Eine aktive antizyklische Finanzpolitik zur globalen Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage stößt gegenwärtig auf völlige Ablehnung oder wird lediglich auf den Fall einer eindeutig auf Nachfragemangel beruhenden schweren Störung oder Rezession beschränkt. Wie stichhaltig sind die gängigen Einwände gegen eine antizyklische Finanzpolitik?
Hans-Werner Sinn hat "Eine Anmerkung zur Selbstfinanzierungsthese und zum keynesianischen Modell" publiziert (Sinn 2014). Er will damit beweisen, dass eine Selbstfinanzierung expansiver finanzpolitischer Maßnahmen im Rahmen des keynesianischen Modells unmöglich ist. Dieser Beweis kann meines Erachtens nicht überzeugen.
Die wirtschaftliche Entwicklung ist in Großbritannien seit über einem Jahrzehnt deutlich günstiger als im Euroraum. Bei höherem Wirtschaftswachstum waren Preisanstieg und Arbeitslosenquote geringer. Seit 1992 ist das Bruttoinlandsprodukt um 35 % und damit wesentlich stärker als im Euroraum (22 %) gestiegen. Die Arbeitslosenquote liegt seit mehreren Jahren bei gut 5 %, während sie im Euroraum rund 81/2 % beträgt. Der Preisanstieg (HVPI) in Großbritannien war im Durchschnitt des gesamten Zeitraums mit 1,8 % gegenüber 2,2 % deutlich niedriger; in den letzten Jahren hat sich der Abstand sogar vergrößert. Wesentlich für den Erfolg war, dass die Wirtschaftspolitik in Großbritannien entschieden antizyklisch ausgerichtet war.
Drei relevante Fragen stehen im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Debatten für das Jahr 2010. Wie kann die Krise endgültig überwunden werden? Wann und wie soll der Expansionskurs der Fiskal- und Geldpolitik beendet werden? Wie bekommt man danach die hohe Staatsverschuldung in den Griff? Die Antworten auf die aktuell brisanten Fragen dürfen nicht nur den kurzfristigen Notwendigkeiten Rechnung tragen, sondern müssen auch im Einklang mit den längerfristigen Erfordernissen stehen. Das heißt, die Wirtschaftspolitik muss die Finanzmärkte neu ordnen, so dass sie auf der einen Seite die globale Stabilität nicht mehr gefährden und auf der anderen Seite ein hinreichend flexibles Angebot an Kapital für realwirtschaftliche Investitionen sichern. Ferner sollten die wirtschaftpolitischen Maßnahmen einen Beitrag dazu leisten, die globalen Ungleichgewichte zu bekämpfen. Aus deutscher Sicht impliziert dies, dass die Binnennachfrage gestärkt werden muss, um die strukturellen Überschüsse der Außenhandelsbilanz zu überwinden. Schließlich bedarf es einer verteilungspolitischen Umkehr, um die Früchte des Wachstums stärker in realwirtschaftlich wirksame Ausgaben zu lenken anstatt in riskante Finanzanlagen. ; In 2010, three questions will be of relevance for economic policy debates. How can we overcome the crisis ultimately? At which point in time and in which way should expansionary fiscal and monetary policies end? How can we gain control of the large public debt? Answers to these urgent questions have to focus not only on current but also on long-term requirements. This means, political actors have to regulate financial markets in a way that guarantees both global stability and sufficiently flexible supply of capital for physical investment. Moreover, economic policy measures should contribute to a reduction of global imbalances. From a German perspective, this implies to strengthen domestic demand in order to overcome the structural surplus of the trade balance. Finally, a turnaround concerning distributional issues is essential to direct the fruits of growth towards physical investment and not risky financial assets.
Angesichts der äußerst labilen Weltwirtschaftslage wird vermehrt vorgeschlagen, bereits beschlossene Steuerreformschritte und geplante Infrastrukturinvestitionen zeitlich vorzuziehen. Eine finanzpolitische Konjunktursteuerung stößt indessen verbreitet auf Ablehnung. Sind die Vorbehalte gegenüber nachfragepolitischen Akzenten in der Finanzpolitik berechtigt?
The countercyclical capital buffer (CCyB) is a relatively new macroprudential tool, but the number of countries that have set a positive buffer level increased significantly over recent years. Furthermore, during the Covid-19 crisis, many countries released their countercyclical capital buffers, marking the first time that the CCyB was used widely in a downturn. In this paper, we provide a comprehensive and systematic overview of the international design of CCyB frameworks, covering a broad set of experiences from 33 countries. We have identified five key areas of focus for our analysis of CCyB frameworks: 1) institutional framework and the use of buffers; 2) objectives and policy over the financial cycle; 3) use of the Basel credit gap and Basel guide; 4) the information basis for setting the buffer; and 5) communication strategy. The frameworks outlined by designated authorities have already started to evolve and it is likely that this will continue as more experience is gained. This paper can be a useful input in that process, summarizing country practices in a comprehensive set of areas relevant for the CCyB policy.
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland hat vielfältige konjunkturelle und strukturelle Ursachen. Ihre Bekämpfung erfordert ein Zusammenwirken verschiedener Politikbereiche, ein Policy-Mix aus Finanz-, Ordnungs, Lohn-, und Arbeitsmarktpolitik. Dabei fällt der Finanzpolitik hauptsächlich die Aufgabe zu, die konjunkturellen Schwankungen von Produktion und Beschäftigung mit Hilfe der Globalsteuerung zu dämpfen.
"Der Keynesianismus gilt gemeinhin als eine ökonomische Theorie, deren Kern in der theoretischen Begründung einer antizyklischen Fiskalpolitik liegt, deren Finanzierung über periodisches deficit spending erfolgt. Da die Tilgung derart entstandener staatlicher Defizite jeweils einen neuerlicher Konjunkturaufschwung voraussetzt, hat sich die 'schier unausrottbare Fehlinterpretation' durchgesetzt, der Keynesianismus habe allenfalls für Zeiten Gültigkeit, die durch einen starken Wachstumstrend charakterisiert sind. Darüber hinaus fehle ihm jedoch jegliche Langfristperspektive. Demgegenüber wird in dem Beitrag gezeigt, dass sich Keynes durchgängig mit der langfristigen Veränderung kapitalistischer Wirtschaftssysteme auseinandergesetzt hat. Für ihn stand fest, dass wegen nachfragetheoretisch zu begründender Wachstumsabschwächung in der Zukunft eine grundsätzliche wirtschaftspolitische Neuorientierung stattfinden muss. Demzufolge ist die antizyklische Fiskalpolitik lediglich einer Phase der wirtschaftlichen Entwicklung zuzuordnen, die in fortgeschrittenen Industriegesellschaften zunehmend der Vergangenheit angehört. So gesehen hat der Keynesianismus seine Zeit noch vor sich." (Autorenreferat)