufgezeigt wird, wie diese Praktiken sowohl mit der Kameratechnik des Handys als auch mit ästhetischen und formalen Aspekten von Handyfilmen verknüpft werden und wie sich jugendliche Akteure durch das Filmen und Gefilmt-Werden populär- und jugendkulturelle Diskurse aneignen und für ihr Identitätsmanagement fruchtbar machen. Handyfilme werden dazu historisch kontextualisiert und aus der Perspektive einer medienweltlichen Ethnografie interpretiert: Als integraler Bestandteil einer subjektivierten Dokumentation des Alltags und alltäglicher Kommunikation, die - so die These - sowohl Alltage konstituieren als auch als Instrument zur Alltagsbewältigung dienen." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 557-561
Die Autorin skizziert die Diskussion zur zukünftigen Nutzung ländlicher Räume und benennt Beispiele, welche darauf hinweisen, dass Landnutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft, Umweltschutz und touristischer Nutzung zunehmen werden. Begleitet wird dies nicht nur von einer Vervielfältigung von Landnutzungsformen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, sondern auch von einem Wandel der Landschaftsbilder. Ferner ist durch das Anwachsen territorialer Ungleichheiten ein Prozess der Peripherisierung festzustellen, der für viele Bewohner entlegener ländlicher Räume bedeutet, dass ihre Teilhabechancen an allgemein als erstrebenswert anerkannten Gütern wie Arbeitsplatz, Bildung und Gesundheitsversorgung schwinden und letztendlich die Handlungsspielräume bei der Gestaltung ihres Lebens weiter eingeschränkt werden. Die Peripherisierung ist jedoch nicht nur auf ländliche Räume bezogen, vielmehr finden Abkopplungsprozesse ganzer Quartiere ebenfalls in Städten statt. Gleichzeitig beginnen sich auch Raumbilder eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen. Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern belegen, dass als sehr ästhetisch empfundene Landschaften von verödeten Dörfern umgeben sind. Der vermutlich stark ansteigende Anbau von nachwachsenden Rohstoffen wird nach Einschätzung der Autorin die Vorstellungen von ästhetischen ländlichen Räumen noch einmal stark erschüttern. (ICI2)
In: SWS-Rundschau, Band 47, Heft 3, S. 260-283
'Die gesellschaftlichen Funktionen der Kunst sind vielfältig. Ausgehend von konkreten Analysen der Zuschreibung des Attributs 'Kunst', der ökonomischen Dimension von Kunstwerken und ihrer Rolle als Katalysator von sozialen Interaktionen konzentriert sich der vorliegende Beitrag auf drei Aspekte der Kunst: Kunst als Artikulation individueller und kollektiver Identitäten und Geltungsansprüche; Kunstwerke als Privatgüter und als kollektive Güter; Kunst als reflexions- und wissensgenerierendes Medium. Diskutiert werden die politische Bedeutung der Ablehnung oder Anerkennung von künstlerischen Geltungsansprüchen, der Zugang zu und die Werknutzungsrechte von künstlerischen Leistungen sowie die Bedeutung der Kunst als Lieferant von Denkanstößen und Innovationen.' (Autorenreferat)
In: Korea: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, S. 192-196
ISSN: 2510-6406
Wer in Seoul in ein Taxi einsteigt, kommt nicht selten in den Genuß, aus der serienmäßig im Preis des Hyundai, Daewoo oder Kia inbegriffenen Radio-Kassetten-Anlage eine Beethoven-Sinfonie, ein deutsches Lied oder Carmina Burana zu hören. Egal, wo er sich befindet, wird der Fahrgast am Straßenrand, zwischen all den koreanischen Buchstaben, Hangul genannt, das deutsche Wort "HOF" in lateinischen Buchstaben geschrieben sehen. Manchmal wird er auch "BEER HOF" lesen können, was deutlicher zu erkennen gibt, was sich hinter der Tür verbirgt. Wer einen von Südkoreas 600.000 deutschlernenden Oberschülern fragt, welche Deutschen er kenne, bekommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort die Antwort "Beethoven und Goethe" präsentiert. Auf die Anschlußfrage, welche deutschen Städte oder welche lebenden Deutschen der Schüler kenne, wird der Frager, sofern die auf deutsch gestellte Frage verstanden wird, sehr oft durch ein Schweigen enttäuscht werden.
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In: 27. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Soziologie - Gesellschaften im Umbruch: Sektionen und Arbeitsgruppen, S. 409-411
"Die erlebnisbetonte Leistungsgesellschaft stellt immer höhere Anforderungen und Ansprüche an ihre Mitglieder. Will man erfolgreich sein, müssen Ressourcen wie Kompetenz, Einfluß, Geschmack und andere spezifische Fähigkeiten genutzt werden. Diese sind aber nicht als Resultate einer individuellen Biographie zu begreifen, sondern als Handlungskompetenzen, die erworben werden und als transformierte Sozialstrukturen in Erscheinung treten. In den ästhetisierten Lebenswelten der Erlebnisgesellschaft kommt dem Geschmack eine besondere Bedeutung zu: Geschmack verdichtet sich in kulturellen Stilen, die als Distinktionsstrategien genutzt, Geschmacksklassen konstituieren. Als Klasse sind so Gesellschaftsmitglieder mit ähnlicher Ressourcenausstattung zu verstehen, die im Kultur-Raum aufgrund von ähnlichen Klassifikationsstrategien entstehen. Strukturelle Ungleichheit verwandelt sich durch Klassifikation in expressive Unterscheidbarkeit. Der Habitus wirkt überall dort, wo Distinktion als Ausschluß anderer durch Monopolisierung von Geschmack, Handlungskompetenz und Situationsmanagement funktioniert. Diese zentralen Aussagen werden im Vortrag in drei Abschnitten abgehandelt: 1. Restrukturierung der Klassengesellschaft, 2. Kulturelle Fundierung der Ungleichheit, 3.Klassenbildung, subtile Distinktion und ästhetische Lebensführung." (Autorenreferat)
Ob sich die Welt nach dem 11. September 2001 so verändert hat, daß man von einer grundsätzlich neuen Weltpolitik sprechen muß, ist eine Frage, die in den Feuilletons anhaltend diskutiert wird. 1. An das Theater wird in diesem Kontext vermehrt der Anspruch gestellt, sich weniger "selbstbezüglichen" Experimenten, als vielmehr den aktuellen Fragen der Zeit zuzuwenden. Die Leiter des experimentellen Münchner Theaterfestivals "Spielart", Tilman Broszat und Gottfried Hattinger, resümieren die Situation: "Die Forderung nach einer (Re-)Politisierung steht im Raum", von seiten der Theatermacher und -theoretiker werde momentan vermehrt eine "veränderte, realistische Sicht auf unsere Gesellschaft"[1] verlangt. Auf dieses Ansinnen als Folge eines weithin diagnostizierten Einbruchs des politisch und gesellschaftlich Realen in eine Unterhaltungs- und Spaßgesellschaft antworten die Festivalmacher provozierend mit dem Thema von "Spielart 2003": "Is it real?". Sie entziehen also einem manifeste Inhalte vermittelnden Theater listig von vornherein die Bühne und verteidigen ihr Unternehmen, das als Spektakel der Postdramatik gelten kann, gegen jede von ihnen als konservativ verstandene ästhetische Reaktion: "Eine nur den Inhalten nach politische oder sozialkritische Dramaturgie, die nicht neue, dem Theater angemessene Formen sucht, geht am Kunstanspruch vorbei."[2] Aufgrund der in der gegenwärtigen Theaterlandschaft und Kulturkritik beobachtbaren Dissonanz zwischen dem Ruf nach dem Real-Politischen im Theater und den Performance- und Inszenierungswelten einer postmodernen Eventkultur und dem sich daraus ergebenden Klärungs- und Diskussionsbedarf ist Hans-Thies Lehmanns Essaysammlung DAS POLITISCHE SCHREIBEN das richtige Buch zur richtigen Zeit, will es doch einen theaterwissenschaftlichen Beitrag leisten zur Orientierungslosigkeit in einer global vernetzten Medienwelt, die sowohl den "Kollaps eines Weltreiches" als auch den "Kollaps der Symboltürme" (9) weltweit erfahrbar machte. 2. Für die meisten Leser wird gelten, daß sie mit Lehmanns theatertheoretischem Essay Postdramatisches Theater mehr oder weniger vertraut sind. Er ist nicht nur aus theaterwissenschaftlichen Seminaren kaum mehr wegzudenken, sondern hat als Begriff und Stilvorgabe in Theaterkritik und -praxis seinen Einzug gehalten. Wenn man Postdramatisches Theater als Lektüre-Ereignis definiert, als - in Lehmanns Terminologie - Nullpunkt des Theatertheorielesens, dann wäre DAS POLITISCHE SCHREIBEN die durchaus nicht undramatische intellektuelle Produktions-Geschichte des Autors, die 26 Arbeiten aus den Jahren 1980 bis 2002 versammelt. Der Blick des Autors zurück, auch als Konstruktion einer intellektuellen "Biographie" anhand von Vorträgen, Programmheftbeiträgen, wissenschaftlichen und journalistischen Schriften, richtet seine Aufmerksamkeit zwar in erster Linie auf Theatertexte, aber es "steht dabei zugleich die Frage nach dem Theater, seiner Möglichkeit, im Hintergrund."(6) Dieser Hintergrund ist als Ort des Körperlichen und damit Triebhaften, des Ereignisses, der Präsenz und der Materie etwas, das dem "rationalen" Text, insbesondere der Fabel und der ein intaktes Subjekt spiegelnden Figur widersteht. Damit agiert in den Theatertexten das Theatrale als das Eigentliche verdeckt und wird erst sichtbar durch die Grenzen, Fehler, Widersprüche und Unvollständigkeiten, die dem Leser nach der Lektüre - das wäre die didaktische Intention Lehmanns - besser auffallen sollten. Diese Mängel sollten nicht als das zu Übergehende oder Korrigierende gedeutet werden, erzeugen sie doch im kulturellen und gesellschaftspolitischen Feld das "Begehren und den Motor seiner Praxis." (7) Wie man unschwer erkennt, dient in der Lehmannschen Analyse der Theatertexte, ähnlich wie in seinem Postdramatischen Theater, die strukturale Psychoanalyse nach Jacques Lacan als philosophische Vorstellungswelt. Politik und ihr Theater oder Theater und seine Politik sind also, das ist die Grundbedingung, immer mit der neostrukturalistischen Brille zu lesen (9). Wer dies nicht akzeptieren mag, wird mit Lehmanns Werken wenig Freude und Erkenntnisgewinn haben. Ihm entgeht, wie einer, der sich in den weitläufigen Gefilden und Untiefen der hermetischen französischen Theorien elegant zu bewegen weiß und das Theater in seiner ganzen geschichtlichen und systematischen Breite sehr gut kennt, stilistisch vorzügliche, gut lesbare und nachvollziehbare Erörterungen und Exegesen verfaßt. Diese gleichen erfreulicherweise wenig den alchimistischen Zauberkunststückchen einiger Lacan-Adepten wie etwa die des im Feuilleton notorisch präsenten Slavoj Zizek. 3. Das Programm, das den nicht allzu kohärenten Beiträgen einen Gesamtrahmen geben soll, wird gleich zu Anfang vorgestellt. Unter dem Titel "Wie politisch ist das postdramatische Theater?" wird das gegenwärtige Verhältnis des Theaters zu Politik und Gesellschaft erörtert und die anhaltende Relevanz der experimentellen Theaterformen bekräftigt. Für Lehmann lautet der "gewöhnliche" Vorwurf an das postdramatische Theater, "fehlerhaft fehle das Politische", und: "von Aufklärung, von Moral, von Verantwortung (auch hinsichtlich der Klassiker) - keine Spur." (16) Hinter diesem Ansinnen vermutet Lehmann einen "redlichen Gestus", der schon deshalb verdächtig ist, weil er sich niemals legitimieren kann und lediglich eine Maske des Willens zur Macht und der Gewalt ist. Weitere Masken in diesem Sinne wären "Realität", "Ratio", "Pragmatismus", "gesunder Menschenverstand" und "natürliches moralisches Empfinden", dem als richtige politische Handlung allein die Entgegensetzung einer "ästhetischen Praxis der Ausnahme", die auf die "Grundlosigkeit des Gesetzes" (19) weist, beikommt. Gefordert wird eine "Wahrnehmungspolitik des Theaters" zur Schärfung der Sinne für die "Ausnahme" (19). Folglich wird politisches Theater in keinem Fall ein "realistisches" im üblichen Sinne sein können, kein "Theater der Schaustellung", der Fabel und der Personen. Das "Politische des Theaters" ist nicht als "Wiedergabe, sondern als Unterbrechung des Politischen zu denken" (17). Der momentan zu beobachtende Rückzug einer "Reihe jüngerer Theaterleute auf ein formal kommensurables Theater", der "neue Hang zu einem sogenannten 'Realismus'", welcher der Nachfrage eines Publikums geschuldet ist, "das, wie man hört, der ewigen Destruktionen leid ist", kann jedoch "nur aus Furcht vor wirklich riskanten Setzungen unter seinen politischen und künstlerischen Möglichkeiten bleiben." (15) "Realismus" wäre ein Verschweigen der notwendigen "Unterbrechung". Als Oberbegriff des ersten von fünf Kapiteln der Sammlung schlägt diese den Bogen von der Postdramatik zur Prädramatik und wieder zurück. Damit wiederholt das erste Kapitel die Struktur der Theatergeschichte, die Lehmann bereits in seiner Habilitationsschrift, teilveröffentlicht unter dem Titel Die Konstitution des Subjekts in der antiken Tragödie, vorgeschlagen hat. Der analoge Blick auf die Postmoderne und die theatrale Vorzeit der griechischen Antike erlaubt in der Abhandlung "Erschütterte Ordnung - das Modell Antigone" die Dekonstruktion des Sophoklesschen Theatertextes, wobei sich der dramatische Konflikt, der sich bei Hegel, vermittelt durch Lehmanns Lehrer Peter Szondi, noch im Dazwischen, im Dialog zeigen sollte, als dialektisch nicht auflösbar erweist. Im Mittelpunkt steht nicht wie sonst die auf der inhaltlichen Ebene zu konstatierende Agonalität zweier ausgesprochener, sinnvoller Standpunkte, sondern der in der argumentativen Struktur des Theatertextes selbst zutage tretende innere Konflikt und Widerspruch. Ein tragischer Diskurs ist also nicht als Konfrontation miteinander unvereinbarer Positionen zu Politik und Gesellschaft, Recht und Moral zu denken, vielmehr wird er sichtbar in der letztlich unhaltbaren Bemühung, überhaupt eine Position zu definieren. Erschreckend ist in der Antigone die Erkenntnis, daß es eine fundamentale Lücke in der Wahrnehmung gibt, auf inhaltlicher Ebene ist daher keine Einigung zu erzielen. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Poesie des Textes, die eine eigene Sphäre des Mehrdeutigen als Gegensphäre sichtbar werden läßt (29). Die antike Tragödie lehrt somit, daß es für die Polis keine Hoffnung auf einen Konsens, welcher eine allgemein akzeptierte Rechts- und Politikordnung gründen könnte, gibt. Schon von seiner Frühzeit her ist das Theater nicht einmal als Gegenmodell zu den bestehenden Verhältnissen zu denken, seine politische Aufgabe findet es eher darin, auf die Grundlosigkeit jeder menschlichen Ordnung zu verweisen und damit eine Unsicherheitswahrnehmung zu evozieren, eine Heideggersche "Angst", die durch keine Gewißheit aufzuheben ist. Die Auflösung geht hierbei nicht nur vom Theatertext, sondern zudem von der Sinnlichkeit der Aufführung, der sprachlichen und gestischen Performanz des Moments, die den Sinn auf der inhaltlichen Ebene unterminiert, aus. 4. In den weiteren vier Kapiteln folgen einerseits Erkundungen im theatersystematischen Raum unter den Titeln "Darstellbarkeit" und "Drama", andererseits Erörterungen zu den für Lehmann wichtigsten Dramatikern und Theatertheoretikern Bert Brecht und Heiner Müller, denen jeweils eines der beiden die Essaysammlung abschließenden Kapitel gewidmet ist. Wie es sich für das "erwachsen" gewordene Fach Theaterwissenschaft, das sich endgültig von der Germanistik emanzipiert hat, gehört, geht es erst um das Theatrale, d. h. in den fünf meist älteren Beiträgen des zweiten Kapitels um das Problem der Darstellung im weitesten Sinne, und erst danach, im dritten Kapitel, in weiteren fünf Aufsätzen um den dramatischen Text in seinen verschiedenen Erscheinungs- und Inszenierungsformen von Müllers Auftrag bis zu Schleefs Rhythmen. Darstellbarkeit bedeutet für Lehmann "Entzug der Darstellung" (39), in dem Beitrag "Das Welttheater der Scham" geht er der Dialektik des Ver- und Ent-bergens in der Maske des Theaters und der Scham als Schutzaffekt des Selbst in der Kulturgeschichte und beider Verhältnis zum ungeklärten Status "theatral" oder "natürlich" nach. Da die Grenze eigentlich nicht zu ziehen ist, weiß man nicht, was wirklich ist. Die entstehende Unsicherheit zeigt sich ebenfalls in der Untersuchung "Das Erhabene ist das Unheimliche" als das "Bedrohliche an der Auflösung der Grenze von Symbol und Symbolisierung", das sich sowohl im 18. Jahrhundert als auch in der historischen Avantgarde in der im "Erhabenen" begrifflich gebannten Angst vor dem "Abgrund des Nichts-Sinns" (73) spiegelt. Eine Bataillesche "Ökonomie der Verausgabung" und eine performative "Ästhetik des Risikos" machen in der Grenzüberschreitung die falschen Grenzen und damit die Zwänge der symbolischen Ordnung deutlich. "Revolution und Masochismus" als Verhältnis, wie es in den Revolutionsdramen Georg Büchners und Heiner Müllers zu lesen ist, bedeuten, daß masochistische Lust den Begriff und die Dialektik stören, genauso wie die Körperlichkeit in einem poetischen Text "jeden Diskurs des Politischen und Historischen, jede Sinngebung" (122) unterbricht. 5. Wenn dem Theater als performativem Ereignis eine unaufhebbare Differenz, die der Körperlichkeit und Ereignishaftigkeit zuzuschreiben ist, eignet, dann wird nicht nur das Inhaltliche als Sinn des auf der Bühne Dargestellten, sondern auch als Sinn des Theatertextes selbst prekär. Die im Kapitel "Drama" behandelten Theatertexte - es sind dies im besonderen die Stücke von Büchner, Müller, Kleist und Jahnn - lassen für Lehmann inhaltlich und formal Brüche und Widersprüche konkret werden, die indirekt auf den grundlosen Grund der Ordnung und das den Text sprengende, nicht in den Be-Griff zu zwingende Trieb-Leben verweisen. Die Dialektik der dramatischen Form und der Geschichte erweist sich als pure Fassade, die dem performativen Eigenleben in Wirklichkeit wenig kulturelle Stabilität entgegensetzen kann und die deutliche Spuren der Anwesenheit der Körper trägt, welche Lehmann sichtbar machen will. Exemplarisch steht hier Einar Schleef für ein Theater, das diesen Erkenntnissen in den Inszenierungen Rechnung trägt, indem mit der Besinnung auf die "einfachen Urelemente des Theaters" (186) das Gewaltsame und Konflikthafte der Kultur und des Politischen nicht in einem harmlosen Dialog verdeckt wird. Im "Theater des Konflikts" wird vielmehr durch den Rückgriff auf rhythmisierte Körper und Stimmen das Verdrängte auf die Bühne gezogen, mit dem Ziel, dieses zu bannen, indem es rausgelassen und damit den Akteuren und Zuschauern bewußt gemacht wird. 6. Heiner Müller, der sein Theater auch in der konfrontativen Auseinandersetzung mit den Stücken und der Theatertheorie Brechts kreiert hat, ist ein immer wieder zitierter Spiritus Rector Lehmanns. Die entsprechende Traditionslinie orientiert die Anordnung zweier umfangreicher Kapitel, "Der andere Brecht" und "Studien zu Heiner Müller", wobei der ältere Dialektiker durch die postmoderne Lesart des Jüngeren neu zu entdecken ist. Folglich geht es in sechs Beiträgen nicht um den bekannten, sondern um den "anderen" Brecht, d.h. nicht um den Brecht, der den "Idealen des Kollektivs, der kommunistisch-leninistischen Politik" (208) zu nahe kam, sondern den von Lehmann vorgeschlagenen und in der Lektüre aufgedeckten zweideutigen und aufgrund der jeweiligen politischen Situation in Amerika und in der DDR maskierten Brecht. Gefunden wird dabei inhaltlich das Böse als Kehrseite des behaupteten Moralischen, das dem Grundsätzlichen unterlegte Zweifelnde und Fragende, welches sich auch formal im "performativen Status der Sätze" (216) und in den "Spaltungen im Bau der Texte" (213) nachweisen läßt. Lehmanns Dekonstruktionen Brechts opponieren gegen die Geschlossenheit der Fabelstruktur als "Fabel-Haft", indem sie in den Theatertexten und -theorien "produktive Widersprüche" und "innere Spannungen" (225) aufzeigen. Insbesondere das Fragment Fatzer soll darlegen, wie sich Brecht radikal derart in theatrale und politische Selbstwidersprüche schrieb, daß er "an diesem Abgrund, zumal am Versuch, den 'Konflikt' von 'Ego' und Kollektiv überzeugend auszutragen, 'scheiterte'." (250) Dieser Konflikt zeitigte eine solche Sprengkraft, daß, übertragen vom dramatischen Text Fatzer auf den theatralen Text des Lehrstücks, dieses als Performance und damit als Möglichkeitsraum interpretierbar wird. Hier geht das Drama in den Ereignis-Raum über, indem es den Zuschauer gleichzeitig zum Schauspieler macht und umgekehrt. Die gegenseitige Wahrnehmung der Akteure läßt die eigenen als fremde Gesten bewußt und gleichzeitig die Grenze zwischen Theater und Leben undeutlich werden. In diesem Moment, in dem Brechts Theaterthesen im Theater performativ unterlaufen werden, transformiert sich der Brechtsche zum postdramatischen Gestus, zum performativen Akt. 7. Die Realerfahrung in der DDR sowie die Auseinandersetzung mit der Theaterästhetik Brechts und die intensive Lektüre der Neostrukturalisten, insbesondere Foucaults, beeinflussen Müllers dramatisches Werk. So erscheint die überlieferte symbolische Ordnung, in die das "Individuum" eingefügt ist, als die Wiederkehr der Toten, die Lehmann in einem Beitrag als "Müllers Gespenster" auftreten läßt. Fundamentale Differenzen zwischen Anwesenheit und Begriff sowie zwischen Körper und Text erzeugen sowohl eine Verfehlung als auch ein Begehren, das in der Akzeptanz dieses unaufhebbaren Mangels eine Dramaturgie erzwingt, welche mittels der Demontage der Einheit der Fiktion und der Montage heterogener Textelemente "jeden szenischen Moment wie am Anfang erscheinen" (340) läßt und so, die eigene Intertextualität ausstellend, in einem performativen Akt die symbolische Ordnung tradiert. Als der für Lehmann "bedeutendste Autor postdramatischer Texte" (340) gibt Müller die "Figurendramaturgie [.] zugunsten eines Theaters von Stimmen, in dem die Figuren Träger des Diskurses werden" (339) just zu der Zeit auf, als in der Neoavantgarde weltweit neue Theater- und Regieformen generiert werden, die unter dem weiten Begriff Performance subsumiert werden. Müllers Dramaturgie und der Ereignis-Raum der Aktionskunst konvergieren zu theatralen Phänomenen, die Lehmann unter dem Begriff Postdramatik bekannt gemacht hat. 8. Der Autor, dies beweist einmal mehr die vorliegende Essaysammlung, ist nicht nur ein profunder Wissenschaftler, sondern schreibt auch als Intellektueller in der Tradition Émile Zolas, welcher in der öffentlichen Meinung einen durchaus klaren Standpunkt, der wenig Kompromisse oder eigene Widersprüche erkennen läßt, einnimmt. DAS POLITISCHE SCHREIBEN präsentiert eine erstaunlich kohärente Entwicklung Lehmanns von der Spätphase der Frankfurter Schule bis zu den Neostrukturalisten und vom Brechtschen Gestus bis zur Postdramatik - der Sprung von Adornos "Negativer Dialektik" zu Lyotards "Affirmativer Ästhetik" ist ja geringer als gemeinhin angenommen. Insofern ist die Essaysammlung gerade jüngeren TheaterwissenschaftlerInnen als Ergänzung zur obligatorischen Pflichtlektüre Postdramatisches Theater sehr zu empfehlen, bietet sie doch eine Archäologie einiger der wichtigsten intellektuellen Paradigmen seit den 70er Jahren, inklusive deren Verhältnis zur Theatertheorie und -praxis. Man mag die Konsequenz in der Haltung Lehmanns als Widerspruch zwischen fluider Theorie und beharrender Praxis empfinden, doch Vorwürfe dieser Art begleiten generell Theorieentwürfe, die zum unendlichen Regreß tendieren, und das sind momentan die avanciertesten. Der eingangs angesprochene virulente Meinungsaustausch über das Politische in der Gesellschaft und im Theater wird weiter zu führen sein. Auch wenn man, wie der Rezensent, keineswegs der Meinung ist, daß, so der Autor, "die Ethik des Theaters [.] sich mithin nicht an der inhaltlichen Repräsentation von Ethischem, sondern an der Art und Weise des Zeichengebrauchs" (100) orientieren soll und einen performativen Raum als Ausnahmezustand, wie ihn Lehmann ausgerechnet mit Carl Schmitt formuliert, als sehr bedenklich ansieht, muß man das außerordentliche stilistische und intellektuelle Niveau der Schriften Lehmanns anerkennen. Als prägnante und relevante Positionen werden sie die anstehenden Diskussionen zum Politischen im Theater entscheidend mitbestimmen. [1] Tilman Broszat und Gottfried Hattinger: Is it real? Gedanken zum Thema. Pressemappe zum Theaterfestival Spielart 2003 München vom 24. Okt. bis 8. Nov. 2003. [2]
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In: Image Band 106
Michael Bockemühl ranks among the most interesting practitioners of perception and image theory of the last few decades. With his exemplary procedures of visual analysis he expanded the strictly defined theoretical frameworks of art history, developed an epistemology of the conception of painting, and anticipated some of the theoretical observations of relational aesthetics. His formula of 'image reception as image production' and texts on the relation between aesthetics and economy can be understood as an action-oriented theory of knowledge. This book offers a survey of his work and uses selected texts to introduce his pioneering procedures of pictorial and perceptual analysis.
In: Studies in the history of art 83
In: Symposium papers 60
In a twentieth century during which modern art largely abandoned beauty as its imperative, a group of Black artists from Washington, DC, made beauty the center of their art making. This book highlights these influential artists, including David C. Driskell, Sam Gilliam, Lois Mailou Jones, and Alma Thomas, in the context of what Jeffrey C. Stewart describes as the Washington Black Renaissance. Vibrant histories of key District institutions and the city's communities of educators, critics, and collectors animate a nuanced consideration of the evolution of an aesthetic dialectic from the 1920s up to the present day. The fifteen essays in the volume are grounded by voices from a live artist panel at the National Gallery of Art in 2017, which included Lilian Thomas Burwell, Floyd Coleman, David C. Driskell, Sam Gilliam, Keith Morrison, Martin Puryear, Sylvia Snowden, and Lou Stovall