Norbert Elias in der Praxis. Von der Menschenwissenschaft zur Anwendung
Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Call for Papers für eine Tagung in Esslingen vom 20. bis 21. September 2024. Deadline: 8. April 2024
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Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Call for Papers für eine Tagung in Esslingen vom 20. bis 21. September 2024. Deadline: 8. April 2024
Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Blog: Aus Politik und Zeitgeschichte | RSS-Feed
Die "Genschere" CRISPR/Cas9 bedeutet nicht nur einen enormen Fortschritt für die Gentechnik, sondern verschiebt auch den Diskursrahmen der öffentlichen Debatten rund um gentechnologische Anwendungen.
Blog: netzpolitik.org
Laura Dornheim – Nagy, Presseamt MünchenLaura Dornheim ist Chief Digital Officer in München und damit für die IT-Infrastrukturen der größten deutschen Kommune verantwortlich. Wir sprechen mit ihr darüber, warum der Weg zu eGovernment so steinig ist, welche Chancen Open Source bietet und wie KI-Anwendungen verantwortlich betrieben werden könnten
Blog: netzpolitik.org
Organisationen, Aktivist:innen und Forscher:innen setzen sich dafür ein, dass die EU-Verordnung Menschen auf der Flucht vor Schäden durch KI-Systeme schützt. – CC-BY-SA 4.0 #ProtectNotSurveilDer jüngst vom Europäischen Parlament beschlossene "Neue Migrationspakt" erweitert Überwachungstechnologien und KI-Anwendungen an den EU-Außengrenzen – und erfährt Gegenwind.
Blog: netzpolitik.org
Verkehrsminister Volker Wissing: „Anwendungen regulieren und nicht die Technologie“ – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Funke Foto ServicesWährend sich die Verhandlungen um die Regulierung von Künstlicher Intelligenz in der EU der Zielgeraden nähern, stellen sich die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens quer: Statt harten Regeln wollen sie für Basis-Modelle nur eine "verpflichtende Selbstregulierung".
Blog: Demokratiegeschichten
Inwiefern politische Diskriminierung? – Was sind "Die Berufsverbote"? In diesem Zusammenhang, d.h. außerhalb des Strafrechts, wird darunter die Anwendung des Beschlusses der Ministerpräsidenten der Länder und des Bundeskanzlers vom 28. 1. 1972 zur "Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst" verstanden. Vor jeder Einstellung in den öffentlichen Dienst ... mehr
Der Beitrag Gegen politische Diskriminierung und Verfolgung durch den Staat – Der Initiativkreis gegen die Berufsverbote in Münster erschien zuerst auf Demokratiegeschichten.
Blog: DVPW-Blog
Interdisziplinäres Arbeiten ist relevant in allen Feldern der Policy-Forschung, insbesondere der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung aber auch in Bereichen allgemeiner sozialwissenschaftlicher Theoriebildung. Thema des Seminars bildeten Fragen der Institutionentheorie, die Anwendung und Anwendbarkeit von jüngeren Beiträgen der Evolutionstheorie zur Erklärung sozialer Ordnungsbildung, insbesondere der Entwicklung von Staatlichkeit, und die Verwendung dynamischer mathematischer Modelle als methodologischer Ansatz. Zu den Zielen der Veranstaltung gehört es, die Studierenden Erfahrungen machen zu lassen in eigenständiger Projektarbeit in interdisziplinären Teams.
Blog: Verfassungsblog
Es wird gestritten und gerungen. Über Antisemitismusdefinitionen, deren gesetzliche Anwendung und deren potentiellen Missbrauch. Über Antisemitismus als Phänomen geht es in diesen Debatten kaum. Ich möchte erstens anregen, dass wir den Antisemitismusbegriff (auch) als Begriff im theoretischen Sinne verstehen sollten. Es soll sich zweitens zeigen, dass ein rassismuskritischer Ansatz nach Charles Mills für eine stärkere Einbeziehung jüdischer Erfahrungen bei der Begriffsbildung und darüber für ein weites Antisemitismusverständnis streitet. Durch eine klarere Trennung von Begriffs- und Anwendungsebene könnte – drittens – die vermeintliche Kollision von Antisemitismuskritik und Rassismuskritik jedenfalls in dieser Debatte vermieden werden, so die Hoffnung.
Blog: Verfassungsblog
Die Mediation greift im Gegensatz zur gerichtlichen Konfliktlösung auf eine jüngere Historie und weniger Praxisfälle zurück. Dennoch hat sie der gerichtlichen Konfliktlösung einen wesentlichen – und angesichts der rasant voranschreitenden Umweltzerstörung vielleicht sogar entscheidenden – Aspekt voraus: Mediation kann Ökologie. Sie ist ein Konfliktlösungsverfahren, das in seiner konsequenten Anwendung originär zur Erhaltung der Lebensgrundlage beiträgt. Denn die Mediation, die als Verfahrensziel den Interessenausgleich der Konfliktbeteiligten anstrebt, weiß um die Notwendigkeit der Beteiligung aller vom Konflikt Betroffenen für die Gewährleistung einer ökologisch nachhaltigen Konfliktlösung. Damit hat sie eben nicht nur die menschliche Spezies, sondern auch die Tier- und Umwelt im Blick.
Blog: Wirtschaftliche Freiheit
Die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Restaurant-Dienstleistungen wird nach jetzigem Rechtsstand zum Jahresende auslaufen und dabei sollte es bleiben. Glaubt man der Petition des Branchenverbandes …
"GastbeitragWundermittel 7%?Die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer für die Gastronomie ist richtig" weiterlesen
Der Beitrag <b>Gastbeitrag</b><br>Wundermittel 7%?<br><b>Die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer für die Gastronomie ist richtig</b> erschien zuerst auf Wirtschaftliche Freiheit.
Blog: Verfassungsblog
Bereits seit längerer Zeit kommen in (Teilen) der Polizei Techniken der Gewaltanwendung zum Einsatz, die als Schmerzgriffe bezeichnet werden. In der englischsprachigen Debatte werden diese Techniken unter dem Schlagwort "pain compliance" diskutiert, was deutlich macht: Durch Schmerzen soll Gehorsam durchgesetzt werden. Rechtlich stellen sich Schmerzgriffe als problematisch dar, da sie vor allem auf eine Willensbeugung der Betroffenen durch (Angst vor) Schmerz abzielen. Die polizeiliche Praxis überformt zudem die rechtlichen Vorgaben zur Anwendung von Schmerzgriffen zugunsten einer effizienten polizeilichen Einsatzdurchführung. Sozialwissenschaftlich bzw. kriminologisch können Schmerzgriffe daher als Normalisierung und Verselbständigung polizeilicher Gewaltpraxen verstanden werden.
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In Rekordzeit verändert KI den Schulunterricht, aber wer behält den Überblick? Ein Gespräch über wahre Durchbrüche, zweifelhafte Narrative – und Lehrerkollegien, die auf sich allein gestellt sind.
Herr Chammon, Herr Seitz, hätten Sie sich im Sommer 2022 vorstellen können, welche Fortschritte die Künstliche Intelligenz (KI) innerhalb eines Jahres machen würde?
Jacob Chammon: Das Thema war natürlich auch im Sommer 2022 schon da, aber irgendwie abstrakt. ChatGPT hat es auf einen Schlag greifbar gemacht. Was uns, glaube ich, dann alle
überrascht hat, war das Tempo, mit der KI-Anwendungen auch in den Schulen Einzug gehalten haben. Wie überaus positiv die Lehrkräfte reagiert – und wie begeistert sich die Schüler die neue Technik
angeeignet haben. ChatGPT war der Gamechanger, eindeutig.
Jacob Chammon ist Geschäftsführer der Telekom-Stiftung. Am heutigen Mittwoch veröffentlicht die Stiftung eine neue Studie zu "Schule und KI", erarbeitet vom Deutschen Forschungszentrum
für Künstliche Intelligenz und dem mmb-Institut. Die Studie soll "ein praxisorientierter Leitfaden" sein für den Umgang mit den neuen Technologien. Foto: Norbert Ittermann, Deutsche Telekom Stiftung.
Jürgen Seitz: Das konnte keiner vorhersehen, selbst die Entwickler von ChatGPT nicht. Vorher bestanden hohe Einstiegshürden in die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, gerade in
Europa, ausgelöst schon durch Datenschutz-Vorgaben, die selbst Forschungsprojekte fast zu einem Ding der Unmöglichkeit machten. Und dann war da plötzlich ein Tool, ein neuartiges Modell der
KI-Sprachverarbeitung, das keine Eingabe persönlicher Daten erforderte, das einfach zur Verfügung stand, noch dazu gratis. Darum liegt für mich der eigentliche Durchbruch von ChatGPT in der
erstmals massenhaften Verbreitung einer KI-Anwendung. Ein vermeintliches Nischenangebot entwickelte sich zum am schnellsten wachsenden Technologieprodukt der Welt.
Womit die Erforschung von KI-Anwendungen im Schulalltag erst jetzt wirklich Sinn ergibt, Herr Seitz?
Jürgen Seitz forscht und lehrt zu Marketing, Medien und Digitaler Wirtschaft an der Hochschule der Medien Stuttgart. Mit Kollegen hat er im
Rahmen des Forschungsprojekts AI Education (AIEDN) die Nutzung eines neuartigen KI-Assistenten im Schulunterricht getestet. Der gerade veröffentlichte Forschungsbericht fragt: "KI als Tutor der Zukunft? Foto: Serdar Dogan.
Seitz: Bis vergangenes Jahr haben wir hauptsächlich dazu geforscht, wie KI zum Gegenstand von Schulbildung werden kann. Was müssen Schülerinnen und Schüler wissen, um die
Bedeutung dieser neuen Technologien einschätzen und verstehen zu können? Wie führen wir sie an KI-Anwendungen heran? Das hat sich komplett gedreht. Eine Umfrage unter unseren Studierenden
hat ergeben, dass 100 Prozent von ihnen ChatGPT nutzen, hier müssen wir niemanden mehr an KI-Technologien heranführen. Auch die breite Öffentlichkeit ist nun einfacher zu begeistern.
Schon das Ausprobieren von ChatGPT kann bei vielen Menschen diese Faszination wecken
und vertiefen. Dieses Momentum ist ein großes Geschenk, plötzlich fordern Schüler, Studierende und Lehrkräfte die Nutzung ein, und wir können im Unterrichtsalltag erforschen, was wie gut
funktioniert und was nicht.
Die Telekom-Stiftung veröffentlicht heute einen Leitfaden zu "Schule und KI". Warum braucht es den, Herr
Chammon?
Chammon: Tatsächlich ist es unsere zweite Publikation zu dem Thema. 2021 haben wir schon eine Studie bei denselben Partnern in Auftrag gegeben, dem Deutschen Forschungszentrum
für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dem mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung. Wir hatten aber jetzt das dringende Gefühl, dass es ein Update braucht. Es geht um die
Klärung ganz grundsätzlicher Fragen: Was für Formen von KI gibt es eigentlich? Das ist ein so schwammiger Sammelbegriff, dass wir immer aufpassen müssen, worüber wir gerade reden. Welchen Nutzen
haben die unterschiedlichen Anwendungen? Wo liegen die Herausforderungen, die Gefahren? Was sind die Systeme und Technologien, deren Einsatz in den Schulen Sinn ergeben könnte? Wir halten es für
total wichtig, dass Lehrkräfte und Schulleitungen hier den Überblick behalten. Oder ihn überhaupt erst bekommen. Immer anhand von konkreten Anwendungsbeispielen für den Unterricht und für die
Schulverwaltung. Die Wahrheit ist doch: Momentan sind die Schulkollegien wieder mal auf sich allein gestellt. Es gibt bislang keinen bundesweiten rechtssicheren Rahmen. Den müsste die Politik
stecken.
Seitz: Genau an der Stelle setzt auch unser Forschungsprojekt an. Wir wollen herausfinden, wo die Potenziale von KI im
Unterricht liegen. Es existiert dieses starke Narrativ, dass der Einsatz generativer KI-Anwendungen zu einem Kompetenzverlust bei den Lernenden führt. Die Lehrkräfte beschweren sich, dass ihre
Schüler und Studierenden plötzlich Texte vorlegen, die frei sind von jedem Rechtschreibfehler. Weil diese Texte nicht mehr von ihnen selbst stammen, sondern von einer KI. Genau wie plötzlich
angeblich überall die perfekten Mathelösungen auftauchen.
Nach dem Motto: Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz macht nicht schlauer, sondern dümmer?
Seitz: Wofür es keine empirische, dafür aber viel anekdotische Evidenz gibt. Darum haben wir uns mit dem Unternehmen thingsTHINKING und dem Mathe-Youtuber Daniel Jung
zusammengetan und den KI-Lernassistenten AIEDN kreiert, der Schüler bei der Lösung von Matheaufgaben unterstützt. Indem es anhand einer semantischen Suche sämtliche Videotutorials von Daniel Jung
analysiert und den Schülern die jeweils passende Stelle präsentiert. Und nicht nur präsentiert, sondern die wesentlichen Lerninhalte aus dem Video zusammenfasst und ergänzende Lerninhalte
empfiehlt. Die Schüler stellen der KI also per Texteingabe eine Frage, beschreiben das Problem, das sie haben, und die KI bietet ihnen genau die Hilfestellung an, die sie brauchen. Es gibt keine
Einstiegshürde, das Tool stellen wir Schülern und Lehrern im Netz kostenlos zur Verfügung.
Und das funktioniert?
Seitz: Technisch ja. Aber wir wollten ja wissen: Haben die Schüler langfristig etwas davon? Wir sind also an mehrere Schulen gegangen, Gymnasien und Realschulen, und haben die
teilnehmenden 275 Schüler unterschiedlicher Altersstufen in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe durfte die Youtube-Videos von Daniel Jung nutzen, aber ohne KI, musste sie also selbst
durchschauen. Die andere Gruppe hatte die Unterstützung durch den KI-Lernassistenten.
"Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen,
wir nähmen durch den Einsatz von KI
den Menschen aus dem Loop."
Das ist aber ja nun wenig überraschend, wenn die Schüler mit KI-Unterstützung die Matheaufgaben besser lösen.
Seitz: Genau! Entscheidend war aber, dass wir nach zwei Wochen nochmal in die gleichen Schulen gegangen sind zu den gleichen Schülern und ihnen erneut Aufgaben gestellt haben.
Diesmal mussten alle sie ohne Hilfsmittel lösen. Und siehe da: Wir konnten einen anhaltend positiven Lerneffekt bei den Schülern nachweisen, die vorher die KI-Unterstützung hatten. Gerade in der
aktuellen Debatte finde ich das ein sehr schönes Ergebnis. Weil es zeigt, dass KI nicht nur ein Effizienztreiber ist, also das Bearbeiten von Problemen beschleunigt, sondern auch beim Lernen
selbst helfen kann.
Chammon: Das halte ich in dieser Erprobungsphase, in der wir uns gerade befinden, für besonders wichtig: dass wir Evidenz schaffen in der Zusammenarbeit zwischen der Schulpraxis
und der Wissenschaft. Allerdings: So spannend das Ergebnis von Herrn Seitz ist, so erwartbar ist, dass es für Kinder und Jugendliche motivierender ist, eine Lern- oder Prüfungssituation mithilfe
einer Technologie zu bewältigen als allein mit einem Buch. Die Frage, die sich mir stellt: Wie schaffen wir es, beim Einsatz neuer Technologien die Lehrkräfte mitzudenken, ihre Rolle und
Professionalität? Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, wir nähmen durch den Einsatz von KI den Menschen aus dem Loop, als bräuchte es die Lehrkräfte nicht mehr. Im Gegenteil: Die
Lehrkräfte müssen die Hoheit über die Didaktik behalten. Der Einsatz von KI in der Schule wird langfristig nur erfolgreich sein, wenn die Lehrkräfte sie als Partner sehen. In die Richtung zielt
unser Leitfaden ab.
Seitz: In der Hinsicht kann ich Ihnen auch Positives berichten. Uns ist bei unserem Untersuchungsdesign nämlich ein Fehler unterlaufen: Die Matheaufgaben, die wir für die unteren
Altersstufen ausgewählt hatten, waren zu schwer. Mit dem Ergebnis, dass der Lerneffekt durch die KI in diesen Klassen deutlich geringer ausfiel – einfach, weil die Schüler überfordert waren. Wer
hat das gemerkt und korrigiert? Die Lehrkräfte. Sie waren in der Hinsicht viel besser als wir mit unserem System. Zugegeben, das war damals nur ein innerhalb von drei Monaten gebauter Prototyp,
inzwischen funktioniert die Technologie besser. Aber das Beispiel zeigt, was passiert, wenn wir die Lehrkräfte, wie Sie sagen, aus dem Loop nehmen würden. An den Schulen, mit denen wir
zusammengearbeitet haben, waren sie außerordentlich motiviert, zugewandt und kritisch. Sie wollen das Potenzial von KI nutzen und maximieren, sie machen Verbesserungsvorschläge, sie behaupten
aber zugleich selbstbewusst ihre Rolle, sorgen für die didaktische Einbindung.
"Es ist die Aufgabe der Wissenschaft,
für die Lehrkräfte hilfreich zu sein."
Chammon: Darum ist es so wichtig, dass wir überall explizite Experimentierräume für neue Lerntechnologien schaffen. Wissenschaft und Praxis im Dialog, das ist auch der Claim der
"Kompetenzzentren lernen:digital", die vergangene Woche gestartet sind. Solche Experimentierräume eröffnen einen klar definierten Rahmen, um Neues auszuprobieren, auf freiwilliger Basis, auch
wenn manches scheitern wird. Und scheitern muss. Wenn die Lehrkräfte aber bei der Entwicklung neuer KI-Lerntechnologien mitgenommen werden, haben sie weniger Ängste. Und wenn Eltern das Gefühl
haben, ihre Kinder helfen mit bei der Erprobung künftiger Unterrichtstechnologien, kommt gar nicht das Gerede von Versuchskaninchen auf. Dann sind Lehrkräfte und Schüler gleichermaßen Lernende,
ein pädagogischer Doppeldecker sozusagen.
Seitz: Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, für die Lehrkräfte hilfreich zu sein. Wenn Studien mit Schulen durchgeführt werden und dabei am Ende nur ein Papier herauskommt,
das drei Jahre später veröffentlicht wird, braucht man sich nicht zu wundern über die aufkommende Skepsis und die Fragen nach der Relevanz. Wir haben gegenüber den Schulen von Anfang an
kommuniziert: Wir entwickeln mit eurer Hilfe ein Tool für die Praxis. Und am Ende könnt ihr es behalten und damit weiterarbeiten. Die Lehrkräfte wollen der Wissenschaft ja helfen, sie wollen
einen Mehrwert für die Forschung. Vor allem aber wollen sie das Beste für ihre Schüler, das steht an erster Stelle, daran messen sie den Erfolg. Darum muss sich die Wissenschaft selbst radikal
verändern, sich an den unmittelbaren Bedürfnissen in den Schulen orientieren, sonst wird sie nicht den Zugang bekommen, den sie gerade jetzt braucht.
Was bedeutet das praktisch?
Seitz: Das bedeutet zum Beispiel, dass neue KI-Anwendungen einfach und selbsterklärend sein müssen. Das ist eine große Herausforderung. Sonst lassen sie sich aber nicht in den
Schulbetrieb integrieren, und dann können sie noch so tolle Funktionen enthalten, dann werden sie nicht funktionieren. Weil die Lehrkräfte nicht jedes Mal die Zeit haben für aufwändige
Schulungen. ChatGPT und Co haben das hervorragend vorgemacht. Wir sprechen also von wirklicher "Consumer Level Quality".
Chammon: Alles richtig. Und doch halte ich es für zentral, dass die Lehrkräfte die Anwendungen nicht nur sofort einsetzen können – sondern dass sie zugleich verstehen, welche
Technologie dahintersteckt. Darum gehört zu den Handlungsempfehlungen, mit der wir als Stiftung den neuen Leitfaden begleiten, ein unbedingtes Plädoyer für eine kontinuierliche Fortbildung des
gesamten Schulpersonals. Nicht nur der Lehrkräfte, sondern auch der Kolleginnen und Kollegen aus dem Ganztagsbereich und auf der Leitungsebene. Sie müssen nicht nur mit KI unterrichten können,
sondern auch über KI. Das könnte auch ein Pflichtfach Informatik, das jetzt überall gefordert wird, nicht allein abdecken, das geht nur über die Breite aller Fächer und Fachkräfte. Aber natürlich
können wir mit dem KI-Einsatz nicht warten, bis alle erstmal fortgebildet sind. Darum müssen wir den Lehrkräften jetzt den Mut zum Ausprobieren zusprechen. Damit sie ihre eigenen Erfahrungen
machen. Und wie Herr Seitz sagt: Die Wissenschaft muss die Schulpraxis unterstützen in diesem disruptiven Veränderungsprozess.
Müssen wir an der Stelle auch über Geld reden?
Chammon: Unbedingt! Die Fortsetzung des Digitalpakts Schule muss kommen. Die Kommunen als Schulträger brauchen jetzt Planungssicherheit. Nur mit einer guten technologischen
Infrastruktur kann das Lernen mit und über KI stattfinden. Mit einer Erklärfolie auf dem Overheadprojektor lernt man nichts über das Wesen von Künstlicher Intelligenz. Aber sehen Sie, ich bin von
Haus aus Optimist, und auch wenn ich zugebe, dass ich angesichts der Haushaltskrise im Bund Anfang vergangener Woche erstmal geschockt war: Der Digitalpakt wird kommen. Bund und Länder sind sich
seiner Bedeutung vollkommen bewusst. Das liegt auch an den vielen Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen, die in den neuen "Kompetenzzentren lernen:digital" in 180 Teilprojekten
zusammenwirken, viele davon zu KI-Anwendungen, und die eine unmissverständliche Botschaft Richtung Politik senden: Da muss mehr kommen.
"Datenschützer von Bund und Ländern
müssen sich zusammensetzen und einen klaren Handlungsspielraum für die Schulen definieren."
Nur mehr Geld?
Chammon: Nein, auch ein klares Commitment zugunsten der Schulen. Ich habe es vorhin gesagt: Die Lehrkräfte und Schulleitungen werden beim Thema KI weitgehend alleingelassen. Die
Datenschützer von Bund und Ländern müssen sich zusammensetzen und einen klaren Handlungsspielraum für die Schulen definieren. Einen einzigen, einheitlichen Rahmen und nicht 16 unterschiedliche.
Und die Kultusministerien müssen den Lehrkräften Rechtssicherheit in ihrem Handeln schaffen. Das sage ich seit Jahren. Ich finde es irritierend, dass die Politik das nicht schon längst getan
hat.
Seitz: Und wenn jetzt auf europäischer Ebene der KI Act kommt, wird es noch kritischer, weil die Anforderungen, die er stellt, überhaupt nicht vom Ende, von den Anwendern her
gedacht wurden. Wie soll denn eine Schule bewerten, welchem Risiko sie sich durch welche KI-Anwendung aussetzt? Am Ende besteht die Gefahr, dass es mit dem KI Act wie mit dem Datenschutz wird: Es
gibt ganz viele Regeln, ganz viel Prozessverlangsamung, aber kaum einen realen Schutz.
Chammon: Herzlich willkommen in Deutschland, kann ich da nur sagen. Wo die Bildungspolitik schulterzuckend sagt: Wir haben es probiert, aber der Datenschutz wollte nicht. Dieses
Verantwortungsgeschiebe darf auf keinen Fall auch bei der KI passieren. Die Politik muss sich ihrer Verantwortung stellen. Die Schulen tun es ja auch.
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Generative KI ist gekommen, um zu bleiben, auch in der Bildung. Was bedeutet das für unseren Auftrag als Hochschulen? Ein Gastbeitrag von Jörn Schlingensiepen.
Jörn Schlingensiepen ist Professor für Ingenieurinformatik und computergestützte Produktentwicklung (CAD/CAE) an der Technischen Hochschule
Ingolstadt. Foto: Dinias/Nicole Dietzel.
GENERATIVE KI wird an Schulen und Hochschulen heute flächendeckend eingesetzt. Etwas anderes zu behaupten, wäre naiv. Keine andere Technologie hat sich in der Geschichte der Menschheit so
schnell durchgesetzt wie die Textgeneratoren, die auf den sogenannten Large Language Models (großen Sprachmodellen) basieren. Allein die Nutzerzahlen des Dienstes ChatGPT zeigen dies auf
brutalstmögliche Weise: Während das Mobiltelefon 16 Jahre, das Internet sieben Jahre und Facebook 4,5 Jahre brauchten, um jeweils 100 Millionen Anwender zu finden, brauchte ChatGPT ganze zwei
Monate (sic!). Der Drops ist also gelutscht, jeder, der irgendwas mit Texten macht oder gar welche schreibt, nutzt ein solches Tool. Zu den Anwendern von ChatGPT kommen ja noch diejenigen dazu,
die andere Dienste oder in Anwendungen integrierte Assistenten nutzen (zum Beispiel einen der Co-Pilots, Bard, YouChat oder Claude).
Müßige Debatten über
Plagiate und Grauzonen
Gehen wir also davon aus, dass alle unsere Studierenden und wahrscheinlich auch alle Kolleginnen und Kollegen sich durch generative KI unterstützen lassen, und das ist aus meiner Sicht auch
erstmal gut so. Die Diskussionen, ob man damit ein Plagiat begeht oder vielleicht "nur" eine Grauzone betritt, sind aus meiner Sicht müßig. Die Produktion von Text und vieler anderer Medien wird
in Zukunft mit dieser Unterstützung erfolgen.
Gerade deshalb müssen Studierende lernen, mit diesen Tools zu arbeiten. Und Hand auf’s Herz: Wer hat sich nicht schon öfter geärgert, dass ein Labor- und Projektbericht oder eine Abschlussarbeit
Abstriche erhielt, weil die guten Ideen, die jemand hatte, nicht adäquat abgebildet wurden? Oft kann man einen solchen Text nicht weiter verwenden und Lesende, die weiter an dem Thema
arbeiten wollen, können nicht auf den maximal erreichten Kenntnisstand zurückgreifen, weil er nicht ordentlich aufgeschrieben wurde. Wie sollen wir auf den Schultern von Giganten stehen, wenn wir
nicht hochklettern können? Meine These: Wenn Abbildungen, Texte und damit die Weitergabe neuer Erkenntnisse besser gelingen, dann profitieren wir alle davon.
Die KI trifft auf eine ohnehin
schon verunsicherte Gesellschaft
Bei meinem letzten Beitrag an dieser Stelle habe ich mich ja schon als eine Art Fan-Boy von ChatGPT und Co. geoutet. Man möge mir als Ingenieur eine gewisse Grundbegeisterung für neue
Technik verzeihen. Mit bloßer Begeisterung ist es aber nicht getan. Mir fehlt eine breite Debatte darüber, wie wir mit gesellschaftlichen Unsicherheiten umgehen, die dadurch entstehen, dass
Fälschungen durch KI immer besser werden und es damit schwerer wird, die Wahrheit von Lügen zu unterscheiden. Das Vertrauen in den Staat ist auf einem für die Bundesrepublik historischen
Tiefststand angekommen, schon heute scheint es schwierig, Informationen richtig einzuordnen.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf den Auftrag, den das Hochschulrahmengesetz uns Hochschulen gibt, besinnen. Dort heißt es in Paragraph 7 zum Ziel des
Studiums: "Lehre und Studium sollen den Studenten [...] die [...] erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden [...] so vermitteln [...], dass er zu verantwortlichem Handeln in
einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird." Wenn Inhalt immer häufiger automatisch erstellt wird, dann wird die Fähigkeit zur Bewertung und Einordnung zur
entscheidenden Kernkompetenz. Lehre und Studium müssen dies abbilden.
Als Hochschulen auf
unseren Auftrag besinnen
Einige Ideen, dies für die fachlichen Inhalte anzugehen, finden sich im Positionspapier des Hochschullehrerbundes (hlb), an dessen Erstellung ich mitwirken durfte:
o Wir müssen akzeptieren, dass KI-Anwendungen nicht mehr nur punktuell von Experten zur Lösung konkreter Aufgaben genutzt werden, sondern universell einsetzbar sind, und zwar
durch jeden und jede. Die neuen generativen KI-Anwendungen sind eine Systeminnovation, die Auswirkungen auf alle Lebensbereich hat.
o Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Verwendung dieser Hilfsmittel im Studium oder bei der Erstellung von Haus- und Abschlussarbeiten mit der Intention
des Schummelns erfolgt.
o Zur Vorbereitung auf das Berufsleben ist es nötig, dass unsere Studierenden den Umgang mit diesen Technologien erlernen. Deshalb müssen – analog zu Büchern und Datenbanken –
Zugänge für alle Studierenden geschaffen werden, vor allem durch den Erwerb der entsprechenden Lizenzen.
o Die Lehre muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Es müssen neue Betreuungs- und Lernformen entwickelt und dafür passende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Erwerb
von Kompetenzen muss im Vordergrund stehen. Professorinnen und Professoren können dies gestalten und brauchen entsprechende Freiheiten.
o Wir brauchen eine Rückbesinnung darauf, was der Zweck des Studiums und innerhalb dessen der Zweck einer Prüfung ist. Es sollen Kompetenzen erworben werden, und eine Prüfung
dient – wie der Name schon sagt – zur Überprüfung, ob Studierende über diese Kompetenzen verfügen. Im Idealfall beweisen sie es dadurch, dass sie eine einschlägige Aufgabe unter realen
Bedingungen bewältigen.
"Ist das Kompetenz,
oder kann das weg?"
Verkürzt stellt sich also die Frage: "Ist das Kompetenz, oder kann das weg?" Und wenn man es noch braucht, lautet die nächste Frage: "In welcher Form, und wie lässt es sich am besten vermitteln
und prüfen?"
Im vergangenen Semester führte ich dazu ein Experiment durch: Im Kurs Ingenieurinformatik gestaltete ich den Kurs und die Prüfung so, dass Werkzeuge zur Codegenerierung genutzt werden. Eine
detaillierte Auswertung steht noch aus, aber es hat sich gezeigt, dass mehr Zeit für anspruchsvolle Kompetenzen wie Abstraktion und Modellbildung gut investiert war und zugleich weniger Frust
durch das Verheddern in abstrakter Syntax auftrat. Zugegeben: Das ist jetzt nur ein erstes Beispiel und nicht ohne Weiteres auf andere Fächer übertragbar. Aber grundsätzlich glaube ich, dass alle
Lehrenden für ihr Fachgebiet bewerten können, welche Kompetenzen nicht oder verändert gebraucht und geprüft werden müssen und wie generative KI-Anwendungen dabei helfen können.
Wenn wir Menschen ausbilden, die mit diesen Werkzeugen arbeiten können und deren Funktionsweisen und Grenzen kennen, dann könnten wir bei der Gelegenheit auch die gesellschaftlichen Implikationen
und das verantwortungsvolle Handeln betrachten.
Vielleicht bekommen wir dann endlich eine breitere Debatte. Ich bin da optimistisch: Die aktuelle Studierendengeneration beweist jeden Tag, dass sie interessiert, gestaltungswillig und
kampagnenfähig ist.
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Reallabore haben das Potenzial, den Weg zu marktfähigen Innovationen spürbar zu verkürzen. Dafür braucht es aber eine passende gesetzliche Grundlage. Ein Gastbeitrag von Irene Bertschek.
Ein Beispiel aus dem Reallabor: Der autonome Lieferroboter am EfeuCampus Bruchsal. Foto:
EfeuCampus.
BIS ZUM 29. SEPTEMBER läuft eine Online-Konsultation zum geplanten Reallabore-Gesetz der Bundesregierung. Doch was sind Reallabore überhaupt?
Ein Beispiel: Im Reallabor Lastmilecitylab wurde in der Stadt Bruchsal ein autonom fahrender Lieferroboter getestet. Eigens erteilte Ausnahmegenehmigungen ermöglichten, was im öffentlichen
Verkehr normalerweise nicht möglich ist. Ein weiteres Beispiel ist das Reallabor LANDNETZ, bei dem sechs landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen mit mobilen Campusnetzen ausgestattet wurden, um
eine 5G-Versorgung sicherzustellen. Voraussetzung dafür sind Versuchsfunklizenzen. Über das Netz lassen sich cloudbasierte Anwendungen erproben und verbessern. Die Landwirte können ihre Daten
selbständig und sicher verwalten und untereinander austauschen.
Reallabore ermöglichen also, innovative Lösungen in zeitlich und räumlich begrenztem, aber realem Umfeld zu testen. Insbesondere dann, wenn aktuell gültige Verordnungen und Gesetze den breiten
Einsatz solcher Lösungen noch einschränken. Die getestete Innovation lässt sich auf Basis der Praxiserfahrungen verbessern. Gleichzeitig zeigt sich dabei, wie der regulatorische Rahmen
angepasst werden sollte, damit sich die Innovation breitflächig einsetzen lässt. Damit stellt das Reallabor ein wichtiges innovationspolitisches Instrument dar, mit dem sich Innovationspotenziale
durch rechtliche Flexibilität und regulatives Lernen heben lassen.
Das von der Bundesregierung geplante Reallabore-Gesetz ist der nächste und notwendige Schritt,
um einheitliche Rahmenbedingungen für Reallabore zu schaffen und in Zukunft systematischer zu nutzen. Die Vorarbeiten und die Konzeption des Gesetzes wurden
maßgeblich vom Bundeswirtschaftsministerium vorangetrieben. Zentrales Element des Gesetzes sollen allgemeingültige Standards sein, die die Zulassung, Durchführung und Evaluation von Reallaboren
regeln. Hinzu kommen fachspezifische Experimentierklauseln, um Ausnahmen von fachrechtlichen Vorgaben zu ermöglichen.
Die Bedeutung einer
systematische Evaluation
Wesentlicher Bestandteil von Reallaboren sollte ihre systematische Evaluation sein, also die wissenschaftliche Validierung ihrer jeweiligen Wirkungsweise und der notwendigen regulatorischen
Anpassungen. Da dies methodisch anspruchsvoll ist, sollte die Evaluation bereits beim Aufsetzen des Reallabors konzipiert und die dafür notwendigen Daten sollten von Anfang an erhoben werden –
ein Punkt, auf den auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Jahresgutachten 2023 ausdrücklich hinweist. Um Anreize dafür zu setzen, Reallabore
in Anspruch zu nehmen, sollten die gewerblichen Schutzrechte der Innovatoren gewahrt bleiben, sprich ihr durch das Reallabor gewonnene Innovationswissen sollte nicht ungewollt an Wettbewerber
abfließen.
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Reallaboren als innovationspolitisches Instrument wird sein, dass sie nach erfolgreicher Evaluation den Weg zu marktfähigen Produkten und Diensten
aufzeigen. Was wir sicher nicht brauchen, ist ein Instrument, das zwar eingesetzt wird, über das dann aber kein Transfer in die Anwendung stattfindet.
Damit sind die vier idealtypischen Stufen einer Innovation in einem Reallaborprozess beschrieben: vom Zugang zum Reallabor über die Ausgestaltung der Experimentierklauseln zur Evaluation und
regulativen Reflexion – bis hin zum Markzutritt nach Beendigung des Reallabors.
Quelle: acatech (2023).
Einen Flickenteppich
verhindern
Die Umsetzung des Reallabore-Gesetzes soll laut Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums durch einen "One-Stop-Shop" unterstützt werden, der Innovatoren informiert und bei der Durchführung
begleitet. Das wird nur funktionieren, wenn er auf Bundesebene angesiedelt ist. Denn nur so wird verhindert, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht und ein Flickenteppich an
Genehmigungsverfahren und Gesetzesauslegungen entsteht. Vorgesehen ist laut Konzept, dass der One-Stop-Shop durch einen Projektträger oder die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) übernommen
wird.
Eine weitere begleitende Maßnahme ist ein Experimentierklausel-Check, der zukünftig bei jeder Gesetzgebung verbindlich durchgeführt werden soll. Das würde die Durchführung von Reallaboren
erleichtern – doch muss bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die Verabschiedung von Gesetzen nicht unnötig hinausgezögert wird.
Reallabore können von Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Kommunen durchgeführt werden. Eine gezielte Informationskampagne sollte insbesondere KMU und Start-ups ansprechen, die sich oftmals
schwerer damit tun, den Überblick über mögliche Fördermaßnahmen zu behalten. Für Start-ups, die innovative Lösungen entwickeln und ausprobieren möchten, ist ein entsprechendes Handlungsfeld in
der Start-up-Strategie der Bundesregierung angelegt.
Reallabore sind bislang auf digitale Innovationen fokussiert, insbesondere, weil sich die Regulatorik in diesem Bereich noch im Entwicklungs- oder Anpassungsprozess befindet. Grundsätzlich sollte
der Zugang zu Reallaboren aber themenoffen sein.
Mit der Verabschiedung des Reallabore-Gesetzes wäre Deutschland anschlussfähig an die europäische Regulatorik. So ist beispielsweise geplant, den Einsatz von Reallaboren im kommenden AI Act zu
verankern, um KI-basierte Innovationen zu erproben, bevor sie in die breite Anwendung kommen. Wenn Deutschland also auf dem wichtigen Gebiet der Künstlichen Intelligenz mithalten will, ist auch
hierfür die zügige Verabschiedung und Umsetzung des Reallabore-Gesetzes ratsam.
Bis zum 29. September besteht noch die Möglichkeit, sich dabei konstruktiv über die Online-Konsultation einzubringen.
Irene Bertschek ist Professorin für Ökonomie der Digitalisierung an der Universität Gießen und leitet den Forschungsbereich "Digitale Ökonomie" am ZEW – Leibniz-Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Sie ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und des Zukunftsrat der Bundeskanzlers.
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