Der Autor versucht in diesem Beitrag eine Verteidigung der modernen Architektur, übt dabei aber zugleich Kritik an ihr. Die Antwort der modernen Architektur auf die Herausforderung durch den Industriekapitalismus besteht im Funktionalismus. Der Funktionalismus nimmt die neuen Materialien auf, gestaltet sie jedoch mit "ästhetischen Eigensinn". Allerdings ist die moderne Architektur nicht in der Lage, sich den systematischen Abhängigkeiten zu entziehen; vielmehr läßt sie sich durch diese bereitwillig überfordern. Der Autor vertritt die Ansicht, daß die postmoderne Architektur nicht jene Probleme lösen kann, an denen die moderne Architektur gescheitert ist. Vielmehr fällt sie hinter die entscheidenden Errungenschaften der modernen Architektur, hinter die Einheit von Form und Funktion, zurück. Der Autor hält die postmoderne Architektur für bloße Kulissenarchitektur. (DS)
Der Beitrag enthält Bemerkungen zur Architektur, die sich auf philosophische und soziologische Aspekte beziehen. Aus der Perspektive der kritischen Theorie werden Entwicklungsprozesse dieser Disziplin und ihrer Praxis beschrieben. Ansatzpunkt ist die Aufklärung, die durch die Schaffung historischen Bewußtseins auch für die Architektur wesentliche Grundlagen mitgestaltet hat. Es wird gezeigt, daß die moderne Architektur in klassischer Weise die Traditionslinie des okzidentalen Rationalismus fortgesetzt hat. Durch die Herausbildung des Industriekapitalismus ist es zu einer Spaltung der Architektur in eine technische Praxis für die Lebensbereiche der Armen und eine stilistische Praxis für die Oberschichten gekommen. Die funktionalistische Bauweise wird der Gesellschaft der Gegenwart zugeordnet. Ihr stellt sich allmählich eine Alternativkultur entgegen, die sich gegen die Kolonialisierung der Lebenswelt wehrt. (HA)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3455-3462
"Die architektonische Gestalt von Städten ist materialisierte Geschichte. Die kulturhistorischen Epochen haben sich mit ihren Denkungsarten in Form von baulichen Manifestationen auf unterschiedliche Weise in die jeweiligen Stadtgestalten 'eingeprägt'. Jede Stadt hat in dieser Hinsicht 'Individualität'. Stadtbewohner können daraus Identität beziehen. Der Beitrag wird am Beispiel von Dresden aufzeigen, dass Architektur ein zentrales Element der Stadtkultur und der städtischen Identität sein kann. Es wird argumentiert, dass die Bedeutung von Architektur bzw. von Bauwerken über kommunikative Vorgänge hergestellt wird. Die Analysen erbrachten, dass schon in der frühesten Dresden-Literatur (seit 1607) und in der frühesten Lokalpresse (seit 1749) regelmäßig Bauwerke erwähnt werden und dass die Thematisierung von Bauwerken und deren Bauweise untrennbar mit Ästhetisierungen verbunden ist. Dieses Phänomen hat sich bis heute gehalten: Vor allem die architektonische Gestalt des 'alten Dresdens' wird unter ästhetischen Gesichtspunkten beschrieben und zu einem ästhetischen Ideal gemacht. Die Zerstörung dieser Architektur im Jahre 1945 wird zu einer ästhetischen Katastrophe stilisiert, die zu Verlusterfahrungen führte. Der Aufbau Dresdens stellt sich als ein Ringen um die Wiedergewinnung von Ästhetik in der Architektur, und zwar nach altem Muster, dar. Städtebauliches Handeln wird typischerweise vor dem Hintergrund bewertet, inwiefern es kulturhistorische Denkmäler achtet und pflegt, inwiefern es dem Primat der Ästhetik huldigt. Der Verfall von Bausubstanz wird als ein schmerzlicher ästhetischer Verlust, gelungene historisierende Rekonstruktionen werden als ästhetischer Gewinn, moderne Glas-Stahl-Beton-Architekturen in einem 'sensiblen' Umfeld werden als ästhetische Störungen - wenn nicht sogar als ästhetische Beleidigungen - beschrieben. Dresdner werden als Stadtbürger dargestellt, die einen Sinn für Ästhetik haben und die sich im Rahmen eines ausgeprägten Interesses für die Stadtentwicklung für die Rekonstruktion der ästhetischen Architektur des 'alten' Dresdens einsetzen." (Autorenreferat)
Die Autoren fragen zum einen nach der formalen Wirkung bestimmter Bauten, d.h. nach der architektonischen Artikulation. Zielgerichtet auf die soziopolitischen Faktoren der Architektur wird zum anderen der gesellschaftliche Aspekt ihrer Wirksamkeit beleuchtet, d.h. die Formensprache wird decodiert. Auf diese Weise wird die sozio-politische Effizienz der Architektur herausgestellt und ihre Akzeptanz, die sie unter dem Zeichen des Zeitgeistes erfährt, ideologiekritisch hinterfragt. Untersucht werden folgende Bauten: das Verwaltungsgebäude und die Fabrikationshalle der ehemaligen Ruhrstahl in Witten-Annen, die Hauptvermittlungsstelle der Deutschen Bundespost in Dortmund, das neue Rathaus in Dortmund, und als Beispiel für eine private Architektur der Wohnhof Rheinische Straße in Dortmund. Insgesamt zeigt sich ein Bild von Architektur als Träger von Wertvorstellungen, die hierarchisch die sozio-politische Situation als kulturelle Matrix bestimmen. "Gleichzeitig Herrschaft ausdrückend und Autorität fordernd versucht die Architektursprache auch zugleich Identifikationsangebote für das Publikum zu geben. Die Doppelwertigkeit von Herrschaft und Schutzversprechen, die die Architektur in postmoderner Sprache äußert, ist Teil der aktuellen politischen Restauration." (ICD)
Der Autor geht bei seiner Annäherung an eine politische Ikonologie der modernen Architektur zwei Fragen nach: Welche Rolle spielen die Sozialwissenschaften und die Geschichtswissenschaft im Rahmen der interdisziplinären ikonologischen Analyse? Kann die Ikonologie im Rahmen der Architekturgeschichte die gleiche Rolle spielen wie bei der Analyse von Malerei? Der Autor beschreibt zunächst die Differenzierung, Pluralisierung und Funktionalisierung der politischen Symbole im 19. Jahrhundert, um im Anschluss daran das Absterben der politischen Symbolik in der Moderne und die Grenzen der politischen Symbolik in der Spätmoderne aufzuzeigen. Im historischen Rückblick gesehen war eine Politik mit Symbolen nach seiner These am bedeutungsvollsten, solange die Herrschenden weite Entscheidungsbefugnisse besaßen. Im Absolutismus waren sie "souverän" in der Politik; in der Moderne schrumpfte der Entscheidungsspielraum zusehends und im postmodernen Zeitalter der Massenmedien tritt eine Politik der Symbole hinter symbolische Politik zurück. Politische Symbolik wird in der modernen Architektur - mit der Demokratie als Bauherr - nur additiv an einem funktionalen Zweckbau angebracht. Die eigentliche Inszenierung ist nicht mehr der herrschaftliche Bau, sondern sie findet innerhalb und außerhalb dieser Architektur statt. Daher hat die medienwissenschaftliche Erforschung der symbolischen Politik heute eine größere Bedeutung als die politische Symbolik und wird von der Ikonologie entschlüsselt. (ICI2)
Wie Programme und Propaganda der NSDAP insgesamt mit äußerst widersprüchlichen Aussagen unterschiedlichste Gruppen anzusprechen versuchten, so war auch die Kulturpolitik darauf ausgerichtet, ein möglichst breites Spektrum populärer Meinungen zu erfassen. Dies betraf auch die Bereiche Kunst, Architektur und Stadtplanung. An Beispielen aus der Architekturplanung, der Stadtplanung und der Verkehrsplanung wird in dem Beitrag gezeigt, wie im Dritten Reich verschiedene Planungsebenen und bislang getrennte Arbeitsbereiche miteinander verknüpft wurden, um Modernisierungskonzepte durchzusetzen, die gegenüber den traditionellen Formen herkömmlichen Städtebaus nun verstärkt technische Aspekte übergreifender Raumordnungspolitik und Verkehrspolitik zur Geltung brachten. Die Gleichzeitigkeit der Festigung einer neuen Ordnung und einer Mobilisierung der Massen und Modernisierung der Lebensformen wird exemplarisch am Bau der Reichsautobahnen beschrieben. Auf der Grundlage der Gesetze und Erlasse von 1937 werden die Ziele im Hinblick auf die Neugestaltung der Städte erörtert. Dabei wird anhand einiger Projekte das Konzept der "Stadtlandschaft" dargestellt. Als Wesentliches der nationalsozialistischen Stadtplanung erscheint, so wird zusammengefaßt, die Schaffung von konzeptionellen und mentalen Voraussetzungen, unter denen die vorhandenen Stadtstrukturen in juristischer, funktionaler und baulicher Hinsicht grundsätzlich zur Disposition gestellt wurden. (ICA)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5846-5858
"Finanzbauten prägen signifikant das Erscheinungsbild von Weltstädten. In ihren in die Höhe strebenden, bisweilen monumentalen, manchmal spektakulären Architekturen symbolisieren sie die Potenz der Finanzwirtschaft und schreiben sich mit materialer und visueller Wucht in die Skyline eines Ortes ein. Im Ensemble als Finanzdistrikt werden sie wichtige Bestandteile des Images einer bestimmten Stadt und als Ausweis für Modernität und Globalität im internationalen Städtewettbewerb und -marketing herangezogen. Die Deklassierung anderer zentraler Gebäude wie Munizipal- oder Sakralbauten in ihrer Wirkung und Bedeutung durch Geschäfts- und besonders Finanzarchitekturen erfolgt - seit der Errichtung der ersten Wolkenkratzer in nordamerikanischem Großstädten - in allen urbanen Gebieten der Welt rapide. Die Analyse von Finanzbauten und generell Architektur ist ein genuin soziologisches Forschungsfeld: Architektur ist eine (ge)wichtige Oberfläche für Symbolisierung und Repräsentation; einzelne Bauten fungieren als Ikonen mit Superzeichen-Charakter, die ganze Bedeutungsfelder strukturieren. Dennoch sind ausführliche Betrachtungen und Theoretisierungen konkreter Stadtformen und deren materialer Architektur bislang auffällige Leerstellen in der Soziologie und sogar in der Stadt- und Raumforschung geblieben. Sensibilität für visuelle und materiale Phänomene und eine entsprechende methodische Fassung entwickelt sich hier gerade erst. Architekturtheorie und Kunstgeschichte verfügen zwar über Instrumentarien für die Architekturanalyse, jedoch mangelt es meist an soziologischem Problembewusstsein. Dieser Beitrag forciert soziologische Perspektiven der Architekturanalyse in der exemplarischen Untersuchung von Finanzbauten auf ihren Selbstdarstellungsgehalt. Aufgrund des ausgeprägten Spannungsfeldes zwischen der inhaltlichen Abstraktion und Virtualiät der Finanzökonomie und ihren schweren, relativ permanenten Artefakten, lässt sich gerade anhand von Finanzgebäuden ein Verständnis von Architektur als Versichtbarung des Unsichtbaren und Materialisierung des Immateriellen - jenseits funktionaler Notwendigkeit - besonders überzeugend elaborieren. Mit Akzent auf den skulpturalen und visuellen Aspekten der Architektur, wird die Verfasserin darlegen, dass und wie die Szenografie von Finanzlandschaften Stadt- und Weltbilder impliziert und Finanzgebäude als katalytische Objekte für ganze Stadtentwicklungen und Rezeptionen von Lokalität fungieren." (Autorenreferat)
Dieser Beitrag befaßt sich mit der Postmoderne in der Kunst unter besonderer Berücksichtigung der Architektur. Es wird generell dafür plädiert, daß, wer von Postmoderne spricht, klarzumachen hat, welche Moderne er im Visier hat. Weiterhin wird speziell auf die Frage des postmodernen Klassizismus in der Architektur eingegangen, und dabei wird ein Kriterium von Postmodernität formuliert, daß durch "agonale Komplexität" bezeichnet ist. Es stellt sich dann heraus, mit welcher Moderne - und in welcher Modifikation - jene Postmoderne, die dieses Kriterium erfüllt, kongruent ist. Das Fazit lautet: "Die Postmoderne ist die exoterische Alltagsform der einst esoterischen Moderne". (GF2)
Es geht um kulturpolitische Strategien in der postmodernen Architektur. Der Autor beschreibt mit Bezug auf vorhandene Literatur die Bedeutung des kritischen Regionalismus. Er zeigt hinsichtlich der Unterscheidung von Weltkultur und universaler Zivilisation sowohl "restriktive" als auch "befreiende" Elemente. Der der Avantgarde und Moderne entgegengebrachte Widerstand der Bauformen äußert sich in der Schaffung experimenteller Raum-Formen. Gleichzeitig hält der kritische Regionalismus die Vielfalt der Formen aufrecht, deren rein visuelle Wirkung durch die Berücksichtigung weiterer Sinneswahrnehmungen ergänzt wird. (HD)
Die zunehmende Integration Europas verknüpft die Innere Sicherheit des Nationalstaats immer stärker mit der äußeren Sicherheit. Der Wegfall der europäischen Binnengrenzen erlaubt nicht nur dem ehrlichen Bürger den unkomplizierten und schnellen Grenzübertritt - auch der Kriminelle profitiert. So wurde schnell klar, dass Europa mit gemeinsamen, grenzüberschreitenden Maßnahmen und verbesserter Integration auch im Sicherheits- und Justizbereich antworten muss. Insbesondere das organisierte Verbrechen zeichnet sich durch Gruppen mit gemischten Nationalitäten und grenzüberschreitender Tatbegehung aus. Europa wird daher zunehmend zu einem "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" ausgebaut. Europäische Kooperation im Justiz- und Rechtsbereich hat eine lange Tradition, sie kam schon aufgrund des linksextremen Terrors der 1970er-Jahre oder auch von Entführungen der italienischen Mafia in Gang. Der Beitrag schildert diese Entwicklungen, die mit den TREVI-Arbeitsgruppen begannen, und schließlich zur "polizeilich-justiziellen Zusammenarbeit" (PJZ) als einem der drei Eckpfeiler der EU ausgebaut wurden - neben der Wirtschafts- und Strukturpolitik und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Dies führte etwa zu Möglichkeiten der polizeilichen "Nacheile" im grenzüberschreitenden Raum, zum Aufbauvon "Europol" und der europäischen Fingerabdruckdatei "Eurodac" - aber auch im Bereich der juristischenZivilverfahren (etwa bei Ehescheidungen, Sorgerechtsfragenetc.) konnten Verbesserungen für den europäischen Bürgererzielt werden. Ein wichtiger Auslöser war aber die Gefahr, die vom islamistischen Terrorismus ausgeht: die Täter sindschwierig aufzuspüren, das Risiko, dass terroristische Massenmörder Zugang zu Massenvernichtungswaffen erhalten,ist deutlich angestiegen, wie auch die Bereitschaft, Terroranschläge auszuführen - die Offenen Gesellschaften sind verletztlicher geworden. Durch die Zusammenführung nationaler Erkenntnisse über die Zentralstellenfunktion von Europol erhöht sich die Schlagkraft der nationalenSicherheitsbehörden beträchtlich. Es wird deutlich, dass Innere Sicherheit zwar nach wie vor vor allem von Nationalstaaten gewährleistet wird - aber die internationale und europäische Kooperation und Vernetzungwird auch im Bereich der Sicherheits- und Justizpolitikimmer wichtiger. (ICB)
Der Beitrag wendet sich der Frage des Zusammenhangs von Sicherheit und architektonischer und städtebaulicher Gestaltung zu. Historisch sind die Funktionen europäischer Städtegründungen unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie Sicherheit gewährleisten konnten. Über Stadtmauern und den Wehrdienst der Stadtbewohner ("Spießbürger") konnten befestigte Städte ("Festungen") besser verteidigt werden als alleinstehende Gebäude. Die Sicherheit der Stadt forderte soziales Engagement, bot aber allen Bürgern vermehrten Schutz. In der modernen Stadt werden urbane Ordnungs- und Sicherheitsstrukturen von Spezialisten hergestellt (z.B. Polizei, Gesundheitsamt, Sozial- und Ordnungsamt, öffentlichen Versorgern, Schul- und Verkehrswesen). Mit diesen Strukturen gewinnt der urbane "Disziplinarapparat" neue Formen. Die Kriminalsoziologie war lange Zeit gleichgültig gegenüber Fragen der Raumgestaltung. Neuere Ansätze zeigen jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie Kriminalitätswahrscheinlichkeit abgesenkt werden kann - insbesondere, indem soziale Kontrolle ("territoriale Interessengemeinschaft") durch bauliche Maßnahmen gefördert wird. Die Anordnung und Größe der Häuser und Siedlungen, die Strukturierung der Zu- und Aufgänge, Anordnung der Fenster, durchdachte Platzierung von Abstellflächen, Baumbewuchs und "Grenzmarkierungen" kann visuell geschützte Räume entstehen lassen, die den Fremden auffällig werden lassen und das Auftreten krimineller Handlungen verringern können. Der Beitrag weist darauf hin, dass diese baulichen Maßnahmen von einem Management der Quartiere begleitet werden sollten, also von einer sozialen Einbindung der Bewohner in Verantwortlichkeit für ihr Wohnumfeld. "Aufgegebene" Wohnviertel zeigen eine höhere Kriminalität ("Broken window"-Theorie) als gut integrierteWohnumgebungen. Wird dies nicht berücksichtigt, könnenStadtviertel in Kriminalität abgleiten - umso mehr, als dann gut integrierte und situierte Familien und Bürgerin andere Stadtteile abwandern - und ehemals stabile soziale Strukturen durch den Nachzug von sozial schwachenBewohnern weiter untergraben werden. (ICB)
Angesichts der veränderten politischen Situation in Europa bzw. Osteuropa und dem Ende des klassischen Ost-West-Konflikts diskutiert der# Beitrag die zukünftige Richtung der Ost-West-Beziehungen in Richtung Konfliktsteuerung zur Gewährleistung beiderseitiger Sicherheit und Gesamtstabilität. Thematisiert wird in diesem Zusammenhang eine Überführung der zwei großen Paktsysteme NATO und Warschauer Pakt in ein übergreifendes europäisches Sicherheitssystem, dem Amerikaner und Sowjets gleichermaßen angehören. Am Beispiel des amerikanischen Verteidigungskonzepts "Discriminate Deterrence" ("differenzierende Abschreckung") werden im weiteren Verlauf die unterschiedlichen Sicherheitsinteressen der USA und der Bundesrepublik Deutschland erörtert. So stieß die Auffassung der Autoren des vom damaligen amerikanischen Verteidigungsminister Weinberger vorgelegten Memorandums der "Kommission für integrierte Langzeitstrategie" in Europa auf große Kritik, da diese Konzeption eines begrenzten Nuklearkriegs in Europa zur Zerschlagung eines konventionellen Angriffs von östlicher Seite katastrophale Auswirkungen für die Sicherheit Westeuropas hätte. Nur durch eine neue europäische Friedensordnung und Sicherheitspolitik in Form einer Umorientierung und Neuorganisation des europäischen Lagers läßt sich sowohl die abhängige Stellung der BRD von den USA lockern und die Atlantische Gemeinschaft im Sinne einer Schutzgemeinschaft verwirklichen. Abschließend werden die veränderten Funktionen der Bundeswehr angesichts der deutsch-deutschen Wiedervereinigung diskutiert. (ICE)
Thema des vorliegenden Aufsatzes ist die Geschichte der heute im Thyssenbesitz befindlichen, von der Gutehoffungshütte Oberhausen 1844 als erste deutsche Arbeitersiedlung in Bau genommenen Kolonie Eisenheim. Das Interesse des Verfassers, der sich bei der Quellenauswertung u. a. der Methode der "oral history" bediente, ist dabei insbesondere auf die sich in der Architektur der fünf Bauphasen zwischen 1844 und 1901 ausdrückenden unterschiedlichen Denk- und Bewußtseinsformen der Erbauer und die Lebensform der Bewohner der Siedlung gerichtet. Der Verfasser gelangt zu dem Befund, daß die Baugeschichte Eisenheims eine Vorstellung von Siedlung als Kultur spiegelt, die Industrie und Wohnbereich bewußtseinsmäßig in Verbindung setzte. Die realisierten Siedlungsformen sind Ausdruck dafür, daß den Hüttenarbeitern im Reproduktionsbereich lange eine synthetisch zusammengesetzte Rolle zugewiesen wurde: während darin zunächst die ländlich-kleinbäuerlichen Elemente dominierten, setzte sich im Verlauf der späteren Siedlungsphasen eine an städtisch-kleinbürgerlichen Vorbildern orientierte Bauweise durch. (SK)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3942-3951
"Eine weitere Besonderheit konsumvermittelter Vergesellschaftung ist der Bezug auf Objekte, jedenfalls wenn es sich im klassischen Sinne um materielle Güter, also Waren handelt, was zumindest in historischer Perspektive lange Zeit ausschlaggebend gewesen ist. Das charakteristische und kulturkritisch oft hervorgehobene Moment der Unverbindlichkeit des Konsums erwächst aus der Warenform, also der Dekontextualisierung der Konsumobjekte, die somit auf Märkten disponibel werden. Aber auch die von der Soziologie früh bemerkte symbolische Dimension des Konsums (aus der soziale Mechanismen wie Mode oder Distinktion abzuleiten sind) ist objektvermittelt: Es sind die konsumierten oder begehrten Objekte, welche sozial wirksam werdende Bedeutungen transportieren. Vor diesem Hintergrund steht in Michael Makropoulos' Vortrag der Vergleich des Konsums mit einem weiteren, für die Moderne charakteristischen Medium objektvermittelter Vergesellschaftung - der Architektur." (Autorenreferat)
Der Beitrag beleuchtet unter Berücksichtigung von empirischem Datenmaterial für den Zeitraum von 1952 bis 2007 die Ausgestaltung des Vertrags über eine Verfassung für Europa (VVE). Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die so genannte Fusionsthese, eine Kombination integrations- und institutionstheoretischer Ansätze: Der Verfassungsvertrag ist in seiner geschriebenen Fassung als Teil eines stufenförmigen Fusionsprozesses zu verstehen. Demnach verstärken wesentliche Artikel des VVE zur institutionellen Konfiguration Entwicklungslinien und Tendenzen, die die Gründergeneration in der ursprünglichen Vertragsarchitektur in Grundzügen angelegt und die folgende Politikgeneration auf Gipfeltreffen, insbesondere seit der Einheitlichen Europäischen Akte 1986, ausgebaut haben. Nach der Fusionsthese knüpft eine derartige konstitutionelle Evolution des EU-Systems an langfristige Tendenzen staatlicher Ausformungen an und kann so als eine Phase in der Entwicklung europäischer Staaten seit Ende des Mittelalters verstanden werden. Auf Grund der Fusionsthese werden sodann bisherige Erfahrungen mit der bestehenden Architektur zur Einschätzung des Verfassungsvertrags und seiner institutionellen Veränderungen herangezogen. Dabei werden folgende Organe analysiert: (1) das Europäische Parlament auf dem Weg zu einem Zweikammersystem, (2) der Europäische Rat und sein Ausbau der Aufgaben und Handlungsfähigkeit, (3) der Ministerrat mit einer neuen Mehrheitsformel, (4) die Europäische Kommission und seine Ausweitung der Zuständigkeiten und seines Aufgabenprofils, (5) die Position des Außenministers der Union sowie (6) der Europäische Gerichtshof im Zusammenspiel mit den nationalen Parlamenten. Im Anschluss gilt das Augenmerk den Aufgabenfeldern und Verfahren im Zuge der Veränderungen in der institutionellen Architektur, und zwar: (1) der Erweiterung der Aufgabengebiete hin zu einer staatsähnlichen Agenda, (2) die Verfahrensprofile, geprägt von Vielfalt und Komplexität von Beteiligungsmöglichkeiten, (3) die Flexibilisierung von Verfahren sowie (4) Verfahren der Vertragsänderungen, zusammengesetzt aus neuen Beteiligungsmöglichkeiten und alten Vorrechten. Den Schlusspunkt der Untersuchung bildet die Betrachtung von Trendanalysen hinsichtlich der Auswirkungen des VVE auf die institutionellen Verfahren innerhalb der EU, wobei drei Entwicklungen unterschieden werden: (1) angepasste Beteiligungsmuster und die Frage nach einem neuen Gleichgewicht, (2) Trends der europäischen Konstruktion, verstanden als eine weitere, jedoch nicht endgültige Stufe auf der Fusionsleiter bzw. (3) der Verfassungsvertrag als weitere Phase in der Evolution europäischer Staaten im Zuge eines langen historischen Trends. (ICG2)